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Einige Oberflächenstrukturen, die sogenannten aktiven Zentren, sind Katalysatoren für heterogene Reaktionen. Ihre Beständigkeit ist von Art und Zusammensetzung der Phasengrenze abhängig. Eine Wechselwirkung mit reaktiven Molekülen ändert die Oberfläche durch Auflösung, Adsorption oder Oberflächendiffusion. In dieser Arbeit werden die Änderungen der Oberflächenaktivität und –struktur von Gold und Platin nach der Behandlung mit den Hydroxyl-Radikalen aufgezeigt.
Die elektrochemische Aktivität von Platin gegenüber Hydrochinon, K3Fe(CN)6 und [Ru(NH3)6]Cl2 wurde durch die Behandlung mit Hydroxyl-Radikalen nicht beeinflusst. Die Oberfläche wurde allerdings, durch die Bildung einer Oxidschicht, rauer. Die Oxidschichtbildung konnte zyklovoltammetrisch und potentiometrisch nachgewiesen werden. Im Verlauf der Wechselwirkung von H2O2 mit Platin ging Platin in Lösung (ICP-AES).
Bei Gold wurden im letzten Jahrzehnt Oberflächenstrukturen mit vielfach erhöhter Aktivität nachgewiesen. Die Experimente zeigten, dass Hydroxyl-Radikale die reaktiven Goldstrukturen (aktiven Zentren) selektiv beeinflussen. Die elektrokatalytische Sauerstoffreduktionsreaktion und die defektorientierte Platinabscheidung wurden durch die vorherige Behandlung mit Hydroxyl-Radikalen inaktiver. Der Keimbildungsmechanismus blieb hingegen unverändert (instantaneous). Dies wurde mit Hilfe der Zyklovoltammetrie und der Chronoamperometrie nachgewiesen. Topographische Experimente mit dem Rasterkraftmikroskop (AFM) zeigten ein Platinwachstum auf den oberen Teilen der polykristallinen polierten Goldelektrode. Verschiedene Politurmethoden (fein und grob) wiesen zudem eine komplett unterschiedliche Aktivität und Reproduzierbarkeit auf. Mit einer groben Politur konnte eine deutlich bessere Reproduzierbarkeit erreicht werden.
Die Identifizierung chemisch aktiver Zentren ist sehr reizvoll. Mit Hilfe von AFM Experimenten konnte die Auflösung von Gold direkt verfolgt werden und damit die aktiven Zentren charakterisiert werden. Morphologische Untersuchungen mit dem Rasterkraftmikroskop belegen eine selektive Änderung der Kristallite und Korngrenzen nach der Wechselwirkung einer ausgeheilten Goldoberfläche mit Hydroxyl-Radikalen (in- und ex-situ). Es kann angenommen werden, dass die selektive Oberflächenänderung bei Gold durch die inhomogene Verteilung der Elektronendichte und verschiedene Bindungszustände der Oberflächengoldatome beeinflusst ist. Herausstehende Kristallstrukturen sind nach der Wechselwirkung mit den Hydroxyl-Radikalen kleiner und die Korngrenzen zwischen den Goldkristallen tiefer. Die nach der einmaligen elektrochemischen Zyklisierung auftretenden Oberflächenänderungen sind den Änderungen nach Behandlung mit Hydroxyl-Radikalen ähnlich. Ein mehrmaliges Zyklisieren führt hingegen zu ein er deutlich veränderten Oberflächenstruktur.
Polykristallines Gold wurde bereits seit dem Ende des 19. Jahrhunderts elektrochemisch charakterisiert und seit Anfang des 20. Jahrhunderts regelmäßig als Arbeitselektrode in der elektrochemischen Analytik genutzt. Fälschlicherweise und trotz erster gegenteiliger Indizien, dominierte die Annahme, dass mechanisches Polieren die einzelnen Einkristallflächen des polykristallinen Materials freilegen würde, und dass deren statistisch gewichtetes elektrochemisches Verhalten reproduzierbar abgebildet werden könne. Mit dem Aufkommen neuer und verbesserter Verfahren zur Erzeugung hochwertiger Einkristallflächen parallel zur Entwicklung und Verbreitung leistungsstarker Techniken zur Oberflächenanalyse, konzentrierte sich die Goldforschung ab der Mitte des 20. Jahrhunderts auf die Charakterisierung der Einkristallflächen, ohne jedoch die neugewonnenen Erkenntnisse für die Interpretation des polykristallinen Materials zu nutzen. Gegenstand dieser Arbeit war daher die Kombination elektrochemischer Methoden (lineare und zyklische Voltammetrie) mit modernen Oberflächenanalysetechniken (Röntgendiffraktion, elektrochemische Unterpotentialabscheidung von Blei-Ionen) und bildgebenden Verfahren (AFM, STM, REM) zur Charakterisierung verschieden vorbehandelter polykristalliner Goldelektroden. Zudem sollte das elektrochemische Verhalten dieser Elektroden basierend auf dem bisherigen Wissen über das Verhalten der Einkristallflächen interpretiert werden. Der Großteil der erzielten Ergebnisse wurden in den drei Publikationen veröffentlicht, die den Hauptteil dieser Dissertation bilden. Zunächst konnte eine temporäre Aktivierung mittels mechanischer oder elektrochemischer Bearbeitung sowie eine Inaktivierung durch chemisches Ätzen in sauerstoffgesättigter Kaliumcyanidlösung, bezüglich der Sauerstoffreduktion als Referenzreaktion nachgewiesen werden, wobei Aktivierung und Inaktivierung relativ sind und im Zusammenhang mit der Anzahl sogenannter aktiver Zentren auf der Elektrodenoberfläche stehen (Publikation 1). Darüber hinaus erwiesen sich kontinuierliche Oxidations- und Reduktionszyklen an polierten polykristallinen Goldelektroden in schwefelsaurer Lösung als eine neue, Zusatzstoff freie Methode für die Goldnanopartikelsynthese, da diese wohldefinierte und immobilisierte Goldkristallite auf den Elektrodenoberflächen erzeugt (Publikation 2). Die sequenzielle Kombination aus Argon-Ionenstrahlätzen und thermischem Ausheizen hat sich hingegen als effiziente Methode zur Erzeugung sauberer und glatter Elektrodenoberflächen mit hoher atomarer Ordnung erwiesen (Publikation 3). Zugleich konnte gezeigt werden, dass polykristallines Gold ein eigenständiges Material ist, dessen Eigenschaften und Verhaltensweisen nicht ausschließlich auf das statistisch gewichtete elektrochemische Verhalten der einzelnen Einkristallflächen zurückzuführen sind, sondern auch von anderen energetischen Aspekten, wie beispielsweise der Koordination der Oberflächenatome im Kristallgitter, bedingt werden (Publikation 2 und 3).