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Die Neurotrophine (Nerve Growth Factor, Brain-derived Neurotrophic Factor, Neurotrophin-3 und Neurotrophin-4/5) zählen zu den wichtigsten Wachstumsfaktoren des Nervensystems und sind von großer Bedeutung für Gehirnentwicklung und neuronale Plastizität. Sie vermitteln ihr Wirkungen über zwei Rezeptorsysteme: Trk-Rezeptoren binden Neurotrophine spezifisch und mit hoher Affinität. Sie aktivieren anti-apoptotische, wachstums- und differenzierungsfördernde Signalwege. Der niedrigaffine p75-Neurotrophinrezeptor (p75) hingegen kann Rezeptorkomplexe mit verschiedenen Ko-Rezeptoren und einer Vielzahl von Liganden bilden. Das Spektrum seiner möglichen Effekte ist beachtlich, wobei pro-apoptotische und wachstumshemmende Wirkungen überwiegen. Interessanterweise kommt es bei einer Reihe von pathologischen Prozessen zu einer vermehrten Expression von p75, etwa bei Morbus Alzheimer, Amyotropher Lateralsklerose, Chorea Huntington und nach Gehirnverletzungen. Inhibitoren der pro-apoptotischen und wachstumshemmenden Wirkung bergen Potenzial für die Therapie dieser Krankheitsbilder. Transgene p75-Knockout-Modelle sind ein wichtiges Instrument für ein besseres Verständnis des Rezeptors. Aus den bisher vorliegenden Daten zu Morphologie und Verhalten solcher Mäuse ergibt sich jedoch ein widersprüchliches Bild. Im gesunden adulten Nervensystem wird p75 insbesondere durch cholinerge Neurone des basalen Vorderhirns (BFCN) exprimiert. In mehreren Studien wurde bei p75-defizienten Mausstämmen eine Hypertrophie der BFCN und der cholinergen Innervation des Hippocampus beobachtet. Für ein weiteres wichtiges Zielgebiet von BFCN-Projektionen, die basolaterale Amygdala (BLA), liegen bisher jedoch keine Daten vor. Ein Ziel dieser Arbeit war daher die Erfassung der cholinergen Innervationsdichte dieses Kerngebiets bei jungen und gealterten p75-Knockout-Tieren und Vergleich mit den entsprechenden Wildtyp-Kontrollen. In allen Altersgruppen war bei p75-Defizienz eine erhöhte Faserdichte nachweisbar. Im Hippocampus unterliegen die cholinergen Neuriten bei Knockout-Tieren einer verstärkten Degeneration im Alter. Dieser Effekt trat in der BLA nicht auf. Da im adulten Hippocampus p75 physiologischerweise exprimiert wird, in der adulten Amygdala jedoch nicht, weist dies auf eine trophische Wirkung des Rezeptors für hippocampale cholinerge Neurone hin, die vermutlich in Assoziation mit Trk-Rezeptoren vermittelt werden. Eine Testung höherer Verhaltensfunktionen bei p75-Defizienz erbringt Hinweise auf die funktionellen Auswirkungen der morphologischen Veränderungen. Bisherige Studien zeigen Abweichungen bei lokomotorischer Aktivität, Angstverhalten und räumlichem Lernen, sind jedoch im Detail widersprüchlich. Geringe Kohortengrößen und ungenaue Angaben zur Testdurchführung schränken die Aussagekraft teilweise ein. Ein weiteres Ziel der vorliegenden Arbeit ist daher die Prüfung dieser Verhaltensfunktionen bei p75-Defizienz mittels standardisierter Testmodelle unter Verwendung größerer Testkohorten. Im Open Field-Versuch wiesen Knockout-Tiere eine erhöhte motorische Aktivität auf. Im Holeboard-Versuch zeigte sich jedoch keine begleitende Zunahme zielgerichteter Exploration. In der Dark/Light Box fiel ein signifikanter Gruppenunterschied im Einfluss der zirkadianen Rhythmik auf das Verhalten in diesem Testmodell auf. Dies erschwert die Testinterpretation, trägt jedoch auch zur Erklärung der Diskrepanzen in der Literatur bei. Im Morris Water Maze zeigten Knockout-Tiere deutliche Defizite beim räumlichen Lernen. Als Ursache der Verhaltensauffälligkeiten kommen Veränderungen des cholinergen Systems, der neuronalen Plastizität und der zirkadianen Rhythmik in Betracht. Zudem sind Veränderungen weiterer Transmittersysteme wahrscheinlich. Die Untersuchung dieser Systeme und die Durchführung spezialisierter Verhaltenstests sind interessante Ansatzpunkte für zukünftige Studien.
Die Rolle des p75 Neurotrophinrezeptors bei der neuronalen Plastizität im Hippocampus der Maus
(2015)
Der p75 Neurotrophinrezeptor (p75NTR) bindet alle Neurotrophine (NGF, BDNF, NT3, NT4). Er wird in der Entwicklung sehr stark, im adulten Gehirn nur noch punktuell exprimiert. Nichtsdestotrotz existieren zahlreiche Studien, die eine Rolle dieses Rezeptors für die Morphologie und Funktion des Hippocampus implizieren. Überraschenderweise sind diese Daten zum Teil widersprüchlich. Zudem wurde bisher fast ausschließlich die p75NTRExIII Knockout Maus verwendet, die jedoch weiterhin die verkürzte Splicevariante des p75NTR ohne Neurotrophinbindestelle exprimiert. Die vorliegende Arbeit soll nun einerseits dazu beitragen, die bestehenden Daten bezüglich des p75NTRExIII zu reevaluieren und anderseits mithilfe des p75NTRExIV Knockouts die Auswirkungen des vollständigen Fehlens des p75NTR auf die Morphologie des Hippocampus zu untersuchen. So konnten wir zeigen, dass sowohl das Fehlen der verkürzten, als auch beider Splicevarianten, die Morphologie des Hippocampus und dessen cholinerge Innervation verändert. Ferner stellte sich heraus, dass nur das Fehlen beider Splicevarianten einen Einfluss auf die adulte Neurogenese hat, jedoch in beiden Knockoutlinien erniedrigte Apoptoseraten im Hippocampus ermittelt werden konnten. Hinsichtlich der dendritischen Dornen ist nur in den p75NTRExIII Knockouts ein Anstieg ihrer Dichte feststellbar. Diese morphologischen Veränderungen waren, zumindest im Fall der p75NTRExIII Knockouts, von verändertem Verhalten begleitet. Aufgrund der schweren Ataxie der hinteren Extremitäten bei den p75NTRExIV Knockouts, konnten lediglich die p75NTRExIII Knockouts und entsprechende Kontrolltiere bezüglich des Verhaltens untersucht werden. Hier zeigte sich eine deutliche Einschränkung in der Speicherung des räumlichen Gedächtnisses. Unsere Daten belegen, dass sowohl das Fehlen der verkürzten als auch beider Varianten des p75NTR einen Einfluss auf die Morphologie und die Funktion des Hippocampus hat.