@phdthesis{Sager2020, author = {Sager, Maximilian}, title = {In vivo- und In vitro-Untersuchungen zum Einfluss der Magenentleerung auf das Zerfalls- und Freisetzungsverhalten schnell freisetzender Arzneiformen nach n{\"u}chterner Applikation}, institution = {Institut f{\"u}r Pharmazie}, pages = {102}, year = {2020}, abstract = {Die meisten der auf dem Markt befindlichen Arzneimittel sind so konzipiert, dass sie ihren Wirkstoff schnell und reproduzierbar im oberen Gastrointestinaltrakt abgeben, um die Absorption aus dem D{\"u}nndarm zu erlauben. F{\"u}r das Zerfalls- und Freisetzungsverhalten dieser Arzneiformen spielt vor allem die gastrale Physiologie eine entscheidende Rolle. Das Zusammenspiel der Formulierung mit bestimmten Parametern des Magens, insbesondere der Magenentleerung, ist aber noch nicht v{\"o}llig verstanden. Im Rahmen dieser Arbeit wurde deshalb mit Hilfe von In vivo- und In vitro-Methoden untersucht, wie das Freisetzungsverhalten fester, oraler Arzneiformen nach n{\"u}chterner Applikation von der gastrointestinalen Physiologie beeinflusst wird. Im ersten Teil der Arbeit besch{\"a}ftigten wir uns mit den Ergebnissen einer Bio{\"a}quivalenzstudie, in der von einem Industriepartner zwei schnell freisetzende N-Acetylcystein-Formulierungen untersucht wurden. Dabei wurde der Originator, eine schnell freisetzende Tablette eingenommen mit Wasser, mit einem Granulat verglichen, welches einmal mit Wasser und einmal trocken eingenommen wurde. In beiden Studienarmen der Granulat-Formulierung konnte die Bio{\"a}quivalenz zum Originator gezeigt werden. Dar{\"u}ber hinaus wurden die Bio{\"a}quivalenzkriterien ebenso f{\"u}r die beiden Granulat- Studienarme erf{\"u}llt. Aufgrund der guten Permeabilit{\"a}t und der hohen Wasserl{\"o}slichkeit des N-Acetylcysteins war ein Einfluss der begleitenden Wassergabe auf die Pharmakokinetik erwartet worden. Die Ursachen f{\"u}r das Abweichen von dieser Erwartung wurden mittels In vitro-Freisetzungsmethoden weiter untersucht. Um die komplexen Bedingungen des Magens In vitro simulieren zu k{\"o}nnen, wurde das von Garbacz und Weitschies entwickelte biorelevante Freisetzungsmodell Dynamic Open Flow-Through Test Apparatus zur Untersuchung der beiden Formulierungen angewendet. Dabei konnte durch Simulation von biorelevanten Magenentleerungsprofilen gezeigt werden, dass die Wassergabe einen geringen Beitrag zum Transport des Arzneistoffes in den D{\"u}nndarm hat. Aufgrund dieser In vitro-Versuche konnten die Ergebnisse der Bio{\"a}quivalenzstudie umfassender erkl{\"a}rt werden. Um die physiologischen Begebenheiten, welche f{\"u}r den Zerfall schnell freisetzender Arzneiformen kritisch sind, In vivo untersuchen zu k{\"o}nnen, wurde die Salivary Tracer Technique entwickelt. Diese Technik beruht auf der Einnahme einer geringen Dosis Koffein zusammen mit Wasser und anschließender Koffeinkonzentrationsmessung im Speichel. In einer MRT-Humanstudie konnten wir zeigen, dass die Entleerungskinetiken des eingenommenen Wassers aus dem Magen eng mit den Koffeinprofilen im Speichel korrelieren. Je nach Kinetik der Magenentleerung, erreichte gel{\"o}stes Koffein den D{\"u}nndarm und wurde dort schnell resorbiert und {\"u}ber das Blut in die Speicheldr{\"u}sen transportiert. Damit war die Magenentleerung der geschwindigkeitsbestimmende Schritt f{\"u}r das Anfluten von Koffein im Speichel. Somit war es m{\"o}glich, indirekt, einfach und wenig kostenintensiv, die Magenentleerung einer akalorischen Fl{\"u}ssigkeit zu bestimmen, ohne auf die MRT mit entsprechend geschultem Personal zur{\"u}ckgreifen zu m{\"u}ssen. In einem n{\"a}chsten Schritt wurde die Salivary Tracer Technique genutzt, um die In vivo-Zerfallszeiten von Hartgelatinekapseln zu bestimmen. Als Referenz- und Goldstandardmethode diente wiederum die MRT, da es durch die Zugabe von Eisenoxid im MRT m{\"o}glich war, die Hartgelatinekapseln sichtbar zu machen und deren Integrit{\"a}t zu beurteilen. Um parallel den Zerfall mit der Salivary Tracer Technique zu bestimmen, wurden die Kapseln zus{\"a}tzlich mit 50 mg Koffein bef{\"u}llt. In einer Humanstudie wurden die mit den beiden Markersubstanzen beladenen Kapseln auf n{\"u}chternen Magen appliziert. Direkt im Anschluss wurden die Probanden im MRT platziert und Messungen in kurzen Zeitintervallen durchgef{\"u}hrt. Nach jeder Messung mussten die Probanden selbst{\"a}ndig eine Speichelprobe von geringem Volumen abgeben. Sobald eine Koffeinkonzentration, die gr{\"o}ßer als die dreifache Bestimmungsgrenze der analytischen Methode war, in einer Speichelprobe nachgewiesen werden konnte, wurde dieser Zeitpunkt als Zerfallszeitpunkt bestimmt. Der statistische Vergleich der Zerfallszeitpunkte der beiden Methoden zeigte eine robuste Korrelation der Werte. Ein geringer Versatz der Zerfallszeitpunkte bei der Salivary Tracer Technique ließ sich dadurch erkl{\"a}ren, dass mittels MRT der Zerfall direkt im Magen bestimmt wurde, w{\"a}hrend f{\"u}r den Koffeinnachweis im Speichel noch das Verteilen, das L{\"o}sen und/oder die Entleerung des Koffeins aus dem Magen mit anschließender Resorption im D{\"u}nndarm erfolgen muss. Trotz des Versatzes der beiden Methoden von circa 4 min konnte die Studie belegen, dass die Salivary Tracer Technique geeignet ist, mit einer robusten Korrelation zu etablierten Methoden und mit moderatem Studienaufwand den Zerfall schnell freisetzender Arzneiformen zu bestimmen. Besonders der relative Vergleich mehrerer verschiedener Formulierungen in einem Cross-over-Design erscheint mit der Salivary Tracer Technique sinnvoll, da hierbei der Einfluss der Magenentleerung auf die Zerfallszeiten der verschiedenen Formulierungen gleichbleibend sein sollte. Da eine In vivo-Testung von (Entwicklungs-)Formulierungen, trotz der vereinfachten Methodik, nicht immer m{\"o}glich und angemessen ist, wurde das Fed Stomach Model als In vitro-Freisetzungsmodell im Rahmen dieser Arbeit weiterentwickelt. Die wesentlichen Modifizierungen des GastroDuos gegen{\"u}ber dem Fed Stomach Model sind die d{\"u}nnwandige, transparente Magenzelle, welche geringe Volumina von bis zu 25 mL simulieren kann sowie biorelevante Temperaturprofile des eingebrachten Mediums. Weiterhin wurde die M{\"o}glichkeit geschaffen, diese Medien anzus{\"a}uern und so verschiedene pH-Profile zu simulieren. Eine weitere Neuheit des GastroDuo ist die F{\"a}higkeit der kontinuierlichen Konzentrationsmessung direkt am Ausgang {\"u}ber ein UV- Lichtleitersystem. Das System eignet sich somit dazu, Druck, Bewegung, pH-Wert, Temperatur und Hydrodynamik in physiologisch relevanter Weise zu simulieren. Diese Parameter werden in sechs Testprogrammen, welche sowohl die mittleren Bedingungen im Magen simulieren als auch die physiologischen Extrema ber{\"u}cksichtigen, in unterschiedlicher Weise abgebildet. In einer ersten Studie wurde das GastroDuo genutzt, um das Freisetzungsverhalten von vier schnell freisetzenden Arzneiformen genauer zu untersuchen. Weiterhin wurden vergleichende Freisetzungsdaten mittels kompendialer Methoden erhoben. In diesem Screening wurde der Zerfall und die Freisetzung von Koffein aus einer Hartgelatinekapsel, zwei verschiedenen HPMC-Kapseln sowie einer Filmtablette verglichen. Die Auswertung der Freisetzungsuntersuchungen zeigte, dass manche Formulierungen empfindlich gegen{\"u}ber bestimmten Parametern waren, w{\"a}hrend eine andere Formulierung dies f{\"u}r diesen Parameter nicht war. Im erstellten Datensatz ergab sich so ein sehr heterogenes Bild der Freisetzungsdaten, das abh{\"a}ngig vom Testprogramm und der jeweiligen Formulierung war. Im Folgenden sollte untersucht werden, ob die in vitro generierten Daten pr{\"a}diktiv f{\"u}r das Verhalten der Arzneiformen im Menschen waren. Daf{\"u}r wurden dieselben vier Formulierungen in einer „4-Wege cross-over"- Humanstudie, mit Hilfe der Salivary Tracer Technique, auf ihr In vivo-Verhalten untersucht. Es ließ sich feststellen, dass das GastroDuo in der Lage war zwischen den Arzneiformen zu unterscheiden, die auch in vivo Unterschiede aufweisen. Dies war mit kompendialen Methoden nicht immer m{\"o}glich. Der signifikante Vorteil des GastroDuo gegen{\"u}ber anderen Systemen ist die M{\"o}glichkeit, physiologische Extrema getrennt voneinander darzustellen und ihren Einfluss zu quantifizieren. Daher bietet das GastroDuo ein wertvolles Werkzeug, um den Zerfall und die Freisetzung von schnell freisetzenden Arzneiformen besser zu verstehen. Abschließend l{\"a}sst sich sagen, dass es uns in der vorliegenden Arbeit gelungen ist, wichtige Hilfsmittel f{\"u}r das Verst{\"a}ndnis des Zerfalls- und Freisetzungsverhalten von schnell freisetzender Arzneiformen im n{\"u}chternen Magen weiterzuentwickeln. Es ist uns gelungen, bestehende In vitro-Modelle technisch zu verbessern, eine neue In vivo-Methode zu entwickeln und zu valideren, welche eine sinnvolle Erg{\"a}nzung zu bereits bestehenden In vivo- Methoden darstellt.}, subject = {Pharmazie}, language = {de} }