Doctoral Thesis
ZUSAMMENFASSUNG
Fragestellung:
Die intraoperative Gallengangsverletzung bei laparoskopischer Cholecystektomie ist eine folgenschwere Komplikation, welche einen erheblichen Einfluss auf LebensqualitĂ€t und Lebenserwartung des betroffenen Patienten hat. Als eine der Hauptursachen wird die ungenĂŒgende Darstellung bzw. Fehlinterpretation der extrahepatischen Gallenwegsanatomie angesehen. Ein allgemein akzeptiertes Verfahren zur routinemĂ€Ăigen intraoperativen Gallengangsdarstellung konnte sich bisher nicht etablieren. Der protektive Effekt einer routinemĂ€Ăigen IOC wird kontrovers diskutiert und deren Einsatz wegen zahlreicher methodischer Nachteile in weiten Teilen Deutschlands nicht praktiziert. Mit der NIR-FC steht seit 2008 eine neue Untersuchungsmethode zur VerfĂŒgung, welche in ersten Studien vielversprechende Ergebnisse erzielen konnte. Bisher existieren noch wenige Daten zum Einsatz dieser Methode in der klinischen Routineversorgung, insbesondere hinsichtlich der Frage einer Vergleichbarkeit zur IOC. Ziel dieser Studie war es daher zu prĂŒfen, wie praktikabel sich die NIR-FC im Rahmen der laparoskopischen Cholecystektomie anwenden lĂ€sst, welche Faktoren die Methode beeinflussen und welche Ergebnisse sich im direkten Vergleich zur IOC erzielen lassen.
Patienten und Methoden:
In einer prospektiven, nicht randomisierten, monozentrischen Studie wurde an 184 Patienten wĂ€hrend der LC die Cholangiografie per NIR-FC und IOC durchgefĂŒhrt. Die Darstellung intra- und extrahepatischer Gallenwege, anatomischer Normvarianten, vorhandener Gallengangskonkremente und Gallengangsleckagen wurde per Studienprotokoll erfasst und anschlieĂend unter BerĂŒcksichtigung möglicher Einflussfaktoren wie Alter, Geschlecht, Adipositas, Zeitintervall der ICG-Applikation und Indikation zur Cholecystektomie ausgewertet.
Ergebnisse:
Die DurchfĂŒhrung der NIR-FC war in allen FĂ€llen komplikationslos und benötigte signifikant weniger Zeit als die IOC. Die IOC fĂŒhrte in einem Fall zu einer versorgungsplichtigen GallengangslĂ€sion. Sonstige Leckagen an den GallengĂ€ngen oder im Gallenblasenbett waren mit beiden Methoden nicht nachweisbar. Die Darstellung der intrahepatischen GallengĂ€nge gelang nur in AusnahmefĂ€llen per NIR-FC, dagegen zuverlĂ€ssig in der IOC. Der DC war nach PrĂ€paration des Calot-Dreiecks mit beiden Methoden gleich zuverlĂ€ssig nachweisbar, bei den ĂŒbrigen Strukturen DHC und DC-DHC-Konfluenz war die IOC ĂŒberlegen. Beim Zeitintervall zwischen ICG-Applikation und NIR-FC zeigte sich ein Vorteil zugunsten der Gabe am OP-Tag gegenĂŒber der Gabe am Vorabend. Die besten Ergebnisse lieĂen sich bei Gabe am OP-Tag nach einem Intervall von 30 Minuten erzielen. Der Faktor âEntzĂŒndungâ in der Anamnese ging mit schlechteren Ergebnissen der NIR-FC einher. Bei Patienten mit höhergradiger Adipositas (BMI â„ 40) lieĂen sich vor Dissektion des Calot-Dreiecks DC und DHC signifikant schlechter nachweisen als bei nicht ĂŒbergewichtigen Patienten (BMI < 30). Ein weiterer EinfluĂfaktor war das Geschlecht. Bei den weiblichen Patienten war der DHC vor der Dissektion signifikant hĂ€ufiger darstellbar als bei den mĂ€nnlichen Patienten. Eine entsprechende Tendenz zeigt sich ebenso fĂŒr den DC und den DC-DHC-Konfluenz. Anatomische Normvarianten waren ebenso wie Kontrastmittelaussparungen hĂ€ufiger per IOC nachzuweisen.
Schlussfolgerung:
Die Methode der NIR-FC lĂ€sst sich intraoperativ einfach und sicher ohne relevanten Zeitverlust anwenden. Sie ist beliebig oft wiederholbar, ermöglicht die Gallengangsdarstellung ohne Zeitverzögerung und aus verschiedenen Blickwinkeln. Das verwendete Kontrastmedium ist praktisch nebenwirkungsfrei und pharmakologisch inaktiv. Die Identifizierung des DC nach Dissektion des Calot-Dreiecks gelingt mit gleicher ZuverlĂ€ssigkeit wie bei der IOC, jedoch ohne deren invasive Risiken. Die Limitationen der Technik liegen in der begrenzten Eindringtiefe des NIR-Lichtes, was die Ergebnisse bei ausgeprĂ€gter visceraler Adipositas und EntzĂŒndungsvorgĂ€ngen einschrĂ€nkt. Hinsichtlich der Beurteilung der intrahepatischen GallengĂ€nge, anatomischer Normvarianten und einer Choledocholithiasis ist die Methode technisch bedingt der IOC unterlegen. Die NIR-FC erweist sich jedoch als hilfreiches Instrument zur Identifikation der GallengĂ€nge, insbesondere des DC, noch wĂ€hrend der PrĂ€paration auch bei anspruchsvollem Situs. Dadurch kann mit gröĂerer Sicherheit der critical view of safety erreicht werden. Die NIR-FC hat somit das Potenzial, bei vergleichsweise geringem Aufwand und Risiko, die Gefahr von Gallengangsverletzungen zu reduzieren. Ein routinemĂ€Ăiger Einsatz im Rahmen der laparoskopischen Cholecystektomie kann daher empfohlen werden.