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Die Bedeutung des (postoperativen) Schmerzes sowie dessen adäquate Behandlung nimmt im klinischen Alltag eine zentrale Stellung ein.
Zur Verbesserung der Schmerztherapie wurde im Juli 2009 das Akutschmerzzertifizierungsprogramm „Qualitätsmanagement Akutschmerz“ in der Universitätsmedizin Greifswald eingeführt. Die Intention dieser Maßnahme war, mit Hilfe der Implementierung der S3-Leitlinie zur „Behandlung akuter perioperativer und post- traumatischer Schmerzen“ das Schmerzmanagement zu optimieren. Dies sollte durch folgende Grundpfeiler erreicht werden: Durch die Zunahme der interdisziplinären Zusammenarbeit seitens aller am Schmerzmanagement beteiligten Fachrichtungen, der Einführung von standardisierten verfahrensspezifischen Behandlungsalgorithmen mit definierten Interventionsgrenzen, einer umfangreichen Schmerzanamnese, -erfassung und -dokumentation sowie der Weiterbildung der am Schmerzmanagement beteiligten Berufsgruppen.
Ziel der vorliegenden Arbeit war es, die postoperative Schmerzsituation am ersten Tag nach einer Wirbelsäulenoperation vor und nach Einführung des „Qualitätsmanagements Akutschmerz“ in der Klinik und Poliklinik für Orthopädie und orthopädische Chirurgie der Universitätsmedizin Greifswald zu untersuchen und zu prüfen, ob eine Verbesserung des postoperativen Schmerzmanagements durch die Einführung des Zertifizierungsprogramms „Qualitätsmanagement Akutschmerz“ gelungen ist. Des Weiteren wurde analysiert, ob Faktoren wie Operationsart, Geschlecht, Rauchen, psychische Komorbiditäten und chronische Schmerzen das postoperative Schmerzempfinden nach Eingriffen an der Wirbelsäule beeinflussen.
Hierzu wurden die Daten retrospektiv von 1322 Patienten ausgewertet, die sich im Zeitraum vom 01.01.2008 bis zum 31.12.2013 in der Klinik und Poliklinik für Orthopädie und orthopädische Chirurgie der Universitätsmedizin Greifswald einer Wirbelsäulenoperation unterzogen hatten. Zur Evaluierung des postoperativen Schmerzempfindens wurde die Schmerzstärke (n=893) mittels Numerischer Ratingskala (NRS) und die Zufriedenheit mit der aktuellen Schmerzsituation (Schmerzzufriedenheit) (n=438) anhand eines 5-stufigen Skalierungssystems erhoben.
In dem untersuchten Zeitraum konnte eine kontinuierliche Verbesserung der postoperativen Schmerzstärke festgestellt werden. Die Ergebnisse bezüglich der postoperativen Schmerzzufriedenheit zeigten, abgesehen von einer einmaligen Verbesserung zwischen 2009 und 2010 zum Zeitpunkt der Einführung des „Qualitätsmanagements Akutschmerz“, eine stetige Verschlechterung der Schmerzzufriedenheit. Daraus lassen sich zwei Schlussfolgerungen ableiten:
1. Durch die Einführung des „Qualitätsmanagements Akutschmerz“ wurde eine Verbesserung des postoperativen Schmerzmanagements erreicht.
2. Die Schmerzstärke und Schmerzzufriedenheit sind nicht miteinander assoziiert.
Die Analyse der Faktoren, die möglicherweise Schmerzstärke und Schmerzzufriedenheit beeinflussen, ergab bei chronischen Schmerzpatienten eine signifikant höhere Schmerzstärke im Vergleich zu Patienten ohne chronische Schmerzen. Die Resultate der Schmerzzufriedenheit bezüglich chronischer Schmerzen zeigten keinen signifikanten Unterschied. Bei der Untersuchung der Operationsart zeigten sich signifikante Unterschiede mit der höchsten Schmerzstärke sowie geringsten Schmerzzufriedenheit bei offenen Operationen, gefolgt von perkutanen Eingriffen und kombinierten perkutanen Operationen mit Mini-open-Synovektomien. Bei den Ergebnissen hinsichtlich des Geschlechts, Rauchens sowie psychischer Komorbiditäten kristallisierten sich bei der Schmerzstärke und Schmerzzufriedenheit jeweils unterschiedliche Tendenzen heraus; es ließen sich jedoch keine signifikanten Unterschiede feststellen.
Die Ergebnisse bezüglich der Schmerzstärke im gesamten untersuchten Zeitraum und der Schmerzzufriedenheit zwischen 2009 und 2010 bestätigen die Empfehlungen der S3-Leitlinie zur „Behandlung akuter perioperativer und posttraumatischer Schmerzen“, dass eine optimale postoperative Schmerztherapie durch ihre Integration in ein multimodales perioperatives Gesamtkonzept erreicht wird. Dabei haben neben den oben genannten Grundpfeilern der Leitlinie die Integration des Patienten in das perioperative Schmerzmanagement und die Berücksichtigung dessen individueller Bedürfnisse einen hohen Stellenwert.
Die Einführung von standardisierten Behandlungsalgorithmen haben sich im klinischen Alltag bewährt. Allerdings zeigen die Ergebnisse an der Universitätsmedizin Greifswald, dass für chronische Schmerzpatienten zusätzlich eine individuell angepasste Schmerztherapie notwendig ist. Neben den positiven Ergebnissen hinsichtlich der Schmerzstärke im gesamten untersuchten Zeitraum, bedarf es zukünftig weiterer Untersuchungen, um der festgestellten abnehmenden Schmerzzufriedenheit ab 2010 entgegenzuwirken.
Hintergrund und Fragestellung
Die klinische Befunddokumentation in der Notaufnahme dient primär diagnostisch-therapeutischen Zwecken und ist für weitere forensische Fragestellungen häufig nur eingeschränkt verwertbar. Für die Untersuchung von Gewaltopfern ist ein hoher medizinischer, aber besonders gerichtsverwertbarer Standard zu fordern. Denn die Behandlungsunterlagen können als Beweismittel im Strafverfahren herangezogen werden.
Die Studie hatte zum Ziel, das Opferkollektiv und die Qualität der forensisch relevanten Befunddokumentation am Beispiel der unfallchirurgischen Gewaltambulanz retrospektiv zu analysieren und Optimierungsvorschläge für eine effiziente, zielgerichtete und umfassende Dokumentation zu liefern.
Material und Methoden
Eingeschlossen wurden alle Patienten, die zwischen Juni 2010 und Juni 2014 in der unfallchirurgischen Notaufnahme der Universitätsmedizin Greifswald aufgrund von Rohheitsdelikten behandelt wurden. Für eine deskriptive Übersichtsanalyse des Gesamtkollektivs wurden retrospektiv demographische Daten, Angaben zu Entstehung und Art der Gewalt sowie zu Verletzungscharakteristika ausgewertet.
Auf Grundlage von Literaturrecherche und Expertenmeinung wurde ein Kriterienkatalog entwickelt. Dieser fasst alle zur rechtsmedizinisch – forensischen Beurteilung relevanten Aspekte der Dokumentation in fünf Kategorien zusammen. Dieser Katalog diente in Kombination mit einem Expertenfragebogen der Statuserhebung der Dokumentationsqualität. Ein nach vorhandener Fotodokumentation vorselektiertes Studienkollektiv wurde anhand dieser beiden Instrumente und mittels schriftlicher Befragung von Rechtsmedizinern und Unfallchirurgen evaluiert. Der Fragebogen diente dem Zweck der Erhebung eines Meinungsbildes und zum interdisziplinären Vergleich. Um objektive Unterschiede hinsichtlich der Qualität aufzeigen zu können, wurden die Fragebogen-Aussagen der Kliniker anhand eines mathematischen Algorithmus in den Kriterienkatalog umgewandelt.
Ergebnisse
Das Gesamtkollektiv umfasste 572 Patientenfälle. Die demographische Analyse ergab, dass vorwiegend junge Männer nach Übergriffen durch Fremde oder Freunde bzw. Bekannte die unfallchirurgische Notaufnahme aufsuchten. Dies geschah besonders am Wochenende bzw. außerhalb der regulären Arbeitszeit. Dabei standen die Betroffenen oftmals unter Alkoholeinfluss und waren im Vergleich zu Frauen signifikant häufiger wiederholt Opfer fremder Gewalt. Der häufigste Verletzungsmechanismus war der Faustschlag. Die verletzten Frauen litten zumeist unter den Folgen stumpfer Gewalteinwirkung (Hämatome) im Kopf-Halsbereich, die auffallend häufiger als bei Männern im häuslichen Rahmen entstanden. Frauen suchten zudem erst deutlich verzögert medizinische Hilfe auf.
Das Studienkollektiv umfasste 100 Fälle mit vorhandener Fotodokumentation. Die Rücklaufquote aller Beurteilungen (Kriterienkatalog, Experten-/Fragebogen) betrug 100 %. Bei Betrachtung der tatsächlichen Gerichtsverwertbarkeit zeigte sich, dass 55 % der Dokumentationen in ihrer Qualität nach Auffassung der Rechtsmediziner ausreichend waren. Relevanten Einfluss auf die Gerichtsverwertbarkeit hatten überwiegend die Kategorien Verletzungscharakteristika, Fotodokumentation und besonders rechtsmedizinisch relevante Aspekte. Bei diesen Kategorien traten deutliche Qualitätsdefizite für die nicht-gerichtsverwertbaren Fälle auf. Ein kumulativer Punktegrenzwert für die Gerichtsverwertbarkeit für diese fünf Kriterien konnte nicht ermittelt werden. Es zeigte sich eine große Streubreite aller Ergebnisse, die zum Teil auf die Heterogenität der Studienfälle zurückzuführen ist. Interdisziplinäre Unterschiede in der Einschätzung der Dokumentationsqualität wurden insbesondere bei charakteristischen bzw. rechtsmedizinisch relevanten Aspekten deutlich. Der Ausbildungsstand stellte sich als relevanter Faktor für die intradisziplinäre Beurteilung heraus.
Schlussfolgerungen
Die Dokumentationsqualität von Gewaltopfern, wie sie aktuell unfallchirurgisch durchgeführt wird, wird dem Anspruch des Patienten auf eventuelle Gerichtsverwertbarkeit beispielsweise im Strafverfahren nicht ausreichend gerecht. Wesentlichen Einfluss haben grundlegende Dokumentationsaspekte und spezielle, durch die Rechtsmedizin schulbare Charakteristika. Für die praktische Umsetzung einer suffizienten Qualität bedarf es Neuerungen bzw. Optimierungen im effektiven Dokumentationsablauf und – umfang. Bewusstsein zu schaffen für diese Thematik als wesentlicher Aspekt des unfallchirurgischen Berufsalltags ist insbesondere vor dem Hintergrund von unzureichender Datenlage und einer erwarteten hohen Dunkelziffer häuslicher Gewalt unabdingbar.
Diskussion
Eine Begutachtung durch Richter und Hinzunahme der entsprechenden Arztbriefe sowie weiteren klinischen Informationen stellen eine Option für eine umfassendere Begutachtung der Dokumentationsqualität dar. Perspektivisch sind Investitionen in Digitalisierungskonzepte eine anzustrebende Lösung der vorhandenen ökonomischen (zeitlich, personell, finanziell) und individuell-juristischen (unzureichend gerichtsverwertbare Dokumentationsqualität) sowie präventiven (Dunkelziffer von Gewaltopfern) Problemfelder.