@phdthesis{Rath2020, author = {Hermann Rath}, title = {Aufkl{\"a}rung neuer Komponenten des regulatorischen Netzwerks von Bacillus subtilis}, journal = {Identification of new components of the regulatory network of Bacillus subtilis}, url = {https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:gbv:9-opus-38610}, pages = {115}, year = {2020}, abstract = {Bei dem weit verbreiteten, Gram-positiven Bakterium Bacillus subtilis handelt es sich um einen der am besten charakterisierten Organismen. Drei Faktoren haben insbesondere zur Etablierung von B. subtilis als Modellorganismus beigetragen: I.) die einfache genetische Manipulierbarkeit und Handhabung im Labor, II.) das Interesse an zellul{\"a}ren Differenzierungsprozessen wie der Bildung von Endosporen und III.) die biotechnologische Bedeutung von Bacillus-Arten. Deshalb sind die zellul{\"a}ren Komponenten, wie Proteine, Metabolite und regulatorische RNAs, und physiologischen Prozesse von B. subtilis, einschlie{\"s}lich seiner Anpassungsmechanismen an verschiedene N{\"a}hrstoff- und Stressbedingungen, bereits sehr gut charakterisiert. Im Mittelpunkt der vorliegenden Arbeit stand die Anpassung der Genexpression von B. subtilis an hyperosmotische Bedingungen, mit denen das Bakterium in seinen nat{\"u}rlichen Habitaten h{\"a}ufig konfrontiert ist. Die Konstruktion genomreduzierter St{\"a}mme ist ein Ansatz, die Interaktionen zwischen den zellul{\"a}ren Komponenten sowie die Funktion aller Proteine und funktionellen RNAs eines Organismus besser zu verstehen. Das MiniBacillus-Projekt verfolgt das Ziel, durch schrittweise Deletion aller nicht-essentiellen genomischen Regionen einen B. subtilis-Stamm zu entwickeln, der mit einem minimalen Set an Genen in komplexen Medien wachsen kann. In einer von der Arbeitsgruppe um Prof. J. St{\"u}lke (Georg-August-Universit{\"a}t G{\"o}ttingen) koordinierten Studie erfolgte die bisher umfassendste Multi-Omics-basierte Charakterisierung von genomreduzierten St{\"a}mmen. Die zwei analysierten St{\"a}mme wiesen eine Genomreduzierung von ca. 35 \% auf. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wurden das Transkriptom der St{\"a}mme im Vergleich zum Ausgangsstamm unter Verwendung von strangspezifischen Tiling-Arrays untersucht sowie ph{\"a}notypische Merkmale der Zellen mittels Fluoreszenzmikroskopie analysiert. Die Studie lieferte wichtige Befunde zur Verteilung der zellul{\"a}ren Translationskapazit{\"a}t und zeigte beispielsweise, dass der Anteil der essentiellen Proteine am gesamten Proteom in den drei B. subtilis-St{\"a}mmen gr{\"o}{\"s}er als 50 \% ist, w{\"a}hrend Proteine mit unbekannter Funktion weniger als 3 \% des Proteoms ausmachen. Weiterhin wurden die Auswirkungen der Deletionen auf die Genexpression und den Metabolismus untersucht, wobei sich die Unterschiede zwischen den genomreduzierten St{\"a}mmen und dem Ausgangsstamm zum gr{\"o}{\"s}ten Teil mit Ver{\"a}nderungen der Menge oder der Aktivit{\"a}t von Transkriptionsfaktoren erkl{\"a}ren lassen. Die Multi-Omics-Studie trug nicht nur zum besseren Verst{\"a}ndnis der zellul{\"a}ren Netzwerke bei, sondern identifizierte auch Ansatzpunkte f{\"u}r die gezielte Deletion weiterer genomischer Bereiche. Eine weitere Transkriptomanalyse wurde im Rahmen eines Projektes mit der Arbeitsgruppe um Prof. J. St{\"u}lke zur Charakterisierung der physiologischen Rolle des sekund{\"a}ren Botenstoffs c-di-AMP durchgef{\"u}hrt. c-di-AMP ist ein essentielles Signalnukleotid vieler Bakterien, das bei Gram-positiven Organismen eine wichtige Rolle bei der zellul{\"a}ren Kalium-Hom{\"o}ostase spielt, aber auch weitere Funktionen wie den Zellwandmetabolismus beeinflusst. Im Rahmen dieser Arbeit wurden die Genexpressionsmuster des B. subtilis-Stammes 168 und einer Mutante, die c-di-AMP nicht abbauen kann, miteinander verglichen, um die Auswirkungen einer Akkumulation von c-di-AMP auf globaler Ebene zu untersuchen. Zu den st{\"a}rksten Effekten geh{\"o}rte die Repression der beiden Operons, die f{\"u}r die Biofilmbildung entscheidend sind. In weiteren Experimenten in G{\"o}ttingen wurde mit einem nicht domestizierten Stamm gezeigt, dass B. subtilis bei hohen intrazellul{\"a}ren c-di-AMP-Konzentrationen keinen Biofilm ausbilden kann. Ebenfalls im Rahmen eines Kooperationsprojektes mit der Arbeitsgruppe um Prof. J. St{\"u}lke wurde eine Transkriptomanalyse durchgef{\"u}hrt, um den Zusammenhang zwischen Ver{\"a}nderungen der DNA-Topologie und dem Glutamatstoffwechsel von B. subtilis aufzukl{\"a}ren. Der Ausgangspunkt dieser Analyse waren Studien der G{\"o}ttinger Arbeitsgruppe zum zentralen Regulator der Kohlenstoff-Katabolitenrepression, CcpA, dessen Inaktivierung dazu f{\"u}hrt, dass B. subtilis Glutamat nicht selbst synthetisieren kann. Die Ursache daf{\"u}r ist die konstitutive Expression des rocG-Gens, das einen negativen Effektor des Transkriptionsaktivators GltC kodiert. Bestimmte Supressormutanten, die ohne Zugabe von Glutamat wachsen k{\"o}nnen, besitzen aufgrund einer Punktmutation im topA-Gen eine hyperaktive Form der Topoisomerase I, die mit einer Reduktion des negativen DNA-Supercoilings verbunden ist. In der durchgef{\"u}hrten Transkriptomanalyse wurden mehr als 1100 Gene identifiziert, die in der ccpA topAhyper-Mutante eine im Vergleich zur ccpA-Mutante ver{\"a}nderte Expression aufwiesen. Die damit verbundenen Auswirkungen auf das metabolische Netzwerk von B. subtilis f{\"u}hren dazu, dass RocG seine regulatorische Funktion nicht mehr aus{\"u}ben kann und GltC dadurch in der Lage ist, die Transkription des Glutamat-Biosynthese-Operons gltAB zu aktivieren. Insgesamt hat die Studie Verbindungen zwischen der DNA-Topologie und dem metabolischen Netzwerk gezeigt, die unter physiologischen und biotechnologischen Aspekten von Interesse sind. Um ein Absinken des Turgors unter hyperosmotischen Bedingungen zu vermeiden, akkumulieren Bakterien kompatible Solute im Zytoplasma. B. subtilis kann mit Hilfe von f{\"u}nf osmotisch induzierbaren Aufnahmesystemen (OpuA bis OpuE, engl. osmostress protectant uptake) mindestens 15 verschiedene osmoprotektive Substanzen aus der Umgebung aufnehmen. Die aus einem Genduplikationsereignis hervorgegangenen Transporter OpuB und OpuC weisen eine Sequenzhomologie von {\"u}ber 70 \% auf, unterscheiden sich aber dennoch deutlich hinsichtlich ihres Substratspektrums. W{\"a}hrend OpuB weitgehend spezifisch f{\"u}r das Glycin-Betain-Vorl{\"a}ufermolek{\"u}l Cholin ist, kann der OpuC-Transporter eine Vielzahl an verschiedenen Substanzen, einschlie{\"s}lich Glycin-Betain und Cholin, aufnehmen. F{\"u}r das opuB-Operon wurde in einer vorangegangenen Transkriptomstudie ein Antisense-Transkript mit der Bezeichnung S1290 identifiziert, welches eine starke transiente Induktion nach Einwirkung eines Salzschocks zeigte. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wurde die bioinformatisch vorhergesagte Abh{\"a}ngigkeit der S1290-Expression vom alternativen RNA-Polymerase-Sigmafaktor SigB, dem zentralen Regulator der generellen Stressantwort von B. subtilis, experimentell best{\"a}tigt und die potentielle regulatorische Rolle der asRNA (engl. antisense RNA) untersucht. Es wurde gezeigt, dass die S1290-asRNA f{\"u}r die zeitlich verz{\"o}gerte Induktion von opuB nach einem Salzschock verantwortlich ist. Diese Ergebnisse lassen darauf schlie{\"s}en, dass B. subtilis die effektive Nutzung der vorhandenen osmoprotektiven Substanzen und der energetischen Ressourcen erreicht, indem zun{\"a}chst vorrangig die Gene induziert werden, die f{\"u}r den relativ unspezifischen OpuC-Transporter kodieren, und erst danach die Synthese des Cholin-spezifischen Transporters OpuB aktiviert wird. Neben der Akkumulation von osmoprotektiven Substanzen sind andauernde hyperosmotische Bedingungen mit vielen weiteren Ver{\"a}nderungen der Genexpression und Physiologie von B. subtilis verbunden. Dazu z{\"a}hlen unter anderem Ver{\"a}nderungen im Zellwandmetabolismus, die Induktion einer Eisenlimitationsantwort, eine reduzierte Motilit{\"a}t und die Unterdr{\"u}ckung der Sporulation. Um zus{\"a}tzliche Facetten der Anpassung von B. subtilis an ein kontinuierliches Wachstum unter hyperosmotischen Bedingungen aufzudecken, erfolgte im Rahmen dieser Arbeit eine globale Analyse des Transkriptoms unter Verwendung strangspezifischer Tiling-Arrays. Der Vergleich der Transkriptmengen unter Hochsalzbedingungen (1,2 M NaCl) und unter Standardbedingungen zeigte Ver{\"a}nderungen der Expression von mehr als einem Viertel der proteinkodierenden Gene sowie zahlreicher nicht-kodierender RNAs. Es wurden bisher nicht bekannte Anpassungsreaktionen von B. subtilis an hyperosmotische Bedingungen identifiziert, wie beispielsweise eine anhaltende nicht-maximale Induktion des SigB-Regulons und eine erh{\"o}hte Expression CymR-abh{\"a}ngiger Gene. Ein weiteres Ergebnis der durchgef{\"u}hrten Studie war, dass eine hohe Osmolarit{\"a}t der Umgebung nicht nur die Motilit{\"a}t der B. subtilis-Zellen negativ beeinflusst, sondern auch zu einer stark verringerten Biofilmbildung f{\"u}hrt. Die Akkumulation von osmoprotektiven Substanzen wie Glycin-Betain wirkt der Dehydrierung des Zytoplasmas entgegen, kann aber zellul{\"a}re Prozesse auch durch eine stabilisierende Wirkung auf Proteine und Nukleins{\"a}uren beeinflussen. Die genomweiten Effekte von Glycin-Betain auf die Genexpression von B. subtilis wurden in dieser Arbeit zum ersten Mal untersucht. In Gegenwart von 1,2 M NaCl und 1 mM Glycin-Betain wiesen 40 \% der Gene, die unter Hochsalzbedingungen im Vergleich zur Kontrolle induziert waren, eine signifikant verringerte Expression auf. Darunter befanden sich Gene, die f{\"u}r Opu-Aufnahmesysteme kodieren, sowie viele Gene des SigB-Regulons. Demgegen{\"u}ber wird die bei hohen Salzkonzentrationen unterdr{\"u}ckte Expression der Sporulationsgene durch die Supplementation des Mediums mit Glycin-Betain nicht aufgehoben. Die Transkriptmengen von 150 Genen waren durch Glycin-Betain sowohl unter Hochsalz- als auch unter Kontrollbedingungen beeinflusst. Mit dieser Studie wurden umfassende Daten zur Genexpression von B. subtilis unter hyperosmotischen Bedingungen generiert, wodurch neue Facetten der zellul{\"a}ren Anpassung sowie globale Effekte der osmoprotektiven Substanz Glycin-Betain aufgedeckt werden konnten.}, language = {de} }