Doctoral Thesis
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Theoretischer Hintergrund: Bei High Utilisern oder Heavy Usern handelt es sich um eine Patientengruppe, die eine erhöhte Inanspruchnahme insbesondere stationĂ€rer Leistungen im psychiatrischen Gesundheitssystem aufweist und damit einen bedeutsamen Kostenfaktor darstellt. Seit ĂŒber 20 Jahren werden Analysen zu Unterschieden im Erleben und Verhalten der Menschen aus den neuen bzw. alten BundeslĂ€ndern publiziert. Entgegen der anfĂ€nglichen Erwartung zeigte sich ĂŒberwiegend, dass Ostdeutsche nicht stĂ€rker von psychischen Beschwerden betroffen sind als Westdeutsche. Obschon das PhĂ€nomen der High Utilisation bereits seit den 1980er Jahren wissenschaftlich untersucht wird, liegen bisher keine Studien zu Ost-West-Differenzen bei Heavy Usern vor. Fragestellung: Ziel der vorliegenden Arbeit war daher zu ergrĂŒnden, ob und inwiefern sich Unterschiede zwischen ostdeutschen und westdeutschen High Utilisern in der Inanspruchnahme stationĂ€rer Leistungen, der allgemeinen und spezifischen Psychopathologie, der psychosozialen FunktionsfĂ€higkeit, der LebensqualitĂ€t, im subjektiven Gesundheitszustand sowie in den BedĂŒrfnissen zeigen. Methodisches Vorgehen: Die Daten der vorliegenden Arbeit entstammen der multizentrischen NODPAM-Studie. Insgesamt gingen 350 Probanden aus den vier Klinikstandorten Ravensburg, Regensburg, Stralsund und Ulm in die Ost-West-Analyse ein. Diese waren durchschnittlich knapp 42 Jahre alt, etwa zur HĂ€lfte weiblich und litten zu 58% primĂ€r unter einer Erkrankung aus dem schizophrenen Formenkreis sowie zu 37% unter einer primĂ€r affektiven Störung. Als Erhebungsinstrumente dienten das Camberwell Assessment of Need, die Brief Psychiatric Rating Scale, die Hamilton Depression Scale, das Manchester Short Assessment of Quality of Life, der EQ-5D, die Skala zur Erfassung des Funktionsniveaus sowie die Symptom-Checkliste. Die interessierenden Gruppenvergleiche wurden mittels unabhĂ€ngiger t-Tests gerechnet, eine Kontrolle moderierender EinflĂŒsse erfolgte anschlieĂend durch die Berechnung logistischer Regressionsanalysen. Ergebnisse: Es zeigten sich insgesamt signifikante Ost-West-Differenzen. WĂ€hrend die westdeutschen High Utiliser lĂ€ngere stationĂ€re Aufenthalte aufwiesen, wurden die ostdeutschen Heavy User hĂ€ufiger stationĂ€r behandelt. Lediglich hinsichtlich der kumulierten Liegedauer zeigten sich nach BerĂŒcksichtigung moderierender Faktoren keine Differenzen mehr. DarĂŒber hinaus waren die ostdeutschen High Utiliser psychisch deutlich schwerer belastet sowie depressiver, Ă€ngstlicher, phobischer, unsicherer im Sozialkontakt, stĂ€rker von somatoformen Symptomen betroffen, zwanghafter, aggressiver, in einem geringeren AusmaĂ psychosozial funktionsfĂ€hig sowie unzufriedener mit ihrer LebensqualitĂ€t und ihrem subjektiven Gesundheitszustand, auĂerdem berichteten sie mehr unerfĂŒllte BedĂŒrfnisse in relevanten Lebensbereichen. Lediglich im Bereich schizophrener Positivsymptomatik und in der Anzahl erfĂŒllter BedĂŒrfnisse konnten nach Kontrolle moderierender EinflĂŒsse keine Ost-West-Differenzen mehr gefunden werden. Diskussion: Die gefundenen Differenzen fĂŒhren zu dem Schluss, dass ost- und westdeutsche Heavy User nicht der gleichen Population entstammen. Die Befunde werden vor dem Hintergrund der psychiatrischen Versorgung in den neuen und den alten BundeslĂ€ndern diskutiert. Es ist davon auszugehen, dass die mangelhafte ambulante und komplementĂ€re Versorgung in Ostdeutschland in eine stationĂ€re Kompensation mĂŒndet, die High Utilisation strukturell befördert.