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Viele als endokrine Disruptoren (EDCs) bezeichnete Schadstoffe gelangen in die Umwelt und können Veränderungen in der Entwicklung und der Funktion des Hormonsystems von Menschen und Tieren hervorrufen. Sie liegen häufig in niedrigen, physiologisch wirksamen Konzentrationen, sowie als Substanzgemische in komplexen Umweltproben vor. Zum Nachweis dieser Umweltchemikalien bedarf es der Entwicklung neuer, effizienter, benutzerfreundlicher und hoch sensitiver Detektionsmethoden. Ziel dieser Arbeit war die Entwicklung und Validierung von zwei neuen bioanalytischen Testsystemen, welche das biologische Potential von EDCs zuverlässig bestimmen. Das erste System, der neue Arxula adeninivorans yeast androgen screen (A-YAS) Assay, ermöglicht die Detektion von (anti-)androgenen Aktivitäten von EDCs als Reinsubstanzen sowie von Umweltproben. Dieser in vitro Bioassay basiert auf transgenen A. adeninivorans-Zellen, welche konstitutiv das Gen des humanen Androgenrezeptors (hAR) exprimieren. Das induzierbare Gen des Reporterproteins Phytase K (phyK, aus Klebsiella sp. ASR1 stammend) steht unter Kontrolle des aus A. adeninivorans stammenden Glucoamylase(GAA)-Promotors, welcher durch die Insertion von hormone responsive elements (HREs) modifiziert wurde. Bei Anwesenheit von (anti-)androgen wirkenden Substanzen bindet ein Dimer des hAR-Liganden-Komplexes an die HRE-Sequenzen und reguliert die Reportergenexpression. Das gebildete Reporterprotein Phytase K wird in das Medium sezerniert und ermöglicht die photometrische Bestimmung der Absorption als Maß der rekombinanten Enzymaktivität, welche mit der Konzentration der (anti-)androgen wirkenden Substanzen korreliert. Die Xplor®2-Transformations-/Expressionsplattform wurde verwendet, um mitotisch stabile und resistenzmarkerfreie Hefetransformanden zu generieren und geeignete Vertreter als Biokomponenten des Assays zu selektieren. Der A-YAS Assay ist benutzerfreundlich, schnell (Inkubationszeiten zwischen 5 h und 24 h) und als Hochdurchsatzmethode im 96-iger Mikrotiterplattenformat anwendbar. Für die Referenzsubstanz 5α-Dihydrotestosteron wurden ein Wert für die mittlere effektive Konzentration (EC50) von 277,1 ng/l sowie Nachweis- und Bestimmungsgrenzen von 56,5 ng/l bzw. 76,5 ng/l bestimmt. Damit ist der A-YAS Assay der derzeit sensitivste Hefezell-basierte Assay zur Detektion von androgenen Aktivitäten. Darüber hinaus wurden die androgenen und anti-androgenen Aktivitäten verschiedener weiterer EDCs (natürlich vorkommende Androgene und Östrogene, Pharmazeutika, Biozide) ermittelt. Der A-YAS Assay stellt ein robustes Testsystem dar und kann zur Bestimmung der androgenen Äquivalentwerte (AEQs) von komplexen Umweltproben wie Urinen eingesetzt werden. Die durch den Bioassay ermittelten AEQs mehrerer Rinderurinproben korrelierten gut mit den AEQs, welche durch GC-MS Analyse der gleichen Proben bestimmt wurden. Das zweite in dieser Arbeit entwickelte Testsystem ist ein zellfreies Verfahren, welches der rezeptorselektiven Anreicherung und Detektion von östrogen und androgen wirkenden Substanzen dient. Dazu wurden sowohl die vollständigen als auch die für die Ligandenbindungsdomäne (LBD) codierenden Gensequenzen vom humanen Östrogenrezeptor α (hERα) und von hAR mit der codierenden DNA-Sequenz für einen Polyhistidin-Tag (His-Tag) fusioniert. Durch die Wahl geeigneter Expressionssysteme erfolgte die Synthese rekombinanter, N- bzw. C-terminal mit einem His-Tag fusionierte Rezeptorproteine in vier unterschiedlichen Wirtsorganismen, dem Bakterium Escherichia coli BL21(DE3), den Hefen A. adeninivorans und Hansenula polymorpha sowie der Pflanze Nicotiana benthamiana. Zur maximalen Akkumulation von rekombinantem Protein wurden die Kultivierungsparameter der einzelnen Organismen optimiert. Eine Reinigung der nach Zellaufschluss extrahierten Proteine erfolgte durch die Metall-affine Interaktion von His-Tag-Fusionsproteinen mit Ni(II)-Nitrilotriacetat(Ni-NTA)-Gruppen in der immobilisierten Metallionen-Affinitätschromatographie (IMAC). Die in E. coli BL21(DE3)/pET-23a(+)-LBD-hERα synthetisierte, C-terminal mit einem His-Tag fusionierte LBD von hERα (LBD-hERα-6Hp) konnte nach IMAC-Reinigung mit hoher Reinheit (>90 %) und in einer Konzentration von bis zu 4 mg/ml erhalten werden. Die Anwendung unterschiedlicher Ligandenbindungsassays wies die Funktionsfähigkeit des rekombinanten Proteins nach. Durch Immobilisierung auf einer Chipoberfläche und Integration in einer Durchflusszelle wurde LBD-hERα-6Hp zum einen in einem Anreicherungsverfahren eingesetzt, welches Analyte von bisher unbestimmbaren in detektierbare Konzentrationen überführt. Die spezifische Bindung von 17β-Estradiol (17β-E2) wurde anhand der im östrogen-sensitiven nAES-P Assay (Kaiser et al., 2010) bestimmten Wiederfindungsraten von 17β-E2 bestimmt, welche sich nach Inkubation in der Durchflusszelle verringerten. Durch Integration einer optischen Messmethode (Lumineszenz) wurde ein kompetitives Detektionsverfahren entwickelt. Durch den Einsatz von LBD-hERα-6Hp wurde die spezifische Bindung von 17β-E2 gezeigt. Das Detektionsverfahren kann zur sensitiven Bestimmung der hormonellen Aktivitäten von EDCs als Reinsubstanzen sowie in Umweltproben eingesetzt werden. Darüber hinaus könnte das Anreicherungsverfahren als Vorstufe von kostenaufwändigen Nachweisverfahren wie der GC-MS Analyse verwendet werden.
Untersuchung von Virulenzdeterminanten des Newcastle Disease Virus mit Hilfe von Virusrekombinanten
(2020)
Die Newcastle Krankheit (Newcastle Disease, ND) wird durch das aviäre Paramyxovirus-1 (APMV-1) verursacht und zählt zu den bedeutendsten Viruserkrankungen des Geflügels, wobei die Ausprägung der Krankheitssymptome sehr stark variiert. Das APMV-1 der Taube (pigeontype paramyxovirus, PPMV-1) infiziert größtenteils Brief-, Rasse-, Stadt- und Wildtauben, jedoch ist auch Wirtschaftsgeflügel für diesen Erreger empfänglich. Die Krankheit ist weltweit verbreitet und besonders die schweren Verlaufsformen, ausgelöst durch den mesogenen und den velogenen Pathogenitätstyp, führen bis heute zu hohen wirtschaftlichen Verlusten. Durch die Entwicklung des reversen genetischen Systems für das NDV ist es möglich, verschiedene Bereiche des viralen Genoms unterschiedlich pathogener NDV-Isolate auszutauschen und rekombinante Viren zu generieren, um mögliche Virulenzdeterminanten zu identifizieren. Lange Zeit galt die Aminosäuresequenz an der proteolytischen Spaltstelle des Fusionsproteins als die Virulenzdeterminante des NDV. Studien der letzten Jahre belegen aber zunehmend, dass es weitere Sequenzabschnitte im Genom gibt, die Einfluss auf die Pathogenität haben. Besonders bei den Taubenisolaten zeigte sich, dass diese trotz einer polybasischen Aminosäuresequenz an der proteolytischen Spaltstelle des F-Proteins, die typisch für meso- und velogene APMV-1 ist, mit einem ermittelten intrazerebralen Pathogenitätsindex (ICPI) < 0,7 als lentogen (niedrig virulent) einzuordnen sind.
Die Bestimmung der Gesamtsequenz des vorliegenden PPMV-1 Isolates R75/98 und die Herstellung des entsprechenden rekombinanten Virus rR75/98 waren Ziel dieser Arbeit. Nach der in vitro-Charakterisierung, die keine signifikanten Unterschiede zwischen dem Wildtyp und der Rekombinante zeigte, verdeutlichte die ICPI-Bestimmung, dass sich R75/98 und rR75/98 in ihrer Pathogenität unterschieden. Während R75/98 mit einem ICPI von 1,1 als mesogen eingestuft wurde, entsprach das rekombinante Virus rR75/98 mit einem ICPI von 0,28 dem lentogenen Pathotyp. Durch einmalige Passage der Rekombinante im Tier entstand das Reisolat RrR75/98, welches sich in seinen in vitro-Eigenschaften nicht von den beiden anderen Isolaten unterschied, aber in seiner Pathogenität (ICPI 0,93) wieder dem mesogenen Ausgansvirus R75/98 entsprach. Unter Nutzung des Next Generation Sequencing war es möglich, die Grundlagen für diese Pathogenitätsunterschiede aufzuzeigen. Während es zwischen R75/98 und rR75/98 insgesamt acht Aminosäuresubstitutionen gab (drei im F-Protein, zwei im HN-Protein und drei im L-Protein), die zu einer Verminderung der Pathogenität führten, wurden nur zwei Aminosäuremodifikationen (jeweils eine im F- und L-Protein) nachgewiesen, um die Pathogenitätssteigerung vom lentogenen rR75/98 hin zum mesogenen RrR75/98 hervorzurufen. Beide Aminosäureaustausche haben einen Effekt auf die vorhergesagte Proteinstruktur und beeinflussen vermutlich die Proteinfaltung, was wiederum eine nicht unwesentliche Auswirkung auf die biologische Aktivität des Virus haben kann. Besonders die Modifikation im F-Protein an Aminosäureposition 472 verdeutlicht, dass neben der Aminosäuresequenz an der proteolytischen Spaltstelle andere Bereiche dieses Proteins Einfluss auf die NDV-Virulenz haben.
Zur Untersuchung des Einflusses einzelner Abschnitte des F-Proteins auf die Pathogenität wurden im ursprünglich lentogenen NDV Clone 30 einzelne Sequenzbereiche durch die des mesogenen PPMV-1 R75/98 substituiert, die entsprechenden rekombinanten Viren generiert und charakterisiert. Es zeigte sich, dass sowohl die Expression als auch die Inkorporation der chimären Fusionsproteine mittels Western-Blot nachgewiesen werden konnte. Die Rekombinanten unterschieden sich weder in Größe noch in Form (Elektronenmikroskopie) und die chimären Fusionsproteine konnten an der Plasmamembran der Wirtszellen detektiert werden. Alle Rekombinanten waren in der Lage, Synzytien auszubilden und in verschiedenen Zelllinien (Wachtelmuskelzelle, Hühnerembryofibroblasten) bzw. in embryonierten Hühnereiern zu replizieren. Bei der Bestimmung des ICPIs zeigten sich jedoch Unterschiede. Zwei der sechs Rekombinanten wurden als lentogen eingestuft, die anderen vier wurden dem mesogenen Pathogenitätstyp zugeordnet. Es konnte gezeigt werden, dass neben der Interaktion der homologen F1- und F2-Untereinheit, die zytoplasmatische Domäne des Fusionsproteins einen bedeutenden Einfluss auf die Pathogenität von NDV hat. Auch für andere Vertreter der Paramyxoviren ist bekannt, dass die zytoplasmatische Domäne der beiden Oberflächenproteine F und HN mit dem M-Protein interagiert und diese Interaktion wichtig für den Zusammenbau der Viruspartikel, den Knospungsvorgang und die Freisetzung der Viren ist.
Neben dem Fusionsprotein existieren zusätzlich Virulenzdeterminanten in den weiteren NDV-Proteinen. Während es bereits Untersuchungen zum Einfluss auf die Pathogenität für die Proteine NP, P, V, M, F, HN und L gibt, war es noch nicht möglich, eine Aussage zum W-Protein zu treffen, da der Nachweis dieses Proteins bis dato nicht erfolgte. Zunächst wurde für unterschiedlich pathogene NDV der Bereich der P-Gen-Editierungsstelle amplifiziert, gefolgt von einer Tiefensequenzierung, um zusätzlich zur P- und V-mRNA auch die W-mRNA nachzuweisen und deren mengenmäßigen Anteil zu bestimmen. Im Rahmen dieser Arbeit wurden außerdem Plasmide hergestellt, die für weiterführende Arbeiten genutzt werden konnten, in denen erstmals der Nachweis des W-Proteins für NDV gelang.