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Das wasserlösliche, quaternäre Kation Trospiumchlorid (TC) wird nur unvollständig aus dem Darmlumen resorbiert, weist ein hohes Verteilungsvolumen auf und wird in die Leber aufgenommen und über Urin und Stuhl eliminiert. Die Blut-Hirn-Schranke überwindet es nicht und hat dadurch in der Anwendung als Anticholinergikum in der Behandlung des Syndroms der Überaktiven Blase (OAB) einen entscheidenden Vorteil gegenüber anderen Anticholinergika, da keine zerebralen Nebenwirkungen auftreten. Um relevante pharmakokinetische Transportmechanismen für TC abschätzen zu können, wurden in der vorliegenden Arbeit u. a. die mRNA-Expression von Transporterproteinen in humanem Blasenurothel gemessen und zellbasierte Transportassays zur Bestimmung der Affinität von TC zu verschieden pharmakokinetisch bedeutsamen Aufnahme- und Effluxtransportern durchgeführt. Die Analyse der mRNA-Expression identifizierte die folgenden Transporterproteine in humanem Blasenurothel: P-gp, MRP1 - 5, BCRP, OATP2B1, OATP4A1, OCT1, OCT3, OCTN1, OCTN2 und MATE1. TC zeigte eine Affinität zu OATP1A2, OCT1 und P-gp. Die Aufnahme von TC in primäre Blasenzellen konnte durch Naringin und Verapamil, Inhibitoren von OATP1A2 bzw. OCT1, gehemmt werden. In Immunfärbungen waren sowohl P-gp als auch OATP1A2 in apikalen, OATP1A2 auch in den darunter liegenden Urothelschichten lokalisiert. Die Affinität von TC zu den Aufnahmetransportern OATP1A2 und OCT1 und der Effluxpumpe P-gp ist möglicherweise der Grund für die inkomplette orale Absorption, die Verteilung in Leber und Nieren und die substantielle Sekretion über das Intestinum und die Niere. Das Fehlen zentraler, anticholinerger Effekte ist auf den Transport von TC durch P-gp zurückzuführen. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass das humane Urothel zahlreiche Transportproteine und AM-metabolisierende Enzyme, welche möglicherweise mit TC und anderen mit dem Urin ausgeschiedenen Medikamenten interagieren, exprimiert. Allerdings konnte nicht endgültig geklärt werden, wie genau eine anticholinerge Wirkung durch TC am Blasenurothel ausgelöst wird. Dies sollte Thema zukünftiger Untersuchungen sein.
Untersuchungen zum Mechanismus der oralen Absorption von Trospiumchlorid an gesunden Probanden
(2017)
In Deutschland leiden ca. 15 % der über 40-jährigen am Syndrom der überaktiven Blase (overactive bladder, OAB), welches durch plötzlich auftretenden, nicht aufhaltbaren Harndrang definiert wird. Trospiumchlorid (TC) ist ein kationischer, wasserlöslicher, antimuskarinerger Arzneistoff mit einer stark variablen Bioverfügbarkeit von ca. 10 %, der häufig zur Behandlung der OAB eingesetzt wird. Aufgrund seiner quartären Ammoniumstruktur überwindet er die Hirnschranke nicht und löst somit keine kognitiven Nebenwirkungen aus, was einen entscheidenden Vorteil gegenüber anderen Anticholinergika darstellt. Zielsetzung dieser Arbeit war die Optimierung seines schlechten oralen Absorptionsverhaltens.
TC überwindet die Enterozytenmembran als Substrat des Efflux-Carriers P-glycoprotein (P-gp) und des Aufnahmetransporters organic cation transporter 1 (OCT1). Durch die geringe Expression von P-gp in den proximalen Dünndarmabschnitten und einer gleichmäßigen Expression von OCT1 im gesamten Darm vermuteten wir ein „Absorptionsfenster“ für TC in diesem proximalen Dünndarmareal.
In zwei nach ähnlichem Design durchgeführten kontrollierten, randomisierten, cross-over Studien der Phase I versuchten wir dieses vermutete „Absorptionsfenster“ mit der Simulation gastroretentiver Darreichungsformen für TC gezielt zu bedienen. Das TC sollte dabei mit Hilfe der Antrum-Motilität über einen längeren Zeitraum, in portionierten Mengen aus dem Magen in den Dünndarm befördert werden. In der offenen, vier-armigen GI-Studie (gastric infusion) benutzten wir dafür eine Magensonde über die 30 mg in Wasser gelöstes TC in einem Zeitraum von 6 h in den Magen infundiert wurden (GI). Im Vergleich dazu stand die orale Einnahme einer 30 mg schnell freisetzenden TC-Filmtablette (immediate release, IR). Die Applikationen erfolgten jeweils im nüchternen Zustand (fasted) und nach dem Verzehr einer standardisierten fettreichen Mahlzeit (FDA; fed).
In der NaHCO3-Studie (Natriumbikarbonat) simulierten wir unter Ausnutzung der verzögerten Magenentleerung nach Verzehr einer fettreichen Mahlzeit eine physiologische Form der gastroretentiven Darreichung von TC. Durch Zugabe einer NaHCO3-Kapsel zu TC (IR-TC + NaHCO3) als Brausesubstanz in Kontakt mit Magensäure, sollte TC gleichmäßig mit dem Mageninhalt vermischt werden, um interindividuelle Unterschiede in der TC-Bioverfügbarkeit zu verringern. Im Vergleich standen die intravenöse Gabe von TC (IV-TC) und die Komedikation eines NaHCO3-Placebos (IR-TC + NaHCO3-Placebo).
Die geplanten Ansätze zur Verbesserung des Absorptionsverhaltens von TC gelangen in beiden Studien leider nicht.
Mit Hilfe von pharmakokinetischem modelling der aus der GI-Studie gewonnenen Daten, postulierten wir mögliche Gründe. So fanden wir heraus, dass es im menschlichen Darm zwei „Absorptionsfenster“ für TC geben muss. Ein schmaleres mit geringerer Permeabilität im Jejunum und ein breiteres mit höherer Permeabilität im Caecum/Colon ascendens. Ursächlich hierfür könnten die lokale Häufigkeit und das Wechselspiel der in diesen Arealen vorkommenden Transportproteine P-gp und OCT1 sein. Der Versuch durch Gastroretention ein proximales „Absorptionsfenster“ zu bedienen erwies sich daher nach pharmakokinetischer Modellanalyse als Fehlkonzept. In zukünftigen Studien sollten weitere Darreichungsformen erprobt werden, die insbesondere auf eine Freisetzung des TCs im zweiten „Absorptionsfenster“ mit einer höheren Permeabilität für TC abzielen.