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Das Zellerkennungsmolekül Tenascin-R spielt eine wichtige Rolle für die synaptische Plastizität im zentralen Nervensystem und für die Regulation des Verhaltens von Säugetieren. Viele der Erkenntnisse über in vivo - Funktionen von Tenascin-R wurden durch Untersuchungen der durch Insertion eines Neomycin-Resistenzgens in das Tnr-Gen hergestellten Tenascin-R-Knockout-Mäuse (Tnr-/-) erlangt. So weisen Tenascin-R-Knockout-Mäuse im Vergleich zu Wildtyp-Maus (Tnr+/+) Tieren ein deutlich ängstlicheres Verhalten und starke Defizite in der Motorkoordination auf. In der vorliegenden Arbeit sollten mögliche molekulare Mechanismen, welche die großen Unterschiede zwischen dem Verhalten der Mutante und dem wildtypischer Mäuse verursachen könnten, untersucht werden. Gene, deren Expression im Gehirn von Tenascin-R-Knockout-Mäusen im Vergleich zum Gehirn von Tnr+/+-Mäusen dysreguliert sind, sollten mit Hilfe von Expressionsprofilen identifiziert werden. Die Unterschiede zwischen den Expressionsprofilen der beiden Genotypen waren relativ gering. Dem am stärksten dysregulierten und daher eingehender untersuchten Transkript Gas5 fällt eine ungewöhnliche Funktion zu. Durch enzymatische Prozessierung entstehen aus dem Primärtranskript von Gas5 neun kleine nucleoläre RNAs (small nucleolar RNAs, snoRNAs). In dieser Arbeit konnte gezeigt werden, dass neben der Expression von Gas5 auch die einer seiner snoRNAs, nämlich U44, in Tnr-/--Mäusen im Vergleich zu Tnr+/+-Mäusen in allen untersuchten Organen dramatisch verringert ist. Um einen in Betracht gezogenen dysregulationsauslösenden unspezifischen Effekt durch die zur Herstellung der TNR-/--Maus verwendeten Neomycinkassette auf die Expression von Gas5 auszuschließen, wurde eine zweite Tenascin-R-Knockout-Mauslinie mit Hilfe einer Neomycinkassetten-unabhängigen Methode hergestellt. Beide Dysregulationen konnten mit dieser Methode, bei der das mit loxP-Elementen flankierte erste kodierende Exon des Tenascin-RGens durch die separat exprimierte Cre-Rekombinase herausgeschnitten wurde, bestätigt werden. Erstaunlicherweise wurde diese Abnahme der Expression von Gas5 und U44 auch bei Mäusen beobachtet, die keine Cre-Rekombinase exprimierten, sondern die nur die loxP-Flankierung des ersten codierenden Exons von Tnr aufwiesen. Daher wurde für die Dysregulation des Gas5- Transkriptes die Zerstörung eines regulatorischen Elementes, welches zur post-transkriptionalen Regulation von U44 und Gas5 führt, im Tnr-Gen postuliert. Nach heutigem Kenntnisstand ist dies das erste Beispiel dafür, dass das Einfügen von loxP-Sequenzen in ein Mausgen die Expression eines benachbarten Gens selektiv beeinflusst. Ferner wurde erstmals das Expressionsmuster der aus Gas5- Primärtranskripten gebildeten snoRNAs in verschiedenen Organen analysiert. Dabei zeigte sich, dass in jedem Organ deutlich verschiedene Mengen der einzelnen snoRNAs vorliegen, aber auch, dass jede einzelne snoRNA von Organ zu Organ große Expressionsunterschiede aufweist. Dies wirft die Frage auf, welche Bedeutung Gas5 und dessen snoRNAs, speziell U44, für die Physiologie der Zellen des ZNS und somit letztlich für das Verhalten der Maus haben. Zur Klärung, ob Gas5 für die bei der Tenascin-R defizienten-Maus beobachteten Verhaltensauffälligkeiten verantwortlich sein könnte, wurden Untersuchungen durchgeführt, welche zeigten, dass das basale Gas5-mRNAExpressionsniveau Unterschiede im Angstverhalten bzw. in der Stressantwort von C57Bl/6-Mäusen erklären könnte. Die Verhaltensanalysen zeigten, dass die basale Expression der Gas5-mRNA im Hippocampus, aber nicht im restlichen Gehirn negativ mit stressanzeigenden Parametern des open field - und des elevated plus maze –Tests korreliert. Mit der Leistung der Mäuse im water maze-Test, einer räumlichen Lernaufgabe, korrelierte die Gas5-Expression hingegen nicht. Dies deutet darauf hin, dass der Gas5-Level für die hippocampale Stress- und Angstantwort wichtig ist, allerdings nicht für das räumliche Gedächtnis. Darüber hinaus ist die Expression von Gas5, aber nicht die seiner snoRNAs, 24 h nach einem, für die Maus stark stressauslösenden, olfaktorischen Kontakt mit einer Ratte um bis zu 50 % erhöht. Die Tenascin-R-mRNA-Menge ist bei denselben Mäusen um 25 % vermindert. Diese Gas5-mRNA-Expressions-Änderung wird hingegen nicht bei einem gemilderten Stressreiz, wie einer neuen Umgebung, beobachtet. Dieses Ergebnis zeigt, dass geringe Stressoren wie eine neue Umgebung nicht ausreichen, um die Gas5-Expression zu stimulieren, starke Stressoren wie Rattenkontakt hingegen zu einem Anstieg der Gas5-Expression führen. Gas5 scheint eine wichtige Funktion bei der Verarbeitung von Stress einzunehmen. Diese Verarbeitung könnte in der Tenascin-R defizienten-Maus derart gestört sein, dass eine normale Stressantwort nicht möglich ist und sich diese somit letztlich auch auf die motorischen Fähigkeiten der Tenascin-R defizieten Maus auswirkt.