@phdthesis{Mueller2008, author = {Claudia M{\"u}ller}, title = {Information und Transformation an der Grenze. Kriegschroniken im Baltikum. Textanalyse.}, journal = {Information and Transformation at the frontier. War chronicles from the Baltic provinces. Text analysis.}, url = {https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:gbv:9-000516-6}, year = {2008}, abstract = {Im Zuge der bewaffneten christlichen Mission im Baltikum entstanden mehrere historio-graphische Texte, die f{\"u}r die {\"U}bermittlung von Nachrichten {\"u}ber die heidnischen Kulturen interessant sind. Meine Dissertation besch{\"a}ftigt sich mit dem Stellenwert und dem Informationsgehalt derartiger Nachrichten. Das Ziel der Untersuchung besteht darin, ein Bild von der Diskurstechnik der Autoren zu gewinnen und auf diese Weise indirekt einen Beitrag zur Beurteilung des Wirklichkeitsbezuges der Texte zu leisten. Die zentralen Texte der Untersuchung sind die „Chronica Terre Prussie“ von Peter von Dusburg (1326) und „Chronicon Livoniae“ von Heinrich von Lettland (1227). Eine isolierte Betrachtung der ethnographischen Informationen macht wenig Sinn. Es muss vielmehr darauf ankommen, die ethnographische Information im Kontext des Gesamt-berichtes zu w{\"u}rdigen. Hier steht man vor der Schwierigkeit, dass sich ein historiographischer Text des 13. bzw. 14. Jahrhunderts eines Codesystems bedient, das ihn dem naiven Textverst{\"a}ndnis verschlie{\"s}t. Sowohl die Austauschbeziehungen (paradigmatische Dimension) als auch die Anreihungsbeziehungen (syntagmatische Dimension) bed{\"u}rfen einer auf das Gesamtsystem ausgerichteten Analyse, um einerseits die Textnorm zu modellieren, andererseits um relevante Abweichungen zu beschreiben. F{\"u}r beide Chroniktexte gilt, dass sich sowohl die Struktur als auch das narrative Programm vor dem Hintergrund der pragmatischen Dimension erschlie{\"s}en. Die Konzepte helfen bei der Identifizierung von {\"u}bergeordneten Einheiten. Beide Chronisten verfassten ihre Texte in einer f{\"u}r ihr Umfeld kritischen Lage. Als Schreibanlass kann man von der Absicht ausgehen, stabilisierend auf das Meinungsbild von Entscheidungstr{\"a}gern im Inneren der christlichen Semiosph{\"a}re einzuwirken. Bei Heinrich von Lettland ist in diesem Zusammenhang der Besuch des p{\"a}pstlichen Legaten Wilhelm von Modena zu nennen, bei Peter der Rechtfertigungsdruck, dem die {\"u}brigen Milit{\"a}rorden nach dem Fall der Templer ausgesetzt waren. Ein Hauptakzent liegt auf der Verbindung zwischen Barbarentypologie und Stellungnahme in innerchristlichen Konflikten. Als Beispiel sollen Information {\"u}ber geplante oder durchgef{\"u}hrte Menschenopfer bei den Heiden genannt werden. F{\"u}r das Jahr 1191 berichtet Heinrich von Lettland von einem Versuch der Liven, den Missionsprediger Theoderich den heidnischen G{\"o}ttern zu opfern. Den Kontext des geplanten Menschenopfers bilden juristisch relevante Informationen {\"u}ber Gr{\"u}ndungshandlungen durch den Bischof Meinhard (Burgenbau, Erwerb von Grund und Boden, Kirchengr{\"u}ndung, Investitur). Im Narrativ steht der Bericht {\"u}ber das versuchte Menschenopfer am Ende des narrativen Bogens in der Position der Evaluierung. In der Logik des Berichtes f{\"u}hren Menschenopfer zwangsl{\"a}ufig zu sp{\"a}terer Bekehrung und Integration in die christliche Semiosph{\"a}re. Sicher stellt sich die Frage, ob ein Menschenopfer f{\"u}r die Kultur der heidnischen Liven denkbar ist und ob die Textstelle als Beleg f{\"u}r eine derartige Praxis herangezogen werden kann. Rituelle T{\"o}tung, Zerst{\"u}ckelung und Auferstehung sind in einigen M{\"a}rchen aus dem Baltikum Teil der Transformationen des Helden. Grunds{\"a}tzlich l{\"a}sst sich das Vorkommen von Menschenopfern zumindest nicht ausschlie{\"s}en. Viel wichtiger ist jedoch die Funktion, die einer solchen Nachricht im Bericht zukommt. Einmal geht es darum, die Zugeh{\"o}rigkeit der Liven zu dem f{\"u}r die Integration vorgesehenen Barbarentyp zu betonen, zum anderen soll eine Erh{\"a}rtung und Beglaubigung der juristisch relevanten Information erreicht werden. In derartigen Zusammenh{\"a}ngen besteht der Forschungsgegenstand der vorliegenden Arbeit.}, language = {de} }