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Die Entwicklung von Methoden zur Bestimmung der Wirkstofffreisetzung aus verschiedenen Arzneiformen hat in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen. Einerseits werden diese Methoden im Rahmen der routinemäßigen Qualitätskontrolle genutzt, andererseits können diese Methoden auch in einer frühen Phase der Entwicklung einer neuartigen Darreichungsform hilfreich sein. Weiterhin werden heutzutage auch biorelevante Aspekte in Methoden zur Bestimmung der Wirkstofffreisetzung eingebracht, um aus den Ergebnissen der In-vitro-Wirkstofffreisetzung mögliche In-vivo-Profile vorherzusagen. Aufgrund der steigenden Anzahl an langwirksamen Arzneimitteln auf dem Markt wird die Nachfrage nach beschleunigten Methoden zur Bestimmung der Wirkstofffreisetzung auch von Seiten der Behörden steigen.
Ein Ziel der vorliegenden Arbeit war die Entwicklung von diskriminierenden und beschleunigten Methoden zur Bestimmung der Wirkstofffreisetzung aus LNGB-haltigen Injektionssuspensionen unterschiedlicher Partikelgrößen. Auf Grundlage der zu entwickelnden Methode sollte es demnach möglich sein, trotz Beschleunigung der Methode zwischen den verschiedenen Partikelgrößen, welche in einem Bereich von 8-41 μm lagen, zu unterscheiden. Zunächst wurde die Sättigungslöslichkeit von LNGB in verschiedenen Medien, welche später in den Freisetzungsuntersuchungen eingesetzt werden sollten, bestimmt. Aufgrund der schlechten Löslichkeit von LNGB in den Freisetzungsmedien wurde diesen eine variierende Menge an SDS zugesetzt, um die Löslichkeit zu steigern. Für die Bestimmung der Wirkstofffreisetzung wurden Methoden sowohl für die Blattrührer-Apparatur als auch für die Durchflusszelle entwickelt.
In einer ersten Versuchsreihe in der Blattrührer-Apparatur wurde der Einfluss der zugesetzten Tensid-Menge auf die Wirkstofffreisetzung untersucht. Um in den Versuchen mindestens dreifache Sink-Bedingungen einzuhalten, wurden alle nachfolgenden Versuche mit einem Zusatz von 0,75 % SDS zu dem entsprechenden Freisetzungsmedium durchgeführt. In einem systematischen Screening wurde der Einfluss der Umdrehungsgeschwindigkeit, des Freisetzungsmediums und der Temperatur in der Blattrührer-Apparatur untersucht. In allen durchgeführten Versuchen konnten signifikante Unterschiede in den MDTs zwischen der Gruppe der kleineren Partikel (Suspensionen mit sehr kleinen und kleinen LNGB-Partikeln) und der Gruppe der größeren Partikel (Suspensionen mit mittleren und großen LNGB-Partikeln) beobachtet werden. Den größten Einfluss auf die Wirkstofffreisetzung aus den LNGB-haltigen Injektionssuspensionen zeigte die Erhöhung der Temperatur von 37,0 °C auf 50,0 °C.
Für die Bestimmung der Wirkstofffreisetzung in der Durchflusszelle wurde sowohl eine Methode unter Verwendung eines offenen Systems als auch eine Methode für die Verwendung der Durchflusszelle im geschlossenen System entwickelt. Für beide Modi wurde der Einfluss der Flussrate (10 mL/min vs. 20 mL/min) untersucht. Die Bestimmung der Wirkstofffreisetzung aus den LNGB-haltigen Injektionssuspensionen im offenen System brachte einige Nachteile mit sich. So wurden innerhalb der ersten Minuten trotz entsprechender Filterpackung die LNGB-Partikel aus der Zelle herausgespült. Darüber hinaus wurde durch die relativ hohe Flussrate eine große Menge an Freisetzungsmedium benötigt. Aus diesem Grund wurde der Einfluss der Temperaturerhöhung auf die Wirkstofffreisetzung aus den LNGB-haltigen Injektionssuspensionen unter Verwendung der Durchflusszellen-Methoden nur im geschlossenen System untersucht. Ähnlich wie bei den Ergebnissen der Wirkstofffreisetzung in der Blattrührer-Apparatur zeigte sich ein signifikanter Unterschied zwischen den Ergebnissen der Wirkstofffreisetzung aus den Suspensionen bei 37,0 °C und 50,0 °C. Eine Unterscheidung zwischen der Gruppe der kleineren LNGB-Partikel und den größeren LNGB-Partikeln war bei den verschiedenen Flussraten und auch unter den Testbedingungen der erhöhten Temperaturen möglich.
Ein weiteres Ziel dieser Arbeit war die Entwicklung eines neuen bioprädiktiven Freisetzungsmodells für Vaginalringe. Dieses neue Modell sollte in der Lage sein, den sogenannten burst release, welcher für Vaginalringe des Reservoir-Typs beobachtet werden kann, in vitro zu erfassen. Als burst release wird eine im Vergleich mit der täglichen Freisetzungsrate initial höhere Freisetzungsrate bezeichnet, welche zu unerwünschten Nebenwirkungen führen kann. Die untersuchten Formulierungen, der NuvaRing® und der Cyclelle®-Ring, sind Vertreter der Vaginalringe vom Reservoir-Typ. Vaginalringe vom Reservoir-Typ bestehen aus einem Kernpolymer, welches die beiden Steroidhormone EE und ENG enthält. Das Kernpolymer wird wiederum von einer wirkstofffreien Membran umgeben, welche die Wirkstofffreisetzung der Steroidhormone aus dem Kernpolymer maßgeblich steuert. Während der Lagerung solcher Vaginalringe vom Reservoir-Typ diffundieren EE und ENG in die Membran, bis in dieser die beiden Wirkstoffe in einem gesättigten Zustand vorliegen. Aufgrund der Sättigung der Membran kommt es nach Einsetzen des Vaginalrings zum Auftreten des burst release. In bisherigen Versuchen zur Bestimmung der Wirkstofffreisetzung aus Vaginalringen mit einfachen Shake-flask-Methoden wurde der burst release nicht erfasst, da häufig nur alle
24 h eine Probennahme und anschließend ein kompletter Tausch des Freisetzungsmediums erfolgte.
Das neu entwickelte Freisetzungsmodell sollte biorelevanter gestaltet werden als die bisherigen Shake-flask-Methoden. Daher wurden in dem neuen Modell zwei weitere Kompartimente integriert, welche die Absorption der Steroidhormone ähnlich der In-vivo-Situation, berücksichtigen sollten. Da die Daten, welche mit dem neu entwickelten Freisetzungsmodell erhoben wurden, später mit In-vivo-Plasmaspiegeln aus klinischen Studien mit dem NuvaRing® und dem Cyclelle®-Ring korreliert werden sollten, wurden die Probennahmezeitpunkte für die In-vitro-Wirkstofffreisetzungsuntersuchungen aus den klinischen Studien adaptiert. Aufgrund der schlechten Löslichkeit von EE und ENG und der geringen Volumina, welche im neuen Freisetzungsmodell eingesetzt wurden, wurde den Freisetzungsmedien 0,5 % SDS zugesetzt, um zehnfache Sink-Bedingungen zu gewährleisten. Die Wirkstofffreisetzung aus dem NuvaRing® und dem Cyclelle®-Ring wurde sowohl mit der modifizierten Shake-flask-Methode als auch mit dem neu entwickelten Freisetzungsmodell bestimmt. Der burst release wurde mit dem neuen Freisetzungsmodell besser als mit der modifizierten Shake-flask-Methode erfasst. Auch die deklarierten täglichen Freisetzungsraten von 120 μg ENG und 15 μg EE aus den untersuchten Vaginalringformulierungen wurden in dem neu entwickelten Freisetzungsmodell erreicht. Nach dem sogenannten burst release setzten beide untersuchte Formulierungen EE und ENG nach einer Kinetik 0. Ordnung frei. Die In-vitro-Freisetzungsdaten, welche einer Kinetik 0. Ordnung folgten, wurden mit den dekonvulierten In-vivo-Plasmaspiegeln korreliert. Für beide In-vitro-Methoden konnte für EE ein linearer Zusammenhang gefunden werden.
Das neu entwickelte Freisetzungsmodell stellt einen vielversprechenden Ansatz für die Prüfung der Wirkstofffreisetzung aus Vaginalringen dar. Mit Hilfe des neuen Modells konnte der burst release aus Vaginalringen vom Reservoir-Typ besser erfasst werden als mit den bisher verwendeten Shake-flask-Methoden. Trotz der geringen Volumina, welche im neu entwickelten Freisetzungsmodell eingesetzt wurden, konnten durch den Zusatz von 0,5 % SDS zehnfache Sink-Bedingungen in beiden Kompartimenten erreicht und während der Versuche eingehalten werden. Erste Korrelationen mit den aus In-vivo-Plasmaspiegeln berechneten absorbierten EE-Fraktionen und den kumulativ freigesetzten EE-Mengen zeigten einen linearen Zusammenhang zwischen der in vivo absorbierten Fraktion und der in vitro kumulativ freigesetzten Wirkstoffmenge.
The poor aqueous solubility of many drug substances has been addressed using different solubility enhancement approaches in the pharmaceutical technology field over the last decades. In this context, advanced drug delivery systems based on lipids referred to as SNEDDS were used to overcome solubility limitations of drugs, that are often associated with a low bioavailability after oral administration. There are numerous examples in the literature for the development of L-SNEDDS, which have led to some pharmaceutical products available on the market. As L-SNEDDS development using conventional methods requires a lot of time and experimental effort, a streamlining of this procedure was aimed in the first part of the presented work.
Starting with the development of L-SNEDDS formulations for solubility enhancement of poorly-water soluble drugs, extensive solubility studies with different BCS Class II drugs were performed in various excipients to determine drugs with high solubilities in these excipients as well as to evaluate multiple excipients for their suitability to be used in L-SNEDDS formulations. Celecoxib, efavirenz and fenofibrate were selected as model drugs and a pre-selection of excipients for further development was made. In a next step, a novel screening approach for L-SNEDDS formulation development based on a customized mapping method in a special triangular mixture design was established. This customized tool for L-SNEDDS development comprised the systematic analysis of results obtained with different in vitro characterization methods such as droplet size analysis and distribution, transmittance measurement and emulsification performance assessment. Furthermore, the novel approach streamlined the procedure for L-SNEDDS development as a reduction of experimental effort and time compared to conventional methods was achieved. The most promising L-SNEDDS formulations determined via the customized screening tool approach showed high drug release of celecoxib, efavirenz as well as fenofibrate, and clearly indicated that this method was suitable for efficiently designing stable and rapidly releasing L-SNEDDS formulations incorporating poorly water-soluble drugs.
After the successful development of L-SNEDDS formulations with different drug substances using the novel screening approach, a further aspect of this work dealt with conversion of L-SNEDDS into S-SNEDDS, since a limited storage stability has been reported for many L-SNEDDS formulations. The conversion into S-SNEDDS required the determination of appropriate solid carriers with different material properties depending on the manufacturing process. As a first technological approach, adsorption to a solid carrier was investigated by adding a carrier to drug-loaded L-SNEDDS applying a defined mixing ratio resulting in a solid, particulate formulation. When performing drug release studies, S-SNEDDS based on different commercial
carrier materials revealed major limitations due to incomplete drug release. Thus, a tailor-made microparticulate carrier material based on cellulose was developed for the purpose of adsorbing L-SNEDDS and presented with superior performance compared to conventional adsorbents based on cellulose or silica. Based on the obtained results, this novel cellulose-based microparticle prepared with gum arabic as a binder was determined to be the most promising material amongst all adsorptive carriers that were investigated.
In addition to the technology approach of adsorption, another manufacturing process was considered in the course of the present work, which focused on the preparation of S-SNEDDS by means of HME. As a successful conversion of L-SNEDDS into S-SNEDDS using HME processing requires at least one additional polymeric component, a selection of marketed (co-)polymers that were frequently used in the field of solubility enhancement were evaluated for their suitability in this context. Critical process parameters and target properties of the (co-)polymers were determined, ultimately leading to the idea of developing a novel, customized polymer in order to perform the conversion step via HME in a more suitable and effective manner. In this context, a new copolymer referred to as ModE, as it disclosed a structural association with the commercially available copolymer EUDRAGIT® E PO, was developed. The novel copolymer ModE was evaluated for its suitability for different formulation technologies and showed promising results when used for S-SNEDDS and ASD formulations prepared by the HME process. Different variants of ModE in terms of Mw, Tg and PDI were synthesized via radical polymerization and it was found that the modification of Mw, Tg and PDI of the novel aminomethacrylate-based copolymer had significant effects on drug release as well as storage stability of S-SNEDDS and ASDs. The ModE copolymer type with a Mw of 173 kDa turned out to be the most suitable candidate for S-SNEDDS development using HME technology. In addition, drug-loaded S-SNEDDS based on the ModE variant 173 kDa were storage stable and presented with the highest drug release among all S-SNEDDS formulations tested.
In conclusion, a novel screening tool approach for efficient L-SNEDDS development was established in order to streamline the process for obtaining stable and rapidly releasing L-SNEDDS formulations which improved the solubility of poorly water-soluble drugs. Apart from the L-SNEDDS development process, the conversion from L-SNEDDS into S-SNEDDS was successfully performed using the technology approaches of adsorption to a solid carrier and HME processing. An improved storage stability compared to L-SNEDDS as well as high drug release were achieved for several S-SNEDDS formulations, especially for those prepared with tailor-made materials. Based on the results obtained for S-SNEDDS formulations produced via adsorption, especially in terms of drug release performance, the new cellulose-based
microparticle carriers (M-GA and M-MC) turned out to be the most suitable materials. S-SNEDDS that were manufactured via HME presented with a superior performance regardless of the incorporated drug when comparing the results of S-SNEDDS with those of the corresponding ASDs regarding drug release performance, amorphicity/crystallinity and storage stability. In this context, among all S-SNEDDS formulations prepared via HME, S-SNEDDS based on the ModE variant 173 kDa showed the best results, especially when using the drug substances celecoxib and efavirenz. Although the S-SNEDDS formulation approach is still largely unexplored, based on the research results generated in the present work, it represents a promising technology platform that should definitely be further developed in future experiments.
Biorelevante In-vitro-Freisetzungsmethoden sind im Laufe der letzten Jahrzehnte zu einem unverzichtbaren Hilfsmittel in der Entwicklung von innovativen und generischen oralen Formulierungen geworden. Sie dienen in einer frühen Phase der Produktentwicklung u.a. zur Selektion von geeigneten Formulierungskandidaten im Vorfeld von Bioverfügbarkeits- und Bioäquivalenzuntersuchungen. Mithilfe biorelevanter Freisetzungsmethoden sollen dabei der menschliche Gastrointestinaltrakt (GIT) oder Teile davon simuliert werden, um somit Aussagen zum In-vivo-Freisetzungsverhalten der untersuchten Formulierung treffen zu können. Im Zuge der Entwicklung biorelevanter In-vitro-Testmethoden lag der Fokus bisher vorrangig in der Abbildung der gastrointestinalen Physiologie eines gesunden Erwachsenen. Inter- und intraindividuelle Unterschiede und andere Faktoren, die das Freisetzungsverhalten im GIT beeinflussen können, wie beispielsweise das Alter des Patienten oder zusätzliche Erkrankungen, blieben hingegen größtenteils unberücksichtigt. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit sollten daher individualisierte In-vitro-Freisetzungsmodelle entwickelt werden, welche die In-vivo-Variabilität des gastrointestinalen Transitverhaltens von Darreichungsformen und die variablen pH-Bedingungen des GIT nach Nüchterneinnahme widerspiegeln sollen. Auf Grundlage der zu entwickelnden Modelle sollte es demnach möglich sein, die Robustheit des Freisetzungsverhaltens von modifiziert freisetzenden Arzneiformen gegenüber inter- und intraindividuellen Unterschieden im Passageverhalten und den vorherrschenden pH-Bedingungen zu untersuchen. Am Beispiel von magensaftresistenten Acetylsalicylsäure (ASS)-Formulierungen wurde zunächst im Rahmen eines systematischen Screenings der Einfluss der Zusammensetzung des Freisetzungsmediums auf die Wirkstofffreisetzung untersucht. Ein besonderes Augenmerk lag dabei auf dem Vergleich phosphatgepufferter Medien mit dem physiologisch für den nüchternen Dünndarm relevanten Kohlensäure (H2CO3)/Hydrogencarbonat (HCO3-)-Puffersystem. Auf Basis von Literaturdaten zur Elektrolytzusammensetzung der intestinalen Flüssigkeiten wurde als Resultat des systematischen Screenings mit Carbonate-based Fasted State Simulated Intestinal Fluid (CarbFaSSIF) ein Freisetzungsmedium entwickelt, welches die Elektrolytzusammensetzung der luminalen Flüssigkeiten des nüchternen Dünndarms widerspiegelt und auf dem H2CO3/HCO3--Puffersystem basiert. Der Einsatz eines automatischen pH-Regulationssystem (pHysio-grad®) zur Stabilisierung von thermodynamisch instabilen HCO3--basierten Freisetzungsmedien ermöglichte es, mit CarbFaSSIF dynamische intestinale pH- und Transitprofile in hoher zeitlicher Auflösung in einer kompendialen Blattrührerapparatur zu simulieren. Am Beispiel von magensaftresistenten Mesalazin- und Natriumvalproatformulierungen wurde die Robustheit des Freisetzungsverhaltens gegenüber der Variabilität gastrointestinaler pH- und Passagebedingungen untersucht. Mit dem lokal im GIT wirkenden Mesalazin und dem systemisch wirkenden Natriumvalproat wurden zwei Arzneistoffe mit unterschiedlichen Wirkprinzipien ausgewählt, die aufgrund eines individuell variablen Freisetzungsverhaltens zu teils schwerwiegenden unerwünschten Arzneimittelwirkungen oder zu einem Therapieversagen führen könnten. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wurden beispielhaft individuelle pH- und Transit-Bedingungen von vier individuellen Probanden einer in der Literatur beschriebenen In-vivo-Studie für die In-vitro-Simulationen ausgewählt, welche einerseits den Durchschnitt der In-vivo-Studie widerspiegelten, aber auch extreme Passage- und pH-Bedingungen aufwiesen. Die untersuchten Formulierungen zeigten abhängig von der Art der magensaftresistenten Überzüge eine unterschiedliche Sensitivität gegenüber den individuellen simulierten pH- und Transit-Profilen. Für die Mesalazinformulierungen war es möglich, den Ort und das Ausmaß der Wirkstofffreisetzung, die für eine erfolgreiche Therapie ausschlaggebend sind, in individuellen Probanden in vitro zu bestimmen. Im Gegensatz zu den lokal im GIT wirkenden Mesalazinformulierungen sind für die antiepileptische Therapie mit magensaftresistenten Natriumvalproatformulierungen neben dem Ausmaß insbesondere der Zeitpunkt der Wirkstofffreisetzung für konstante Plasmaspiegel von entscheidender Bedeutung. Darauf basierend wurden unter Verwendung der ermittelten Freisetzungsdaten und mithilfe von individuellen pharmakokinetischen Parametern für die natriumvalproathaltigen Darreichungsformen In-silico-Simulationen mit einem neuen Simulationsprogramm (BioavailabilityDesign expert) zur Vorhersage von Natriumvalproatplasmaprofilen durchgeführt. Die ermittelten In-silico-Plasmaprofile wurden dabei mit dem mathematischen Verfahren des durchschnittlichen Euklidischen Abstands mit In-vivo-Daten aus der Literatur verglichen, um die In-vivo-Vorhersagekraft des Freisetzungsmodells beurteilen zu können. Abhängig von der Art des magensaftresistenten Überzugs und dem daraus resultierenden unterschiedlichen Ansprechen auf die Bedingungen der In-vitro-Freisetzungstests konnten für zwei der drei untersuchten Natriumvalproatformulierungen vielversprechende Vorhersagen zu den resultierenden Plasmaspiegeln getroffen werden. Ein weiterer Aspekt der vorliegenden Arbeit lag in der Implementierung des pHysio-grad®-Systems und der neu entwickelten HCO3--basierten Medien in prädiktiven Freisetzungstestmethoden für pädiatrische Darreichungsformen. Um vor allem das im GIT von Kindern, insbesondere bei Neugeborenen und Kleinkindern, im Vergleich zum Erwachsenen für die Wirkstofffreisetzung zur Verfügung stehende geringere Flüssigkeitsvolumen in einem In-vitro-Test hinreichend wiedergeben zu können, wurde für diesen Zweck eine neue Freisetzungsapparatur entwickelt. Das konstruierte System basierte auf standardisierten Prüfgefäßen und ermöglichte Freisetzungsuntersuchungen in einem Volumen von 30 bis 110 mL. Durch die Einbindung von miniaturisierten Komponenten des pHysio-grad®-Systems konnten zur Simulation der intestinalen Bedingungen von Kindern unterschiedlicher Altersgruppen auch physiologisch-relevante HCO3--Medien eingesetzt werden. Die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit verdeutlichen, dass individualisierte Freisetzungsmethoden basierend auf physiologischen HCO3--Medien einen vielversprechenden Ansatz zur Beurteilung der Robustheit der Wirkstofffreisetzung von modifiziert freisetzenden Arzneiformen hinsichtlich der Variabilität von gastrointestinalen Transit und pH-Bedingungen darstellen. Darüber hinaus wurde mit einem Freisetzungsmodell für pädiatrische Arzneiformen ein erster Ansatz entwickelt, um die Besonderheiten, die mit der Arzneimittelapplikation an Kindern in Verbindung stehen, in einem In-vitro-Maßstab wiederzugeben. Die im Rahmen dieser Arbeit entwickelten In-Vitro-Methoden basieren auf physiologischen Daten von gesunden erwachsenen Probanden, stellen aber eine universelle Plattform dar, die perspektivisch auch zur Simulation von individuellen Patienten eingesetzt werden kann. Die neu konzipierten Freisetzungsmodelle würden daher zukünftig sehr von systematischen In-vivo-Studien an Patienten profitieren, die Einflussfaktoren, wie Alter oder Erkrankungen, auf die Eigenschaften der luminalen Flüssigkeiten und das gastrointestinale Passageverhalten von Arzneiformen untersuchen.
Biorelevante In-vitro-Freisetzungsmodelle werden u. a. für das Screening neuartiger Formulierungen, zur Etablierung von In-vitro-/In-vivo-Korrelationen und zur Vorhersage des In-vivo-Verhaltens einer applizierten Darreichungsform angewendet. Die Entwicklung von In-vitro-Freisetzungsmodellen für peroral verabreichte Arzneiformen fokussierte bisher vorwiegend auf die Abbildung der gastrointestinalen Physiologie eines gesunden, „durchschnittlichen“ Erwachsenen. Patientenspezifische Faktoren, wie z. B. das Alter, Erkrankungen oder Geschlecht sowie individuelle Unterschiede, die die gastrointestinalen Verhältnisse und folglich auch das Freisetzungsverhalten einer peroral applizierten Arzneiform beeinflussen können, wurden bisher kaum berücksichtigt. Der Fokus dieser Arbeit lag auf der Entwicklung und Etablierung von patientenspezifischen, bioprädiktiven In-vitro-Freisetzungsmodellen für perorale Darreichungs-formen unter Berücksichtigung der gastrointestinalen Gegebenheiten zweier unterschiedlicher Patientenpopulationen: pädiatrische Patienten und Parkinson-Patienten.
Eine wichtige Voraussetzung für eine sichere und wirksame perorale Arzneimitteltherapie bei pädiatrischen Patienten sind altersgerechte Darreichungsformen sowie eine geeignete Einnahmepraxis. Peroral applizierte Arzneimittel werden pädiatrischen Patienten häufig zusammen mit Applikationsvehikeln verabreicht, um die Einnahme der Arzneimittel zu erleichtern. Es muss jedoch bei einer solchen Anwendungspraxis sichergestellt werden, dass die eingenommene Arzneiform mit dem jeweiligen Applikationsvehikel kompatibel ist. Die Beurteilung der Kompatibilität ist anhand klinischer In-vivo-Studien an gesunden Kindern jedoch aufgrund ethischer Bedenken kaum möglich. Zur Evaluierung der Kompatibilität könnten In-vitro-Freisetzungsmethoden als eine mögliche Alternative eingesetzt werden. Im ersten Teil der vorliegenden Arbeit wurden pädiatrische In-vitro-Freisetzungsmodelle entwickelt, um zu evaluieren, ob die Stabilität und das In-vivo-Freisetzungsverhalten der neuartigen Alkindi®-Formulierung durch Co-Verabreichung mit alterstypischen Applikationsvehikeln beeinträchtigt werden. Zur Beantwortung dieser Fragestellung wurden im Anschluss an eine intensive Literaturrecherche Physiologie-basierte In-vitro-Modelle auf Basis der Mini-Paddle-Apparatur entwickelt. In der ersten Studie wurde die In-vitro-Wirkstofffreisetzung nach simulierter Applikation der Alkindi®-Formulierung mit typischen Applikationsvehikeln für Kinder unter 6 Jahren, d. h. Muttermilch, Formulamilch und Vollmilch, untersucht. In der zweiten In-vitro-Studie wurde der Altersbereich der adressierten Patientenpopulation auf 2 - 16 Jahre verändert und eine Reihe weiterer flüssiger sowie halbfester Applikationsvehikel, wie z. B. Orangensaft und Joghurt, verwendet. In beiden Studien konnte deutlich gezeigt werden, dass die Alkindi®-Formulierung ein robustes Freisetzungsverhalten aufwies und kompatibel mit den untersuchten Matrices war. Auf Grundlage der Ergebnisse der In-vitro-Untersuchungen wurde geschlussfolgert, dass die In-vivo-Freisetzung und die Bioverfügbarkeit der untersuchten Arzneiform nicht durch die untersuchten Applikationsvehikel beeinflusst werden und folglich diese Vehikel zur gemeinsamen Einnahme mit der Alkindi®-Formulierung geeignet sind. Diese Beobachtungen wurden darüber hinaus durch publizierte Ergebnisse einer korrespondierenden In-vivo-Studie in Erwachsenen bestätigt.
Der zweite Teil der Arbeit befasste sich mit der Entwicklung eines neuartigen, Parkinson-spezifischen und Physiologie-basierten In-vitro-Freisetzungsmodells. Für die Entwicklung von biorelevanten In-vitro-Modellen zur Simulation der luminalen Bedingungen im Gastrointestinal-trakt einer spezifischen Patientenpopulation sind umfangreiche Kenntnisse über die jeweiligen gastrointestinalen In-vivo-Bedingungen und deren Variabilität unerlässlich. Im Rahmen einer Literaturrecherche wurde der aktuelle Wissensstand zu den gastrointestinalen Gegebenheiten in Parkinson-Patienten recherchiert, ausgewertet und zusammengefasst. Die Ergebnisse der Literaturstudie machen deutlich, dass sich die gastrointestinalen Bedingungen von Parkinson-Patienten teilweise erheblich von gesunden Erwachsenen unterscheiden. Das bedeutendste gastrointestinale Merkmal von Parkinson-Patienten ist die beeinträchtigte Motilität des Gastrointestinaltrakts, was sich u. a. in einer Verlangsamung der Magenentleerung sowie der intestinalen Passage äußert. Demgegenüber steht jedoch ein großer Mangel an Daten für eine Reihe von gastrointestinalen Parametern. Dies betrifft z. B. die Zusammensetzung und physiko-chemischen Eigenschaften der luminalen Flüssigkeiten des Gastrointestinaltrakts.
Als geeignete In-vitro-Testplattform wurde die USP-3-Apparatur – auch als Eintauchender Zylinder (Europäisches Arzneibuch, Ph. Eur.) und Reciprocating cylinder (Ph. Eur. und US-amerikanisches Arzneibuch, USP) bezeichnet – ausgewählt, da sich diese Testplattform insbesondere zur Untersuchung von Darreichungsformen mit modifizierter Wirkstofffreisetzung eignet und bereits in einer Vielzahl von analytischen Laboren etabliert ist. Die Nutzung der kompendialen USP-3-Apparatur ließ aufgrund der geringen Variationsmöglichkeiten keine Simulation typischer Motilitätsmuster im humanen Gastrointestinaltrakt zu und eignete sich noch weniger für die Entwicklung und Etablierung von individuellen, patientenspezifischen Motilitätsprofilen. Um diese technischen Limitationen zu überwinden, wurde für die Weiterentwicklung des arzneibuchkonformen Modells ein Lastenheft erstellt, welches detaillierte Anforderungen für die Entwicklung der neuen Testapparatur enthielt. Auf Grundlage des beschriebenen Übersichtsartikels und unter Anwendung einer auf Basis des Lastenheftes modifizierten USP-3-Apparatur wurden unter besonderer Berücksichtigung von Motilität, Passagezeiten und Flüssigkeitsvolumina Parkinson-spezifische In-vitro-Freisetzungsmodelle entwickelt. Für ausgewählte modifiziert freisetzende Levodopa-Fertigarzneimittel wurde anschließend eine vergleichende Serie von In-vitro-Freisetzungsuntersuchungen unter Anwendung von Parkinson-spezifischen- oder „standardmäßigen“ Testmodellen durchgeführt, wobei letztere die gastrointestinalen Gegebenheiten eines „durchschnittlichen“, gesunden Erwachsenen simulierten. Für eine Beurteilung der Aussagekraft der entwickelten Parkinson-spezifischen Testmodelle wurden die generierten In-vitro-Freisetzungsdaten aus den Parkinson-spezifischen- und den „standardmäßigen“ Freisetzungsuntersuchungen in ein In-silico-PBPK-Modell implementiert und die jeweiligen simulierten Plasmakonzentrations-Zeit-Profile von Levodopa anschließend mit klinischen, durchschnittlichen In-vivo-Daten korreliert. Für PBPK-Modelle mit integrierten Parkinson-spezifischen In-vitro-Freisetzungsdaten wurde eine höhere Prädiktivität des In-vivo-Verhaltens der untersuchten Levodopa-Darreichungsformen beobachtet. Es konnte gezeigt werden, dass die entwickelten Parkinson-spezifischen In-vitro-Modelle ein vielversprechendes und prädiktives Instrument zur Vorhersage der In-vivo-Wirkstofffreisetzung von modifiziert freisetzenden Levodopa-Darreichungsformen darstellen. Der diskutierte methodische Ansatz der vorliegenden Studie könnte zukünftig das Screening neuartiger Formulierungen deutlich optimieren und somit zu einer verbesserten Arzneimitteltherapie für Parkinson-Patienten, aber auch für andere spezifische Patientengruppen beitragen
Biorelevante In-vitro-Freisetzungsmodelle haben sich in den letzten Jahrzehnten als wichtiges Hilfsmittel in der Formulierungsentwicklung von sicheren und wirksamen Arzneimitteln etabliert. Sie werden in der frühen Phase der Formulierungsentwicklung eingesetzt, um das In-vivo-Freisetzungsverhalten von Arzneiformen besser abschätzen zu können und die Anzahl sowie das Risiko klinischer Studien zu reduzieren. Um das In-vivo-Freisetzungsverhalten fester oraler Darreichungsformen im Gastrointestinaltrakt (GIT) möglichst genau vorhersagen zu können, sollten biorelevante In-vitro-Freisetzungsmodelle die Bedingungen im menschlichen GIT oder Teile davon simulieren. Im Zuge der Entwicklung solcher Modelle mittels geeigneter Freisetzungsapparaturen, biorelevanter Freisetzungsmedien und adäquater Testdesigns wurde sich bisher vorrangig auf die Simulation der gastrointestinalen Physiologie eines gesunden „durchschnittlichen“ Erwachsenen fokussiert. Inter- und intraindividuelle Unterschiede sowie patientenspezifische Faktoren, wie etwa das Alter oder gewisse Erkrankungen, blieben bisher weitestgehend unberücksichtigt. Die Unterschiede zwischen Erwachsenen und Kindern sowohl hinsichtlich physiologischer Eigenschaften des GITs als auch bezüglich der Einnahmebedingungen von Arzneimitteln implizieren die Notwendigkeit der Entwicklung von In-vitro-Freisetzungsmodellen, welche speziell auf die pädiatrische Bevölkerungsgruppe zugeschnitten sind. Der Fokus dieser Arbeit lag auf der Entwicklung physiologie-basierter Modelle zur Vorhersage der Wirkstofffreisetzung im Gastrointestinaltrakt von Kindern unterschiedlicher Altersgruppen.
Aufgrund der Heterogenität der pädiatrischen Bevölkerungsgruppe ist es höchst unwahrscheinlich, dass ein einziges In-vitro-Freisetzungsmodell in der Lage sein kann, relevante Unterschiede zwischen den Altersgruppen adäquat zu repräsentieren. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wurde daher ein Konzept entwickelt, mit dessen Hilfe patientenspezifische In-vitro-Freisetzungsmodelle konfiguriert werden können, welche die Simulation unterschiedlicher Altersgruppen sowie unterschiedlicher Verabreichungsbedingungen ermöglichen. Mit dem Hauptaugenmerkt auf der Entwicklung geeigneter pädiatrischer Freisetzungsmedien, welche die Bedingungen im pädiatrischen GIT simulieren, wurde ein In-vitro-Baukastensystem konzipiert, anhand dessen individuelle pädiatrische Freisetzungsmedien zur Simulation des nüchternen sowie postprandialen Magens oder Dünndarms generiert werden können.
Im ersten Teil der Arbeit wurden auf der Grundlage aktueller In-vivo-Daten bezüglich der gastrointestinalen Physiologie von Kindern eine Reihe neuer biorelevanter Medien entwickelt, welche die Zusammensetzung und die physikochemischen Eigenschaften der nüchternen Magen- und Dünndarmflüssigkeit bei Kindern verschiedener Altersgruppen, beginnend mit den Neugeborenen bis hin zu den Jugendlichen, nachahmen. Aufgrund der Unterschiede in den In-vivo-Daten zwischen den verschiedenen Altersgruppen wurden sieben verschiedene Medien entwickelt. Fünf Medien repräsentieren die nüchternen Magenflüssigkeiten der fünf einzelnen Altersgruppen (Simulated Paediatric Resting Gastric Fluids, SPRGFs) und zwei Medien repräsentieren die nüchternen Dünndarmflüssigkeiten (Simulated Paediatric Resting Small Intestinal Fluids, SPRSIFs). Diese neuen Medien beruhen auf bisher bekannten Informationen bezüglich der Bedingungen im GIT von gesunden Kindern und bilden somit einen optimalen Ausgangspunkt für die Entwicklung biorelevanter pädiatrischer Freisetzungsmedien.
Patientenspezifische Faktoren, u.a. Erkrankungen, können die morphologischen und physiologischen Gegebenheiten des GITs und folglich auch das In-vivo-Freisetzungsverhalten einer peroral verabreichten Darreichungsform stark beeinflussen. Da Unterernährung in der pädiatrischen Population ein weltweit verbreitetes Gesundheitsproblem darstellt und mit einer umfassenden medikamentösen Therapie einhergeht, wurden im Rahmen der Arbeit die aktuell verfügbaren Kenntnisse zu anatomischen und physiologischen Besonderheiten im Gastrointestinaltrakt von mangelernährten Kindern zusammengefasst. Es konnten einige Veränderungen im GIT von unterernährten Kindern im Vergleich zu gesunden Kindern identifiziert werden, welche als Grundlage für die Entwicklung biorelevanter patientenspezifischer Freisetzungsmodelle dienen könnten. Hierzu zählen u.a. eine verminderte Speichelsekretion; eine verminderte Magensäuresekretion, einhergehend mit erhöhten Magen-pH-Werten; eine verminderte Gallensalzkonzentration im Dünndarm sowie verminderte Enzymkonzentrationen im Magen und Dünndarm. Allerdings verdeutlicht die in dem Übersichtsartikel diskutierte Datenlage, dass es für unterernährte Kinder noch immer einen großen Mangel an In-vivo-Daten bezüglich der Zusammensetzungen und physikochemischen Eigenschaften gastrointestinaler Flüssigkeiten gibt. Da ein Verständnis der in vivo vorherrschenden Bedingungen für die Entwicklung patientenspezifischer Freisetzungsmodelle unabdingbar ist, sind weitere Forschungsarbeiten erforderlich, um die im Übersichtsartikel aufgezeigten Wissenslücken zu füllen.
Ein weiterer Aspekt der Arbeit lag in der Simulierung postprandialer Bedingungen im GIT von Kindern. Für diesen Zweck wurden typische Frühstücksmahlzeiten von Kindern in verschiedenen Regionen der Welt identifiziert, zubereitet, homogenisiert und ihre physikochemischen Eigenschaften ermittelt. Anschließend wurden simulierte pädiatrische Frühstücksmedien (Simulated Paediatric Breakfast Media, SPBM) entwickelt, welche die Zusammensetzungen und Eigenschaften der jeweiligen ursprünglichen Frühstücke nachahmen.
Die neuen Medien SPRGFs und SPRSIFs sowie die SPBM stellen einzelne Bestandteile des in dieser Arbeit entwickelten In-vitro-Baukastensystems dar und bilden die Grundlage für die Entwicklung von komplexeren pädiatrischen In-vitro-Freisetzungsmedien zur Simulation der intraluminalen Bedingungen nach der Einnahme einer oralen Darreichungsform mit einem Glas Wasser, einer Mahlzeit oder gegebenenfalls einem Applikationsvehikel. Mittels Kombination der SPRGFs und SPRSIFs mit beispielsweise Wasser, Formulanahrung oder SPBM können die prä- und postprandialen Bedingungen im GIT von Kindern unterschiedlicher Altersgruppen simuliert werden.
Das neu entworfene Baukastensystem wurde im nächsten Schritt verwendet, um ein In-vitro-Freisetzungsmodell zu gestalten, welches verschiedene Verabreichungsbedingungen bei Vorschulkindern nachahmen sollte. Mithilfe des Freisetzungsmodells wurde die Wirkstofffreisetzung aus fünf verschiedenen Arzneiformen untersucht. Des Weiteren wurden vergleichende Freisetzungsversuche mit einem altersgerechten, herunterskalierten Volumen an Ensure® Plus durchgeführt, um festzustellen, ob ein Medium, welches eine standardisierte Frühstücksmahlzeit von Erwachsenen simuliert, für die Vorhersage von Nahrungsmitteleffekten in der ausgewählten Altersgruppe geeignet wäre. Die Ergebnisse zeigen, dass sowohl die Bedingungen im nüchternen GIT als auch die Zusammensetzungen und Eigenschaften von typischen kindgerechten Mahlzeiten einen großen Einfluss auf die Wirkstofffreisetzung aus oralen pädiatrischen Darreichungsformen haben können. Des Weiteren ergaben sich erhebliche Unterschiede in den Ergebnissen der Freisetzungsuntersuchungen mit Ensure® Plus. Dies verdeutlicht die Relevanz der Simulation patientenspezifischer Merkmale, anstatt bestehende In-vitro-Modelle für Erwachsene herunterzuskalieren. Das neu entwickelte biorelevante In-vitro-Freisetzungsmodell für die Simulation verschiedener Verabreichungsbedingungen bei Vorschulkindern erwies sich als vielversprechendes Werkzeug zur Abschätzung des In-vivo-Freisetzungsverhaltens von oralen Darreichungsformen bei Kindern dieser Altersgruppe.
Der letzte Teil der Arbeit beschäftigte sich mit der Entwicklung biorelevanter In-vitro-Freisetzungsmodelle, welche die Co-Verabreichung einer Arzneiform mit unterschiedlichen Applikationsvehikeln simulieren. Diese Art der Verabreichung stellt eine Besonderheit bei Kindern dar, bei der die jeweilige Arzneiform vor der Applikation mit kleinen Mengen an Lebensmitteln gemischt wird. Um den Einfluss der Applikationsvehikel auf das In-vivo-Freisetzungsverhalten oraler Darreichungsformen möglichst umfassend einschätzen zu können, ist neben einem geeigneten In-vitro-Freisetzungsmodell eine fundierte Vorauswahl an Vehikeln notwendig, bei der die unterschiedliche Zusammensetzung und die physikochemischen Eigenschaften der Vehikel berücksichtigt werden. Um einen ersten Überblick über die Variabilität der Eigenschaften unterschiedlicher Applikationsvehikel zu erhalten, wurde eine umfassende physikochemische Charakterisierung verschiedenster Vehikel durchgeführt und die Ergebnisse in einer Datenbank, welche Informationen zu der Zusammensetzung und den physikochemischen Eigenschaften von 82 Vehikeln enthält, vereint. Darüber hinaus wurden zwei parallel zum Baukastensystem entwickelte In-vitro-Freisetzungsmodelle vorgestellt, welche die Untersuchung der Co-Verabreichung von zwei verschiedenen Darreichungsformen mit häufig verwendeten Vehikeln zum Ziel hatten. Während der Fokus des ersten Modells auf der Simulation der Magenbedingungen von Klein-, Vorschul-, und Schulkindern lag, war im zweiten Modell bereits die Simulation der Magen- und Dünndarminhalte von Klein- und Vorschulkindern implementiert. Diese Modelle können zukünftig unter Verwendung der neu entwickelten Medien an die physiologischen Gegebenheiten im GIT von Kindern unterschiedlicher Altersgruppen angepasst werden.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das im Rahmen dieser Arbeit neu konzipierte und entwickelte Baukastensystem ein Grundgerüst für die Entwicklung biorelevanter Freisetzungsmedien darstellt, mit dem verschiedene Verabreichungsszenarien im prä- und postprandialen Zustand sowie nach Co-Verabreichung mit Applikationsvehikeln adressiert werden können. Die somit individuell konfigurierbaren Freisetzungsmedien können wiederum als integraler Bestandteil von biorelevanten In- vitro-Freisetzungsmodellen fungieren, welche im Vergleich zu bisherigen Modellen eine genauere Simulation der gastrointestinalen Bedingungen von Kindern unterschiedlicher Altersklassen ermöglichen und folglich der besseren Prognose des In-vivo-Freisetzungsverhaltens oraler Arzneiformen, insbesondere mit schlecht löslichen Wirkstoffen, dienen.