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Die krankhafte Fettleibigkeit (Adipositas) wird in weiten Teilen der Welt zunehmend zum bestimmenden Gesundheitsproblem. Die Datenerhebungen der Weltgesundheits-organisation (WHO) sowie der Organisation zur wirtschaftlichen Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) zeigen einen deutlichen Anstieg der Adipositasprävalenz über die letzten Jahrzehnte. In vielen OECD Ländern gilt heute über die Hälfte der Bevölkerung als übergewichtig oder adipös (WHO: Website der WHO, zuletzt geprüft am 02.09.2017; OECD: Fettleibigkeit und Übergewicht nehmen in den OECD-Ländern weiter zu, zuletzt geprüft am 02.09.2017). Dies wird zur immer größeren Belastung für das Gesundheitssystem, da Adipositas mit vielen Sekundärkrankheiten wie Herz-Kreislauferkrankungen, Bluthochdruck und bestimmten Krebsarten assoziiert wird (Bray 2004; Després et al. 2001; Malnick und Knobler 2006). Für das Jahr 2003 wurde für das deutsche Gesundheitssystem dadurch ein finanzieller Aufwand in Höhe von 11 Milliarden Euro für die Behandlung von Adipositas oder durch Adipositas verursachte Komorbiditäten veranschlagt (Knoll 2010). Hinzu kommen „emotionale Kosten“ der Betroffenen, die unter sozialer Ausgrenzung und Stigmatisierung leiden (Latner und Stunkard 2003; Neumark-Sztainer et al. 1998; Sobal et al. 1995; Brewis et al. 2011; Brewis 2014).
Neben diesen klar Adipositas-assoziierten gesundheitlichen Beeinträchtigungen hat es immer wieder Untersuchungen zu einem möglichen Zusammenhang von Adipositas und Kognition gegeben. Dieser wurde in vielen Studien am Menschen untersucht und die bisherigen Ergebnisse sehr anschaulich von Anna Dahl und Linda Hassing 2013 beziehungsweise Christina Prickett und Kollegen 2015 analysiert (Dahl und Hassing 2013; Prickett et al. 2015). Diese Übersichtsarbeiten zeigen auf, dass es durchaus Belege für einen Zusammenhang von Adipositas und Kognition gibt, allerdings ist die Datenlage zu diesem Thema durchaus ambivalent.
In dieser Arbeit sollte deshalb der Einfluss von Adipositas auf die Kognition mithilfe eines etablierten Mausmodells für Adipositas untersucht werden. Zu diesem Zweck wurden adulte, vier bis sechs Monate alte, Leptin-defiziente Mäuse (ob) und deren Wildtypkontrollen (wt) vergleichend untersucht. Unsere Daten zeigen, dass Adipositas im Mausmodell nicht mit einer kognitiven Beeinträchtigung einher geht. Sowohl im Verhaltensexperiment (hippocampusabhängiges Lernen, Morris water maze) als auch auf zellulärer Ebene in der Verbindungsdichte der Nervenzellen untereinander (Dichte dendritischer Dornen) zeigten sich zwischen Leptin-defizienten und Wildtyptieren keine signifikanten Unterschiede.
Allerdings wiesen Leptin-defiziente Tiere ein kleineres Hirnvolumen als Wildtypkontrolltiere auf, ein Ergebnis, das mit anderen Publikationen übereinstimmt (Ahima et al. 1999; Steppan und Swick 1999). Detaillierte Analysen der Volumenverhältnisse im Gehirn von Leptin-defizienten und Wildtypmäusen in dieser Arbeit ergaben, dass sich die relativen Größenverhältnisse im Gehirn von ob‑Tieren zugunsten des Hippocampus verschieben. Diese Ergebnisse widersprechen damit Befunden in adipösen Menschen, die kleinere Hippocampusvolumina aufwiesen (Isaac et al. 2011).
Die adulte hippocampale Neurogenese selbst, also die Bildung neuer, funktionaler Neuronen im adulten Gehirn, war im Gyrus dentatus von Leptin-defizienten Mäusen signifikant vermindert. Zusammen mit den Analysen von Proliferation und Apoptose von Hirnzellen im Gyrus dentatus, konnte diese eingeschränkt Neurogenese auf eine geringere Proliferation neuronaler Vorläuferzellen zurückgeführt werden. Die Überlebens-wahrscheinlichkeit schien dabei nicht beeinflusst, da keine erhöhte Apoptose im Gyrus dentatus ermittelt werden konnte.
Die hier durchgeführten Experimente konnten keine direkte, negative Auswirkung von Adipositas auf Kognition im Mausmodell belegen. Wenngleich ein Einfluss auf Aspekte der neuronalen Plastizität durch eine verminderte adulte Neurogenese sowie das Gehirngesamtvolumen bestätigt werden konnte, waren Veränderungen des Verhaltens der ob‑Tiere unter Berücksichtigung ihrer motorischen Defizite nicht nachweisbar.
Alkohol liegt nach Tabak und Bluthochdruck an dritter Stelle der Risikofaktoren für Krankheit und vorzeitigen Tod in Europa. Häufig ist der zu starke Alkoholkonsum durch eine Alkoholabhängigkeit bedingt, die für die Betroffenen nur sehr schwer zu überwinden ist. Dies ist unter anderem dadurch begründet, dass der Effekt der bisher angewendeten Therapiemaßnahmen zur Bekämpfung dieser Sucht sehr limitiert ist. Um neue und bessere Therapien zu entwickeln, gilt es zunächst, das Verständnis für die Prozesse und Zusammenhänge, die für die Suchtentwicklung maßgeblich sind, zu verbessern. Eine große Rolle spielt dabei das zentrale Nervensystem des Menschen.
In dieser Arbeit wurden bestimmte Gehirnregionen, bei denen ein bekannter Zusammenhang zur Entwicklung einer Sucht besteht, auf Veränderungen durch Alkoholabhängigkeit untersucht. Dazu wurden Ratten zunächst durch chronisch-intermittierende Alkoholexposition in eine Alkoholabhängigkeit geführt, anschließend die Gehirne entnommen und mittels Golgi-Imprägnation eingefärbt. Nachfolgend wurden Nervenzellfortsätze (Dendriten) und ihre Eintrittspforten für Informationen (Dornen/Spines) aus Gyrus cinguli, Nucleus accumbens und Infralimbischem Kortex mittels Lichtmikroskopie dreidimensional aufgenommen und am Computer rekonstruiert. Diese Rekonstruktionen wurden dann auf Spinedichte (Spines/μm Dendritenlänge), Spinelänge und Spinedurchmesser analysiert. Hierbei wurde eine signifikant höhere Spinedichte im Gyrus cinguli und eine signifikant niedrigere Spinedichte im Nucleus accumbens der alkoholexponierten Tiere im Vergleich zur Kontrollgruppe festgestellt. Alle anderen Analysen ergaben keine Auffälligkeiten.
Die Erkenntnisse dieser Arbeit geben einen Einblick in die neuroplastischen Veränderungen, die durch Alkoholexposition hervorgerufen werden und unterstreichen die Relevanz von Gyrus cinguli und Nucleus accumbens für die Suchtentwicklung. Eine eindeutige Interpretation der Ergebnisse ist beim aktuellen Kenntnisstand nicht möglich, jedoch wird das Verständnis für den Gesamtzusammenhang der multifaktoriellen Alkoholabhängigkeit durch diese Arbeit verbessert.