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Die vorliegende Studie untersucht den Einfluss der Alexithymie und Emotionalen Intelligenz auf das Ergebnis einer stationĂ€ren psychoanalytisch orientierten Psychotherapie in Deutschland. Weiterhin werden Aussagen ĂŒber die Entwicklung von Alexithymie und Emotionaler Intelligenz im Laufe des zwölfwöchigen Krankenhausaufenthaltes getroffen. 348 stationĂ€re Patienten wurden mit den deutschen Versionen der Toronto Alexithymie Skala (TAS-20), der Symptom Checkliste (SCL-90-R) und dem Mayer- Salovey- Caruso Emotional Intelligence Test (MSCEIT 2,0) zu zwei verschiedenen Zeitpunkten wĂ€hrend der Behandlung untersucht (Aufnahme- und Entlassungszeitpunkt). Die Patienten wurden mit psychoanalytische orientierte Einzel- und Gruppentherapie behandelt. Im Gegensatz zu der hypothetischen Annahme hatte die Schwere der Alexithymie und der Grad der emotionalen Intelligenz hat keinen Einfluss auf die VerĂ€nderung der psychischen Gesamtbelastung als positiven Indikator fĂŒr den Therapieerfolg. Im Verlauf der Behandlung war sowohl eine signifikante Verbesserung der GSI Werte der SCL-90-R und zu einer signifikanten Verringerung der Alexithymie Werte zu beobachten. Im Gegensatz dazu zeigte der Gesamtwert der Emotionalen Intelligenz keine signifikante VerĂ€nderung. Die einzelnen Untertests der Emotionalen Intelligenz zeigten unterschiedliche und zum Teil unerwartete Ergebnisse. Diese lassen die Vermutung zu, dass es Unterschiede innerhalb der Patientengruppe gibt, die entweder zur Verbessern oder Verschlechterung emotional intelligenter FĂ€higkeiten im Behandlungsverlauf fĂŒhren. Dies könnte Gegenstand weiterer Untersuchungen sein. Die in der Literatur bereits beschriebene negative Korrelation zwischen Emotionaler Intelligenz und Alexithymie konnte durch die Arbeit bestĂ€tigt werden.
Somatoforme Störungen, Depression, Angststörungen und Alexithymie stellen eine hohe Belastung bei herzkranken Patienten dar. Aktuelle Studien weisen auf die Relevanz des frĂŒhzeitigen Erkennens dieser KomorbiditĂ€ten hin. In der vorliegenden Studie wurden 105 Patienten der Klinik fĂŒr Kardiologie der UniversitĂ€tsmedizin Greifswald im Zeitraum von April bis Oktober 2010 unter Verwendung des âGoldstandardsâ DIA-X, welches aus einem âZwei-Phasen-Designâ besteht, untersucht. Bei positivem Screening (SSQ/ASQ) erfolgte ein computerassistiertes standardisiertes diagnostisches Interview auf somatoforme Störungen bzw. Depression. Die Angststörungen wurden aufgrund der Zumutbarkeit lediglich als Screening erfasst. Mittels TAS-20 wurde auf das Vorliegen einer alexithymen Persönlichkeit untersucht. Laut aktueller Forschung begĂŒnstigen die einzelnen Störungen bzw. Merkmale und die kardiale Erkrankung ihr gegenseitiges Auftreten als VulnerabilitĂ€tsfaktoren. Ein kausaler Zusammenhang ist nicht bekannt. Als Teil eines gröĂeren Projektes fand die Untersuchung zeitgleich in der dermatologischen und neurologischen Klinik der UniversitĂ€tsmedizin Greifswald statt. Bei spĂ€rlicher Literatur bezĂŒglich des subjektiven UnterstĂŒtzungswunsches wurde dieser mittels Fragebogen erhoben und indirekt zur Ermittlung eines Zusammenhangs zwischen dem subjektiven und objektiven Gesundheitszustande genutzt, welcher laut Literaturangaben nicht besteht. Eine komorbiden psychische Störung verlĂ€ngere Studien zufolge die stationĂ€re Aufenthaltsdauer. Unter diesen Annahmen lag eine hohe PrĂ€valenz psychischer Störungen in der Kardiologie vor (somatoformen Störungen 44%; Depression 33%; Angststörungen 44%). Eine Alexithymie wurde bei 7% der Patienten erfasst. Im Vergleich der drei Kliniken konnte ein signifikanter Unterschied bezĂŒglich des Vorliegens einer somatoformen Störung (p<.0001**) und einer affektiven Störung (p=.002*) ermittelt werden. Ein signifikanter Zusammenhang mit dem Grad der psychischen Störung und dem Vorliegen (p=.013*) einer Alexithymie konnte gezeigt werden. Der subjektive UnterstĂŒtzungsbedarf wurde von 38% der Patienten angegeben. Es lag kein höherer UnterstĂŒtzungswunsch bei Patienten mit komorbider psychischer Erkrankung bzw. MultimorbiditĂ€t vor. Es besteht keine Assoziation zwischen dem objektiven und subjektiven Gesundheitszustand. BezĂŒglich der Dauer des stationĂ€ren Aufenthaltes, wiesen Patienten mit komorbider psychischer Störung einen um zwei Tage verlĂ€ngerten Krankenhausaufenthalt auf (p=.031*).
Das VerhÀltnis zwischen der Internalisierung gewichtsbezogener Stigmatisierung und Alexithymie
(2020)
Hintergrund:
Die Internalisierung gewichtsbezogener Stigmatisierung ist eine spezielle Form der Selbststigmatisierung
bei adipösen und ĂŒbergewichtigen Personen. In vorherigen Studien wurde
diese Form der Selbststigmatisierung in Zusammenhang mit einigen psychiatrischen
Erkrankungen, aber auch mit einer schlechteren selbstberichteten physischen und psychischen
Gesundheit und einem niedrigeren Selbstbewusstsein beschrieben. Das Konstrukt
der Alexithymie beschreibt die UnfĂ€higkeit eigene GefĂŒhle und Emotionen zu
identifizieren und zu beschreiben, besonders wenn sie positiven Ursprungs sind. Die vorliegende
Studie untersucht den Zusammenhang zwischen der Internalisierung gewichtsbezogener
Stigmatisierung und Alexithymie. AuĂerdem werden Psychopathologien des
Essverhaltens genauer beleuchtet. Insbesondere wird auf die Impulskontrolle, die interozeptive
Wahrnehmung, den Perfektionismus und das Misstrauen eingegangen.
Methode:
Es wurde mittels Selbstbeurteilungsfragebögen die Internalisierung gewichtsbezogener
Selbststigmatisierung (WBIS), Alexithymie (TAS-20), Depressionen (BDI II) und Psychopathologien
des Essverhaltens, dabei insbesondere die interozeptive Wahrnehmung,
Misstrauen, Perfektionismus und Impulskontrolle (EDI II) bei allen ĂŒbergewichtigen und
adipösen Patienten abgefragt, die sich zu einer stationÀren Behandlung in der Klinik
und Poliklinik fĂŒr Psychiatrie und Psychotherapie der UniversitĂ€tsmedizin Greifswald
in einem Zeitraum von Mai 2015 bis Februar 2019 entschlossen haben. Nach Anwendung
unserer Ausschlusskriterien verblieben 103 Patienten (73 Frauen, 30 MĂ€nner), die
an unserer Studie teilnahmen und deren Selbstbeurteilungsfragebögen ausgewertet und
analysiert wurden. Die Datenerhebung erfolgte zu Beginn des stationÀren Aufenthaltes.
Ergebnisse:
ZunÀchst wurden die Patienten in zwei Gruppen aufgrund ihres Gesamtergebnisses bei
der TAS- 20 eingeteilt. Mittels Kruskal- Wallis- Test zeigte sich bei den alexithymen
Patienten ein signifikant höherer Wert bezĂŒglich der Internalisierung gewichtsbezogener
Stigmatisierung, als in der nicht alexithymen Gruppe. Auch die Psychopathologien
bezĂŒglich des Essverhaltens waren bei den alexithymen Patienten signifikant erhöht. Im
Anschluss wurden Korrelations- und Regressionsanalysen durchgefĂŒhrt, um die ZusammenhĂ€nge
weitergehend zu analysieren. Dabei stellte sich heraus, dass die signifikanten
ZusammenhÀnge zwischen der Internalisierung gewichtsbezogener Stigmatisierung sich
aufheben, sobald wir fĂŒr Depressionen kontrollierten. Dieses PhĂ€nomen zeigte sich auch
bei den Subskalen âSchwierigkeiten GefĂŒhle zu erkennenâ und âzu beschreibenâ. Interaktionseffekte
zwischen dem Gesamtergebnis der TAS- 20 und Depressionen waren nicht
vorhanden. BezĂŒglich der Psychopathologien im Essverhalten und der Internalisierung
gewichtsbezogener Selbststigmatisierung zeigten sich stark signifikante ZusammenhÀnge
in den Regressionsanalysen. Auch in den Subskalen interozeptive Wahrnehmung,
Perfektionismus und Impulskontrolle war dies der Fall.
Diskussion:
Patienten, die Schwierigkeiten beim Erkennen und Beschreiben der eigenen GefĂŒhle
haben, neigen verstÀrkt zur Internalisierung gewichtsbezogener Stigmatisierung. Dies
unterstreicht die Vermutung, dass alexithyme Patienten durchaus GefĂŒhle wahrnehmen
können; vornehmlich die negativen Emotionen dringen in ihr Bewusstsein. Patienten, die
verstÀrkt gewichtsbezogene Stigmatisierung internalisieren, weisen vermehrt Psychopathologien
im Essverhalten auf. Sie haben eine schlechtere interozeptive Wahrnehmung,
neigen zu perfektionistischen PersönlichkeitszĂŒgen und weisen Schwierigkeiten bei der
Impulskontrolle auf. Durch BerĂŒcksichtigung dieser Defizite im Therapiekonzept können
möglicherweise gröĂere und lang anhaltendere Behandlungserfolge erzielt werden. Der
erhebliche Einfluss von Depressionen auf die Internalisierung gewichtsbezogener Stigmatisierung
im Zusammenhang mit Alexithymie Bedarf weiterer Untersuchungen, um
mögliche Moderator- oder Mediatoreffekte herausfinden zu können.
Das Alexithymie-Konstrukt beschreibt eine Störung affektiv-kognitiver Natur mit drei pathophysiologischen Hauptmerkmalen: der Schwierigkeit, GefĂŒhle wahrzunehmen, diese zu kommunizieren und einem stereotypen, an Ă€uĂeren Ereignissen orientierten Denkstil. DarĂŒber hinaus leiden hochalexithyme Individuen an Schwierigkeiten im Bereich sozialer Interaktionen. Dieser VulnerabilitĂ€tsfaktor wĂ€re ein mögliches Bindeglied zwischen Alexithymie und psychischen sowie psychosomatischen Erkrankungen. Eine ErklĂ€rung fĂŒr die sozialen Schwierigkeiten könnte in einem beeintrĂ€chtigten Erkennen emotionaler GesichtsausdrĂŒcke liegen. Diese Studie untersucht die Hypothese eines mit Alexithymie assoziierten Defizites beim Erkennen emotionaler GesichtsaudrĂŒcke an einer klinischen Population. DarĂŒber hinaus werden Hypothesen zur Bedeutung spezifischer EmotionsqualitĂ€ten sowie zu Gender-Unterschieden getestet. 38 ambulante und stationĂ€re psychiatrische Patienten (22 Frauen und 16 MĂ€nner) wurden mit der Toronto-Alexithymie-Skala (TAS-20), der Montgomery-Ă
sberg Depression Scale (MADRS), der Symptom-Check-List (SCLâ90-R) und der Emotional Expression Multimorph Task (EEMT) untersucht. Als Stimuli des Gesichtererkennungsparadigmas dienten GesichtsausdrĂŒcke von Basisemotionen nach Ekman und Friesen, die zu Sequenzen mit sich graduell steigernder AusdrucksstĂ€rke angeordnet waren. Mittels multipler Regressionsanalyse konnte eine signifikante Assoziation von TAS-20 Punktzahl mit der Anzahl der Gesamtfehler und Fehlern beim Erkennen Ă€ngstlicher GesichtsausdrĂŒcke gezeigt werden (beide beta = 0,47; p < 0,05). Die TAS-20 Punktzahl erklĂ€rte 12,6% (Gesamtfehler) und 12,5% (Ă€ngstliche GesichtsausdrĂŒcke) der Varianz in der Fehlerzahl. In der geschlechtergetrennten Analyse zeigte sich fĂŒr die weiblichen Stichprobe darĂŒber hinaus eine signifikante PrĂ€diktorqualitĂ€t von Alexithymie fĂŒr wĂŒtende GesichtsausdrĂŒcke, wĂ€hrend im mĂ€nnlichen Stichprobenteil kein signifikanter Zusammenhang zwischen TAS-20 Punktzahl und Fehlern in der Gesichtererkennung zutage trat. Kein Zusammenhang bestand ebenfalls zwischen der Zeit, nach der die Probanden die emotionalen Sequenzen stoppten, um ihre Bewertung abzugeben (Antwortlatenz) und Alexithymie. Die Ergebnisse der Arbeit unterstĂŒtzen das Vorliegen eines mit Alexithymie assoziierten Defizites beim Erkennen emotionaler GesichtsausdrĂŒcke in einer heterogenen, klinischen Stichprobe. Dieses Defizit könnte die Schwierigkeiten hochalexithymer im Bereich sozialer Interaktionen zumindest teilweise begrĂŒnden und so eine PrĂ€disposition fĂŒr psychische sowie psychosomatische Erkrankungen erklĂ€ren.
Ausgangspunkt der Untersuchung war das unterschiedliche Anforderungsverhalten der Fachkliniken fĂŒr Dermatologie, Kardiologie und Neurologie bei dem psychotherapeutischen Dienst der UniversitĂ€tsmedizin Greifswald. Es wird erörtert, ob das Anforderungsverhalten durch mögliche PrĂ€valenzabweichungen psychischer Störungen sowie des UnterstĂŒtzungswunsches erklĂ€rt werden kann. Aus Beobachtungen bisheriger Studien lassen sich die PrĂ€valenz von psychischen Störungen in der Dermatologie, Kardiologie und Neurologie am ehesten miteinander vergleichen (Windemuth et al. 1999). Es wurden die drei wichtigsten psychischen Störungen ausgewĂ€hlt. Depressive Störungen zĂ€hlen weltweit zu den hĂ€ufigsten und schwersten psychischen Erkrankungen (Wittchen and Uhmann 2010) und bei den meisten Patienten tritt eine depressive Erkrankung nicht als alleinige psychische Störung auf, sondern es besteht besonders hĂ€ufig eine KomorbiditĂ€t mit somatoformen Störungen und Angst (Wittchen et al. 2000). Bei bisherigen Untersuchungen wurden zur Diagnostik ĂŒberwiegend Screeninginstrumente verwendet. Diese sind zwar einfach in der Handhabung, mit relativ geringem Aufwand verbunden und die Erkenntnisraten von psychischen Störungen können gesteigert werden (Wittchen et al. 2001), es ergeben sich aber auch vermehrt falsch-positive und falsch-negative Werte (Leon et al. 1999). In der Untersuchung wurden die HĂ€ufigkeiten von somatoformen Störungen und Depression mit dem Diagnostischen Interview von A-X (DIA-X) ermittelt. Ein Interview ist aufwendiger, gibt allerdings nĂ€her die wirkliche PrĂ€valenz an. Das DIA-X gilt als Goldstandard aufgrund von guter ValiditĂ€t und ReliabilitĂ€t. Weiterhin interessieren ZusammenhĂ€nge zwischen Alexithymie (keine Worte fĂŒr GefĂŒhle), einer vorhandenen somatischen MultimorbiditĂ€t und psychischen Störungen. Es konnte bisher beobachtet werden, dass mit dem Vorhandensein einer Alexithymie das Risiko an einer psychischen Störung zu erkranken steigt (Taylor et al. 1992; Grabe and Rufer 2009) und eine vorhandene somatische MultimorbiditĂ€t hĂ€ufig mit einer geringen LebensqualitĂ€t und FunktionsbeeintrĂ€chtigung einhergeht. Die Untersuchung erfolgte durch eine Querschnittserhebung von Patienten mittels standardisierter Instrumente. Das Screening von somatoformen Störungen, Depression und Angst erfolgte mit Hilfe des Stamm-Screening-Questionnaire (SSQ). Hinsichtlich somatoformer Störung und Depression erfolgte bei positivem Screening zusĂ€tzlich das computergestĂŒtzte standardisierte Interview DIA-X. ZusĂ€tzlich wurde der Anxiety-Screening-Questionnaire (ASQ) als Screening-Instrument fĂŒr Angststörungen verwendet. Zur Diagnostik der Alexithymie wurde die Toronto Alexithymia Scale (TAS-20) angewandt, ein umfangreich validiertes Selbstbeurteilungsinstrument. Das gesamte Patientenkollektiv umfasste 316 Patienten, wovon 100 Probanden dermatologische, 111 neurologische und 105 kardiologische Patienten darstellten. Die Auswertung des SSQ und ASQ hat ergeben, dass irgendeine Angststörung am hĂ€ufigsten in der Neurologie vorliegt. Vergleicht man die Auswertung des DIA-X Interviews konnten in der Neurologie und Dermatologie Ă€hnlich hohe PrĂ€valenzschĂ€tzungen an somatoformen Störungen und Depression beobachtet werden, die Kardiologie hingegen umfasste den gröĂten Anteil. Psychische Störungen treten in der Dermatologie hĂ€ufig zusammen mit einer Alexithymie auf. Patienten mit einer Alexithymie haben ein ca. neunfach erhöhtes Risiko auch an einer psychischen Störung zu leiden als Patienten ohne Alexithymie. Hinsichtlich des UnterstĂŒtzungswunsches konnten in der Kardiologie (38 %) und Neurologie (37,5 %) Ă€hnlich hohe PrĂ€valenzschĂ€tzungen beobachtet werden. In der Dermatologie hingegen Ă€uĂerten 16,8 % des Patientenkollektivs einen zusĂ€tzlichen Wunsch nach UnterstĂŒtzung. Psychische Störungen sind somit in allen drei Kliniken hochprĂ€valent, jedoch bestehen PrĂ€valenzabweichungen v. a. mit der Kardiologie im Vergleich zur Dermatologie und Neurologie. Dennoch sind in der Dermatologie und Neurologie weitaus hĂ€ufiger Konsilanforderungen eingegangen. Die Ursache liegt allerdings nicht, wie zunĂ€chst vermutet, in der Abneigung gegenĂŒber professioneller UnterstĂŒtzung. Demzufolge kann mit der Untersuchung gegebenenfalls die Weiche gestellt werden, die Therapie der Patienten nicht nur auf die aktuell zu behandelnde somatische Erkrankung zu konzentrieren, sondern dem Patienten auch die Möglichkeit einer multiprofessionellen Behandlung anzubieten. Es ist belegt, dass ohne eine adĂ€quate psychotherapeutische Behandlung die körperlichen Erkrankungen oft nicht geheilt werden (Gieler 2006). Zudem geht das Nicht-Erkennen einer psychischen Störung hĂ€ufig einher mit einer VerlĂ€ngerung des stationĂ€ren Aufenthalts, höherer Inanspruchnahme poststationĂ€rer Versorgung und Wiederaufnahmen (Gieler and Harth 2006).
Hintergrund: Das multifaktorielle Konstrukt der Alexithymie, ursprĂŒnglich von Sifneos als eine Art emotionales Analphabetentum beschrieben, zeichnet sich durch vier grundlegende Facetten aus: Schwierigkeiten, GefĂŒhle wahrzunehmen; Schwierigkeiten, GefĂŒhle anderen zu beschreiben; ein eingeschrĂ€nktes Vorstellungsvermögen und einen extern orientierten Denkstil. 2006 wurde von Bagby und Kollegen das Toronto Structured Interview for Alexithymia (TSIA) als ein neues Fremdbeurteilungsverfahren zur Erfassung alexithymer Merkmale entwickelt. ErgĂ€nzend zum bisherigen Standardinstrument (der 20-Item Toronto Alexithymia Scale, TAS-20) soll es gröĂere methodische Vielfalt in der Alexithymie-Forschung ermöglichen. FĂŒr die englischsprachige Originalversion wurden bezĂŒglich Faktorenstruktur, ValiditĂ€t und ReliabilitĂ€t zufriedenstellende Ergebnisse gefunden. Inhalt dieser Arbeit war es, die psychometrischen QualitĂ€ten der deutschen Version des TSIA in einer psychiatrischen Studienpopulation zu untersuchen. Methoden: In mehreren Ăbersetzungsrunden wurde die deutschsprachige Version des TSIA sprachlich verifiziert. 237 psychiatrischen Patienten der klinischen Zentren Stralsund (N = 100) und ZĂŒrich (N = 137) nahmen an der Untersuchung teil. Videoaufzeichnungen von Interviews erfolgten zur Erfassung der Interrater-ReliabilitĂ€t. In einer kleinen Gruppe gesunder Probanden (N = 10) wurde die Test-Retest-ReliabilitĂ€t erfasst. ZusĂ€tzlich zum TSIA wurden die deutschen Versionen der TAS-20 und der Symptom-Checkliste-90-R (SCL-90-R) eingesetzt. Ergebnisse: Mittels konfirmatorischer Faktorenanalyse konnte das hierarchische Vier-Faktoren-Modell des englischen Originals fĂŒr die deutsche Version des TSIA bestĂ€tigt werden. In diesem ordnen sich vier Facettenfaktoren zwei Hauptfaktoren unter. Das TSIA sowie seine Skalen korrelierten signifikant mit der TAS-20 und deren drei Faktoren, was auf eine gute konkurrente ValiditĂ€t des Interviews hinweist. Ebenso lieĂen sich bezĂŒglich Interrater- und Test-Retest-ReliabilitĂ€t zufriedenstellende Ergebnisse erzielen. Schlussfolgerung: Die deutsche Version des TSIA stellt ein valides und reliables Instrument zur Erfassung alexithymer Merkmale in klinischen Populationen dar. Studien zur Replikation der Ergebnisse, besonders in gesunden Kontrollgruppen, sind erforderlich. Ăbersetzungen in weitere Sprachen und entsprechende Validierungen sind bereits erfolgt beziehungsweise sind in Entwicklung.
Hintergrund: Die vorliegende Arbeit setzt sich mit dem Auftreten von Alexithymie bei Zwangspatienten und deren erstgradigen Angehörigen unter BerĂŒcksichtigung komorbider Erkrankungen auseinander. Einige Studien beschreiben bereits eine Assoziation zwischen Alexithymie und Zwangsstörung. Unbeantwortet bleibt aber bisher die Frage, ob und in welchem Maße alexithyme CharakterzĂŒge bei Zwangspatienten auf ein familiĂ€res Defizit im kognitiven Verarbeiten und AusdrĂŒcken von GefĂŒhlen zurĂŒckzufĂŒhren sind. Folgende Hypothesen liegen den Untersuchungen zugrunde: Zwangspatienten zeigen im Vergleich zu gesunden Kontrollprobanden verstĂ€rkt alexithyme ZĂŒge, ungeachtet vorhandener komorbider Erkrankungen. Auch ihre erstgradigen Angehörigen sind in höherem MaĂe alexithym als die Angehörigen von Kontrollprobanden. Die TAS-20-Werte sind innerhalb der Familien korreliert. Methode: Aus dem Projekt âGerman Epidemiologic Network for OCD-Studiesâ (GENOS) wurden 82 Zwangsprobanden mit 169 erstgradigen Angehörigen 76 Kontrollprobanden mit 144 erstgradigen Angehörigen gegenĂŒbergestellt. Von diesen Probanden lagen die Toronto-Alexithymie-Skala (TAS-20) und das PADUA-Inventory (PI-WSUR) vor. Die direkten Interviews wurden mit der âSchedule for Affective Disorders and Schizophrenia - Lifetime Anxiety for the assessment of DSM-IV diagnosesâ (SADS-LA-IV) und die Fremdbefragungen mit dem âInstrument Family Informant Schedule and Criteriaâ (FISC) in den jeweiligen deutschen Ăbersetzungen durchgefĂŒhrt. Ergebnisse: Es zeigten sich signifikant erhöhte Alexithymiewerte bei den Zwangsprobanden gegenĂŒber den Kontrollprobanden. Die TAS-20-Werte der erstgradigen Zwangsangehörigen, der Kontrollprobanden und deren erstgradigen Angehörigen wiesen keine signifikanten Unterschiede auf. Das Vorhandensein komorbider Erkrankungen hatte keinen Einfluss auf diese Ergebnisse. In linearen Regressionsanalysen konnte eine signifikante intrafamiliĂ€re Assoziation der TAS-20-Werte in den Kontrollfamilien, nicht aber in den Familien der Zwangsprobanden gefunden werden. Diskussion: Die Zwangsstörung ist eine psychische Erkrankung, die âunabhĂ€ngig von anderen komorbiden Störungen- mit Schwierigkeiten in der Emotionswahrnehmung und im Emotionsausdruck assoziiert ist. Diese Schwierigkeiten treten lediglich bei den Zwangsprobanden, nicht jedoch bei ihren Angehörigen auf. Hinsichtlich der Alexithymieentwicklung bei Zwangspatienten kann neben psychoanalytischen AnsĂ€tzen auch ein lerntheoretischer Ansatz angefĂŒhrt werden, der die Ursache der Alexithymieentwicklung in familiĂ€ren Gegebenheiten, nĂ€mlich in einem Defizit der Mutter-Kind-Beziehung sieht, was zu einer mangelnden Entwicklung des affektregulierenden Systems fĂŒhrt.