@phdthesis{Schueler2017, author = {Andreas Sch{\"u}ler}, title = {Die Gemeindeentwicklung in Mecklenburg-Vorpommern als dynamischer Prozess zwischen Infrastruktur und Vulnerabilit{\"a}t}, journal = {Community development in Mecklenburg-Western Pomerania as a dynamic process between infrastructure and vulnerability}, url = {https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:gbv:9-opus-21402}, year = {2017}, abstract = {In M.-V. werden wesentliche politische Entscheidungen regelm{\"a}{\"s}ig von Hinweisen auf Bev{\"o}lkerungsprognosen begleitet. Dabei sind es Bev{\"o}lkerungsvorausberechnungen, deren Ergebnisse ma{\"s}geblich von den getroffenen Annahmen, den zugrundeliegenden Bev{\"o}lkerungsdaten und der Methodik abh{\"a}ngen. In Kombination mit deren weiteren Prinzipien handelt es sich eher um Modelle, deren Aussagekraft bez{\"u}glich eines langen Prognosezeitraumes stark limitiert ist. Da alternative Instrumente demgegen{\"u}ber deutlich zur{\"u}ckstehen, k{\"o}nnen Infrastrukturentscheidungen nicht in ausreichendem Ma{\"s}e abgesichert werden. Vor dem Hintergrund, dass M.-V. bspw. durch eine geringe Bev{\"o}lkerungsdichte oder eine Vielzahl kleiner Gemeinden gekennzeichnet ist, sollte es die oberste Pr{\"a}misse sein, langfristig weithin akzeptierte Strukturen zu schaffen, die den Gemeinden eine Perspektive gibt. In diesem Sinne ist der bisherige Ansatz der St{\"a}rkung der Zentren und der infrastrukturellen Marginalisierung der {\"u}brigen Gemeinden nicht erstrebenswert. Diesem Ansatz wird eine Flexibilisierung von Infrastruktur entgegengestellt, mit der alles erfasst wird, was im politisch gesetzten Auftrag bestehende Funktionsdefizite ausgleicht oder abdeckt. Gleichzeitig wird dem Begriff der Daseinsvorsorge eine Absage erteilt, da von Grunddaseinsfunktionen bei einem staatlichen R{\"u}ckzug aus der Fl{\"a}che nicht mehr gesprochen werden kann. Andernfalls w{\"u}rden bspw. die {\"u}ber 65-J{\"a}hrigen nicht in die Zentren „fl{\"u}chten‟. Zudem muss festgehalten werden, dass mit der Flexibilisierung des Begriffes Infrastruktur auch eine Neuinterpretation der Begriffe Mobilit{\"a}t und Verkehr einhergeht. Mobilit{\"a}t zeichnet bisher durch eine technische {\"U}berbetonung aus und zielt auch auf Ortsver{\"a}nderungen ab. Damit {\"u}berschneidet sich Mobilit{\"a}t definitorisch mit Verkehr. Zugleich ist die Rolle der Infrastruktur von nachrangiger Bedeutung. Die Integration des flexiblen Infrastrukturbegriffes f{\"u}hrt zu einer Mobilit{\"a}t, die einfach die F{\"a}higkeit zur Interaktion beschreibt und Verkehr wird zu konkreten Handlungen von Subjekten oder sozialen Gruppen. Beide sind dann nur noch von den individuellen Pr{\"a}ferenzen und der Infrastruktur abh{\"a}ngig, wobei die Unplanbarkeit der individuellen Pr{\"a}ferenzen festgehalten werden muss. Die infrastrukturelle Abh{\"a}ngigkeit zeigt sich auch bei Vulnerabilit{\"a}t und Resilienz. W{\"a}hrend Vulnerabilit{\"a}t f{\"u}r Prozesse und deren Wirkungen auf Systeme sowie Organisationen in Abh{\"a}ngigkeit von Infrastruktur steht, bezeichnet Resilienz den Umgang mit vulnerablen Prozessen in Abh{\"a}ngigkeit von der Infrastruktur und der Zielsetzung. Aufgrund der nur unzureichend vorhandenen Informationen {\"u}ber die Gemeinden in M.-V. stand die Verbesserung der empirischen Basis gegen{\"u}ber de-taillierten Ma{\"s}nahmen im Fokus. Ganz allgemein vollzog sich auf der Gemeindeebene zwischen 1990 und 2012 eine sehr vielschichtige Entwicklung. Das betrifft neben der Einwohnerzahl auch die altersgruppenspezifische Betrachtung, die der Besch{\"a}ftigung sowie die Gemeindefinanzen. In Bezug zu den Einwohnerzahlen f{\"u}hrte der Zensus zu eine deutlichen Bereinigung der Statistik. Jedoch wurde eine R{\"u}ckrechnung f{\"u}r fr{\"u}here Jahre per Gerichtsentscheid f{\"u}r unzul{\"a}ssig erkl{\"a}rt. Daher behalten die Werte vor 2011 ihre G{\"u}ltigkeit. W{\"a}hrend in den Jahren vor 2000 eine deutliche Suburbanisierung erkennbar war und sich in den Stadt-Umland-Bereichen entsprechende arbeitsr{\"a}umliche Verflechtungen etablierten, hat sich die Suburbanisierung in der Folgezeit stark abgeschw{\"a}cht und teilweise ins Gegenteil verkehrt. Getragen wird diese Entwicklung insbesondere durch die 20 - 25 sowie die {\"u}ber 65-J{\"a}hrigen. W{\"a}hrend bei den 20 - 25 J{\"a}hrigen die {\"o}konomischen Motive {\"u}berwiegen, welche eine selektive Reurbanisierung st{\"u}tzt, hat die Wanderung der {\"u}ber 65-J{\"a}hrigen eher infrastrukturelle Gr{\"u}nde. Die infrastrukturelle Marginalisierung der kleinen Gemeinden trifft auf eine Altersgruppe, die in zunehmenden Ma{\"s}e zu keiner Kompensation mehr f{\"a}hig ist und so in Richtung der zentralen Orte abwandert. Alternativ zieht es diese Altersgruppe auch in touristisch bedeutsame Gemeinden. Damit tritt eine planerisch opportune Wanderungsbewegung ein, welche die Pr{\"a}misse der St{\"a}rkung der Zen-tren unterst{\"u}tzt. Diese Segregation vollzieht sich vor einer dispersen Siedlungsstruktur, welche durch die politische Rahmensetzung und gezielte Vermarktungsstrategien in der Vergangenheit verfestigt wurde, die den individuellen Pr{\"a}ferenzen viel Freiraum erm{\"o}glichte. Die Infrastrukturkonzentration destabilisiert die Strukturen und f{\"o}rdert wiederum die Arbeitsplatzkonzentration in den Zentren. Allein die Ober- und Mittelzentren vereinten 2012 60 \% der SV Besch{\"a}ftigungsverh{\"a}ltnisse. Die Arbeitspl{\"a}tze sind damit weit st{\"a}rker konzentriert als die Bev{\"o}lkerung und hohe Auspendlerquoten die Folge. Dabei obliegt der Ausgleich infrastruktureller Defizite den Gemeinden, die wiederum eine hohe fremdbestimmte Ausgabenlast zu bew{\"a}ltigen haben. Demgegen{\"u}ber steht ein KFA, der sich nicht an den realen Aufwendungen orientiert, so dass infolgedessen die Investitionen reduziert wurden. Des Weiteren sind finanzielle Spielr{\"a}ume kaum vorhanden. Im Ergebnis markiert bspw. die selektive Bev{\"o}lkerungsentwicklung oder die Handlungsunf{\"a}higkeit der Gemeinden, die aus der Entwicklung der Gemeindefinanzen resultiert, jeweils einen vulnerablen Prozess, die bisher nicht ad{\"a}quat bew{\"a}ltigt werden. Die St{\"a}rkung der Zentren kann nur im Hinblick auf die politische Zielsetzung als eine positive Resilienzstrategie f{\"u}r eine Handvoll Gemeinden bezeichnet werden. Um eine zuk{\"u}nftige Alternativendiskussion anzuregen, wurden die Gemeinden im Anschluss einer multivariaten Analyse unterzogen. Zur Absicherung der Ergebnisse wurde eine Pr{\"u}fung auf Normalverteilung sowie eine Untersuchung auf stochastische Unabh{\"a}ngigkeit vorgeschaltet. Die Pr{\"u}fung auf Normalverteilung hat ergeben, dass diese f{\"u}r keine der 165 Variablen vorlag. Die ma{\"s}gebliche Ursache hierf{\"u}r liegt in der Betrachtungsebene der administrativen Einheiten und dem hohen Anteil der Gemeinden bis 2.000 Einwohner. Allerdings sind die Gemeinde gerade Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit, so dass sich eine {\"A}nderung der Betrachtungsebene ausschloss. Folglich f{\"u}hrte die Gliederung der administrativen Einheiten in M.-V. in Abh{\"a}ngigkeit von den Einwohnerzahlen zu Autokorrelationen zwischen den einzelnen Variablen. Diese Zusammenh{\"a}nge bestanden auch bei Variablen mit einem zeitlichen Trend, so dass als Folge der Pr{\"u}fung auf stochastische Unabh{\"a}ngigkeit die Clusteranalyse in zwei Analysen mit jeweils einem Variablenblock geteilt wurde. Die Anzahl der betrachteten Variablen reduzierte sich hierbei auf insgesamt 88. Das Resultat der ersten Clusteranalyse waren 5 Klassen, wobei Rostock eine eigene Klasse bildete. Die anderen St{\"a}dte wie Greifswald, Stralsund, Neubrandenburg, Wismar sowie Schwerin formten ihrerseits einen Cluster und die {\"u}brigen Gemeinden verteilten sich auf die anderen drei Klassen. Insbesondere zahlreiche Tourismusgemeinden und zentrale Orte traten in einem eigenen Cluster deutlich hervor. Die Dominanz der gro{\"s}en Gebietsk{\"o}rperschaften zeigte sich auch in der zweiten Clusteranalyse, wobei sich die Struktur mit 6 Klassen als sehr stabil erwies. Die Ergebnisse wurden nach-folgend in einer Typisierung zusammengefasst, wobei sich 14 Regionaltypen erga-ben, deren Interpretation 7 Haupttypen offenbarte. Neben Rostock als Regiopole treten u. a. Regionalzentren, Kleinstgemeinden oder Gemeinden mit eingeschr{\"a}nkter Leistungsf{\"a}higkeit auf. Durchaus bemerkenswert ist der Umstand, dass einige Gemeinden von Usedom und R{\"u}gen eher Stadt-Umland-Gemeinden entsprechen und solche mit einer eingeschr{\"a}nkten Leistungsf{\"a}higkeit eher im Osten des Landes anzutreffen sind. Daneben sind Tourismusgemeinden {\"a}hnlich strukturiert wie Mittelzentren und zahlreiche Grundzentren grenzen sich lediglich {\"u}ber ihren Status von anderen Landgemeinden ab. Dar{\"u}ber hinaus grenzt sich diese Gliederung deutlich von der des Landes mit den l{\"a}ndlichen Gestaltungsr{\"a}umen ab. Zur Identifizierung dieser wurden Kriterien herangezogen, die stochastisch nicht unabh{\"a}ngig sind, welche zur Basis f{\"u}r ein politisch motiviertes Ranking wurden. Die damit aufgeworfene These von der fragw{\"u}rdigen Zukunftsf{\"a}higkeit, ist in erster Linie politisch determiniert. Insgesamt zeigt sich mit der Handlungsmaxime „St{\"a}rkung der Zentren‟ ein vulnerabler Prozess, der sich in der Gemeindeentwicklung deutlich niederschl{\"a}gt. Zur Vermeidung einer weiteren Vertiefung ist zun{\"a}chst eine theoretische Neuausrichtung, wie sie in Grundz{\"u}gen vorgestellt wurde, notwendig. Dabei ist die Forderung, dass Infrastruktur flexibilisiert werden muss, nicht neu. Sie wurde bspw. schon in Zusammenhang neuer interkommunaler Kooperationsformen postuliert. Die bisherige normative Fixierung der langfristigen Infrastrukturentwicklung {\"u}ber ROG und LPlG manifestiert die Reduzierung des l{\"a}ndlichen Raumes auf seinen existentiellen Kern und ignoriert gewachsenen Strukturen und individuelle Pr{\"a}ferenzen der lokalen Bev{\"o}lkerung. Im n{\"a}chsten Schritt sollten die Bev{\"o}lkerungsprognosen um andere Instrumente erg{\"a}nzt werden, um fr{\"u}hzeitig bestimmte Entwicklungen aufzudecken und zu gestalten. Hierbei sollten die Akteure vor Ort, insbesondere die Gemeinden, auch in der Lage sein, die Gestaltungskompetenz wahrzunehmen. Das setzt voraus, dass zur Erf{\"u}llung der Pflichtaufgaben keine Liquidit{\"a}tskredite erforderlich sind. Sollte eine aufgabengerechte Finanzausstattung nicht m{\"o}glich sein, muss die derzeitige Aufgabenverteilung zwischen den Kommunen, dem Land sowie dem Bund neu geregelt werden. Eine fremdbestimmte Aufgabentr{\"a}gerschaft und starre Richtwerte hinsichtlich der infrastrukturellen Ausgestaltung sind Mittel der Vergangenheit, die eine Flexibilisierung und mehr gemeindliche Selbstverantwortung nicht zulassen. Danach kann man beginnen {\"u}ber eine Gemeindegebietsreform Organisationsschw{\"a}chen zu beseitigen und eine Resilienzstrategie zu verfolgen, die sich nicht allein in einer weiteren Infrastrukturkonzentration ersch{\"o}pft.}, language = {de} }