@phdthesis{Schmidt2018, author = {Judith Schmidt}, title = {Impfeinstellung und -verhalten unter niedergelassenen Kinder- und Jugendmedizinern mit und ohne Schwerpunkt-/Zusatzbezeichnung Hom{\"o}opathie – deskriptive Querschnitts-Studie f{\"u}r Deutschland –}, journal = {Inoculation attitude and behavior under established pediatricians with and without additional designation homeopathy - descriptive cross-sectional study for Germany}, url = {https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:gbv:9-opus-22491}, pages = {170}, year = {2018}, abstract = {Hintergrund: Die zunehmende Impfkritik in bestimmten Bev{\"o}lkerungskreisen wird in Zusammenhang mit der zunehmenden Verbreitung von Komplement{\"a}rmedizin gebracht. Hom{\"o}opathie ist einer der st{\"a}rksten Vertreter unter der wachsenden Komplement{\"a}r-Medizin. Besonders in der P{\"a}diatrie, wo die meisten Impfungen durchgef{\"u}hrt werden, wird Hom{\"o}opathie vermehrt eingesetzt. Eine Umfrage aus dem Jahre 1996 zeigte erstmals, dass entgegen der {\"o}ffentlichen Meinung hom{\"o}opathische {\"A}rzte in Deutschland keine entschiedenen Impfgegner sind, aber durchaus kritischer und individueller beim Impfen vorgehen. Methodik: In der vorliegenden Arbeit werden Impfeinstellung und Impfverhalten unter niedergelassenen P{\"a}diatern in ganz Deutschland untersucht. Hierbei werden P{\"a}diater mit und ohne Zusatzbezeichnung Hom{\"o}opathie gegen{\"u}bergestellt. Mittels einer repr{\"a}sentativen Querschnittuntersuchung wurden im Jahre 2006/2007 50 \% (N=3019) aller niedergelassenen P{\"a}diater aus ganz Deutschland per Post (Zufallsstichprobe) zum Thema Impfen befragt. Erg{\"a}nzend wurden zeitgleich 245 hom{\"o}opathisch orientierte P{\"a}diater in die anonymisierte Befragung eingeschlossen. Das Instrument wurde zuvor in einer Pilotstudie unter 200 deutschen P{\"a}diatern evaluiert. Die Auswahl der P{\"a}diater erfolgte {\"u}ber Adressverzeichnisse der Kassen{\"a}rztlichen Vereinigungen und {\"A}rztekammern der verschiedenen Bundesl{\"a}nder, sowie zus{\"a}tzlich {\"u}ber den Deutschen Zentralverein f{\"u}r hom{\"o}opathische {\"A}rzte (DZVh{\"A}) und der Karl und Veronica Carstens (KVC)-Stiftung um eine m{\"o}glichst gro{\"s}e Vergleichsgruppe an hom{\"o}opathischen P{\"a}diatern zu erhalten. Die R{\"u}ckl{\"a}ufe der Zufallsziehung, der zus{\"a}tzlich hom{\"o}opathischen P{\"a}diater und der Pilotstudie wurden f{\"u}r die Auswertung gepoolt. F{\"u}r einen Vergleich wurden mittels 6 (Teil)-Fragen des Erhebungsinstrumentes P{\"a}diater mit und ohne Schwerpunkt-/Zusatzbezeichnung Hom{\"o}opathie differenziert. Letztere wurden zus{\"a}tzlich unterschieden in P{\"a}diater, die Hom{\"o}opathie oder eine andere alternative/komplement{\"a}re Medizin anwenden oder rein konventionelle Medizin betreiben. Das Impfverhalten wurde im Hinblick auf das Einhalten der STIKO-Empfehlungen anhand von 3 Fragen des Erhebungsinstrumentes als Mittelwert-Score operationalisiert:1. Impfen Sie nach dem empfohlenen Impfkalender der STIKO? 2. Wie w{\"u}rden Sie eigene minderj{\"a}hrige Kinder Impfen? 3. Ab welchem Alter empfehlen Sie in der Regel die erste Durchf{\"u}hrung von Impfungen? Um die Impfeinstellung zu operationalisieren, wurden die skalierten Positionierungen zu 8 vorgegebenen Meinungen zum Impfen zu einem Mittelwert-Score verrechnet. Der Einfluss folgender relevanter Variablen auf Impfeinstellung und Impfverhalten wurde mit einer multivariablen linearen Regression untersucht: Alter, Geschlecht, Ort der Niederlassung, Anteil an Privatpatienten und Zusatzbezeichnung Hom{\"o}opathie. F{\"u}r einen Vergleich mit den Studienergebnissen von 1996 wurde ein Impfkritiker-Index erstellt. Ergebnisse und Diskussion: Mit insgesamt 3464 angeschriebenen niedergelassenen P{\"a}diatern ({\"u}ber 50 \% aller niedergelassenen P{\"a}diater aus jedem Bundesland) handelt es sich um die bisher gr{\"o}{\"s}te bundesweite Studie zum Thema Impfen. Die Responserate ist mit insgesamt ca. 67 \% {\"u}berdurchschnittlich hoch, was ein gro{\"s}es Interesse zum Impfthema vermuten l{\"a}sst. Vor dem Hintergrund einer weitestgehend vollst{\"a}ndigen und aktuellen Praxis-Adress-Datenbasis kann diese Studie als deutschlandweit repr{\"a}sentativ angesehen werden. Die Ergebnisse dieser Arbeit sind trotz leichter methodisch bedingter Einschr{\"a}nkungen in der Konstruktion der Stichprobe einmalig und aussagekr{\"a}ftig. P{\"a}diater mit und ohne Zusatzbezeichnung Hom{\"o}opathie unterscheiden sich im Hinblick auf ihre Impfeinstellung und ihr Impfverhalten (orientiert an den STIKO-Empfehlungen) signifikant. Die {\"u}berwiegend positive, aber kritische Haltung zum Impfen unter hom{\"o}opathischen P{\"a}diatern {\"a}hnelt den Ergebnissen von P. Lehrke von 1996. Das Vorurteil „Hom{\"o}opathen seien Impfgegner“ konnte f{\"u}r Kinder{\"a}rzte aussagekr{\"a}ftig widerlegt werden. Mit ca. 70 \% hat die Mehrheit der hom{\"o}opathisch arbeitenden P{\"a}diater in Deutschland eine positive Einstellung zum Impfen. Sie sind aber auch mehrheitlich individuelle Impfkritiker. Die st{\"a}rkste Impfkritik ist unter rein klassischen Hom{\"o}opathen zu finden, welche ca. 47 \% der P{\"a}diater mit Zusatzbezeichnung Hom{\"o}opathie ausmachen. Die Zusatzbezeichnung Hom{\"o}opathie hat von allen relevanten Variablen den gr{\"o}{\"s}ten Einfluss auf eine impfkritische Einstellung und entsprechendes Verhalten. Abweichungen von den STIKO-Empfehlungen betreffen aber {\"u}berwiegend sp{\"a}tere Impfungen ({\"u}berwiegend 1–3 Monate), sowie neuere Impfungen wie gegen Pneumokokken, Varizellen und Meningokokken. Als h{\"a}ufigster Grund f{\"u}r Abweichungen von den STIKO-Richtlinien wurde der Wunsch der Patienten angegeben. Da impfkritische Eltern eher P{\"a}diater mit komplement{\"a}rmedizinischem Zusatzangebot ausw{\"a}hlen, beeinflussen sie auch die Erfahrungen und das Impfverhalten des Arztes. Es kann davon ausgegangen werden, dass sich das Patientenklientel von Hom{\"o}opathen und Nicht-Hom{\"o}opathen systematisch unterscheidet. Unterschiedliche Erfahrungen durch den Umgang mit Ungeimpften und den M{\"o}glichkeiten hom{\"o}opathischer Behandlungen k{\"o}nnten die Ver{\"a}nderungen der Impfeinstellung hin zu mehr Impfkritik im Lebenslauf von Hom{\"o}opathen erkl{\"a}ren. Hom{\"o}opathen geben mit Abstand am h{\"a}ufigsten ({\"u}ber 60 \%) eine Ver{\"a}nderung in ihrer Einstellung zum Impfen im Lebenslauf an, Nicht-Hom{\"o}opathen in nur ca. 10–22 \%. Bez{\"u}glich der Impfentscheidung der Patienten hat wiederum die pers{\"o}nliche {\"a}rztliche Empfehlung als wichtigste Vertrauensperson einen gro{\"s}en Stellenwert. Erfahrungen und Einstellung beeinflussen sich wechselseitig. Basierend auf der Zufallsstichprobe haben ca. 10 \% aller niedergelassenen P{\"a}diater Deutschlands die Zusatzbezeichnung Hom{\"o}opathie. Es gibt Hinweise, dass die Zusatzbezeichnung Hom{\"o}opathie auf Grund der Patientennachfrage zugenommen hat. Das kann die h{\"a}ufige Anwendung von Hom{\"o}opathie unter P{\"a}diatern ohne Zusatzbezeichnung Hom{\"o}opathie (ca. 40 \%) erkl{\"a}ren. Entsprechend dem marktwirtschaftlichen Prinzip des Gesundheitssystems wird die Hom{\"o}opathie trotz wissenschaftlich strittiger Studienlage zunehmend von den Kassen verg{\"u}tet, u.a. um konkurrenzf{\"a}hig zu bleiben und Kosten vor allem im Bereich chronischer Krankheiten zu reduzieren. Ausblick: Ein Arzt sollte sich der Wirkung seiner Impf-Einstellung auf seine Patienten bewusst sein und bei seiner Impfberatung die Erwartungen und auch die Impfkritik seiner Patienten ber{\"u}cksichtigen. Die Komplexit{\"a}t und Vielseitigkeit des Impfthemas sollte den Impfentscheidern (Patienten) nicht vorenthalten werden sondern eine eigenverantwortliche Impfentscheidung (wie gesetzlich vorgesehen) f{\"o}rdern. Eine fundierte, neutrale und individualisierte Impf-Beratung sollte daher fester Bestandteil der medizinischen Ausbildung sein und in der Umsetzung auch entsprechend honoriert werden, unabh{\"a}ngig von der Impfentscheidung der Patienten. Damit k{\"o}nnen Verunsicherungen durch zT. emotionalisierende und polarisierende Informations-Medien (Internet, soziales Umfeld, Hebammen) vorgebeugt werden. Bei zunehmender Verbreitung von Komplement{\"a}rmedizin und speziell der Hom{\"o}opathie sollten das Thema Komplement{\"a}rmedizin in der medizinischen Ausbildung fest integriert werden und entsprechend den M{\"o}glichkeiten zur Heilungsunterst{\"u}tzung in der Forschung und klinischen Anwendung den entsprechenden Stellenwert bekommen.}, language = {de} }