Juristische Ausbildung 2016(7): 735–738 Aufsatz StR Prof. Dr. Christian Fahl* Zur Strafbarkeit der Falschmeldung im Internet über den Tod eines Asylsuchenden DOI 10.1515/jura-2016-0151 I. Einleitung bestand falle. Das stimmt freilich so nicht. In Betracht kommen §§ 145d, 164 StGB, wobei ersterer gegenüber letzterem ausweislich seiner ausdrücklichen Subsidiaritätsklausel zurücktritt. Die Flüchtlingssituation in Deutschland treibt seltsame Blüten: Am 27. Januar 2016 berichtete ein ehrenamtlicher Flüchtlingshelfer – um auf die (damals) bestehenden Missstände aufmerksam zu machen, aus Hilflosigkeit oder Überforderung oder einfach nur, um Aufmerksamkeit zu bekommen – via Facebook, ein syrischer Flüchtling sei nach langem Warten vor dem Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) in Berlin kollabiert: »So. Soeben ist ein 24-jähriger Syrer, der tagelang am Lageso bei Minusgraden im Schneematsch angestanden hat, nach Fieber, Schüttelfrost, dann Herzstillstand im Krankenwagen, dann in der Notaufnahme – verstorben.« Die Empörung, dass es erst so weit kommen musste, war groß; Politiker waren rasch mit Rücktrittsforderungen bei der Hand; auch fehlte es nicht an Äußerungen, dass der tragische Tod hätte verhindert werden können. Während die Helfer-Organisation »Moabit hilft«, der der Helfer angehörte, die Meldung bestätigte, suchten Senatsverwaltung, Feuerwehr und Polizei die Krankenhäuser nach dem Leichnam des Flüchtlings ab. Dann steht fest: Es gibt gar keinen Toten. Die Geschichte war frei erfunden. So wie die Sache ihren Anfang genommen hatte, so endete sie auch: bei Facebook. Dort veröffentlichte der Helfer, Dirk V., tags darauf eine Entschuldigung. Er sei am Ende seiner Kräfte gewesen und betrunken. Da habe er sich in die Geschichte so hineingesteigert, dass er sie schließlich selbst geglaubt habe. Aber am nächsten Morgen habe er sich gleich mit der Polizei in Verbindung gesetzt und erklärt, dass niemand gestorben sei. Während der Innensenator energisch rechtliche Schritte fordert, erklärt ein Polizeisprecher, dass die Sache keine strafrechtlichen Konsequenzen für den Helfer haben werde, weil sein Verhalten unter keinen Tat- Nach dem ersten Absatz dieser Vorschrift macht sich strafbar, wer einen anderen bei einer Behörde öffentlich wider besseres Wissen einer rechtswidrigen Tat oder der Verletzung einer Dienstpflicht in der Absicht verdächtigt, ein behördliches Verfahren gegen ihn herbeizuführen. Nach dem zweiten Absatz macht sich strafbar, wer in gleicher Absicht über einen anderen wider besseres Wissen »eine sonstige Behauptung tatsächlicher Art aufstellt, die geeignet ist, ein behördliches Verfahren… gegen ihn herbeizuführen…«. Was eine »rechtswidrige Tat« i. S. des § 164 I StGB ist, ergibt sich aus § 11 I Nr. 5 StGB. Das kann danach nur eine solche sein, die den Tatbestand eines Strafgesetzes verwirklicht – andernfalls (z. B. bloße Ordnungswidrigkeit) kommt nur § 164 II StGB in Betracht. Als Straftat, die durch die Mitarbeiter des Lageso begangen worden sein könnte, wenn sie einen Flüchtling in Matsch und Schnee stehen lassen, kommt hier § 323 c StGB (Unterlassenen Hilfeleistung) oder gar fahrlässige Tötung durch Unterlassen in Frage (§§ 222, 13 StGB). Ein »Unglücksfall« i. S. von § 323 c StGB ist ein plötzlich eintretendes, unerwartetes Ereignis, das einen erheblichen Schaden erwarten lässt.1 Dieses kann auch in der plötzlichen Verschlechterung (»Fieber, Schüttelfrost, dann Herzstillstand«) eines bereits krankhaften Zustandes liegen. Obwohl anhand des mitgeteilten E-Mail-Textes nicht sicher beurteilt werden kann, was denn der oder die Mit- *Kontaktperson: Christian Fahl, der Verfasser ist Inhaber des Lehrstuhls für Strafrecht, Strafprozessrecht und Rechtsphilosophie an der Universität Greifswald. 1 Vgl. Fischer, StGB, 63. Aufl. 2016, § 323 c Rn. 3; s. auch Fahl/Winkler, Definitionen und Schemata, Strafrecht, 6. Aufl. 2015, § 164 Rn. 3. II. § 164 StGB (Falsche Verdächtigung)               736 Aufsatz StR – Christian Fahl: Zur Strafbarkeit der Falschmeldung im Internet über den Tod eines Asylsuchenden arbeiter2 des Lageso in dieser Situation mehr oder anderes hätten tun können, als einen Krankenwagen zu rufen, was angeblich ja geschehen ist – wenn von anderer Seite bereits genügend Hilfe geleistet wird, fehlt es bereits an der »Erforderlichkeit« der Hilfe;3 wenn den Mitarbeitern »ohne Verletzung anderer wichtiger Pflichten« keine Hilfe möglich ist, an der »Zumutbarkeit« i. S. der Vorschrift – würde das für den von § 164 I StGB vorausgesetzten »Verdacht« allemal ausreichen. Gemeint ist hier ein Anfangsverdacht i. S. des § 152 II StPO.4 Bei Vorliegen eines solchen sind die Strafverfolgungsbehörden verpflichtet zu ermitteln. Wie die dazu kommen (durch Fernsehen; Zeitung; Internet) ist im Prinzip gleichgültig. »Straftaten« hat die Polizei zu »erforschen«, § 163 I 1 StPO. Würde vor dem Lageso oder sonstwo die Leiche eines Unbekannten gefunden, so ist die Polizei zur sofortigen Anzeige an die Staatsanwaltschaft verpflichtet, § 159 I StPO. Das echte Unterlassungsdelikt (§ 323 c StGB) träte freilich im Wege der Gesetzeskonkurrenz (Subsidiarität) hinter das unechte Unterlassungsdelikt (§§ 222, 13 StGB) zurück, für das hier ebenfalls genügend »tatsächliche Anhaltspunkte« (§ 152 II StPO) bestünden: Wo ein Mensch in der Warteschlange vor dem Amt erfriert, das ihm helfend zu Seite stehen soll, liegt der Verdacht auf eine Sorgfaltspflichtverletzung nahe,5 und an der Garantenstellung der Mitarbeiter des Lageso für die Flüchtlinge (aus Vertrag oder faktischer Übernahme bzw. als Beschützergarant)6 kann ebenfalls kein Zweifel bestehen. Dagegen liegt der Verdacht eines – auch nur mit Eventualvorsatz (Möglichkeitstheorie7) begangenen – Totschlags (§ 212 StGB) oder gar Mordes (§ 211 StGB) eher fern. Aus demselben Grunde wie eine Sorgfalts- und Garantenpflichtverletzung (siehe oben) kommt auch eine Dienstpflichtverletzung gem. § 164 I 2. Alt. StGB in Frage. Öffentlich erfolgt eine Verdächtigung, wenn sie für eine nach Zahl und Individualität unbestimmten Per      2 Namentliche Nennung ist nicht erforderlich, Individualisierbarkeit reicht, SSW-Jeßberger, StGB, 2. Aufl. 2014, § 164 Rn. 6. – Fehlt es daran (wie bei einer Strafanzeige »gegen Unbekannt«), bleibt nur Raum für § 145 d StGB. 3 Wessels/Hettinger, Strafrecht, BT 1, 39. Aufl. 2015, Rn. 1046. 4 Vgl. Fischer (Fn. 1), § 164 Rn. 3. 5 Dazu passt, dass über 40 Rechtsanwälte unabhängig von diesem Vorfall bereits Strafanzeige gegen den Berliner Innensenator wegen Körperverletzung im Amt (§ 340 StGB) gestellt haben sollen. 6 Begründung der Garantenpflichten umstritten, vgl. Fahl/Scheurmann-Kettner, JA 1998, 658, 659 f.; s. auch Fahl/Winkler, Meinungsstreite, Strafrecht, AT und BT/1, 3. Aufl. 2015, § 13 Rn. 5. 7 Wessels/Beulke/Satzger, Strafrecht, AT, 45. Aufl. 2015, Rn. 326; s. auch Fahl/Winkler (Fn. 6), § 15 Rn. 4.     sonenkreis wahrnehmbar ist.8 Die Veröffentlichung im Internet bei Facebook ist ein Musterbeispiel dafür.9 Der Tod des Syrers ist ohne Zweifel auch eine »Behauptung tatsächlicher Art« i. S. von § 164 II StGB. Unklar ist jedoch, ob § 164 I StGB für seinen Anwendungsbereich nicht lex specialis gegenüber Abs. 2 ist.10 Letztlich kann das aber dahinstehen, weil es an der in beiden Absätzen vorausgesetzten Absicht fehlen dürfte, ein behördliches Verfahren herbeizuführen. Absicht ist zwar auch11 hier nicht »im technischen Sinne« zu verstehen, so dass der Täter es nicht zielgerichtet gerade darauf angelegt haben muss.12 Eigentliche Triebfeder seines Handelns war wohl eher, die Öffentlichkeit für die (tatsächlich vorhandenen) Missstände zu sensibilisieren, vielleicht aber auch nur Aufmerksamkeit zu erheischen. Allerdings muss der Täter die Einleitung eines (Straf-)Verfahrens gegen irgendeinen Mitarbeiter des Lageso als sichere Folge seines Handelns vorhergesehen haben.13 Das erscheint schon aufgrund seiner (behaupteten) Trunkenheit fraglich. Schließlich ist bei der Beurteilung, was Dirk V. vorausgesehen hat, zu berücksichtigen, dass tatsächlich kein behördliches Verfahren gegen irgendjemanden Bestimmten durchgeführt wurde, und keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass er von einer anderen Entwicklung (als sicher) ausgegangen ist, als tatsächlich stattgefunden hat.   III. § 145 d StGB (Vortäuschen einer Straftat)   Anders sieht es bei § 145 d StGB aus: Danach macht sich strafbar, wer einer Behörde oder einer zur Entgegennahme von Anzeigen zuständigen Stelle wider besseres Wissen vortäuscht, dass eine rechtswidrige Tat (§ 11 I Nr. 5 StGB, siehe oben II.) begangen worden sei (§ 145 d I Nr. 1 StGB). Geschütztes Rechtsgut ist anders als bei § 164 StGB nicht (auch)14 die Ehre der zu Unrecht Verdächtigten, sondern         8 SSW-Jeßberger (Fn. 2), § 164 Rn. 16; vgl. auch Fahl/Winkler (Fn. 1), § 164 Rn. 3. 9 Vgl. SSW-Fahl (Fn. 2), § 111 Rn. 4 m. w. N. 10 So Wessels/Hettinger (Fn. 2), Rn. 690; s. auch Rengier, Strafrecht, BT II, 16. Aufl. 2015, § 50 Rn. 22a. 11 Fraglich ist allerdings, was dann für den Begriff der Absicht im technischen Sinne überhaupt noch übrig bleibt, vgl. Fahl, JA 1997, 110, 116 – zu § 263 StGB (»Kursbeginn-« oder »Bahnsteigkartenfall«). 12 Siehe BGHSt 13, 219, 222; Fischer (Fn. 1), § 164 Rn. 13; SSW-Jeßberger (Fn. 2), § 164 Rn. 19. 13 BGHSt 18, 204, 206; SSW-Jeßberger (Fn. 6), § 164 Rn. 19. 14 Vgl. Fischer (Fn. 1), § 164 Rn. 2; SSW-Jeßberger (Fn. 6), § 164 Rn. 3.         Aufsatz StR – Christian Fahl: Zur Strafbarkeit der Falschmeldung im Internet über den Tod eines Asylsuchenden 737 § 145 d StGB seiner ratio legis nach verhindern will, nämlich dass die Ressourcen der Polizei vergeudet werden, die dann notwendig an anderer Stelle fehlen. Damit unterfällt das Verhalten von Dirk V. entgegen der Einschätzung der Polizei durchaus einem Straftatbestand und ist nicht etwa strafrechtlich irrelevant. Umgekehrt ist die (im Netz) ebenfalls schon erhobene Forderung, einen Straftatbestand zu schaffen, der ein solches Verhalten pönalisiert, verfehlt. Damit wird nur gefordert, was es längst gibt. allein die staatliche Strafrechtspflege, die vor unnützer Inanspruchnahme geschützt werden soll.15 Eine besondere Absicht, wie bei § 164 StGB (siehe oben), ist hier nicht erforderlich. Auch braucht sich der Verdacht gegen niemanden Bestimmten zu richten,16 es reicht schlicht, dass das Vorhandensein einer Straftat (§§ 222, 13; 323 c StGB) vorgetäuscht wird. Dafür genügt anders als bei § 164 StGB eine öffentliche Verdächtigung via Internet nicht. Vielmehr muss der Täter die Straftat »einer Behörde oder einer zur Entgegennahme von Anzeigen zuständigen Stelle« vortäuschen. Zur Entgegennahme von Strafanzeigen zuständig sind Polizei und Staatsanwaltschaft, vgl. § 158 I StPO. Da diese aber auch schon »Behörde« sind (§ 11 Nr. 7 StGB), sind sie sogar doppelt erfasst. Daran könnte es vorliegend gebrechen, da Dirk V. den Vorfall schließlich nicht auf dem Internetportal der Polizei gemeldet, sondern auf Facebook gepostet hat. Fraglich ist, ob das ausreicht, weil er damit rechnen musste, dass der Sachverhalt auf diesem Wege auch zur Kenntnis von Polizei und Staatsanwaltschaft kommen würde. In subjektiver Hinsicht begnügt § 145 d StGB sich nämlich nicht mit einfachem Vorsatz wie sonst, sondern verlangt dolus directus II. Grades (»wider besseres Wissen«). Bei genauerem Hinsehen ergibt sich jedoch, dass der Bezugspunkt für das sichere Wissen nur die begangene rechtswidrige Tat ist – der Täter muss wissen, dass keine rechtswidrige Tat vorliegt, das ist hier der Fall –, und nicht die Tathandlung: Die Tathandlung »Vortäuschen« kann durchaus mit dolus eventualis begangen werden. Beispiel:17 Der nüchterne Fahrer fährt aus Spaß »betrunken« Schlangenlinien und hält es für möglich, dass Passanten die Polizei alarmieren. – § 145 d StGB ist erfüllt, wenn die Polizei tatsächlich unterrichtet wird.18 Das ist hier – auf welchem Weg auch immer – geschehen, wenn die Polizei nicht sogar von selbst auf den Internetbeitrag aufmerksam geworden ist. Vollendet ist die Tat nach § 145 d StGB, sobald die erfundene Tat zur Kenntnis der Polizei gelangt ist – und zwar sogar dann, wenn sie komplett folgenlos geblieben wäre, die Polizei also keinerlei Ermittlungsmaßnahmen ergriffen hätte.19 Hier hat sie freilich in den Krankenhäusern der Stadt nach dem toten Flüchtling gesucht. Damit ist genau das eingetreten, was Wenn dennoch Zweifel an der Strafbarkeit bestehen bleiben, so liegen sie auf anderer Ebene: Dirk V. könnte nämlich zu betrunken gewesen sein, um »das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln« (§ 20 StGB). Der Alkoholrausch ist zumindest eine »tiefgreifende Bewusstseinsstörung« i. S. der Vorschrift.20 Selbst wenn Dirk V. sich jedoch bis zur Schuldunfähigkeit berauscht hätte, bevor er den Facebookeintrag postete, so wäre er deshalb jedoch nicht straflos. Dazu bedarf es keines Rückgriffs auf die umstrittenen Grundsätze der actio libera in causa.21 Wer sich vorsätzlich oder fahrlässig in einen Rausch versetzt, wird nach § 323 a StGB bestraft, »wenn er in diesem Zustand eine Tat begeht und ihretwegen nicht bestraft werden kann, weil er infolge des Rausches schuldunfähig war« (objektive Bedingung der Strafbarkeit). Freilich kann ohne genauere Angaben zur Trinkmenge kaum gesagt werden, ob sein Rausch wirklich den für § 20 StGB nötigen Grad erreicht hat.22 Denkbar ist daher auch, dass »Einsichts-« (»das Unrecht der Tat einzusehen«) und »Steuerungsfähigkeit« (»oder nach dieser Einsicht zu handeln«) bei ihm lediglich »vermindert« waren, § 21 StGB. Aber auch das ist kein Problem: § 323 a StGB greift nicht nur ein, wenn der Täter in betrunkenem Zustand eine Tat begeht und ihretwegen nicht bestraft werden kann, »weil er infolge des Rausches schuldunfähig war«, sondern auch, wenn »dies nicht auszuschließen ist«. Allerdings soll dies einer höchst fragwürdigen Ansicht nach dann nicht der Fall sein, wenn – wie hier – auch nicht 15 Statt aller Fischer (Fn. 1), § 145 d Rn. 2. 16 Siehe dazu nochmals oben Anmerkung 2. 17 Nach Joecks, StGB, 11. Aufl. 2014, § 145 d Rn. 31. 18 Genauere Analyse ergibt, dass eine mittelbare Täterschaft (§ 25 I 2. Alt. StGB) mit den Passanten als vorsatzlosen Werkzeugen gegeben ist. 19 Vgl. Joecks (Fn. 17), § 145 d Rn. 14; Schönke/Schröder-SternbergLieben, StGB, 29. Aufl. 2014, § 145 d Rn. 11. 20 Wessels/Beulke/Satzger (Fn. 7), Rn. 625; s. aber auch LPK-Kindhäuser, StGB, 6. Aufl. 2014, § 20 Rn. 10; zum Ganzen Fahl/Winkler (Fn. 6), § 20 Rn. 1. 21 Siehe dazu LPK-Kindhäuser (Fn. 20), § 20 Rn. 14 ff.; Wessels/Beulke/Satzger (Fn. 7), Rn. 633 ff.; s. auch Fahl/Winkler (Fn. 6), § 20 Rn. 3. 22 Zu den hier maßgeblichen »Promillegrenzen« LPK-Kindhäuser (Fn. 20), § 20 Rn. 11; s. auch Fahl/Winkler (Fn. 6), § 20 Rn. 2.             IV. § 20 StGB (Schuld)                   738 Aufsatz StR – Christian Fahl: Zur Strafbarkeit der Falschmeldung im Internet über den Tod eines Asylsuchenden auszuschließen ist, dass der Täter nicht einmal den für § 21 StGB erforderlichen Alkoholisierungsgrad erreicht hat.23 Falls zutrifft, was Dirk V. zu seiner Entschuldigung auf seiner Facebook-Seite gepostet hat, dann kommt es freilich darauf gar nicht an und scheidet § 323 a StGB noch aus einem ganz anderen Grund aus.   ist (»wegen Versuchs wird nicht bestraft«) und die Tat selbst dann vollendet wäre, wenn die Polizei keinerlei Ermittlungen durchgeführt hätte.26 In Betracht kommt lediglich eine Analogie zu den verstreuten Vorschriften, die gewissermaßen einen Rücktritt vom vollendeten Delikt ermöglichen; man spricht insoweit von »tätiger Reue« (§§ 83 a I, II; 139 IV; 306 e; 314 a; 320 etc.27). Eine solche (Gesamt-)Analogie wird von der h. M. jedoch mangels unbewusster Regelungslücke28 ebenso abgelehnt wie eine (Einzel-)Analogie zu § 158 StGB (»wenn der Täter die falsche Angabe rechtzeitig berichtigt«). Abgesehen davon, dass es damit an der Voraussetzung einer jeden Analogie fehlt, würde es aber hier wohl auch an der »Rechtzeitigkeit« i. S. des § 158 StGB fehlen, weil die Polizei bereits eine Suchaktion gestartet und Dirk V. in den Worten des Polizeisprechers bereits »die ganze Republik verrückt gemacht« hatte.         V. § 16 StGB (Tatbestandsirrtum) Wenn Dirk V. sich in die Geschichte wirklich so hineingesteigert hat, dass er – alkoholbedingt – am Ende selbst daran glaubte, dann entfällt nämlich das sowohl in § 145 d StGB wie auch in § 164 StGB vorausgesetzte sichere »Wissen« bzgl. des Nichtvorliegens einer rechtswidrigen Tat, § 16 I StGB. Auch § 323 a StGB entfällt dann, weil die Strafbarkeit wegen der Rauschtat nicht erst an § 20 StGB, sondern schon an § 16 I StGB scheitert. Das soll aber nach der ratio legis der Vorschrift nicht von § 323 a StGB erfasst werden. Man kann sich das verdeutlichen, indem man in die Formulierung »nicht bestraft werden kann, weil« ein »nur« hineinliest.24 Und das gilt nach h. M. selbst dann, wenn der den Vorsatz ausschließende Irrtum selbst rauschbedingt war und es ohne den Alkoholkonsum zu dem fraglichen Irrtum gar nicht hätte kommen können.25 Dirk V. war also gut beraten – oder hat jedenfalls gut daran getan –, das vorsichtshalber zu behaupten, statt auf die rechtliche Einschätzung des Polizeisprechers zu vertrauen.         VII. Schluss Dagegen nützt es dem Täter bei den §§ 145d, 164 StGB nichts, dass er die falschen Angaben am nächsten Morgen gleich »berichtigt« hat. Darin einen strafbefreienden Rücktritt nach § 24 StGB zu sehen, scheidet schon deshalb aus, weil dieser ausweislich seines Wortlauts nur auf versuchte Taten anwendbar Mit dem Aufkommen des Internets hat sich einst die Hoffnung verbunden, dass damit allen Gerüchten der Boden entzogen würde, weil alle Informationen allen »in Echtzeit« zugänglich sind. Das Gegenteil hat sich als wahr herausgestellt: Das Internet verhilft Gerüchten und Falschmeldungen überhaupt erst zum Durchbruch und schafft den Nährboden, auf dem sie sich nahezu ungehindert verbreiten – vor allem, wo sie »ins Bild« passen und auf ohnehin schon bestehende Ängste oder Ressentiments treffen: Ein junger Politiker in Schwerin erfindet per Facebook-Eintrag einen rechtsradikalen Überfall auf sich. Der russische Außenminister verbreitet Falschmeldungen über eine angebliche Vergewaltigung einer 13-jährigen Russlanddeutschen. Oft bleibt die nachträgliche Richtigstellung weniger lange im Gedächtnis haften als die ursprüngliche Falschmeldung. Für die Schaffung eines neuen Straftatbestandes des »Missbrauchs des Internets« besteht jedoch neben den vorhandenen Straftatbeständen, die all diese Fälle sachgerecht erfassen, noch kein Anlass. 23 Rengier (Fn. 10), § 41 Rn. 21 f.; a. A. etwa Fahl, JuS 2005, 1076, 1077 (für »in dubio pro reo« bleibt danach nur Raum, wo noch nicht einmal sicher festgestellt werden kann, ob er überhaupt Alkohol getrunken hat). 24 Vgl. Rengier (Fn. 10), § 41 Rn. 16. 25 Vgl. Wessels/Hettinger (Fn. 3), Rn. 1038. 26 Siehe oben Anm. 19. 27 Siehe dazu Fahl/Winkler (Fn. 6), § 20 Rn. 18; Wessels/Beulke/Satzger (Fn. 7), Rn. 654. 28 Vgl. Fahl/Winkler (Fn. 6), § 145 d Rn. 5; a. A. Schönke/SchröderSternberg-Lieben (Fn. 19), § 145 d Rn. 24.   VI. § 24 StGB (Rücktritt)