@phdthesis{Runst2020, author = {Runst, Uta}, title = {Die Rolle von deutschen Nichtregierungsorganisationen in der Nachhaltigkeitstransformation hinsichtlich eines reduzierten Konsums tierischer Produkte - Eine qualitative Untersuchung}, institution = {Institut f{\"u}r Geographie und Geologie}, pages = {325}, year = {2020}, abstract = {Eine nachhaltige Entwicklung bedeutet eine dauerhaft m{\"o}gliche Entwicklung innerhalb des {\"o}kologischen Erdsystems. Durch das weltweite Bev{\"o}lkerungswachstum, den ansteigenden Wohlstand und nicht-nachhaltige Lebensweisen drohen die {\"o}kologischen Belastungsgrenzen unsere Erde jedoch {\"u}berschritten zu werden bzw. wurden teilweise bereits {\"u}berschritten. Dies hat zur Folge, dass nachfolgende wie auch parallel existierende Generationen nicht die gleichen M{\"o}glichkeiten zur Erf{\"u}llung ihrer Bed{\"u}rfnisse haben, wie die heute in den Industriestaaten lebenden. Die landwirtschaftliche Erzeugung tr{\"a}gt dabei einen bedeutenden Teil zu dieser Bedrohung und {\"U}berschreitung der planetaren Grenzen bei, denn insbesondere der hohe und weiter ansteigende Konsum von tierischen Produkten weltweit hat zahlreiche {\"o}kologisch, jedoch auch sozial und gesundheitlich nachteilige Folgen. Einer der grundlegenden problematischen Aspekte tierischer Produkte ist der hohe Energieverlust im Laufe des Veredlungsprozesses von pflanzlichen Futtermitteln zu Fleisch- und Milchprodukten. Die Folge sind große intensiv genutzte Landwirtschaftsfl{\"a}chen, die notwendig sind, um jene Futtermittel zu produzieren. Dies f{\"u}hrt zu Biodiversit{\"a}tsverlusten, Treibhausgasemissionen, Landraub und gesundheitlichen Problemen aufgrund des Pestizidgebrauchs. Weitere Konsequenzen eines hohen Konsums tierischer Produkte umfassen einen hohen Wasserbedarf, Fl{\"a}chenkonkurrenzen zwischen dem direkten Lebensmittel- und dem Futtermittelanbau, aber auch den ethisch bedenklichen Umgang mit Tieren sowie Gefahren f{\"u}r die menschliche Gesundheit, z. B. koronare Herzerkrankungen und Antibiotikaresistenzen. Begr{\"u}ndet liegt dieser hohe und weiter wachsende Konsum tierischer Produkte in pers{\"o}nlichen, sozialen, {\"o}konomischen und politischen sowie strukturellen Faktoren, wobei in vorliegender Arbeit auf den durch die westeurop{\"a}ische Kultur gepr{\"a}gten Menschen fokussiert wird. Pers{\"o}nliche und soziale Hindernisse f{\"u}r einen reduzierten Konsum tierischer Lebensmittel liegen insbesondere in einem fehlenden Wissen, dem psychologischen Ph{\"a}nomen der kognitiven Dissonanz, mangelnder Achtsamkeit sowie dem Druck sozialer Normen. Wirtschaftspolitische und strukturelle Hindernisse umfassen eine wachstumsorientierte {\"O}konomie, fehlende Preisanreize f{\"u}r einen nachhaltigen Konsum sowie eine Infrastruktur, die den Konsum tierischer Produkte beg{\"u}nstigt. Nichtregierungsorganisationen (NRO) als Teil des sog. Dritten Sektors, neben der Wirtschaft und der Politik, und als Vertreterinnen der Gesellschaft sind essentielle Akteurinnen in nationalen und internationalen Gestaltungsprozessen. Sie werden zumeist von der Gesellschaft oder zumindest Teilen der Gesellschaft unterst{\"u}tzt und k{\"o}nnen durch {\"O}ffentlichkeitsarbeit und andere Maßnahmen auf politische und {\"o}konomische Protagonisten Druck aus{\"u}ben. Somit sind NRO als potentielle Schnittstelle zwischen Gesellschaft, Politik und Wirtschaft vielversprechende Einrichtungen um den Konsum tierischer Produkte zu senken. Aufgrund der o. g. multidimensionalen Auswirkungen des hohen Konsums tierischer Produkte, haben insbesondere NRO, die die Ziele Umweltschutz, Ern{\"a}hrungssicherung, Tierschutz und Gesundheitsf{\"o}rderung verfolgen, potentiell Interesse an einer Reduktion des Fleisch-, Milch- und Eikonsums. Studien {\"u}ber NRO in Schweden, Kanada und den USA weisen jedoch darauf hin, dass Umweltorganisationen sich in ihrer Arbeit f{\"u}r eine Begrenzung des Klimawandels nur in begrenztem Umfang f{\"u}r eine pflanzenbetonte Ern{\"a}hrungsweise einsetzen. Aufgrund der o. g. mehrdimensionalen Folgen eines hohen Konsums tierischer Lebensmittel weitet vorliegende Arbeit den Erhebungsumfang aus und umfasst die Untersuchung von deutschen Umwelt-, Weltern{\"a}hrungs-, Gesundheits- und Tierschutzorganisationen in Hinblick auf deren Einsatz f{\"u}r eine Reduktion des Fleisch-, Milch- und Eikonsums. Die Erhebung umfasst die Untersuchung von 34 der wichtigsten deutschen NRO mittels Material- und Internetseitenanalyse, vertiefende leitfadengest{\"u}tzte Expert*inneninterviews mit 24 NRO sowie eine Fokusgruppendiskussion zur Ergebniskontrolle, wobei das zentrale Element dabei die Expert*inneninterviews darstellen. Insgesamt entspricht der Forschungsprozess der Grounded Theory Methodologie (GTM), einem ergebnisoffenen, induktiven Vorgehen. Die Forschungsfragen umfassen neben der Analyse des aktuellen Umfangs des Einsatzes f{\"u}r eine pflanzenbetonte Ern{\"a}hrungsweise insbesondere die Einflussfaktoren auf diesen Umfang sowie die umgesetzten Handlungsstrategien f{\"u}r eine Reduktion des Konsums tierischer Lebensmittel. Entsprechend der GTM steht am Ende des Forschungsprozesses vorliegender Arbeit ein Modell, das die Erkenntnisse in einer verdichteten Kernkategorie zusammenfasst. Als zentrales Ergebnis der Erhebung kann das ‚Modell der abw{\"a}genden Bestandssicherung' gesehen werden. Es weist, in {\"U}bereinstimmung mit der Literatur, darauf hin, dass NRO als Teil der Gesellschaft von der Außenwelt abh{\"a}ngig sind, d. h. von ihren Mitgliedern und staatlichen wie privaten Geldgeber*innen, aber auch von parallel agierenden NRO, Medien und gesellschaftlichen Entwicklungen. Dies kann unter der {\"U}berschrift der ‚Einstellung relevanter Interessensgruppen' zur Thematik der tierischen Lebensmittel gefasst werden. Auf der anderen Seite steht die ‚Einstellung der Mitarbeitenden' einer NRO, da die Themenaufnahme der Problematik eines hohen Fleisch-, Milch- und Eikonsums auch davon abh{\"a}ngt, welche Bedeutung die Mitarbeitenden dieser Thematik zusprechen und inwiefern sie bereit sind sie in das Maßnahmenportfolio aufzunehmen. Wenn sowohl die Interessensgruppen als auch die Mitarbeitenden einer NRO der Themenaufnahme bef{\"u}rwortend gegen{\"u}ber gestellt sind, so ist ein umfassender Einsatz f{\"u}r eine Reduktion des Konsums tierischer Lebensmittel von dieser NRO zu erwarten. Dies trifft in vorliegender Erhebung vorwiegend auf Tierschutzorganisationen und einige Umweltorganisationen zu. Der gegenteilige Fall einer fehlenden Thematisierung tierischer Produkte tritt ein, wenn weder relevante Interessensgruppen, noch die Mitarbeitenden einer NRO die Themenaufnahme bef{\"u}rworten oder als dringlich erachten. Dies kann insbesondere bei Weltern{\"a}hrungs- und Gesundheitsorganisationen beobachtet werden. Wenn die Mitarbeitenden einer NRO die Thematisierung der Problematik tierischer Lebensmittel bef{\"u}rworten, die relevanten Interessensgruppen jedoch ablehnend gegen{\"u}ber derartigen Maßnahmen stehen, ist eine zur{\"u}ckhaltende Thematisierung zu erwarten, die sich auf Informationstexte bspw. auf den Internetseitenauftritten der NRO beschr{\"a}nkt. Dies ist v. a. bei Umwelt- und Weltern{\"a}hrungsorganisationen erkennbar. Der vierte Fall, dass die Interessensgruppen einer NRO f{\"u}r eine Reduktion des Konsums tierischer Produkte eintreten w{\"u}rden, nicht jedoch die Mitarbeitenden der NRO, konnte in vorliegender Erhebung nur in Ans{\"a}tzen bei Umweltorganisationen beobachtet werden. Der Hauptgrund, warum NRO, insbesondere Weltern{\"a}hrungs- und Gesundheitsorganisationen, die Problematik des hohen Konsums tierischer Produkte nicht oder nur in geringem Umfang aufnehmen, liegt in der o. g. Abh{\"a}ngigkeit der NRO von {\"o}ffentlichen Geldgeber*innen, wie auch von privaten Spender*innen und Mitgliedern (‚Einstellung relevanter Interessensgruppen'). Weitere Faktoren umfassen bspw. die Arbeitsteilung wie auch den Wettbewerb zwischen NRO, insofern dass auf andere NRO verwiesen wird und Nischen f{\"u}r eigene Themen gesucht werden. Neben den Gr{\"u}nden f{\"u}r den Umfang der Thematisierung des hohen Konsums tierischer Lebensmittel wurden auch Strategien erfragt, die die NRO anwenden um denselben zu senken. Hierbei wurde insbesondere die {\"O}ffentlichkeitsarbeit in verschiedenen Ausrichtungen genannt und als sehr wirksam eingesch{\"a}tzt. Vor allem emotional ausgerichtete, positiv formulierte, zielgruppenspezifische und anschaulich dargestellte Kampagnen k{\"o}nnen als effektiv eingesch{\"a}tzt werden. Auch politische oder juristische Maßnahmen, wie Lobbyismus oder Verbandsklagen werden von den NRO durchgef{\"u}hrt, wobei die befragten NRO auf der bundespolitischen Ebene derzeit kaum Potential sehen {\"A}nderungen herbeizuf{\"u}hren; auf Regionen- oder L{\"a}nderebene jedoch realistischere Einflussm{\"o}glichkeiten sehen. Als n{\"a}chste Schritte f{\"u}r NRO im Sinne einer (verst{\"a}rkten) Thematisierung der Problematik tierischer Lebensmittel k{\"o}nnen folgende Maßnahmen geraten werden: • Eine Erhebung der Meinung von Mitgliedern und Spender*innen zu der o. g. Themenaufnahme in das Maßnahmenportfolio der jeweiligen NRO. Dies ist insbesondere bei NRO sinnvoll, die unsicher {\"u}ber die Reaktion ihrer Mitglieder und Spender*innen auf einen Einsatz f{\"u}r eine Reduktion des Konsums tierischer Produkte sind. • Eine Pr{\"u}fung von alternativen Finanzierungsm{\"o}glichkeiten, die eine Abh{\"a}ngigkeit von staatlichen Geldern verringern. Hierdurch w{\"u}rde der Bedeutung von NRO als Teil des Dritten Sektors neben Politik und Wirtschaft gerecht und die Einflussm{\"o}glichkeiten auf dieselben erh{\"o}ht. • Eine vermehrte Kooperation zwischen NRO innerhalb einer Disziplin und zwischen Disziplinen, sodass bspw. im Rahmen eines Netzwerkes aufeinander verwiesen werden kann. Dies erm{\"o}glicht die Einhaltung der jeweiligen Organisationsphilosophien und Kernkompetenzen trotz Zusammenarbeit mit NRO, die andere Herangehensweisen an die F{\"o}rderung einer pflanzenbetonten Ern{\"a}hrungsweise verfolgen. Zudem erm{\"o}glicht diese Netzwerkbildung eine erh{\"o}hte Wettbewerbsf{\"a}higkeit mit dem {\"o}konomischen und politischen Sektor. • Die Anerkennung der Handlungsf{\"a}higkeit von NRO als Pionierinnen des Wandels. Als Dritter Sektor neben der Politik und Wirtschaft kommt NRO eine große Bedeutung in der Beeinflussung gesellschaftlicher Prozesse, insbesondere auf zwischenstaatlicher Ebene zu. Auch komplexe Themen und, angesichts der {\"U}berschreitung der planetaren Grenzen, dringliche weltumfassende Themen k{\"o}nnen von kleinen, regionalen NRO aufgegriffen werden. • Die Fortf{\"u}hrung von bew{\"a}hrten Maßnahmen zur Reduktion des Konsums tierischer Produkte, wie verschiedene Formen der {\"O}ffentlichkeitsarbeit, kann als sinnvoll erachtet werden. Hinzu k{\"o}nnen neue Inhalte genommen werden, wie bspw. die F{\"o}rderung eines achtsamen Konsumstils durch naturnahe Lernorte. F{\"u}r eine Umsetzung wissenschaftlicher Erkenntnisse zu Verhaltens{\"a}nderungen hinsichtlich nachhaltiger Konsumstile ist eine verst{\"a}rkte Zusammenarbeit mit Forschungseinrichtungen sinnvoll. Diese Erkenntnisse hinsichtlich der Gr{\"u}nde f{\"u}r eine Thematisierung der Problematik tierischer Produkte durch NRO lassen sich evtl. auch auf andere Themen {\"u}bertragen, die von NRO aufgegriffen werden k{\"o}nnen, wie bspw. die Kritik an Flugreisen. Zudem ist es denkbar, dass die auf Deutschland beschr{\"a}nkte Analyse auch auf weitere, insbesondere westlich gepr{\"a}gte L{\"a}nder {\"u}bertragen werden kann.}, subject = {Fleischkonsum}, language = {de} }