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Adipositas stellt weltweit ein zunehmendes Problem dar. Es besteht kein Zweifel an
den systemischen schädlichen Auswirkungen des übermäßigen Körperfetts. Auch
das Nervensystem ist von den pathologischen Prozessen betroffen, die durch
Adipositas angestoßen werden. Die genauen Mechanismen, die diesen Prozessen
zugrunde liegen, sind noch unklar. Auch gibt es bislang keine klinisch etablierten
Biomarker, die eine gezielte Diagnostik und ein Therapiemonitoring der neuronalen
Schäden ermöglichen. NSE ist ein Marker für Neurodestruktion. Bei Adipositas und
Demenz weisen Studien auf das Potenzial von NSE als Marker für die zerebralen
Auswirkungen dieser Erkrankungen hin. Daher behandelt diese Dissertation die
Zusammenhänge zwischen NSE, BMI, GMV und Alter. Darüber hinaus wurde die
Assoziation zwischen dem weiteren Biomarker BDNF sowie Vitamin D und
Adipositas untersucht. Die Daten wurden im Rahmen der SHIP-Studie in einer
Teilstichprobe (SHIP-TREND) erhoben.
Es zeigten sich altersabhängig geschlechtsspezifische Unterschiede der NSE-
Spiegel. Während bei Frauen die NSE-Werte im Alter anstiegen, sanken sie bei
Männern. Zwischen NSE-Werten und BMI fand sich eine parabolische Assoziation
mit fallenden NSE-Werten ab einem BMI ≥25 kg/m². Kein Zusammenhang fand sich
zwischen NSE und GMV, Alter und magnetresonanz-tomographischen Mustern der
Gehirnalterung. Zwischen Vitamin D und Adipositas fand sich eine inverse
Assoziation, zwischen BDNF und der WHR ein U-förmiger Zusammenhang. Als
zugrunde liegende Pathomechanismen werden geschlechtsspezifische Unterschiede
der Hirnalterung, neuronale Degeneration, Veränderungen des neuronalen
Glukosemetabolismus und der neuronalen Differenzierung sowie Neuroinflammation
diskutiert.
Im Einklang mit der aktuellen Studienlage kann im Frühstadium von Adipositas eine
akute neuronale Schädigung angenommen werden. Jedoch scheint das
Fortschreiten und Andauern von Adipositas tiefgreifende Veränderungen durch das
überschüssige Körperfett anzustoßen, die sich auf neuronaler Ebene manifestieren.
Weitere Studien zur Evaluierung von Biomarkern bei Adipositas sind nötig, um
klinisch wirksame Handlungsstrategien entwickeln zu können.
Die zukünftige Erfassung von Biomarkern bei Adipositas im klinischen Alltag könnte
so die Therapieadhärenz von Patienten verbessern und durch gezielte Interventionen
bei Risikopatienten ein Fortschreiten neuronaler Schäden verhindern.
Das Verhältnis zwischen der Internalisierung gewichtsbezogener Stigmatisierung und Alexithymie
(2020)
Hintergrund:
Die Internalisierung gewichtsbezogener Stigmatisierung ist eine spezielle Form der Selbststigmatisierung
bei adipösen und übergewichtigen Personen. In vorherigen Studien wurde
diese Form der Selbststigmatisierung in Zusammenhang mit einigen psychiatrischen
Erkrankungen, aber auch mit einer schlechteren selbstberichteten physischen und psychischen
Gesundheit und einem niedrigeren Selbstbewusstsein beschrieben. Das Konstrukt
der Alexithymie beschreibt die Unfähigkeit eigene Gefühle und Emotionen zu
identifizieren und zu beschreiben, besonders wenn sie positiven Ursprungs sind. Die vorliegende
Studie untersucht den Zusammenhang zwischen der Internalisierung gewichtsbezogener
Stigmatisierung und Alexithymie. Außerdem werden Psychopathologien des
Essverhaltens genauer beleuchtet. Insbesondere wird auf die Impulskontrolle, die interozeptive
Wahrnehmung, den Perfektionismus und das Misstrauen eingegangen.
Methode:
Es wurde mittels Selbstbeurteilungsfragebögen die Internalisierung gewichtsbezogener
Selbststigmatisierung (WBIS), Alexithymie (TAS-20), Depressionen (BDI II) und Psychopathologien
des Essverhaltens, dabei insbesondere die interozeptive Wahrnehmung,
Misstrauen, Perfektionismus und Impulskontrolle (EDI II) bei allen übergewichtigen und
adipösen Patienten abgefragt, die sich zu einer stationären Behandlung in der Klinik
und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universitätsmedizin Greifswald
in einem Zeitraum von Mai 2015 bis Februar 2019 entschlossen haben. Nach Anwendung
unserer Ausschlusskriterien verblieben 103 Patienten (73 Frauen, 30 Männer), die
an unserer Studie teilnahmen und deren Selbstbeurteilungsfragebögen ausgewertet und
analysiert wurden. Die Datenerhebung erfolgte zu Beginn des stationären Aufenthaltes.
Ergebnisse:
Zunächst wurden die Patienten in zwei Gruppen aufgrund ihres Gesamtergebnisses bei
der TAS- 20 eingeteilt. Mittels Kruskal- Wallis- Test zeigte sich bei den alexithymen
Patienten ein signifikant höherer Wert bezüglich der Internalisierung gewichtsbezogener
Stigmatisierung, als in der nicht alexithymen Gruppe. Auch die Psychopathologien
bezüglich des Essverhaltens waren bei den alexithymen Patienten signifikant erhöht. Im
Anschluss wurden Korrelations- und Regressionsanalysen durchgeführt, um die Zusammenhänge
weitergehend zu analysieren. Dabei stellte sich heraus, dass die signifikanten
Zusammenhänge zwischen der Internalisierung gewichtsbezogener Stigmatisierung sich
aufheben, sobald wir für Depressionen kontrollierten. Dieses Phänomen zeigte sich auch
bei den Subskalen „Schwierigkeiten Gefühle zu erkennen“ und „zu beschreiben“. Interaktionseffekte
zwischen dem Gesamtergebnis der TAS- 20 und Depressionen waren nicht
vorhanden. Bezüglich der Psychopathologien im Essverhalten und der Internalisierung
gewichtsbezogener Selbststigmatisierung zeigten sich stark signifikante Zusammenhänge
in den Regressionsanalysen. Auch in den Subskalen interozeptive Wahrnehmung,
Perfektionismus und Impulskontrolle war dies der Fall.
Diskussion:
Patienten, die Schwierigkeiten beim Erkennen und Beschreiben der eigenen Gefühle
haben, neigen verstärkt zur Internalisierung gewichtsbezogener Stigmatisierung. Dies
unterstreicht die Vermutung, dass alexithyme Patienten durchaus Gefühle wahrnehmen
können; vornehmlich die negativen Emotionen dringen in ihr Bewusstsein. Patienten, die
verstärkt gewichtsbezogene Stigmatisierung internalisieren, weisen vermehrt Psychopathologien
im Essverhalten auf. Sie haben eine schlechtere interozeptive Wahrnehmung,
neigen zu perfektionistischen Persönlichkeitszügen und weisen Schwierigkeiten bei der
Impulskontrolle auf. Durch Berücksichtigung dieser Defizite im Therapiekonzept können
möglicherweise größere und lang anhaltendere Behandlungserfolge erzielt werden. Der
erhebliche Einfluss von Depressionen auf die Internalisierung gewichtsbezogener Stigmatisierung
im Zusammenhang mit Alexithymie Bedarf weiterer Untersuchungen, um
mögliche Moderator- oder Mediatoreffekte herausfinden zu können.