DOI 10.1515/jura-2013-0163 Juristische Ausbildung 2013(12): 1226–1229 Aufsatz StR Prof. Dr. Christian Fahl Der Kellner, der Dieb und die Schweinehundtheorie Christian Fahl: Der Autor lehrt Strafrecht und Strafprozessrecht an der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald. I. Einleitung In Heft 3 des aktuellen Jahrganges des Münsteraner JuraMagazins »Ad legendum« findet sich eine – laut redaktioneller Ankündigung – nicht ganz ernst gemeinte »Glosse« mit dem Titel »Die Schweinehund-Theorie«. Deren Arbeitsprogramm beschreibt der Autor so: »Ich bin Anhänger der sogenannten Schweinehund-Theorie und beginne daher jede rechtliche Prüfung mit der Frage: Wer ist denn hier der Schweinehund?«1 Dabei geht es um folgenden Fall: In der Gaststätte des Wirtes W lässt ein Gast G, wie das in Amerika üblich ist und auch bei uns immer häufiger geschieht, das Trinkgeld für den Kellner K einfach auf dem Tisch liegen, der das nicht bemerkt. Dort nimmt es der B weg. Welche Ansprüche hat K (Kläger) gegen B (Beklagter)? Die Antwort auf die Ausgangsfrage scheint klar zu sein: Der Beklagte ist der »Schweinehund«. Der Autor führt den kleinen Fall dann auf einigen Umwegen zum gewünschten Ergebnis: »Der Schweinehund muss zahlen.« Zu dumm nur, dass die offizielle Lösungsskizze – es handelte sich im Original um eine Probeklausur, die der Autor als Student vor etwas mehr als 13 Jahren bei Volker Rieble in Mannheim geschrieben hat – es anders sah: Der Vindikationsanspruch aus § 985 BGB schied aus, weil der K nicht Eigentümer geworden war. Das Zurücklassen des Geldes konnte zwar als ein konkludentes Übereignungsangebot ausgelegt werden (§§ 133, 157 BGB), doch konnte der K es nicht annehmen, weil er von dem Angebot nicht wusste und § 151 BGB ja bekanntlich nur vom Zugangserfordernis entbindet, aber nicht vom Erfordernis der Annahmeerklärung selbst. Ansprüche aus Besitzstörung (§§ 861, 1007 I BGB) scheitern am fehlenden Besitzerwerb. Da K keine Kenntnis vom Trinkgeld hatte, fehlt es am Besitzbegründungswillen. Stellt man auf den generellen Beherrschungswillen ab, so hat allenfalls W – so wie an allen Dingen in seinem Lokal – Besitz. K ist lediglich Besitzdiener (§ 855 BGB)2. Alle anderen Ansprüche – zu denken ist noch an § 812 BGB und § 826 BGB – scheitern letztlich daran, dass K kein stärkeres Recht an dem Geld hatte als B und seine »bloße Erwerbschance« nicht geschützt ist. Die Klausur wurde deshalb mit einem Punkt bewertet3 – zu Unrecht. Denn im »Recht« geht es letztlich immer um »Gerechtigkeit«4. Eine gerechte Lösung ist daher immer auch eine vertretbare Lösung5. Das meint wohl auch der Autor der »Schweinehund-Theorie«, dem der kleine Fall offenbar auch nach dem Abschluss seines Studiums keine Ruhe gelassen hat. Der ehemalige Student, inzwischen nach eigener Auskunft Syndikus bei einer internationalen Flugzeugleasingfirma, schreibt aus der Sicht des Zivilrichters: »Weise ich die Klage ab, steht in der Zeitung: In welchem Land leben wir eigentlich – Trinkgelddieb darf Beute behalten. Das will ich nicht. Der Kläger muss den Rechtsstreit gewinnen.« Einverstanden. Ob B ein »Dieb« ist, ist freilich noch nicht ausgemacht. »Na typisch: Die Staatsanwaltschaft hat das Verfahren gegen den Beklagten eingestellt.« Vermutlich nach §§ 153 ff. StPO aus Opportunitätsgründen. Aber deshalb ist B noch lange nicht straflos. Und wer sagt denn, dass im strafrechtlichen Sinne nicht auch die »bloße Erwerbschance« geschützt ist?   II. Strafrechtlicher Vermögensschutz Das angeblich von § 823 I BGB nicht geschützte Vermögen »als solches« oder als »Ganzes«6 wird von § 263 StGB jedenfalls unstreitig geschützt. Streitig ist allerdings, was unter »Vermögen« zu verstehen ist. Es streiten im Wesentlichen ein (mehr) juristischer und ein (mehr) wirt- 2 Vgl. BGHZ 8, 130, 132. 3 Vgl. Bosak, Ad legendum 2013, 235, Fn. 1. 4 Fahl, Jura für Nichtjuristen, 2. Aufl. 2012, S. 12. 5 Vgl. Fahl (Fn. 4), S. 100. 6 Vgl. nur BGHZ 41, 127; Palandt-Sprau, BGB, 72. Aufl. 2013, § 823 Rn. 11.   1 Bosak, Ad legendum 2013, 235 f. – Nicht näher gekennzeichnete Zitate stammen daraus.     Aufsatz StR – Christian Fahl: Der Kellner, der Dieb und die Schweinehundtheorie schaftlicher Vermögensbegriff miteinander7. Einigkeit besteht aber seit langem darin, dass der rein juristische Vermögensbegriff zu eng ist und auch der juristisch nur schwer fassbare »gute Ruf« eines Unternehmens, der »good will«, das »know how« und auch Anwartschaften, Exspektanzen und dergleichen einbezogen werden sollten, soweit sie nicht von der Rechtsordnung ausdrücklich missbilligt werden8. Unter Zugrundelegung dieser Begriffsbestimmung bestehen keine Bedenken, auch die angeblich von §§ 812, 826 StGB nicht erfasste »bloße Erwerbschance« als vom strafrechtlichen Vermögensschutz umfasst anzusehen und dementsprechend einen »Schaden« zu bejahen. Das nützt dem K aber nichts, denn § 263 StGB schützt nur vor einer irrtums- und täuschungsbedingten (Selbst-)Schädigung. Hätte der B sich das Trinkgeld also vor den Augen des K mit der Bemerkung eingesteckt »Das ist das Zigarettengeld, das ich mir gerade zurecht gelegt habe«, woraufhin der K nur eine Augenbraue hochgezogen9 und den B seiner Wege hätte ziehen lassen, so läge ein strafbarer Betrug gem. § 263 StGB vor, der zivilrechtlich über § 823 II StGB sogar zu einem Schadenersatzanspruch führen würde. Von einer unwahren Tatsachenbehauptung, nicht einmal einer konkludenten, ist im Sachverhalt jedoch keine Rede10. Diebstahl (§ 242 StGB) und Unterschlagung (§ 246 StGB) setzen beide eine fremde Sache voraus. Das ist aber kein Problem. Da die Geldstücke ja nicht »derelinquiert« worden sind, stehen sie, wenn nicht im Eigentum des K, so noch immer im Eigentum des G und sind damit für B »fremd«. Ob nun (nur) § 246 StGB oder (auch) § 242 StGB einschlägig ist, hängt zuvörderst von den Gewahrsamsverhältnissen an den Geldstücken ab, die der Gast auf dem Tisch zurückgelassen hat. Denn § 242 StGB setzt eine Wegnahme, also den Bruch fremden und die Begründung neuen Gewahrsams, voraus11. Standen die Geldstücke in niemandes Gewahrsam, so schiede § 242 StGB folglich aus, nicht aber § 246 StGB. Dieser setzt im objektiven Tatbestand lediglich eine Zueignungshandlung voraus, die unproblematisch im Einstecken des Geldes durch B gesehen werden kann. 7 Siehe Fahl/Winkler, Meinungsstreite, BT/2, 2. Aufl. 2012, § 263 Rn. 17. 8 Vgl. Wessels/Hillenkamp, Strafrecht, BT 2, 35. Aufl. 2012, Rn. 535. 9 Zur Frage, inwieweit Zweifel an dem Behaupteten den Irrtum ausschließen, s. Fahl/Winkler, BT/2 (Fn. 7), § 263 Rn. 8. 10 Zur Definition der »Täuschung« Fahl/Winkler, Definitionen und Schemata, 5. Aufl. 2013, § 263 Rn. 2. 11 Vgl. Fahl/Winkler, Def. (Fn. 10), § 242 Rn. 4.       1227 Dass K nach der Lösungsskizze nicht Besitzer der Sachen im Lokal, sondern nur Besitzdiener (§ 855 BGB) ist, ist schon gesagt worden. Besitz und Gewahrsam unterscheiden sich jedoch12. Gewahrsam ist noch faktischer als Besitz: So hat der Erbe gem. § 857 BGB zwar Besitz (sog. Erbenbesitz), aber keinen Gewahrsam13. Der Besitzdiener hingegen hat nach dem Gesetz keinen Besitz, wohl aber kann er Gewahrsam haben14. Gewahrsam wird üblicherweise definiert als »tatsächliche willensgetragene Sachherrschaft«15. Nun haben weder W noch K die tatsächliche Möglichkeit des Zugriffs auf die Sachen, solange sie von dem Trinkgeld auf dem Tisch nichts wissen. Deshalb kommt auch der Gewahrsamsbegriff nicht ohne sozial-normative Wertungen aus. Darum hat der Bauer auch Gewahrsam am Pflug auf dem Felde16, der Wohnungsinhaber an den Gegenständen in seiner Wohnung, auch wenn er schläft oder sich im Urlaub befindet17, und der Geschäftsinhaber an allen Sachen, die sich in seinem Geschäftslokal befinden, einerlei ob sie ihm gehören oder etwa ein Gast sie dort verloren hat (sog. generell-beherrschter Raum)18. Es gibt sogar gestuften – d. h. über- und untergeordneten – Gewahrsam, Mitgewahrsam und bloße »Gewahrsamshüter« oder »Gewahrsamsgehilfen«, die selbst keinen Gewahrsam haben19. Bei Dienst-, Auftrags- und Arbeitsverhältnissen verhält es sich so: An den Waren wie am Geld in der Kasse – und selbst am Geld, das sie von den Kunden in Empfang nehmen20 – soll bei Verkäuferinnen, Angestellten und Lehrlingen in Ladenlokalen kleinen oder mittleren Zuschnitts jedenfalls nach einer im Vordringen befindlichen Ansicht nicht (mehr) Mitgewahrsam, sondern nur noch Alleingewahrsam des Geschäftsherrn – das wäre hier der W – anzunehmen sein, da sich die Beziehung des Personals zu diesen Betriebsmitteln auf rein unterstützende Funktion beschränkt (bloße Gewahrsamsgehilfen)21. Das   12 Siehe nur Wessels/Hillenkamp (Fn. 8), Rn. 93. 13 »Leichenfledderei« ist daher nur nach § 246 StGB strafbar, s. Wessels/Hillenkamp (Fn. 8), Rn. 95, 318. 14 Wessels/Hillenkamp (Fn. 8), Rn. 94. 15 Fahl/Winkler, Def. (Fn. 10), § 242 Rn. 5. 16 Fahl/Winkler, BT/2 (Fn. 7), § 242 Rn. 10. 17 Wessels/Hillenkamp (Fn. 8), Rn. 82. 18 Darum keine »Fundunterschlagung«, sondern Diebstahl, wenn die Putzfrau im Kino den zwischen den Sitzen steckenden Diamantring für sich behält. 19 Siehe zum Ganzen Wessels/Hillenkamp (Fn. 8), Rn. 96. 20 Eisele, Strafrecht, BT II, 2. Aufl. 2012, Rn. 38. 21 Wessels/Hillenkamp (Fn. 8), Rn. 100 – Hervorhebung im Original; a. A. LK-Ruß, StGB, 11. Aufl. 2005, § 242 Rn. 25, der darin eine »unberechtigte Übernahme des § 855 BGB« sieht, was jedoch nach Wessels/ Hillenkamp, a. a. O., Fn. 99, »am Ergebnis (= Anwendbarkeit des § 242 an Stelle des § 246) nichts ändern würde«.           1228 Aufsatz StR – Christian Fahl: Der Kellner, der Dieb und die Schweinehundtheorie gilt auch für den Kellner, jedoch nicht für das Trinkgeld. Insofern kann keine Rede davon sein, dass die Verkehrsauffassung den Gewahrsam daran ausschließlich dem Geschäftsherrn zuwiese, darauf trifft eher das Gegenteil zu. An den als Trinkgeld zurückgelassenen Geldern dürfte dem W allenfalls Mitgewahrsam zukommen, wenn nicht der K diesbezüglich Alleingewahrsam hatte. Folgt man dem, so hat B eine fremde bewegliche Sache, nämlich die zurückgelassenen Geldstücke des G, weggenommen, also fremden Gewahrsam – nämlich den des K – gebrochen und neuen, eigenen Gewahrsam daran begründet, indem er sie einsteckte, mithin einen Diebstahl gem. § 242 StGB begangen. Die seit dem 6. StrRG stets mitverwirklichte Unterschlagung gem. § 246 StGB tritt dahinter im Wege ausdrücklicher Subsidiarität zurück. Der B ist also in der Tat ein »Dieb«. Das eröffnet dem K unter Umständen noch eine weitere Möglichkeit, wie er zivilrechtlich an »sein« Geld kommen kann: § 823 II BGB i. V. m. § 242 StGB. Dass § 242 StGB ein »Schutzgesetz« i. S. des § 823 II BGB ist, steht außer Frage. Die Frage ist nur, ob § 242 StGB auch den K schützt.       III. Wen schützt § 242 StGB? Da die Frage, ob ein beliebiges Gesetz »ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz« ist und wessen Schutz bezweckt wird, eine zivilrechtliche ist, nämlich eine der Auslegung des § 823 II 1 BGB, könnte das Zivilrecht das theoretisch vollkommen unabhängig vom Strafrecht entscheiden. Aus strafrechtlicher Sicht wird man zuerst auf das Rechtsgut schauen: Obwohl es sich, wie an der gängigen Einteilung der Lehrbücher erkennbar22, allesamt um »Vermögensdelikte« handelt, schützen § 242 StGB und § 246 StGB anders als § 263 StGB nicht das Vermögen im engeren Sinne, sondern das Eigentum23. Es nützt daher nichts, Exspektanzen vom strafrechtlichen Vermögensschutz als umfasst anzusehen, wenn § 242 StGB nicht das Vermögen und dessen Inhaber schützt, sondern den Eigentümer. Der Eigentümer ist zwar von § 242 StGB geschützt, aber Eigentümer ist nicht K, sondern nach der Lösungsskizze noch immer G, der nicht auffindbar ist und im Übrigen im Gegensatz zu K auch gar kein Interesse mehr an dem zurückgelassenen Geld hat und daher weder Zahlungsklage erheben, noch seine et- waigen Ansprüche an K abtreten, noch Strafantrag (§ 248 a StGB) stellen wird. Dass das eine missliche Situation sein kann, ist im Strafrecht längst erkannt. Gem. § 77 I StGB kann nur »der Verletzte« Strafantrag stellen. Wird daher beim Versendungskauf (§ 447 BGB) die Sache nach Gefahrübergang beschädigt oder gestohlen, so hat die Rspr. es zugelassen, dass neben dem Eigentümer, der kein Interesse mehr an der Sache hat, auch derjenige als Verletzter antragsberechtigt ist, der die Versendungsgefahr trägt, also der Käufer24. Daraus die allgemeine Regel abzuleiten, dass stets derjenige als »verletzt« anzusehen sei, der ein Interesse an der Sache hat, ginge aber zu weit. Auch ist vor Ausuferungstendenzen zu warnen, bei der Sachbeschädigung nach § 303 StGB z. B. neben dem Vermieter und Eigentümer auch dem nutzungsberechtigten Mieter25, neben dem Geschädigten beim Betrug auch dem Getäuschten26 usw. das Antragsrecht zuzugestehen. Es wäre beispielsweise dogmatisch widersprüchlich, als Schutzgut des § 303 StGB das Eigentum anzusehen und für die Antragsberechtigung jedes dingliche Recht genügen zu lassen27. Es bleibt also dabei: nur der Inhaber des jeweils geschützten Rechtsgut ist Verletzter und auch als im Sinne von § 823 II BGB geschützt anzusehen. § 242 StGB schützt aber anders als § 246 StGB neben dem Eigentum nach h. M. noch ein anderes Rechtsgut, den Gewahrsam28. Das Eigentum ist in § 242 StGB nämlich nicht gegen jedwede rechtswidrige Zueignung durch einen anderen, sondern nur gegen Wegnahme in Form von Gewahrsamsbruch geschützt. Infolgedessen schützt § 242 StGB auch den Inhaber des Gewahrsams vor dem Bruch       24 RGSt 63, 76, 78; BayObLG NJW 1963, 1464; SSW-Rosenau, StGB, 2009, § 77 Rn. 13; krit. Schönke/Schröder-Sternberg-Lieben/Bosch, StGB, 28. Aufl. 2010, § 77 Rn. 10. 25 Schönke/Schröder-Eser/Bosch (Fn. 24), § 77 Rn. 10. – Abgesehen davon kann zumindest begrifflich unterschieden werden, ob jemand »verletzt« oder sein Schutz durch das Gesetz »bezweckt« ist. 26 BGHSt 7, 245, 247; RGSt 74, 167, 168 f.; Schönke/Schröder-Eser/ Bosch (Fn. 24), § 77 Rn. 10; SSW-Satzger (Fn. 24), § 263 Rn. 288. 27 Eifert, JuS 1993, 1033, 1038; zust. Schönke/Schröder-Eser/Bosch (Fn. 24), § 77 Rn. 10. 28 BGHSt 10, 400, 401; 29, 319, 323; BGH NJW 2001, 1508; OLG Hamm, NJW 1964, 1427; HK-GS/Duttge, StGB, 3. Aufl. 2013, § 242 Rn. 3; Lackner/Kühl, StGB, 27. Aufl. 2011, § 242 Rn. 1; LK-Ruß (Fn. 21), Vor § 242 Rn. 3; Rengier, Strafrecht, BT I, 15. Aufl. 2013, § 2 Rn. 1; SKHoyer, StGB, 6. Aufl. 47. Lfg. (Februar 1999), § 242 Rn. 1; SSW-Kudlich (Fn. 24), § 242 Rn. 3; s. auch Jäger, Examens-Repetitorium Strafrecht, BT, 5. Aufl. 2013, Rn. 174 ff.; a. A. AnwK-Kretschmer, StGB, 2011, § 242 Rn. 3; Fischer, StGB, 60. Aufl. 2013, § 242 Rn. 2; LPK/Kindhäuser, StGB, 4. Aufl. 2010, § 242 Rn. 1; MK-Schmitz, StGB, 2. Aufl. 2011, § 13 Rn. 4 ff.; NK-Kindhäuser, StGB, 3. Aufl. 2010, Vor § 242 Rn. 3; Schönke/Schröder-Eser/Bosch (Fn. 24), § 242 Rn. 1/2.                     22 Z. B. Wessels/Hillenkamp (Fn. 8): »Straftaten gegen Vermögenswerte«. 23 Vgl. Wessels/Hillenkamp (Fn. 8), Rn. 1, 2.           Aufsatz StR – Christian Fahl: Der Kellner, der Dieb und die Schweinehundtheorie seines Gewahrsams. Wenn diese Begründung dogmatisch auch auf wackligen Füßen stehen mag29, so macht es insofern doch einen Unterschied, ob man K oder W als Gewahrsamsinhaber ansieht30. Ist K (Mit-)Gewahrsamsinhaber des von G zurückgelassenen Geldes, so wird er von § 242 StGB geschützt und kann das Geld nach § 823 II BGB i. V. m. § 242 StGB von B zurückverlangen.     IV. Die Lösung des Syndikusanwalts Der ehemalige Jurastudent und Syndikusanwalt löst den Fall anders: §§ 823 II BGB i. V. m. 242 StGB greife nicht ein, »da der Diebstahlsparagraph nur den Gewahrsamsinhaber und den Eigentümer« schütze. Damit schließt er sich der h. M. an, was das Schutzgut des § 242 StGB – Gewahrsam und Eigentum – betrifft, sieht in K aber wohl ebenso wenig den Inhaber des Gewahrsams wie des Besitzes an den zurückgelassenen Geldstücken. Statt dessen hält er ihn für den Eigentümer. Wie das? »Als empathischer Richter versetze ich mich in die Lage des Gastes und überlege mir, was in dessen Kopf wohl vorgegangen sein mag, als er das Geld auf den Tisch legte und das Lokal verließ.« G wollte dem Kellner das Trinkgeld übereignen. Gem. § 929 Satz 1 BGB wird das Eigentum durch Einigung und Übergabe übertragen. Was die Einigung – ein dinglicher Vertrag, der durch Angebot und Annahme zustande kommt – betrifft so geht er von einem »Insichgeschäft« des G mit sich selbst als »Vertreter ohne Vertretungsmacht« (§ 177 BGB) aus, weil sich das von G gewünschte Ergebnis nur so erreichen lässt. Laien machen sich bei Alltagsgeschäften ohnehin keine Gedanken und überlassen die Analyse der Vorgänge den Juristen. § 181 BGB stehe nicht entgegen, weil die Übereignung für den Vertretenen lediglich rechtlich vorteilhaft war. Diese Einschränkung lässt sich dem Wortlaut des § 181 BGB zwar so nicht entnehmen, wird aber aus dem Sinn und Zweck des Gesetzes hergeleitet31. Schuldrechtlich liegt dem, ohne dass es in diesem Zusammenhang weiter darauf ankäme,       29 Vgl. Wessels/Hillenkamp (Fn. 8), Rn. 70. 30 Siehe oben Fn. 21. 31 Siehe nur Palandt-Ellenberger (Fn. 6), § 181 Rn. 9. 1229 eine sog. Handschenkung zugrunde, deren Formmangel durch Bewirkung der Leistung geheilt wurde, § 518 II BGB. Spätestens mit Klageerhebung genehmigt der Kläger die Rechtsgeschäfte des vollmachtlosen Vertreters. Die Genehmigung wirkt nach § 184 I BGB zurück. Bleibt nur noch das Problem mit der Übergabe: Einer solchen bedarf es aber gar nicht unbedingt. Nach § 854 II BGB genügt die Einigung des bisherigen Besitzers und des Erwerbers zum Besitzerwerb, wenn der Erwerber »in der Lage ist, die Gewalt über die Sache auszuüben«. Wie sich aus dem Umkehrschluss zu § 854 I BGB ergibt, ist die Erlangung der tatsächlichen Gewalt selbst oder deren Ausübung nicht erforderlich32. – »Ergebnis elegant erreicht.« K ist glücklicher Eigentümer der zurückgelassenen Geldstücke bzw. – unwahrscheinlich – Scheine geworden. Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Vindikationsanspruch aus § 985 BGB, einen Anspruch aus Eingriffskondiktion gem. § 812 I 1 2. Alt. BGB, des weiteren einen Anspruch aus § 861 I BGB, aus § 1007 I BGB und aus § 823 I und II BGB. Vergleicht man die beiden Lösungen, so fällt auf, dass sie sich lediglich im Letzteren treffen, ansonsten aber unterschiedlicher kaum sein könnten: Im einen Fall wird Eigentum und Besitz verneint, dafür Gewahrsam bejaht. Im anderen Fall wird umgekehrt Eigentum und Besitz bejaht, dafür Gewahrsam verneint. Was man für richtiger hält, ist letztlich egal. Wichtig ist bekanntlich nur, was »hinten« herauskommt: »Der Schweinehund muss zahlen.« V. Fazit Wenn die Klausur als eine im Ganzen nicht mehr brauchbare Leistung bewertet wurde, so liegt das sicher nicht an der der Lösung zu Grunde liegenden Theorie. An der »Schweinehundtheorie« ist nichts falsch. Eine gerechte Lösung ist immer auch eine (vertretbare) juristische Lösung. Leider gilt aber nicht auch das Umgekehrte33. Eine vertretbare juristische Lösung kann gelegentlich auch ungerecht sein. 32 Palandt-Bassenge (Fn. 6), § 854 Rn. 7. 33 Fahl (Fn. 4), S. 100.