Doctoral Thesis
Geistige Behinderung ist eine der hĂ€ufigsten Formen von erblich bedingten kognitiven BeeintrĂ€chtigungen. Definiert wird sie durch einen Intelligenzquotienten unter 70 und obwohl ihre genetischen Ursachen sehr heterogen sein können, gibt es unter ihnen eine beachtliche Menge Gene, die am Aufbau der Glycocalyx beteiligt sind [1, 2]. Die Glycocalyx besteht aus Zuckerbausteinen, die Teil von Lipiden und Proteinen der ZelloberflĂ€che oder der extrazellulĂ€ren Matrix sind. Vor kurzem konnten wir belegen, dass Mutationen im ST3GAL3-Gen, welches fĂŒr die Golgi-lokalisierte ÎČ-Galactosid-α2,3-sialyltransferase-III codiert, zu verschiedenen klinischen Befunden fĂŒhrt. Zwei unabhĂ€ngige Mutationen (p.Ala13Asp and p.Asp370Tyr), gefunden in iranischen Familien, konnten mit relativ milden Formen nicht-syndromaler geistiger Behinderung (NSARID) in Verbindung gebracht werden [5]. Eine dritte Punktmutation (p.Ala320Pro), gefunden in einer palĂ€stinensischen Familie, verursachte hingegen eine schwere, altersabhĂ€ngige epileptische Enzephalopathie, das West-Syndrom. Dieses Syndrom ist mit einem Arrest der geistigen Entwicklung oder sogar, wie in unserem Fall, einer Regression assoziiert [3, 4]. ST3GAL3 bildet im Menschen unter anderem das Sialyl Lewis-a (sLea)-Epitop auf Proteinen. Exogene Expression der VolllĂ€ngen-c-MYC-Fusionsproteine, der Mutationsvarianten in LMTKâZellen, zeigte, dass alle Varianten eine gestörte subzellulare Lokalisierung zeigen und zwei von ihnen (p.Ala13ASp und p.ALA320Pro) kaum mehr messbare AktivitĂ€t besitzen [5]. Um die molekularen und zellulĂ€ren Mechanismen nĂ€her zu beleuchten, die dem ST3GAL3-bedingten West-Syndrom zugrunde liegen, haben wir erfolgreich ein patientenspezifisches, induzertes pluripotentes Stammzellmodell etabliert. HierfĂŒr wurden Fibroblasten der Patientin, die eine Mutation im Exon 12 (c.958G>C, p.Ala320Pro) des ST3GAL3-Gens trĂ€gt, und einer gesunden Schwester mittels eines lentiviralen Vektorsystems reprogrammiert. Da ST3GAL3 die höchsten Expressionswerte im frontalen Kortex zeigte, und dies auch in Ăbereinstimmung mit dem vorgeschlagenen Ursprung epileptischer AnfĂ€lle steht, wurde ein Differenzierungsprotokoll fĂŒr kortikale Neuronen etabliert und erfolgreich fĂŒr beide Zelllinien durch gefĂŒhrt. Einer der gröĂten Vorteile dieses Protokolls ist, dass hier die Neurogenese in vitro nach demselben temporalen Muster ablĂ€uft wie die Neurogenese in vivo. Die iPSC und die daraus differenzierten Neuronen wurden anschlieĂend mittels Lectinblot, mRNA-Sequenzierung, AdhĂ€renzassays und FACS untersucht. WĂ€hrend keine Unterschiede zwischen den iPSC und den Fibroblasten festgestellt wurden, konnten fĂŒr die kortikalen Neuronen der Patientin eine zusĂ€tzliche Bande im Lektinblot (70 kDa), ein verĂ€ndertes AdhĂ€renzverhalten auf poly-L-Orinithin/Laminin-beschichteter OberflĂ€che und eine deutlich reduzierte Menge T-box-transcription factor-brain-1-exprimierende Neuronen festgestellt werden. Unsere Ergebnisse zeigen, dass die ST3GAL3-AktivitĂ€t wichtig fĂŒr die normale Entwicklung und Funktion des Gehirns ist.
Neurodegenerative Erkrankungen sind durch einen progressiven Verlust von Neuronen oder Gliazellen im Gehirn oder RĂŒckenmark gekennzeichnet. Der Ersatz dieser zu Grunde gegangen Zellen, zum Beispiel durch neurale Stammzellen (NSCs) stellt dabei einen möglichen kurativen Behandlungsansatz dar, bei dem alternativ zur stereotaktisch-chirurgischen Zelltransplantation die Injektion der NSCs in den Liquorraum als atraumatische Transplantationsmethode in Frage kommt. In vorangegangenen Studien hierzu wird allerdings ĂŒber eine sehr geringe Migration der intrathekal injezierten Zellen ins Hirnparenchym berichet, zurĂŒckzufĂŒhren möglicherweise auf einen zu niedrigen NĂ€hrstoffgehalt des Liquors. Andererseits ist bekannt, dass Liquor ein wichtiges Milieu fĂŒr das Ăberleben NSCs und deren Zellpfaddetermination im sich entwickelnden Gehirn darstellt. In unserer Studie haben wir deshalb den Einfluss von Liquor auf das Verhalten adulter humaner (ahNSCs) und fetaler muriner neuronaler Stammzellen (fmNSCs)in vitro untersucht. Die zentralen Ergebnisse unserer Studie sind: (i) sowohl wĂ€hrend der Expansion als auch wĂ€hrend der Differenzierung fĂŒhrt Liquor zu einer erhöhten Ăberlebensrate ahNSCs und fmNSCs im Vergleich zum standard Expansions-/DIfferenzierungsmedium (ii) Liquor fördert das Auswachsen von ZellfortsĂ€tzen im Vergleich zum Standardmedium und fĂŒhrt so zu einem schnelleren Verlust der TeilungsfĂ€higkeit (iii) Liquor förder die Astrogliogenese in ahNSCs und fmNSCs und hemmt die Neurogenese in fmNSCs. Eine nierige Ăberlebensrate der intrathekal injezierten Zellen auf Grund eines zu niedrigen NĂ€hrstoffgehaltes scheint auf Grund unserer Ergebnisse somit unwahrscheinlich. Stattdessen könnte das schnelle Auswachsen der ZellförtsĂ€tze nach intrathekaler Injektion zu einer AdhĂ€sion injezierter Stammzellen an der Ventrikelwand fĂŒhren und somit eine ausreichende intraparenchymale Migration verhindern. Als zusĂ€tzlich negativen Effekt des Liquors zeigte sich in unserer Studie eine Förderung der Astrogliogenese und Hemmung der Differenzierung in benötigte Neurone. Vor der praktischen Umsetzung der intrathekalen Stammzellinjektion als alternative Transplantationsmethode sind deshalb weitere Studien zu den Inhaltsstoffen des Liquors und Möglichkeiten der Beeinflussung dieser notwendig.
The dentate gyrus (DG) of the hippocampus is one of the stem cell housing niches in the adult mammalian brain. Canonical Wingless-type (Wnt) signals provided by the microenvironment are one of the major niche factors that regulate the differentiation of adult neural stem cells (aNSCs) towards the neuronal lineage. Wnts are part of a complex and diverse set of signaling pathways with a wide range of possible interactions. It remains unknown whether different canonical and non-canonical Wnt signals act in a stage-specific manner to regulate distinctive steps of adult hippocampal neurogenesis. Using in vitro assays on adult hippocampal NSCs, we identified an attenuation of canonical Wnt/Ă-Catenin signaling responsiveness in the course of neuronal differentiation, while non-canonical Wnt/Planar Cell Polarity (PCP) signaling events progressively increased. Single-cell genetic manipulations were performed by using retroviral vectors to target dividing progenitor cells in the murine hippocampus. Retrovirus-mediated knockdown of ATP6AP2, a recently discovered core protein involved in both Wnt signaling pathways, revealed that the dual role of this adaptor protein is dependent on the signaling context that is present. We were able to confirm its dual role in neurogenic Wnt signaling in cultured adult hippocampal progenitors (AHPs) for both canonical Wnt signaling in proliferating AHPs and non-canonical Wnt signaling in differentiating AHPs. Specific knockdown of ATP6AP2 in neural progenitor cells in vivo resulted in a decreased induction of neuronal cell fate and severe morphological defects of newborn neurons, likely via altering both canonical and non-canonical Wnt signaling. Furthermore, in vivo knockdown of PCP core proteins CELSR1-3 and FZD3 mimicked the maturational defects of ATP6AP2-deficient neuroblasts but did not affect granule cell fate. In summary, the data presented here characterize a transition of Wnt signaling responsiveness from Wnt/Ă-Catenin signaling to non-canonical Wnt/PCP signaling in the course of granule cell fate that was confirmed in a human pluripotent stem cell (hPSC)-based model of dentate granule neurogenesis. Our findings suggest that these pathways show stage-dependent activities and regulate distinct steps of adult dentate granule cell neurogenesis. Conclusively, we provide evidence for a stage-specific regulation of fate determination through the Wnt/Ă-Catenin pathway and granule cell morphogenesis through the Wnt/PCP signaling pathway, including the FZD3-CELSR1-3 system. Additionally, the Wnt adaptor protein ATP6AP2 is involved in earlier and later stages of adult neurogenesis and its knockdown in vivo resembles all phenotypic features of both canonical and Wnt/PCP signaling mutants.
Viele hĂ€matologische Neoplasien treten vornehmlich in einem Lebensalter deutlich jenseits des 50. Lebensjahres auf. Gleichzeitig sind viele dieser Erkrankungen derzeit nur durch eine allogene Stammzelltransplantation mit kurativem Ansatz behandelbar. Durch die EinfĂŒhrung von intensitĂ€tsreduzierten Konditionierungen und der Verbesserung der supportiven Therapie, besonders der antibiotischen und immunsuppressiven Behandlung, wird diese Behandlungsoption fĂŒr Ă€ltere Patienten zunehmend eingesetzt. Im Zeitraum von 1999 und 2011 wurden an der Klinik fĂŒr Innere Medizin C der UniversitĂ€tsmedizin Greifswald 91 allogene Stammzelltransplantationen an 86 Patienten durchgefĂŒhrt, die zum Zeitpunkt der Transplantation 55 Jahre oder Ă€lter waren. 85 Patienten bzw. 90 Transplantationen konnten in die Auswertung eingehen. Das mediane Alter lag bei 61 Lebensjahren. Die nach Sorror et al eingestufte KomorbiditĂ€t erbrachte einen medianen Wert von 3, wobei 50,6% einen Wert von 3 oder höher aufwiesen und damit in die Hochrisikogruppe einzuordnen waren. Das Spektrum der Grunderkrankungen war, einem unselektierten Patientengut entsprechend, heterogen. In 91,1% wurden im Rahmen des Engraftments Leukozyten ĂŒber 1 Gpt/l und Thrombozyten ĂŒber 20 Gpt/l erreicht. Eine akute GvHD wurde in einem Drittel der FĂ€lle beobachtet, und zwar in 27,8% nach der Transplantation und 5,6% nach einer DLI-Gabe. Eine chronische GvHD lieĂ sich in 21,1% der FĂ€lle diagnostizieren, wobei mehr als die HĂ€lfte im Stadium der Limited Disease blieben. Im Beobachtungszeitraum sind 58 Patienten [68,2%] verstorben. 26 dieser Patienten [44,8% der TodesfĂ€lle] verstarben aufgrund der Wiederkehr oder Progression der malignen Grunderkrankung. 32 TodesfĂ€lle [55,2% der TodesfĂ€lle] ereigneten sich in einem erkrankungsfreien Intervall [NRM]. Die Analyse der erhobenen Daten zeigte, dass eine genaue Erhebung des Sorror-Scores ĂŒber einen Wert von 3 hinaus sinnvoll ist, da auch in diesen Bereichen statistisch signifikante Unterschiede bei GesamtĂŒberleben und erkrankungs- bzw. progressionsfreiem Ăberleben zu erhalten sind. Auch bei einem Punktewert von ĂŒber 3 hinaus sank das GesamtĂŒberleben und das erkrankungs- bzw. progressionsfreie Ăberleben statistisch signifikant mit ansteigendem KomorbiditĂ€ts-Score. DarĂŒber hinaus konnte ein signifikant lĂ€ngeres Gesamt- und erkrankungs- bzw. progressionsfreies Ăberleben in Verbindung mit einer chronischen GvHD gezeigt werden. Dies belegt eindrucksvoll die Rolle eines Graft-versus-tumor-Effektes in der Kontrolle der Grunderkrankung. Die Daten zeigen, dass die allogene Stammzelltransplantation fĂŒr Ă€ltere Patienten einsetzbar ist.