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Revaskularisierende Maßnahmen wie die perkutane transluminale Angioplastie sowie die Stentimplantation zählen heutzutage zu den Standardtherapieverfahren der koronaren Herzkrankheit. Insbesondere die Einführung der mit proliferationshemmenden Wirkstoffen wie Paclitaxel oder Sirolimus beschichteten drug-eluting stents (DES) konnte die Restenoserate der behandelten Gefäße auf unter 10 % senken. Der Erfolg der kardiovaskulären Intervention ist dabei insbesondere auch von der Freisetzungskinetik der Wirkstoffe aus der Polymerbeschichtung der Stents abhängig. Methoden zur Untersuchung des In vitro-Freisetzungsverhaltens sind jedoch weder im Europäischen noch im US-Amerikanischen Arzneibuch monographiert, meist werden aber offizinelle Methoden wie der Eintauchende Halter oder die Durchflusszelle sowie nicht offizinelle, einfache Shake-Flask-Methoden zur Bestimmung der In vitro-Freisetzung verwendet. Dabei bleiben allerdings Besonderheiten von DES wie die Einbettungsbedingungen in das Gewebe der Gefäßwand oder die Flussbedingungen unberücksichtigt. Mit der Einführung der Gefäßsimulierenden Durchflusszelle (vFTC) mit einem Gewebemodell in Form eines Hydrogels als zweitem Akzeptorkompartiment konnten dagegen Parameter wie der Blutfluss, die Verteilung des Wirkstoffes in die Gefäßwand sowie reine Diffusionsprozesse auf der abluminalen Seite der Stents in vitro simuliert werden. Durch Modifikation des Hydrogels mittels hydrophober Zusätze konnte auch bereits ein Einfluss auf die Freisetzung von Modellarzneistoffen aus schnellfreisetzenden Stents gezeigt werden. Ziel dieser Arbeit war es daher, auch für die tatsächlich in DES eingesetzten Arzneistoffe Sirolimus und Paclitaxel Gewebemodelle auf Basis von Hydrogelen zu entwickeln und den Einfluss dieser Gewebemodelle auf die In vitro-Wirkstofffreisetzung in der vFTC zu untersuchen.
Dazu wurden zunächst analytische Methoden zur Quantifizierung der beiden Wirkstoffe entwickelt und validiert. Zur Identifizierung eines geeigneten Freisetzungsmediums wurde anschließend die Stabilität der Wirkstoffe in verschiedenen pufferbasierten und ungepufferten Medien sowie unter Zusatz von stabilisierenden Additiva untersucht. Eine mit Butylhydroxytoluol und Brij® L23 stabilisierte 0,9 %-ige Kochsalzlösung wurde dabei als geeignet identifiziert, die Stabilität der beiden Wirkstoffe über einen Freisetzungszeitraum von fünf Tagen zu gewährleisten.
Auf Basis vorhergehender Arbeiten wurde für die Entwicklung der Gewebemodelle auf ein 2 %-iges Agarosegel als Grundlage zurückgegriffen. Um die Verteilung der Wirkstoffe in das Gewebemodell zu erhöhen, wurden verschiedene Zusätze wie Lecithin, LiChroprep® RP-18, Lipofundin® MCT/LCT 20 %, mittelkettige Triglyceride und Cholesterol zur Hydrophobisierung beigemischt. Außerdem wurden Elastin und bovines Serumalbumin als Zusätze gewählt, um spezifische Bindungen der Wirkstoffe im Gewebe zu simulieren. Zur Untersuchung der Eignung der entwickelten Hydrogele als Gewebemodell wurde der Verteilungskoeffizient zwischen Hydrogel und Wirkstofflösung ermittelt und mit ex vivo ermittelten Literaturwerten zwischen humanem Aortengewebe und einer Wirkstofflösung verglichen. Zusätze von 10 % Lipofundin®, 0,1 % LiChroprep® + 0,02 % Lecithin sowie 0,1 % Lecithin wurden als geeignet befunden, um die Verteilung von Sirolimus in das Gewebe humaner Aorta mit unterschiedlichem Status zu simulieren und wiesen zudem eine ausreichende Stabilität für Freisetzungsuntersuchungen in der vFTC über einen Zeitraum von fünf Tagen auf.
Die Untersuchung des Einflusses dieser drei Gewebemodelle als Hydrogelkompartiment auf die Wirkstofffreisetzung aus DES in der vFTC wurde mit Sirolimus-beschichteten Stents mit Poly-L-Milchsäure als Beschichtungspolymer über 120 h durchgeführt. Zum Vergleich wurde zusätzlich die Wirkstofffreisetzung in einer einfachen Shake-Flask-Methode sowie in der Durchflusszelle ohne Hydrogelkompartiment beziehungsweise mit einem Agarosegel ohne Zusätze bestimmt. Es konnte ein triphasisches Freisetzungsverhalten mit biphasischem, jeweils nach einer Kinetik 1. Ordnung ablaufenden burst release von 30 - 40 % des Wirkstoffes innerhalb der ersten 12 h sowie nachfolgender langsamer Diffusionsphase beobachtet werden. Ein Vergleich der unterschiedlichen Freisetzungs-methoden zeigte eine langsamere Freisetzung unter Verwendung der Durchflusszelle sowie eine weitere Verringerung des in das Medium freigesetzten Wirkstoffanteils durch die Einführung eines zweiten Akzeptorkompartiments in der vFTC. Statistisch signifikante Unterschiede wurden aber vorrangig in der Verteilung des Wirkstoffes zwischen den Kompartimenten gesehen. So führte die Verwendung von 10 % Lipofundin als Zusatz zu einer Erhöhung des Anteils an Sirolimus im Gewebemodell von etwa 1 % auf fast 14 % der Gesamtfreisetzung nach fünf Tagen (p < 0,05). Im Gegensatz zu vorherigen Untersuchungen mit Modellarzneistoffen ist es für den tatsächlich in DES eingesetzten Wirkstoff Sirolimus also gelungen, ein Gewebemodell mit ausreichend hohem Verteilungskoeffizienten zu entwickeln, mit dem signifikante Unterschiede in der Verteilung zwischen den verschiedenen Kompartimenten der vFTC ermittelt werden konnten. In vitro-Wirkstofffreisetzungsuntersuchungen aus DES mittels der vFTC können somit durch die Verwendung von Gewebemodellen mit einem den In vivo-Bedingungen angepassten Verteilungskoeffizienten für die betreffenden Wirkstoffe eine noch bessere Abschätzung der In vivo-Verteilung eines aus DES freigesetzten Wirkstoffes in die Arterienwand leisten. Auch für biorelevante In vitro-Wirkstofffreisetzungsuntersuchungen aus anderen Implantaten können die in dieser Arbeit entwickelten Gewebemodelle möglicherweise einen wertvollen Beitrag leisten.
Die Bedingungen im Magen sowie der Prozess der Magenentleerung haben großen Einfluss auf das Anflutungsverhalten schnell freisetzender Arzneiformen. Die intra- und interindividuellen Schwankungen, für die hinsichtlich der Wirkstofffreisetzung bedeutenden Parameter, können daher maßgeblich zur Variabilität von Plasmakonzentrations-Zeit-Profilen beitragen. Über geeignete Formulierungen lassen sich solche Schwankungen minimieren. Voraussetzung dafür sind In vitro Modelle, die frühzeitig eine physiologisch relevante Charakterisierung von Formulierungskandidaten ermöglichen. Das Ziel dieser Arbeit war es daher, ein In vitro Freisetzungsmodell zu entwickeln, das für die Wirkstoffanflutung wesentliche physiologische Parameter des humanen Magens auf realistische Weise abbilden kann.
Im Rahmen erster Untersuchungen mit dem bereits etablierten Dynamic Open Flow Through Test Apparatus wurde geklärt, welchen Einfluss die Magenentleerungskinetik des Wassers auf das Anflutungsverhalten zweier N Acetylcystein Formulierungen (Granulat und Tablette) hat. In zuvor durchgeführten klinischen Studien war gezeigt worden, dass es aus pharmakokinetischer Sicht keine Unterschiede zwischen den Formulierungen gibt und beim Granulat selbst die Einnahme ohne Wasser keinen nennenswerten Einfluss auf die Pharmakokinetik hat. Die In vitro-Untersuchungen zeigten, dass diese Effekte vor allem auf die, unter den dynamischen Bedingungen der Magenentleerung, begrenzte Lösungsgeschwindigkeit des ansonsten gut wasserlöslichen Wirkstoffes zurückzuführen waren. Infolge der langsamen Freisetzung hatte die Entleerung des gleichzeitig eingenommenen Wassers nur geringen Einfluss auf die Geschwindigkeit und das Ausmaß der Arzneistoffentleerung in das Duodenum. Vielmehr ist wahrscheinlich, dass der Migrating Motor Complex über die Entleerung ungelöster Partikel das Anflutungsverhalten dominiert.
Im weiteren Verlauf der Arbeit wurde mit dem GastroDuo ein neues Modell entwickelt, in das Daten aus verschiedenen Humanstudien zur Charakterisierung der gastrointestinalen Parameter implementiert werden konnten. Über die Entwicklung verschiedener Testprogramme konnte die Simulation kritischer Parameter, sowohl des nüchternen als auch des postprandialen Magens, realisiert werden. Dadurch konnten in zwei Fallstudien, die bei postprandialer Applikation auftretenden pharmakokinetischen Besonderheiten verschiedener Fertigarzneimittel auf mechanistische Weise geklärt werden. So erklärten sich die resultierenden individuellen Plasmaspiegelverläufe der Fertigarzneimittel Viagra® und Adenuric® durch deren unterschiedliche Freisetzungs- und Entleerungscharakteristik. In den In vitro-Versuchen erwiesen sich diese Arzneiformen in ihrem Zerfalls- und Freisetzungsverhalten als unterschiedlich sensitiv gegenüber hydrodynamischen beziehungsweise mechanischen Einflüssen. So zeigten sich in den uns zur Verfügung gestellten pharmakokinetischen Daten für Viagra® vor allem Verläufe einer langsamen und kontinuierlichen Anflutung. Für Adenuric® wurde hingegen ein schnelles Anfluten beobachtet, was sich durch die schnelle Entleerung der fein dispergierten Arzneistoffpartikel über die Magenstraße in vitro erklären ließ.
Ähnliche Beobachtungen konnten für eine neu entwickelte Aspirin®-Formulierung gemacht werden. Diese zeigte aufgrund der angewandten Formulierungsstrategie ein, gegenüber der alten Formulierung, stark beschleunigtes Anfluten unter postprandialen Bedingungen. Wie die In vitro-Daten nahelegten, geschah dies aufgrund der zuverlässigen Entleerung über die Magenstraße. Bei der ursprünglichen Formulierung wurden hingegen deutlich niedrigere maximale Plasmakonzentrationen und ein wesentlich späteres Auftreten dieser maximalen Werte beobachtet. Diese Effekte ließen sich durch die langsame und unvollständige Entleerung aus den Magenzellen des GastroDuo bestätigen und erklären. In diesem Projekt konnte dementsprechend die Bedeutung der angewandten Formulierungsparameter und deren Wechselwirkung mit den physiologischen Begebenheiten aufgezeigt werden.
Abschließend wurde durch eine kombinierte In vitro /In vivo Studie die Eignung des GastroDuo für die prospektive Untersuchungen von Arzneiformen evaluiert. Dazu wurden vier verschiedene Darreichungsformen mit dem Modellarzneistoff Coffein mittels GastroDuo, sowie in einer Humanstudie untersucht. Durch den Nachweis von Coffein im Speichel der Probanden war eine Beurteilung des Zerfallsverhaltens in vivo möglich. Die Resultate der In vivo Studie wiesen gewisse Abweichungen von den erzielten In vitro Ergebnissen auf. Dabei wurde deutlich, dass eine Gewichtung der genutzten Testprogramme zwingend erforderlich ist, da die untersuchten Parameter in vivo mit verschiedenen Häufigkeiten und Auswirkungen auftreten.
Die durchgeführten Untersuchungen zeigen, dass das GastroDuo als vielversprechendes Instrument für die Beurteilungen von schnell freisetzenden Darreichungsformen angesehen werden kann. Der modulare Aufbau ermöglicht die Testung definierter physiologischer Parameter unter kontrollierbaren Bedingungen. Allerdings erfordert dieser Aufbau jeweils einen Satz verschiedener Experimente. Nach unserer Auffassung ist dieser Ansatz jedoch unabdingbar um frühzeitig fundierte Aussagen über die Qualität von Arzneimitteln treffen zu können.
Der Einsatz von 3D-Druckverfahren für die Herstellung von Arzneimitteln und Medizinprodukten stellt eines der größten neu entstandenen Forschungsgebiete dieses Jahrzehnts dar und gilt als ein technologischer Meilenstein im Bereich der personalisierten Medizin. Neben der Formindividualisierung von Implantaten können durch 3D-Druckverfahren wie dem in dieser Arbeit untersuchten Fused deposition modeling (FDM) auch die Wirkstoffdosis angepasst, deren Freisetzung gesteuert oder mehrere Wirkstoffe und/oder Freisetzungsprofile in einer Darreichungsform patientenindividuell kombiniert werden. Voraussetzung für diese Formulierungsentwicklungen sind geeignete pharmazeutische Polymere und eine genaue Kenntnis ihrer Extrudier- und Druckbarkeit und ihrer Wirkstofffreisetzung, die im Rahmen dieser Arbeit untersucht werden sollten. Neben der Identifikation und Evaluation von druckbaren Polymeren sollte auch das Potenzial des FDMs für die Produktion von wirkstoffhaltigen Darreichungsformen sowohl für die parenterale als auch die perorale Applikation mit besonderem Augenmerk auf anspruchsvolle Wirkstoffe geprüft werden. Mit der Aufnahme dieser Arbeit belief sich die Auswahl an druckbaren Materialien für pharmazeutische Anwendungen primär auf die auch im technischen FDM verwendeten Polymere Polylactid und Polyvinylalkohol. Das zunächst begrenzte Spektrum möglicher Freisetzungsprofile der inkorporierten Arzneistoffe konnte unter anderem durch die in dieser Arbeit dargelegten Untersuchungen erweitert werden. Im Bereich des FDMs von Implantaten ergaben das bei nur 53 °C gedruckte Polycaprolacton eine vielversprechende Freisetzung des im Polymer komplett gelösten Modellarzneistoffs Chinin über einen Zeitraum von etwa 7 Wochen mit einer initial schnelleren Freisetzung, die sich sowohl durch die Wirkstoffbeladung als auch durch wasserlösliche Zusätze steuern ließ. Als Alternative zum klassischen FDM wurde darüber hinaus eine Spritzenextrusionsmethode zur Herstellung von flexibleren Hydrogel-Implantaten untersucht. Es konnten erfolgreich wirkstoffhaltige Glycerol-Gelatine-Modellimplantate gedruckt und anschließend quervernetzt werden. Abgesehen von ihrer guten Komprimierbarkeit für eine mögliche endoskopische Applikation sind jedoch die sehr schnelle Wirkstofffreisetzung innerhalb von 6 h und die beobachteten lagerungsabhängigen Volumenveränderungen nur schwer mit einer Anwendung als patientenindividuell angepasstes Implantat vereinbar. Im Bereich des FDMs von oralen Darreichungsformen lag der Fokus dieser Arbeit auf einer sehr schnellen Wirkstofffreisetzung aus der Polymermatrix und der Entwicklung von Lösungsstrategien für das FDM von anspruchsvollen Wirkstoffen, mit denen Forscher auch bei zukünftigen FDM-Anwendungen umgehen werden müssen. Eine der größten Limitationen der thermischen Verfahren Schmelzextrusion und FDM lag bis dato in der Notwendigkeit thermisch stabile Wirkstoffe einzusetzen. Durch ein ausführliches Screening von wasserlöslichen, pharmazeutischen Polymeren bei gleichzeitigem Einsatz des thermolabilen Modellarzneistoffs Pantoprazol-Natrium konnten in dieser Arbeit erfolgreich Formulierungen entwickelt werden, die bei Temperaturen unter 100 °C extrudier- und druckbar sind und eine schnelle Wirkstofffreisetzung aufweisen. Zu den vielversprechendsten Kandidaten gehören die amorphen festen Lösung des Polymers Polyethylenglycol 6000 mit einer sehr niedrigen Drucktemperatur von 54 °C und einer abgeschlossenen Freisetzung innerhalb von 30 min und die Formulierung des Polyvinylpyrrolidons K12, die neben den 10 % Pantoprazol auch 15 % Triethylcitrat enthielt und den kompletten Wirkstoff in etwa 10 min freisetzte. Durch Änderung des Druckdesigns der biplanen Tablette durch Senkung der Füllungsrate und Erhöhung der Tablettenporosität konnte diese Freisetzungszeit noch weiter auf sehr schnelle 3 min reduziert werden. Da das verwendete Pantoprazol zusätzlich säurelabil ist, erfolgte in einem nächsten Schritt eine magensaftresistente Ummantelung dieser schnell freisetzenden Tablettenkerne mittels Zweidüsen-FDM. Aufgrund der hohen Drucktemperatur des dafür verwendeten Celluloseacetatphthalats ergab sich ein zweigeteiltes Manteldesign, das jedoch in anschließenden Freisetzungsuntersuchungen keine komplette Magensaftresistenz erzielen konnte. Für eine ausreichende Dichtigkeit sollte für zukünftige Untersuchungen eine Veränderung im Düsenwechsel und/oder der Druck eines dickeren Mantels in Betracht gezogen werden, der wiederum eine weitere Verzögerung der Arzneistofffreisetzung nach dem pH-Anstieg bei Übertritt der Tablette in den Darm bedingen würde. Zusammenfassend betrachtet, liefert die vorliegende Arbeit wertvolle Erkenntnisse über den Einsatz von verschiedenen Polymeren für das FDM von Tabletten und Implantaten, die für eine gezielte Freisetzung - auch von anspruchsvollen Arzneistoffen – für kommende FDM-Anwendungen genutzt werden können.