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Zusammenfassung: Heparin ist ein häufig verwendetes Medikament, das zur Prophylaxe und Therapie von Thrombosen eingesetzt wird. Eine unerwünschte Nebenwirkung des Heparins ist die Heparin-induzierte Thrombozytopenie (HIT), die paradoxerweise mit potentiell lebensbedrohlichen arteriellen und venösen Gefäßverschlüssen assoziiert ist. Die Erkrankung wird durch die Bil-dung von Thrombozyten-aktivierenden Antikörpern der Klasse Immunglobulin G (IgG) aus-gelöst. Diese sind gegen Komplexe aus dem Thrombozytenprotein Plättchenfaktor 4 (PF4) und Heparin gerichtet. Die zugrunde liegende B-Zell-vermittelte Immunität entspricht nicht der klassischen Immunantwort und führt zu einer frühzeitigen und transienten Produktion von anti-PF4/Heparin-Antikörpern der Klassen IgM und IgG. In der vorliegenden Arbeit wurden die B-Zellen, die an der Produktion von anti-PF4/Heparin-Antikörpern beteiligt sind, identifiziert. Hierfür wurden die Mäuse systemisch mit PF4/Heparin-Komplexen immunisiert. Das Vorliegen einer Immunantwort wurde durch den Nachweis der Antikörperproduktion mittels eines neu entwickelten Fluid-Phase ELISA nach-gewiesen. Der Einsatz von rekombinanten Maus-PF4/Heparin-Komplexen zeigte, dass die beim Menschen für die HIT charakteristisch frühe und transiente Antikörperproduktion auch im Mausmodell auftritt. Diese Immunantwort war spezifisch für PF4/Heparin-Komplexe und konnte nicht durch andere unspezifische Reize wie ein Gewebetrauma oder dem Modellanti-gen Ovalbumin ausgelöst werden. Der Nachweis der anti-PF4/Heparin-Antikörper-sezernierenden B-Zellpopulation(en) wurde durch die Etablierung des Zell-spezifischen Enzym-gekoppelten Immun-Spot Tests (ELISPOT) auf der Fluid-Phase Basis – Detektion der PF4/Heparin-Antikörper-Komplexe in der löslichen Phase – ermöglicht. Unterschiedliche Gewebe/Kompartimente (Milz, Knochen-mark, Peritonealhöhle) von naiven, nicht-immunisierten und PF4/Heparin-immunisierten Mäusen wurden mit diesem Assay auf das Vorliegen von PF4/Heparin-spezifischen B-Zellen untersucht. Während in nicht-immunisierten Mäusen ausschließlich B-Zellen nachgewiesen werden konnten, die anti-PF4/Heparin-Antikörper der Klasse IgM produzierten, wurden in immunisierten Mäusen sowohl kurzlebige PF4/Heparin-spezifische IgM (7%)- als auch IgG (25%)-sezernierende B-Zellen detektiert. Die spezifischen Zellen befanden sich in beiden Fällen in der Milz. Dieses Gewebe dient als Nische für follikuläre, Marginalzonen (Mz)- und B1-B-Zellen, wobei sie im Fall der Mz-B-Zellen die einzige Überlebensnische darstellt. Den Hauptanteil der Antikörper-produzierenden Milzzellen bilden die follikulären B-Zellen, deren Antikörperproduktion T-Zell-abhängig ist. Als Hauptquelle der anti-PF4/Heparin-Antikörper konnte diese Zellpopulation ausgeschlossen werden, da T-Zell-defiziente Mäuse nach der Behandlung mit PF4/Heparin weiterhin spezifische Antikörper produzierten. Normale Mäuse, denen vor der PF4/Heparin-Behandlung die Milz und somit die Mz-B-Zellen operativ entfernt wurden, konnten hingegen keine anti-PF4/Heparin-Antikörper mehr bilden. Dies zeigt, dass B1-Zellen allein nicht ausreichend sind, um die anti-PF4/Heparin-Antikörperproduktion zu induzieren, und dass Mz-B-Zellen für die Immunantwort notwendig sind. Der Mechanismus, der die Aktivierung der PF4/Heparin-spezifischen Mz-B-Zellen auslöst, ist bisher nicht im Detail bekannt. Jedoch konnte in dieser Arbeit gezeigt werden, dass die in vitro Stimulation von B-Zellen mit Mitogenen wie CpG und SAC antigenunabhängig zur Produktion von anti-PF4/Heparin-Antikörpern führt. Dies lässt vermuten, dass neben dem Kontakt mit dem Antigen auch andere immunstimulatorische Faktoren in die Induktion der Immunantwort gegen Maus-PF4/Heparin-Komplexe involviert sind.
Die Heparin-induzierte Thrombozytopenie (HIT) ist eine seltene, aber lebens-bedrohliche unerwünschte Wirkung einer Therapie mit Heparin. Ausgelöst wird sie durch die Bildung von Antikörpern, die gegen Komplexe aus dem positiv geladenem Thrombozytenprotein Plättchenfaktor 4 (PF4) und negativ geladenem Heparin gerichtet sind und Thrombozyten aktivieren können, welches sich klinisch in einer schweren prothrombotischen Diathese bei gleichzeitiger Thrombozytopenie äußert. Bemerkenswert ist, dass im Widerspruch zur klassischen Immunantwort bei der HIT auch von Heparin-naiven Patienten binnen weniger Tage anti-PF4/Heparin-Antikörper der Immunglobulinklasse G gebildet werden, welche eigentlich eine sekundäre Immunantwort repräsentieren. Darüber hinaus ist bekannt, dass PF4 auch mit verschiedenen polyanionischen Nichtheparinen Komplexe bildet, die von anti-PF4/Heparin-Antikörpern erkannt werden. In der vorliegenden Arbeit wurde untersucht, ob Nukleinsäuren, die aufgrund ihres Reichtums an Phosphatgruppen ebenfalls stark negativ geladenen sind, mit PF4 Komplexe bilden, die von anti-PF4/Heparin-Antikörpern erkannt werden. Da eine Bildung antigener Komplexe mit PF4 für therapeutisch eingesetzte Nukleinsäuren von hoher praktischer Relevanz wäre, wurde außerdem die Interaktion von PF4 mit verschiedenen Aptameren untersucht. Dazu wurde die Interaktion zwischen PF4 und Nukleinsäuren in systematischen Bindungsstudien mit verschieden strukturierten Nukleinsäuren charakterisiert. Mittels Circulardichroismus-Spektroskopie wurde der Einfluss eines Modellaptamers auf die Sekundärstruktur von PF4 mit dem Einfluss von Heparin auf die PF4-Struktur verglichen. Die Kreuzreaktivität von anti-PF4/Heparin-Antikörpern gegen PF4/Nukleinsäure- bzw. PF4/Aptamer-Komplexe wurde mittels Immunassay und Thrombozytenfunktionstest untersucht. Schließlich wurde im Mausmodell die in-vivo-Immunogenität eines PF4/Aptamer-Komplexes überprüft. Es konnte gezeigt werden, dass Nukleinsäuren längen- und strukturabhängig mit PF4 interagieren. Die Neigung zur Komplexbildung mit PF4 stieg mit der Länge der Nukleinsäure und dem Anteil doppelsträngiger Abschnitte. PF4/Nukleinsäure-Komplexe wurden von anti-PF4/Heparin-Antikörpern erkannt und konnten in Gegenwart dieser Antikörper eine Thrombozytenaktivierung vermitteln. Mit PF4/Aptamer-Komplexen immunisierte Mäuse produzierten anti-PF4/Aptamer-Antikörper, welche gegen PF4/Heparin-Komplexe kreuzreagierten. Diese Ergebnisse lassen vermuten, dass insbesondere Aptamere mit hohem Anteil an doppelsträngigen Abschnitten mit PF4 Komplexe bilden können, die ein ähnliches Epitop exprimieren wie PF4/Heparin-Komplexe und damit ein potentielles Risiko für die Erzeugung HIT-ähnlicher prothrombotischer Komplikationen bergen. Nukleinsäuren könnten einen endogenden Interaktionspartner von PF4 darstellen und das höhere HIT-Risiko von Patienten nach großen orthopädischen Eingriffen oder schweren Infektionen erklären, welche mit höheren Plasmaspiegeln zellfreier Nukleinsäuren einhergehen. Darüber hinaus könnte die Interaktion von PF4 mit endogenen Nukleinsäuren eine Erklärung für die frühe Produktion von anti-PF4/Heparin-Antikörper der Immunglobulinklasse G liefern.