Refine
Year of publication
- 2015 (1)
Document Type
- Doctoral Thesis (1)
Language
- German (1)
Has Fulltext
- yes (1)
Is part of the Bibliography
- no (1)
Keywords
- Enoatreduktase (1) (remove)
Institute
Neben verschiedenen gesundheitsfördernden Eigenschaften hat das Flavonoid Phloretin eine süßkraftverstärkende Wirkung. Es ist nicht nur in der Pharma- und Kosmetikindustrie, sondern auch als Aromastoff für die Lebensmittelproduktion von Interesse. Bislang gab es kein vielversprechendes, biotechnologisches System zur Herstellung von Phloretin. Die Extraktion aus Pflanzen führt aufgrund niedriger und schwankender Konzentrationen zu einer schlechten Verfügbarkeit. Chemisch synthetisiertes Phloretin hingegen kann aufgrund der „Europäischen Aromenverordnung“ nicht als „natürlicher Aromastoff“ deklariert werden. Daher ist Phloretin als „natürlicher Aromastoff“ relativ teuer und für die Aromenindustrie kaum nutzbar. Ziel dieser Arbeit war es, einen effizienten Weg zur biotechnologischen Produktion von Phloretin zu finden. Als Substrat sollte bevorzugt Naringenin eingesetzt werden. Obwohl ähnliche Reaktionswege in der Literatur beschrieben wurden, konnte mit ausgewählten filamentösen Pilzen in Ganzzellbiokatalysen keine Phloretinbildung beobachtet werden. Es gibt jedoch auch Bakterien, die in der Lage sind, die Zielreaktion auszuführen. Da es sich hierbei ausschließlich um obligate Anaerobier handelt, eignen sich diese Stämme kaum für die biotechnologische Produktion von Phloretin. Außerdem erfolgt in diesen Bakterien die Zielreaktion als Teil des Naringeninabbaus, das entstehende Phloretin wird abgebaut. Über die Zielreaktion im anaeroben Bakterium Eubacterium ramulus lagen bereits Informationen aus anderen Forschungsarbeiten vor, darunter auch ein Sequenzfragment vom N-Terminus der Chalconisomerase (CHI). Die CHI katalysiert die Isomerisierung von Naringenin zu Naringeninchalcon. Aus der Literatur ging hervor, dass E. ramulus die Zielreaktion von Naringenin über Naringeninchalcon zum Phloretin durchführen kann, aber dass außer der CHI ein weiteres Enzym beteiligt ist. Das genetische Potential von E. ramulus sollte genutzt werden, um einen rekombinanten Mikroorganismus zu generieren. Nach der Sequenzierung des Genoms von E. ramulus konnte die N-terminale Sequenz in der vorliegenden Arbeit genutzt werden, um in silico das Gen der CHI zu identifizieren. Da vermutet wurde, dass für die Reduktion von Naringeninchalcon zu Phloretin eine Enoatreduktase (ERED) verantwortlich ist, wurde über eine BLAST-Analyse ein konserviertes Motiv für Enoatreduktasen ermittelt, mit dem im Genom von E. ramulus das Gen einer ERED in silico identifiziert wurde. Die Gene wurden anschließend in E. coli kloniert. Für die CHI konnte eine sehr gute Überexpression und enzymatische Aktivität in zellfreien Biokatalysen nachgewiesen werden. Der Aktivitätsnachweis ermöglichte auch die Aufreinigung der CHI aus dem Proteinrohextrakt. In der Diplomarbeit von M. Thomsen wurde die Aufreinigung optimiert. Der Aufreinigungsprozess beinhaltete eine Anionenaustauschchromatographie, hydrophobe Interaktionschromatographie und Gelfiltration und führte zu einer sehr hohen Reinheit der CHI. Das aufgereinigte Enzym wurde anschließend biochemisch charakterisiert. Außerdem wurden mit dem rekombinanten Stamm (mit Genen für CHI und ERED) Versuche im Ganzzellsystem mit Naringenin durchgeführt. Dabei wurde festgestellt, dass die Reaktion zum Zielprodukt Phloretin empfindlich gegenüber Sauerstoff ist. Unter anaerober Atmosphäre konnte in diesem System eine höhere Phloretinbildung beobachtet werden. Da die CHI in vorherigen Untersuchungen keine Sensitivität gegenüber Sauerstoff gezeigt hatte, wurden in der Diplomarbeit von C. Peters Expression und Aktivität der ERED unter diesem Aspekt näher untersucht. Es konnte festgestellt werden, dass die Expression der ERED unter anaeroben Bedingungen erfolgen sollte, das Enzym ist jedoch auch unter Anwesenheit von Sauerstoff aktiv. Die in der Literatur beschriebenen Ansätze zur Entwicklung von biotechnologischen Verfahren zur Phloretinproduktion basieren vor allem auf dem Einsatz pflanzlicher Gene und führten bisher nur zu geringen Produktkonzentrationen. In der vorliegenden Arbeit ist es gelungen, ein neues System zur biotechnologischen Produktion von Phloretin zu entwickeln, mit dem eine höhere Ausbeute erzielt werden kann. Basierend auf den neu identifizierten Genen aus E. ramulus, die erfolgreich in E. coli exprimiert wurden, wird das Problem der rekombinanten Expression eukaryotischer Gene in Prokaryoten umgangen. Im Vergleich zu E. ramulus ist E. coli in der Biotechnologie bereits etabliert und relativ unempfindlich gegenüber Sauerstoff. Außerdem findet der Phloretinabbau, wie er in E. ramulus und in verwandten Bakterien ablaufen würde, in E. coli nicht statt. In dieser Arbeit wurde gezeigt, dass es für die Weiterentwicklung der industriellen Biotechnologie vorteilhaft ist, das enorme Potential des bakteriellen Stoffwechsels durch Gentechnik nutzbar zu machen. Durch diese Strategie wird „nachhaltige Biokatalyse auf neuen Wegen“ in der Flavonoidbiotechnologie ermöglicht.