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Information und Transformation an der Grenze. Kriegschroniken im Baltikum. Textanalyse.

  • Im Zuge der bewaffneten christlichen Mission im Baltikum entstanden mehrere historio-graphische Texte, die für die Übermittlung von Nachrichten über die heidnischen Kulturen interessant sind. Meine Dissertation beschäftigt sich mit dem Stellenwert und dem Informationsgehalt derartiger Nachrichten. Das Ziel der Untersuchung besteht darin, ein Bild von der Diskurstechnik der Autoren zu gewinnen und auf diese Weise indirekt einen Beitrag zur Beurteilung des Wirklichkeitsbezuges der Texte zu leisten. Die zentralen Texte der Untersuchung sind die „Chronica Terre Prussie“ von Peter von Dusburg (1326) und „Chronicon Livoniae“ von Heinrich von Lettland (1227). Eine isolierte Betrachtung der ethnographischen Informationen macht wenig Sinn. Es muss vielmehr darauf ankommen, die ethnographische Information im Kontext des Gesamt-berichtes zu würdigen. Hier steht man vor der Schwierigkeit, dass sich ein historiographischer Text des 13. bzw. 14. Jahrhunderts eines Codesystems bedient, das ihn dem naiven Textverständnis verschließt. Sowohl die Austauschbeziehungen (paradigmatische Dimension) als auch die Anreihungsbeziehungen (syntagmatische Dimension) bedürfen einer auf das Gesamtsystem ausgerichteten Analyse, um einerseits die Textnorm zu modellieren, andererseits um relevante Abweichungen zu beschreiben. Für beide Chroniktexte gilt, dass sich sowohl die Struktur als auch das narrative Programm vor dem Hintergrund der pragmatischen Dimension erschließen. Die Konzepte helfen bei der Identifizierung von übergeordneten Einheiten. Beide Chronisten verfassten ihre Texte in einer für ihr Umfeld kritischen Lage. Als Schreibanlass kann man von der Absicht ausgehen, stabilisierend auf das Meinungsbild von Entscheidungsträgern im Inneren der christlichen Semiosphäre einzuwirken. Bei Heinrich von Lettland ist in diesem Zusammenhang der Besuch des päpstlichen Legaten Wilhelm von Modena zu nennen, bei Peter der Rechtfertigungsdruck, dem die übrigen Militärorden nach dem Fall der Templer ausgesetzt waren. Ein Hauptakzent liegt auf der Verbindung zwischen Barbarentypologie und Stellungnahme in innerchristlichen Konflikten. Als Beispiel sollen Information über geplante oder durchgeführte Menschenopfer bei den Heiden genannt werden. Für das Jahr 1191 berichtet Heinrich von Lettland von einem Versuch der Liven, den Missionsprediger Theoderich den heidnischen Göttern zu opfern. Den Kontext des geplanten Menschenopfers bilden juristisch relevante Informationen über Gründungshandlungen durch den Bischof Meinhard (Burgenbau, Erwerb von Grund und Boden, Kirchengründung, Investitur). Im Narrativ steht der Bericht über das versuchte Menschenopfer am Ende des narrativen Bogens in der Position der Evaluierung. In der Logik des Berichtes führen Menschenopfer zwangsläufig zu späterer Bekehrung und Integration in die christliche Semiosphäre. Sicher stellt sich die Frage, ob ein Menschenopfer für die Kultur der heidnischen Liven denkbar ist und ob die Textstelle als Beleg für eine derartige Praxis herangezogen werden kann. Rituelle Tötung, Zerstückelung und Auferstehung sind in einigen Märchen aus dem Baltikum Teil der Transformationen des Helden. Grundsätzlich lässt sich das Vorkommen von Menschenopfern zumindest nicht ausschließen. Viel wichtiger ist jedoch die Funktion, die einer solchen Nachricht im Bericht zukommt. Einmal geht es darum, die Zugehörigkeit der Liven zu dem für die Integration vorgesehenen Barbarentyp zu betonen, zum anderen soll eine Erhärtung und Beglaubigung der juristisch relevanten Information erreicht werden. In derartigen Zusammenhängen besteht der Forschungsgegenstand der vorliegenden Arbeit.
  • During the armed Christian mission in the Baltic region several historiographic texts were written, that are of interest for the passing on of information about the pagan cultures. My dissertation examines the status and informational content of these sources. The dissertation is aimed at drawing a picture of the discourse techniques of the authors, and by doing so, to provide a contribution to the assessment of the references to reality in the texts. The central texts of the research are the „Chronica Terre Prussie“ by Petrus Dusburgensis (1326) and „Chronicon Livoniae“ by Henricius (1227). An isolated examination of the ethnographic information is not sufficient. It is necessary to recognise the ethnographic information within the context of the complete report. By examining historiographic texts from the 13th and 14th century, respectively, one encounters the difficulty that these texts use a code system, that does not allow for naive text comprehension. The relations of substitution (paradigmatic dimension) as well as the relations of order (syntagmatic dimension) have to be analysed with regard to the entire system in order to provide a model for the text norm on the one hand and to describe relevant deviations on the other. In both chronicle texts the structure as well as the narrative programme can be accessed via the pragmatic dimension. These concepts help to identify higher units. Both historiographers wrote their texts in an unsettled political environment. Most certainly, the causa scribendi derived from the intention to have a stabilising influence on the formation of opinions of decision makers within the Christian semiosphere. With regard to Henricius one has to mention the visitation of the papal legate William of Modena. Peter defended his Order of the German Knights in the crisis after the fall of the Order of the Templers in 1307. It is illusory to achieve a complex comprehension of possible realities simply by adding isolated denotations. On the basis of the text it is not possible to deduce for example, whether human sacrifices took place. The mythological sources offer some obscure evidence, but there is no support by the archaeological findings in the Baltic region. The Christian historiographers claim, that several missionaries received the crown of the martyrdom, when they were sacrificed by the pagans‘ atrocious customs. The truthfulness of the information cannot be proved, but the pieces of information in the context environment of human sacrifice are assigned some extraordinary marking. Such pieces of information are for example information on legal practice, on ownership issues, war defeats caused by own actions, misjudgement or internal rivalries. The evaluation of these co-occurrences forms the research topic of this dissertation.

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Metadaten
Author: Claudia Müller
URN:urn:nbn:de:gbv:9-000516-6
Title Additional (English):Information and Transformation at the frontier. War chronicles from the Baltic provinces. Text analysis.
Advisor:Prof. Dr. Christian Lübke
Document Type:Doctoral Thesis
Language:German
Date of Publication (online):2008/09/30
Granting Institution:Ernst-Moritz-Arndt-Universität, Philosophische Fakultät (bis 31.05.2018)
Date of final exam:2006/06/26
Release Date:2008/09/30
GND Keyword:Textlinguistik, Geschichtsschreibung, Strukturelle Linguistik, Baltikum, Heidentum, Menschenopfer, Mittelalter, Mission, Deutscher Orden
Faculties:Philosophische Fakultät / Historisches Institut
DDC class:900 Geschichte und Geografie / 900 Geschichte