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Im Jahr 2002 wurde bei einer stark mental retardierten Patientin im Rahmen einer Genanalyse ein Strangbruch am kurzen Arm des dritten Chromosoms festgestellt. Das davon betroffene Gen codiert fĂŒr ein bis dahin unbekanntes Protein, welches als srGAP3 / MEGAP / WRP benannt wurde. Es gehört zur Familie der Rho-GTPasen aktivierenden Proteine. Diese Rho-GTPasen nehmen ĂŒber verschiedene Signaltransduktionsketten Einfluss auf die Wegfindung, Differenzierung und VerknĂŒpfung von Neuronen wĂ€hrend ihrer Entwicklung.
Mit Hilfe eines Knockoutmausmodells konnten in vorangegangenen Forschungsarbeiten starke VerĂ€nderungen der Gehirnarchitektur, sowie Schichtverdickungen im Bereich des Hippocampusâ festgestellt werden. Die Beziehung von srGAP3 zu den Rho-Proteinen und den damit entstehenden Einfluss auf die neuronale Entwicklung lieĂ den Hippocampus als Region der adulten Neurogenese in den Fokus der Forschungsarbeit rĂŒcken.
Die durchgefĂŒhrten Untersuchungen erfolgten im srGAP3-Knockoutmausmodell mittels Kleintier-MRT, Golgi-ImprĂ€gnierung und immunhistochemischen FĂ€rbungen (gegen Doublecortin und Phosphohiston 3).
In den Ergebnissen konnte durch den srGAP3-Knockout zwar eine Volumenzunahme des Hippocampusâ, jedoch weder eine signifikante VerĂ€nderung der Neuronenanzahl, der NeuronenmorphiditĂ€t, noch der Spinedichte oder der SpinelĂ€nge im Hippocampus festgestellt werden.
Als ErklĂ€rung der prĂ€sentierten Ergebnisse und möglicher neuer Forschungsansatz wĂ€re die These einer Zunahme an kortikalen Neuronen, welche in den Hippocampus projizieren, denkbar. Dieser Anstieg könnte sowohl eine faserbedingte Volumenzunahme, die gleichzeitig fehlenden neurostrukturellen VerĂ€nderungen im Hippocampus, als auch die milden verhaltensbiologischen AuffĂ€lligkeiten in den bisher durchgefĂŒhrten Tests erklĂ€ren. Die Untersuchung der Tiere in komplexeren Verhaltenstests könnte dahingehend wegweisend sein.
Die Neurotrophine (Nerve Growth Factor, Brain-derived Neurotrophic Factor, Neurotrophin-3 und Neurotrophin-4/5) zĂ€hlen zu den wichtigsten Wachstumsfaktoren des Nervensystems und sind von groĂer Bedeutung fĂŒr Gehirnentwicklung und neuronale PlastizitĂ€t. Sie vermitteln ihr Wirkungen ĂŒber zwei Rezeptorsysteme: Trk-Rezeptoren binden Neurotrophine spezifisch und mit hoher AffinitĂ€t. Sie aktivieren anti-apoptotische, wachstums- und differenzierungsfördernde Signalwege. Der niedrigaffine p75-Neurotrophinrezeptor (p75) hingegen kann Rezeptorkomplexe mit verschiedenen Ko-Rezeptoren und einer Vielzahl von Liganden bilden. Das Spektrum seiner möglichen Effekte ist beachtlich, wobei pro-apoptotische und wachstumshemmende Wirkungen ĂŒberwiegen. Interessanterweise kommt es bei einer Reihe von pathologischen Prozessen zu einer vermehrten Expression von p75, etwa bei Morbus Alzheimer, Amyotropher Lateralsklerose, Chorea Huntington und nach Gehirnverletzungen. Inhibitoren der pro-apoptotischen und wachstumshemmenden Wirkung bergen Potenzial fĂŒr die Therapie dieser Krankheitsbilder. Transgene p75-Knockout-Modelle sind ein wichtiges Instrument fĂŒr ein besseres VerstĂ€ndnis des Rezeptors. Aus den bisher vorliegenden Daten zu Morphologie und Verhalten solcher MĂ€use ergibt sich jedoch ein widersprĂŒchliches Bild. Im gesunden adulten Nervensystem wird p75 insbesondere durch cholinerge Neurone des basalen Vorderhirns (BFCN) exprimiert. In mehreren Studien wurde bei p75-defizienten MausstĂ€mmen eine Hypertrophie der BFCN und der cholinergen Innervation des Hippocampus beobachtet. FĂŒr ein weiteres wichtiges Zielgebiet von BFCN-Projektionen, die basolaterale Amygdala (BLA), liegen bisher jedoch keine Daten vor. Ein Ziel dieser Arbeit war daher die Erfassung der cholinergen Innervationsdichte dieses Kerngebiets bei jungen und gealterten p75-Knockout-Tieren und Vergleich mit den entsprechenden Wildtyp-Kontrollen. In allen Altersgruppen war bei p75-Defizienz eine erhöhte Faserdichte nachweisbar. Im Hippocampus unterliegen die cholinergen Neuriten bei Knockout-Tieren einer verstĂ€rkten Degeneration im Alter. Dieser Effekt trat in der BLA nicht auf. Da im adulten Hippocampus p75 physiologischerweise exprimiert wird, in der adulten Amygdala jedoch nicht, weist dies auf eine trophische Wirkung des Rezeptors fĂŒr hippocampale cholinerge Neurone hin, die vermutlich in Assoziation mit Trk-Rezeptoren vermittelt werden. Eine Testung höherer Verhaltensfunktionen bei p75-Defizienz erbringt Hinweise auf die funktionellen Auswirkungen der morphologischen VerĂ€nderungen. Bisherige Studien zeigen Abweichungen bei lokomotorischer AktivitĂ€t, Angstverhalten und rĂ€umlichem Lernen, sind jedoch im Detail widersprĂŒchlich. Geringe KohortengröĂen und ungenaue Angaben zur TestdurchfĂŒhrung schrĂ€nken die Aussagekraft teilweise ein. Ein weiteres Ziel der vorliegenden Arbeit ist daher die PrĂŒfung dieser Verhaltensfunktionen bei p75-Defizienz mittels standardisierter Testmodelle unter Verwendung gröĂerer Testkohorten. Im Open Field-Versuch wiesen Knockout-Tiere eine erhöhte motorische AktivitĂ€t auf. Im Holeboard-Versuch zeigte sich jedoch keine begleitende Zunahme zielgerichteter Exploration. In der Dark/Light Box fiel ein signifikanter Gruppenunterschied im Einfluss der zirkadianen Rhythmik auf das Verhalten in diesem Testmodell auf. Dies erschwert die Testinterpretation, trĂ€gt jedoch auch zur ErklĂ€rung der Diskrepanzen in der Literatur bei. Im Morris Water Maze zeigten Knockout-Tiere deutliche Defizite beim rĂ€umlichen Lernen. Als Ursache der VerhaltensauffĂ€lligkeiten kommen VerĂ€nderungen des cholinergen Systems, der neuronalen PlastizitĂ€t und der zirkadianen Rhythmik in Betracht. Zudem sind VerĂ€nderungen weiterer Transmittersysteme wahrscheinlich. Die Untersuchung dieser Systeme und die DurchfĂŒhrung spezialisierter Verhaltenstests sind interessante Ansatzpunkte fĂŒr zukĂŒnftige Studien.