@phdthesis{Obst2015, author = {Anne Obst}, title = {M{\"o}glichkeiten und Grenzen epidemiologischer Analysen zu Langzeitfolgen der Holzschutzmittelexposition in Wohnr{\"a}umen anhand der Akten des Frankfurter Holzschutzmittelprozesses 1984-1993}, journal = {Possibilities and limitations of epidemiological investigations on long-term effects of wood preservatives exposures in residential properties based on documents of the Frankfurt wood preservative trial 1984-1993}, url = {https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:gbv:9-002375-8}, year = {2015}, abstract = {Mit der vorliegenden epidemiologischen Untersuchung anhand der Akten aus dem Ermittlungsverfahren zum „Holzschutzmittel-Prozess“ wurde versucht, einen systematischen Zusammenhang zwischen der niedrigschwelligen chronischen Holzschutzmittel (HSM)-Exposition in Innenr{\"a}umen und dem Auftreten von ausgew{\"a}hlten subjektiven Beschwerden, Symptomen und Erkrankungen wissenschaftlich nachzuweisen. Die umfassenden, alters- und geschlechtsbezogenen Analysen einer Prozesskohorte bestehend aus 179 Haushalten mit insgesamt 602 Personen lassen Beziehungen zwischen einer Exposition gegen{\"u}ber den gesundheitsgef{\"a}hrdenden Stoffen PCP und Lindan in HSM und gesundheitlichen Beeintr{\"a}chtigungen erkennen, erfordern aber gleichzeitig eine Diskussion m{\"o}glicher Limitationen. Die im Hauptstaatsarchiv des Landes Hessen gelagerten Prozessakten mit (1) den Selbstausf{\"u}ller-Frageb{\"o}gen und (2) einer systematischen Erhebung s{\"a}mtlicher Laborwerte (Konzentrationen von PCP und Lindan in Blut- und Urinproben sowie in Holz-, Raumluft- und Staubproben aus den betroffenen Haushalten) bildeten die Datengrundlage. Allerdings limitierten das Design und die Verwendung von zwei unterschiedlichen Selbstausf{\"u}ller-Frageb{\"o}gen im Verlauf der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen die durchgef{\"u}hrten Analysen. Pro Person wurden bis zu 62 Gesundheitsbeschwerden und Krankheitssymptome genannt, die im zeitlichen Zusammenhang mit HSM-Anwendungen bei den Mitgliedern der betroffenen Haushalte aufgetreten waren. Die f{\"u}nf h{\"a}ufigsten Beschwerdenennungen unterscheiden sich bei M{\"a}nnern und Frauen nur in der Rangfolge und entstammen mehrheitlich – mit Ausnahme der Infektanf{\"a}lligkeit und Schlafst{\"o}rung – dem neurologischen Bereich: Kopfschmerzen, Konzentrationsst{\"o}rungen und Mattigkeit. F{\"u}r Kinder (< 14 Jahre) innerhalb der Kohorte wurden zahlenm{\"a}{\"s}ig weniger Gesundheitsbeschwerden berichtet als f{\"u}r Jugendliche/Erwachsene (≥ 14 Jahre). Die Beschwerdenennungen unterscheiden sich au{\"s}erdem deutlich im Spektrum. Bei Kindern sind die internistischen/immunologischen Beschwerden z.B. Infektanf{\"a}lligkeit und Durchfall am h{\"a}ufigsten. Zwischen der Gesamtanzahl der Beschwerden pro Person und der verstrichenen HSM-Menge bzw. Gr{\"o}{\"s}e der behandelten Fl{\"a}che wurden numerisch geringe, jedoch statistisch signifikante positive Korrelationen ermittelt. Diese Hinweise auf einen m{\"o}glichen Zusammenhang wurden sowohl f{\"u}r die gesamte Kohorte als auch f{\"u}r die Untergruppe der Selbstanwender beobachtet. In Bezug auf einzelne Beschwerden wiesen logistische Regressionsanalysen bei M{\"a}nnern einen signifikanten Zusammenhang zwischen der HSM-Menge bzw. dem Verh{\"a}ltnis HSM-Menge/Anstrichfl{\"a}che und dem Auftreten von Bindehautentz{\"u}ndungen, Haarausfall oder Konzentrationsst{\"o}rungen nach. In der Gruppe der Frauen zeigten sich positive Assoziationen zum Auftreten von Kopfschmerzen oder Schlafst{\"o}rungen. Trotz der erh{\"o}hten HSM-Exposition der Betroffenen wiesen Mortalit{\"a}tsanalysen f{\"u}r die untersuchte Kohorte eine deutlich und statistisch signifikant erniedrigte standardisierte Mortalit{\"a}tsratio [SMR 0,51 (95 \%-KI: 0,39-0,67)] auf. Diese Ergebnisse konnten durch Cox Regressionsmodelle best{\"a}tigt werden. Anhand der Altersverteilung, der Angaben zur Lebensweise und der berichteten Berufe l{\"a}sst sich absch{\"a}tzen, dass die betroffenen Personen nicht als repr{\"a}sentativ f{\"u}r die Allgemeinbev{\"o}lkerung angesehen werden k{\"o}nnen. So umfasst die Kohorte vergleichsweise weniger Raucher und {\"U}bergewichtige. Auch ist ein geringerer Alkoholkonsum zu verzeichnen. Zusammen mit dem Fakt, dass die Kohorte haupts{\"a}chlich aus Personen der mittleren bzw. h{\"o}heren sozialen Schicht besteht, k{\"o}nnte der beobachtete ges{\"u}ndere Lebensstil eine Ursache f{\"u}r die niedrigere Mortalit{\"a}tsrate darstellen. Eine hohe Selbstselektierung der Kohortenmitglieder, die sich aufgrund eigener Initiative als Zeugen gemeldet hatten, schlie{\"s}t eine unkritische Verallgemeinerung der erzielten Studienergebnisse auf die Allgemeinbev{\"o}lkerung aus. Die Analyse der Prozessakten, der Verfahrensweisen bei der Datenerhebung durch die Staatsanwaltschaft, der Dokumentation und des Datenbestandes im Kontext des HSM-Prozesses erm{\"o}glichen es jedoch, Limitationen aufzuzeigen und methodische Schwierigkeiten bei der wissenschaftlichen Aufarbeitung der HSM-Problematik zu identifizieren. Hieraus k{\"o}nnen Empfehlungen f{\"u}r ein zuk{\"u}nftiges Vorgehen bei der Untersuchung {\"a}hnlicher toxikologischer Risiken abgeleitet werden.}, language = {de} }