@phdthesis{Stockheim2018, author = {Jessica Stockheim}, title = {Einflussfaktoren und Kriterien f{\"u}r die forensische Dokumentationsqualit{\"a}t am Beispiel der Gewaltambulanz der Zentralen Notaufnahme der Universit{\"a}tsmedizin Greifswald}, journal = {Quality of forensic documentation in case of violence victims in the trauma department of the university of Greifswald}, url = {https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:gbv:9-opus-30528}, pages = {146}, year = {2018}, abstract = {Hintergrund und Fragestellung Die klinische Befunddokumentation in der Notaufnahme dient prim{\"a}r diagnostisch-therapeutischen Zwecken und ist f{\"u}r weitere forensische Fragestellungen h{\"a}ufig nur eingeschr{\"a}nkt verwertbar. F{\"u}r die Untersuchung von Gewaltopfern ist ein hoher medizinischer, aber besonders gerichtsverwertbarer Standard zu fordern. Denn die Behandlungsunterlagen k{\"o}nnen als Beweismittel im Strafverfahren herangezogen werden. Die Studie hatte zum Ziel, das Opferkollektiv und die Qualit{\"a}t der forensisch relevanten Befunddokumentation am Beispiel der unfallchirurgischen Gewaltambulanz retrospektiv zu analysieren und Optimierungsvorschl{\"a}ge f{\"u}r eine effiziente, zielgerichtete und umfassende Dokumentation zu liefern. Material und Methoden Eingeschlossen wurden alle Patienten, die zwischen Juni 2010 und Juni 2014 in der unfallchirurgischen Notaufnahme der Universit{\"a}tsmedizin Greifswald aufgrund von Rohheitsdelikten behandelt wurden. F{\"u}r eine deskriptive {\"U}bersichtsanalyse des Gesamtkollektivs wurden retrospektiv demographische Daten, Angaben zu Entstehung und Art der Gewalt sowie zu Verletzungscharakteristika ausgewertet. Auf Grundlage von Literaturrecherche und Expertenmeinung wurde ein Kriterienkatalog entwickelt. Dieser fasst alle zur rechtsmedizinisch – forensischen Beurteilung relevanten Aspekte der Dokumentation in f{\"u}nf Kategorien zusammen. Dieser Katalog diente in Kombination mit einem Expertenfragebogen der Statuserhebung der Dokumentationsqualit{\"a}t. Ein nach vorhandener Fotodokumentation vorselektiertes Studienkollektiv wurde anhand dieser beiden Instrumente und mittels schriftlicher Befragung von Rechtsmedizinern und Unfallchirurgen evaluiert. Der Fragebogen diente dem Zweck der Erhebung eines Meinungsbildes und zum interdisziplin{\"a}ren Vergleich. Um objektive Unterschiede hinsichtlich der Qualit{\"a}t aufzeigen zu k{\"o}nnen, wurden die Fragebogen-Aussagen der Kliniker anhand eines mathematischen Algorithmus in den Kriterienkatalog umgewandelt. Ergebnisse Das Gesamtkollektiv umfasste 572 Patientenf{\"a}lle. Die demographische Analyse ergab, dass vorwiegend junge M{\"a}nner nach {\"U}bergriffen durch Fremde oder Freunde bzw. Bekannte die unfallchirurgische Notaufnahme aufsuchten. Dies geschah besonders am Wochenende bzw. au{\"s}erhalb der regul{\"a}ren Arbeitszeit. Dabei standen die Betroffenen oftmals unter Alkoholeinfluss und waren im Vergleich zu Frauen signifikant h{\"a}ufiger wiederholt Opfer fremder Gewalt. Der h{\"a}ufigste Verletzungsmechanismus war der Faustschlag. Die verletzten Frauen litten zumeist unter den Folgen stumpfer Gewalteinwirkung (H{\"a}matome) im Kopf-Halsbereich, die auffallend h{\"a}ufiger als bei M{\"a}nnern im h{\"a}uslichen Rahmen entstanden. Frauen suchten zudem erst deutlich verz{\"o}gert medizinische Hilfe auf. Das Studienkollektiv umfasste 100 F{\"a}lle mit vorhandener Fotodokumentation. Die R{\"u}cklaufquote aller Beurteilungen (Kriterienkatalog, Experten-/Fragebogen) betrug 100 \%. Bei Betrachtung der tats{\"a}chlichen Gerichtsverwertbarkeit zeigte sich, dass 55 \% der Dokumentationen in ihrer Qualit{\"a}t nach Auffassung der Rechtsmediziner ausreichend waren. Relevanten Einfluss auf die Gerichtsverwertbarkeit hatten {\"u}berwiegend die Kategorien Verletzungscharakteristika, Fotodokumentation und besonders rechtsmedizinisch relevante Aspekte. Bei diesen Kategorien traten deutliche Qualit{\"a}tsdefizite f{\"u}r die nicht-gerichtsverwertbaren F{\"a}lle auf. Ein kumulativer Punktegrenzwert f{\"u}r die Gerichtsverwertbarkeit f{\"u}r diese f{\"u}nf Kriterien konnte nicht ermittelt werden. Es zeigte sich eine gro{\"s}e Streubreite aller Ergebnisse, die zum Teil auf die Heterogenit{\"a}t der Studienf{\"a}lle zur{\"u}ckzuf{\"u}hren ist. Interdisziplin{\"a}re Unterschiede in der Einsch{\"a}tzung der Dokumentationsqualit{\"a}t wurden insbesondere bei charakteristischen bzw. rechtsmedizinisch relevanten Aspekten deutlich. Der Ausbildungsstand stellte sich als relevanter Faktor f{\"u}r die intradisziplin{\"a}re Beurteilung heraus. Schlussfolgerungen Die Dokumentationsqualit{\"a}t von Gewaltopfern, wie sie aktuell unfallchirurgisch durchgef{\"u}hrt wird, wird dem Anspruch des Patienten auf eventuelle Gerichtsverwertbarkeit beispielsweise im Strafverfahren nicht ausreichend gerecht. Wesentlichen Einfluss haben grundlegende Dokumentationsaspekte und spezielle, durch die Rechtsmedizin schulbare Charakteristika. F{\"u}r die praktische Umsetzung einer suffizienten Qualit{\"a}t bedarf es Neuerungen bzw. Optimierungen im effektiven Dokumentationsablauf und – umfang. Bewusstsein zu schaffen f{\"u}r diese Thematik als wesentlicher Aspekt des unfallchirurgischen Berufsalltags ist insbesondere vor dem Hintergrund von unzureichender Datenlage und einer erwarteten hohen Dunkelziffer h{\"a}uslicher Gewalt unabdingbar. Diskussion Eine Begutachtung durch Richter und Hinzunahme der entsprechenden Arztbriefe sowie weiteren klinischen Informationen stellen eine Option f{\"u}r eine umfassendere Begutachtung der Dokumentationsqualit{\"a}t dar. Perspektivisch sind Investitionen in Digitalisierungskonzepte eine anzustrebende L{\"o}sung der vorhandenen {\"o}konomischen (zeitlich, personell, finanziell) und individuell-juristischen (unzureichend gerichtsverwertbare Dokumentationsqualit{\"a}t) sowie pr{\"a}ventiven (Dunkelziffer von Gewaltopfern) Problemfelder.}, language = {de} }