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Hintergrund:
Kardiovaskuläre Präventionsleitlinien empfehlen unterschiedliche Instrumente zur kardiovaskulären 10-Jahres-Risikobestimmung. In der hausärztlichen Praxis wird dafür häufig das arriba-Instrument verwendet und durch die Leitlinie „Hausärztliche Risikoberatung zur kardiovaskulären Prävention“ empfohlen. Ziel der Studie ist die Validierung der arriba-Risikoprädiktion auf Basis von Morbiditäts- und Mortalitätsdaten der bevölkerungsbasierten Study of Health in Pomerania.
Methoden:
In einer retrospektiven Längsschnittanalyse wurde für Probanden ohne vorheriges kardiovaskuläres Ereignis das kardiovaskuläre 10-Jahres-Gesamtrisiko (Myokardinfarkt oder Schlaganfall) zur Basisuntersuchung mit dem arriba-, SCORE-Deutschland- und PROCAM-Algorithmus (Myokardinfarkt) berechnet. Aus Daten der Folgeuntersuchungen wurden kardiovaskuläre Ereignisraten ermittelt und Diskriminierungs- und Kalibrierungsmaße für die Risikobestimmungsinstrumente berechnet.
Ergebnisse:
In die Analyse wurden 2277 Proband:innen (Durchschnittsalter 53 ± 13 Jahre, 50% Männer) eingeschlossen. Nach durchschnittlich 10,2 Jahren betrug die kardiovaskuläre Ereignisrate 8,6% (196/2277). Das Verhältnis aus prädizierter und beobachteter Ereignisrate betrug für Proband:innen mit niedrigem, mittlerem und hohem kardiovaskulären Risiko 0,8, 1,5 und 1,3. Arriba unterschätzte bei Frauen und überschätzte in den Altersgruppen 30-44 und 45-59 Jahren die kardiovaskulären Ereignisraten.
Schlussfolgerung:
Diskriminierungswerte für das arriba-Instrument sind mit SCORE-Deutschland und PROCAM vergleichbar, eine individuelle Anpassung an die Zielpopulation ist jedoch nötig.
Hintergrund
Zu Beginn des Covid-19-Pandemiegeschehens wurde die ambulante Patientenversorgung deutschlandweit vor große Herausforderungen gestellt. Insbesondere die mangelnde Verfügbarkeit von Schutzausrüstung und eine vermutete Überforderung des ambulanten und stationären Sektors machten die Entwicklung alternativer Versorgungsmodelle notwendig.
Auf Aufforderung der Landesregierung wurde von der Universitätsmedizin Greifswald eine sogenannte Fieberambulanz für Patienten mit möglichen Symptomen einer Covid-19-Infektion eingerichtet, die nicht telefonisch abgeklärt werden konnten.
Methoden
Es handelt sich um eine Mixed-Methods-Studie.
Im quantitativen Teil der Studie erfolgten die Auswertung des Konsultationsanlasses, der Symptome sowie Beratungsergebnisse mit einem selbst entwickelten Fragebogen. Einnahmen und Ausgaben der Fieberambulanz wurden erfasst.
Retrospektiv wurden leitfadengestützte Experteninterviews mit den hauptverantwortlichen Mitarbeitern der Fieberambulanz Greifswald, sowie niedergelassenen Ärzten und Vertretern aus den Bereichen Hygiene, sowie der Kassenärztlichen Vereinigung MV und dem Landkreis Vorpommern-Greifswald geführt.
Ergebnisse
Es gelang innerhalb von zehn Tagen, die Fieberambulanz in den Räumlichkeiten einer Berufsschule aufzubauen. Besondere Herausforderungen, die in den Interviews beschrieben wurden, waren die Organisation von Logistik und Personal, Klärung der Verantwortlichkeiten, Kostenträgerschaft und Abrechnung. Es wurden Grenzen und Schwächen der Fieberambulanz aufgezeigt, sowie alternative Versorgungsmodelle in den Interviews diskutiert.
Im Zeitraum vom 08.04.-11.05.2020 wurden insgesamt 107 Konsultationen durchgeführt (53 % weiblich, Ø42 Jahre), bei deutlich mehr telefonischen Anfragen. Die häufigsten Diagnosen waren akute Bronchitis (43%), obere Atemwegsinfekte (28%) und Fieber (8,4%).
In 42 Fällen wurde ein Nasen-Rachen-Abstrich durchgeführt. Schwerere Erkrankungen wie eitrige Tonsillitiden oder Asthma Exazerbationen wurden in <10% der Fälle diagnostiziert. Covid-19-Neuinfektionen wurden nicht nachgewiesen. Eine kosteneffiziente Auslastung konnte nicht erreicht werden.
Schlussfolgerung
Die Fieberambulanz wurde zu Pandemiebeginn als Anlaufstelle für Unsicherheiten im Umgang mit dem Infektionsgeschehen genutzt, als viele Versorgungssituationen noch ungeregelt waren. Sie erwies sich aber rückblickend bei niedriger Inzidenz als unwirtschaftlich und nicht notwendig. Der Großteil der Patienten konnte weiterhin hausärztlich betreut werden.
Die Hospiz- und Palliativversorgung hat zum Ziel die Lebensqualität von Patient*innen mit einer unheilbaren Erkrankung zu erhalten und zu fördern. Jeder schwerkranke Mensch, der durch eine unheilbare Erkrankung eine Lebenserwartung von wenigen Tagen, Wochen oder Monaten hat, soll Zugang zur Hospiz- und Palliativversorgung erhalten. Im Rahmen der Hospiz- und Palliativversorgung werden neben der pflegerischen und medizinischen Ebene, Betroffene und deren Angehörige auf psychischer und spiritueller Ebene begleitet. Dies setzt eine gute interdisziplinäre und sektorübergreifende Zusammenarbeit voraus. Ziel der vorliegenden kumulativen Dissertation ist die Erstellung einer versorgungsepidemiologischen Analyse der Hospiz- und Palliativversorgung in Mecklenburg-Vorpommern auf Basis von Interviews, einer standardisierten schriftlichen Befragung und einer Analyse von Krankenkassendaten. Spezielles Augenmerk hat die Identifizierung von Problemen sowie Brüchen in der Kontinuität der Hospiz- und Palliativversorgung.
Die Dissertation besteht aus zwei Publikationen zur Hospiz- und Palliativversorgung in Mecklenburg-Vorpommern. In der ersten Publikation wurden mögliche Problembereiche und Barrieren in der Palliativ- und Hospizversorgung in Mecklenburg-Vorpommern anhand von qualitativen Interviews und einer darauf aufbauenden schriftlichen Befragung mit Leistungserbringer*innen der allgemeinen und spezialisierten Palliativversorgung und der Hospizversorgung ermittelt (im weiteren Verlauf der Dissertation „Befragungsstudie“ genannt). In der zweiten Publikation wurde die Kontinuität der Palliativ- und Hospizversorgung auf der Basis von Abrechnungsdaten der Krankenkasse AOK-Nordost untersucht (im weiteren Verlauf der Dissertation „Kontinuitätsstudie“ genannt).
Wichtigste Ergebnisse der qualitativen Interviews und der Befragungsstudie sind eine teilweise unzureichende Zusammenarbeit zwischen dem ambulanten und stationären Sektor sowie zwischen der allgemeinen und der spezialisierten Palliativ- und Hospizversorgung. Insbesondere die Zusammenarbeit der Hausärzt*innen mit spezialisierten palliativmedizinischen Leistungserbringer*innen wurde weniger gut bewertet. Die Bewertungen der Zusammenarbeit der einzelnen Leistungserbringer*innen deutet drauf hin, dass die Kooperation der Versorgung einer besseren Koordination bedarf. Dieses Ergebnis wurde anhand von Routinedaten im Rahmen der Kontinuitätsstudie untersucht. Die Kontinuitätsstudie zeigt, dass ein Großteil der Palliativpatient*innen nach einer palliativmedizinischen stationären Versorgung eine palliativmedizinische Anschlussversorgung erhielt, jedoch nicht immer binnen 14 Tage. Die durch die Befragungen erwarteten Versorgungslücken in Form von großen zeitlichen Abständen konnten anhand der Kontinuitätsstudie teilweise gefunden werden.
The association between thyroid function biomarkers and attention deficit hyperactivity disorder
(2023)
The relation between thyroid function biomarkers and attention deficit hyperactivity disorder
(ADHD) in children and adolescents is currently unclear. Cross-sectional data from the German Health
Interview and Examination Survey for Children and Adolescents (KiGGS Baseline) was analyzed
to assess the association between thyroid function biomarkers and ADHD in a population-based,
nationally representative sample. The study cohort included 11,588 children and adolescents with
572 and 559 having an ADHD diagnosis or symptoms, respectively. ADHD symptoms were assessed
through the Inattention/Hyperactivity subscale of the Strength and Difficulties Questionnaire. ADHD
diagnosis was determined by a physician or psychologist. Serum thyroid stimulating hormone (TSH),
free triiodothyronine (fT3), and free thyroxine (fT4) concentrations were determined enzymatically.
Adjusted regression models were used to relate serum TSH, fT3, and fT4 with risk for ADHD diagnosis
or symptoms. In children, a 1 mIU/l higher TSH was related to a 10% lower risk (odds ratio [OR] 0.90;
95% confidence interval [CI] 0.81–1.00) of ADHD diagnosis. We found a significant positive association
between fT3 and continuously assessed ADHD symptoms in children (β 0.08; 95% CI 0.03–0.14).
Our results suggest that physical maturity may influence the association between thyroid function
biomarkers and risk for ADHD.
Unsere Studie hat das Ziel mithilfe MRT-basierter manueller Segmentierungen der Milz und deren volumetrischen Daten einen Referenzbereich für die Milzgröße zu etablieren. Zudem wurden ausgewählte Parameter erfasst, die potenziell mit einem vergrößertem oder verkleinertem Milzvolumen assoziiert sein könnten. Auf Grundlage der populationsbasierten Kohortenstudie Study of Health in Pomerania (SHIP) wurden von 1106 Probanden volumetrische Daten in der diffusionsgewichteten Sequenz (b-Wert 50 s/mm2) der Milz generiert.
Der Referenzbereich der Milz reichte in einer milzgesunden Referenzpopulation (592 Probanden, 59,46 % Frauen, 40,54 % Männer) von 82,4 ml bis 346,3 ml (Frauen 79,8 ml - 306,3 ml, Männer 111,6 ml - 363,7 ml). In der Gesamtpopulation wiesen 92,4 % aller Teilnehmerinnen und Teilnehmer eine Milzgröße im Referenzbereich auf. Eine vergrößerte Milz war bei 4,1 % und eine verkleinerte Milz bei 3,5 % der Studienteilnehmer zu beobachten. Das interpolierte Milzvolumen der Gesamtpopulation betrug im Mittelwert 193.7 ± 80.4 ml.
Es zeigte sich, dass sich das mediane Milzvolumen mit zunehmendem Lebensalter verringerte und dass Frauen gegenüber Männern ein kleineres Milzvolumen aufwiesen. Studienteilnehmer mit niedrigem Bildungsstand wiesen eine größere Milz im Vergleich zu besser gebildeten Personen auf. Aktuelle Raucher hatten im Median eine kleinere Milz als Nichtraucher. Anthropometrische Parameter hatten einen signifikanten Einfluss auf das Milzvolumen: Höhere Milzvolumina lagen vor bei zunehmender Körpergröße, zunehmendem Körpergewicht, BMI und Taillenumfang. Die Blutglukose-, Erythrozyten- und Hämoglobinwerte waren positiv mit dem Milzvolumen assoziiert. Probanden mit bekanntem Diabetes wiesen im Median eine größere Milz gegenüber Probanden ohne bekannten Diabetes auf. MCV, MCH, Thrombozytenzahl, Fibrinogen und Leukozyten waren mit einer Milzverkleinerung assoziiert. Mit zunehmendem hs- CRP sowie zunehmender ALAT und ASAT fanden sich größere Milzvolumina. Dabei zeigten Thrombozytenzahl und MCV die stärksten inversen Assoziationen mit dem Milzvolumen, wohingegen der Taillenumfang und das Körpergewicht die stärkste positive Assoziation mit dem Milzvolumen aufwiesen.
Diese Ergebnisse zeigen auf, die „4711“-Regel zu überdenken und die neuen Erkenntnisse der potenziellen Einflussfaktoren auf die Milzvergrößerung und -verkleinerung in den klinischen Alltag zu integrieren. In nachfolgenden Segmentierungsverfahren sollten eine Optimierung der Bildqualität und eine Minimierung der Schichtdicke vorgenommen werden.
Die demografischen Entwicklungen werden in den nächsten Dekaden zu einem erheblichen Anstieg älterer Bevölkerungsgruppen führen, die seltener die Empfehlungen für körperliche Aktivität der WHO erreichen. Ein hohes Ausmaß an körperlicher Inaktivität ist ein zentraler Risikofaktor für zahlreiche nicht-übertragbare Erkrankungen wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen (HKE), die weltweit zu den häufigsten Todesursachen zählen und zudem weitreichende ökonomische Belastungen verursachen. Schlussfolgernd resultiert zukünftig ein hoher Bedarf an wirksamen Präventionsstrategien. Erfolgreiche Konzepte zur Prävention von HKE erfordern ein weitreichendes Verständnis über die Auswirkungen von körperlicher Aktivität und Inaktivität, deren Zusammenspiel sowie über relevante Einflussfaktoren.
Die vorliegende Ausarbeitung stellt die zentralen Ergebnisse von zwei Veröffentlichungen heraus. Für beide Analysen wurden Daten aus der MOVING-Studie (2016 – 2018) genutzt, die in wissenschaftlicher Kooperation mit dem Deutschen Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK) Greifswald durchgeführt wurde.
Das Ziel dieser Arbeit bestand in der Untersuchung der Prävalenzen und der Determinanten von körperlicher Aktivität und körperlicher Inaktivität sowie die Analyse der Wirksamkeit einer niedrigschwelligen Intervention bei Menschen älterer Bevölkerungsgruppen. Es wurde eine Studie zur körperlichen Aktivität und Inaktivität in der Allgemeinbevölkerung durchgeführt und die Ergebnisse in zwei Publikation dargestellt.
Die erste Publikation (Prävalenz-Paper) quantifiziert das Ausmaß an körperlicher Aktivität und Inaktivität und bestimmt zudem relevante Prädiktoren. Die zweite Publikation (Effekt-Paper) analysiert weiterführend die Wirksamkeit einer niedrigschwelligen Intervention.
Zusammenfassend sind die wichtigsten Ergebnisse aus den beiden Veröffentlichungen, dass das Ausmaß an körperlicher Aktivität in der Stichprobe im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung überdurchschnittlich hoch war. Über zwei Drittel der Studienteilnehmenden (72,8 % der Männer und 79,7 % der Frauen) erfüllten bereits zu Baseline die Empfehlungen für körperliche Aktivität für Menschen ab 65 Jahren der WHO. Insbesondere individuelle Faktoren wie Alter, Bildung und BMI haben einen signifikanten Einfluss auf körperliche Aktivität.
Unabhängig von der Prävalenz körperlicher Aktivität war auch das Ausmaß an in körperlicher Inaktivität verbrachter Zeit hoch und betrug im Mittel 68 % der Wachzeit der Probanden.
Beide Untersuchungen kamen zu dem Ergebnis, dass die Akzeptanz gegenüber dem Akzelerometer mit einer durchschnittlichen Tragezeit von etwa 14 Stunden kontinuierlich hoch war und das methodische Vorgehen damit als ein geeignetes Instrument zur Untersuchung des Forschungsfeldes angesehen werden kann.
Die Analyse der Intervention zeigt, dass der Effekt durch die Teilnahme von körperlich bereits sehr aktiven Probanden minimiert wurde, was einen Deckeneffekt vermuten lässt. Obgleich die Ergebnisse aus dem Effekt-Paper keine signifikanten Ergebnisse bezüglich des primären Outcomes liefern, geben die deskriptiven Auswertungen jedoch einen Hinweis darauf, dass die niedrigschwellige Intervention einen leichten positiven Einfluss auf das Ausmaß an körperlicher Aktivität hatte.
Die Anzahl an Richtlinien und Empfehlungen für körperliche Aktivität nahmen in der Vergangenheit kontinuierlich zu. In der Literatur herrscht weitestgehend Konsens über ein konkretes Ausmaß der zu empfehlenden körperlichen Aktivität für ältere Menschen ab 65 Jahren. Empfehlungen für körperliche Inaktivität sind bislang jedoch kaum vorhanden und enthalten keine konkreten Aussagen über Ausmaß an körperlicher Inaktivität. Bisherige Ausführungen geben eher grundsätzliche Empfehlungen für körperliche Inaktivität.
Aktuelle Veröffentlichungen der WHO beinhalten generell auch Empfehlungen zu sitzendem Verhalten. Dennoch mangelt es bislang an konkreten Empfehlungen, die über eine allgemeine Reduzierung von körperlicher Inaktivität hinausgehen und Obergrenzen definieren. Daher bedarf es insbesondere für körperliche Inaktivität weiterer Forschungsvorhaben, die vor allem die Dosis-Wirkungs-Beziehung fokussieren und im Rahmen von Empfehlungen Sitzzeiten quantifizieren.
Im Rahmen der vorliegenden Arbeit erfolgte ein direkter Head-to-Head-Vergleich von ausgewählten Assessmentinstrumenten zur Ergebniserfassung von Heilverfahren bei Wirbelsäulenerkrankungen am Beispielkollektiv von Patienten mit traumatisch bedingter Fraktur eines Wirbels beziehungsweise zweier benachbarter Wirbel.
Die Studie war als prospektive, multizentrische Beobachtungsstudie über zwei Erhebungszeitpunkte konzipiert. Die Datenerhebung fand im Unfallkrankenhaus Berlin und in der BG-Unfallklinik Duisburg statt.
Die Patienten erhielten ein Fragebogenset, welches neben dem Indexinstrument EQ-5D als weitere Vertreter generischer Instrumente den SF-36 und das NHP sowie die spezifischen Instrumente FFbH-R, ODQ und RMDQ enthielt.
Um die geeignetste Methodik für Fragestellungen der rehabilitationswissenschaftlichen Forschung zu eruieren, aber auch Empfehlungen für die Auswahl von zur Routinedokumentation tauglichen Instrumenten zu generieren, wurden die genannten Instrumente hinsichtlich ihrer psychometrischen Eigenschaften analysiert. Betrachtet wurden hierbei die Verteilungseigenschaften (% Boden- und Deckeneffekte), die Praktikabilität (% fehlende Werte auf Skalenebene), die Änderungssensitivität anhand von t-Tests für gepaarte Stichproben und Effektgrößemaßen (standardisierte Mittelwertdifferenz, Effektgröße), die Reliabilität (Cronbach-Alpha) und die kriterienbezogene Validität mittels der Analyse der Pearson-Korrelationen.
Alle untersuchten spezifischen Fragebogen (FFbH-R, ODQ, RMDQ) sind zur Erfassung von patientenberichteten Outcomeparametern bei Wirbelkörperfrakturen geeignet und zeichnen ein ähnliches Bild der gesundheitsbezogenen Lebensqualität. Alle Instrumente sind in deutscher Sprache validiert, praktikabel und bilden Veränderungen im Zeitverlauf ab. Gleichwohl keines der Instrumente als allgemein überlegen erschien, kristallisierte sich der FFbH-R als besonders vorteilhaft raus. Hohe Praktikabilität sowohl für Probanden als auch für Anwender lassen ein breites Anwendungsspektrum zu.
Alle untersuchten generischen Instrumente (SF-36, NHP, EQ-5D) sind ebenfalls prinzipiell zur Erfassung des Gesundheitsstatus geeignet, wobei jedoch die analysierten Kennwerte hinter denen der spezifischen Instrumente zurückbleiben. Sie erfüllen die Standards der international geforderten Gütekriterien psychometrischer Methodik. Anhand der vorliegenden Analysen erscheint der SF-36 als günstigere Option eines Profilinstrumentes vor dem NHP. Der EQ-5D als einzig eingesetztes Indexinstrument zeigte kontinuierlich positive Eigenschaften.
Die gesundheitsbezogene Lebensqualität als ein derart komplexes Konstrukt ist nicht mittels eines einzelnen Maßes allumfassend zu beschreiben. Es gilt abhängig vom Untersuchungsziel ein Instrumentarium auszuwählen, welches sowohl den Gesundheitsstatus hinreichend operationalisiert als sich auch nach den praktischen Aspekten der geplanten Datenerhebung ausrichtet.
Eine Kombination verschiedener Instrumente ist erfolgversprechend. Für gesundheitsökonomische Analysen ist der Einsatz eines präferenzbasierten Indexinstrumentes unerlässlich. In der Bearbeitung verletzungsübergreifender Fragestellungen eignet sich ein generisches Instrument. Sobald das Patientenkollektiv hinsichtlich des Beschwerdebildes vergleichbar ist, sollte unweigerlich zusätzlich ein spezifisches Instrument eingesetzt werden.
Die Messung der endexspiratorischen Ammoniakkonzentration bei Patienten mit terminaler Niereninsuffizienz während der Dialyse stellt eine neue nicht-invasive Methode zur Evaluation des Dialyseerfolges dar.
Ziel dieser Studie ist es die endexspiratorische Ammoniakkonzentration von Patienten mit terminaler Niereninsuffizienz während der Dialyse zu messen, um einen signifikanten Abfall der endexspiratorischen Ammoniakkonzentration während des Dialysevorganges nachzuweisen. Des Weiteren gilt es Einflussfaktoren auf die endexspiratorische Ammoniakkonzentration vor der Dialyse zu finden sowie eine mögliche positive Korrelation zwischen der endexspiratorischen Ammoniakkonzentration und der Harnstoffkonzentration im Blut zu untersuchen.
Insgesamt wurden 45 Dialysepatienten (22 Frauen, 23 Männer) im Alter zwischen
dem 28. und dem 85. Lebensjahren für diese Studie rekrutiert. Es erfolgte eine standardisierte Befragung der Patienten bezüglich ihrer Vorerkrankungen und kardiovaskulären Risikofaktoren. Die restlichen relevanten Diagnosen wurden aus den Krankenunterlagen entnommen. Neben der Messung der endexspiratorischen Ammoniakkonzentration erfolgten laborchemische Bestimmungen der Ammoniakkonzentration im EDTA-Blut ebenfalls vor und nach der Dialyse. Auch weitere Laborparameter, wie Aspartataminotransferase, Alaninaminotransferase, Gamma-Glutamyl-Transferase, Harnstoff, Kreatinin sowie Hämoglobin HbA1c wurden mitbestimmt. Die Analyse der endexspiratorischen Ammoniakkonzentration erfolgte mittels des durchstimmbaren Infrarotdiodenlasers unter der Anwendung der Absorptionsspektroskopie als eine hoch sensitive und selektive Methode zur Bestimmung der organischen Atembestandteile.
Die Ergebnisse dieser Studie zeigen einen signifikanten Abfall der endexspiratorischen Ammoniakkonzentrationen im Verlauf der Dialyse (mediane Werte: von 236,3 ppb
auf 120,6 ppb (p < 0,001)). Beim genaueren Betrachten des individuellen Verlaufs von Dialysepatienten fällt auf, dass 18 Patienten mit einer hohen endexspiratorischen Ammoniakkonzentration vor der Dialyse (über 300 ppb) einen deutlichen Abfall (> 100 ppb) im Verlauf der Behandlung aufweisen. Von den Patienten, bei denen vor der Dialyse ein niedriger Atemammoniakspiegel (< 300 ppb) erfasst wurde, zeigten sich bei fünf Probanden ein deutlichen Abfall, bei elf Probanden ein geringerer Abfall (< 100 ppb), bei vier Probanden keine signifikante Veränderung (±10 ppb) und bei sieben Teilnehmern eine Erhöhung der endexspiratorischen Ammoniakkonzentration während der Dialyse.
Die statistische Analyse ergab weiterhin eine deutlich positive Korrelation zwischen den Ammoniakkonzentrationen im Blut vor der Dialyse mit den Blutammoniakwerten nach der Dialyse und eine mäßig positive Korrelation zwischen den endexspiratorischen Ammoniakkonzentrationen vor der Dialyse mit den Ammoniakspiegel im Atem nach der Dialyse. Eine schwach positive Korrelation wurde zwischen den endexspiratorischen Ammoniakwerten nach der Dialyse mit den Blutammoniakwerten nach der Dialyse gefunden. Die lineare Regressionsanalyse ergab eine signifikante Assoziation von Nephrektomie und Restdiurese mit den endexspiratorischen Ammoniakwerten, welche vor der Dialyse gemessen wurden. Damit wird verdeutlich, das nephrektomierte Patienten und Patienten mit einer höheren Restdiurese einen deutlichen Abfall der endexspiratorischen Ammoniakkonzentrationen während der Dialyse aufzeigten und somit vermehrt von der Dialyse als Behandlung profitieren.
In Anlehnung an die Ergebnisse dieser Studie, dass im Verlauf der Dialyse ein signifikanter Abfall der endexspiratorischen Ammoniakkonzentration vorliegt, wird eine klinische Etablierung der nicht-invasiven Ammoniakkonzentrationsmessung vor und nach der Dialyse als eine gute Möglichkeit der Überwachung einer Dialysesitzung empfohlen. Aus unserer Sicht sollte am besten die Messung nicht offline mittels Sammelns der Atemproben im Tedlar-Beutel, sondern durch direktes Ausatmen in das Messsystem erfolgen, um den Verlust von an der Oberfläche des Beutels haftenden Ammoniaks zu verhindern. Falls jedoch die offline Methode bevorzugt werden sollte, müsste gewährleistet werden, dass die Atemgasproben so schnell wie möglich analysiert werden, um die Messgenauigkeit zu stärken.
Vulnerable Personengruppen werden häufig von Forschungsprojekten ausgeschlossen, weil es aufwendig und schwierig ist eine gesetzeskonforme Einwilligung zu erhalten. Zu der Gruppe vulnerabler Personen zählen z.B. Menschen mit psychischen Erkrankungen, neurologischen Defiziten oder Demenz. Häufig werden für diese Personen gesetzliche Betreuer bestellt. Aufgrund der Alterung der Gesellschaft ist von einer steigenden Anzahl pflege- und betreuungsbedürftiger Menschen auszugehen. Um die Anzahl vulnerabler Personen in medizinischen Forschungsprojekten erhöhen zu können, ist es wichtig, die Beweggründe für die Zustimmung oder Ablehnung einer Teilnahme an wissenschaftlichen Forschungsprojekten von gesetzlichen Betreuern und gesetzlich betreuten Personen zu verstehen.
Als Einschlusskriterium für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer galt, als gesetzlicher Betreuer oder gesetzlich betreute Person registriert zu sein. Für die gesetzlichen Betreuer und die gesetzlich betreuten Personen wurden zwei separate Fragebögen entwickelt, um vorhandene Forschungserfahrungen und Gründe für Zustimmung oder Ablehnung einer Teilnahme an wissenschaftlichen Forschungsprojekten zu erfassen. Die gesetzlichen Betreuer wurden über verschiedene Betreuungsvereine und Betreuungsbehörden rekrutiert. Einige der gesetzlich betreuten Personen wurden über ihre gesetzlichen Betreuer rekrutiert. Weitere betreute Personen wurden aus der Tecla-Studie gewonnen, welche in der Vergangenheit am Institut für Community Medicine der Universitätsmedizin Greifswald durchgeführt wurde. Die Auswertung der erhobenen Daten erfolgte deskriptiv.
Insgesamt konnten 82 gesetzliche Betreuer und 20 gesetzlich betreute Personen rekrutiert werden. Davon konnten 13 der gesetzlichen Betreuer (15,6%) und 13 gesetzlich betreute Personen (65,0%) bereits Forschungserfahrung vorweisen. Die Mehrheit der gesetzlichen Betreuer mit Erfahrung in Forschungsprojekten hatte der Teilnahme ihrer betreuten Personen zugestimmt (n=12, 60,0%; insgesamt n=16 Zustimmungen). Eine zu große Belastung der teilnehmenden Person wurde sowohl von den Erziehungsberechtigten (n=44, 55,0%) als auch von den gesetzlich betreuten Personen (n=3, 30,0%) als häufigster Grund für eine Nicht-Teilnahme angegeben. Die häufigste Motivation zur Einwilligung in die Teilnahme an einem Forschungsprojekt war die Aussicht, anderen Leidenden durch den Erwerb neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse helfen zu können (gesetzliche Betreuer: n =125, 78,1%; gesetzlich betreute Personen: n =10, 66,7%).
Insgesamt lässt sich bei den gesetzlichen Betreuern und den gesetzlich betreuten Personen eine offene Haltung gegenüber der medizinischen Forschung beobachten. Die Mehrheit derjenigen, die bereits über Forschungserfahrung verfügen, wäre bereit, sich erneut an einem Forschungsprojekt zu beteiligen. Die Informationen über den Inhalt von Forschungsprojekten sollten für die gesetzlichen Betreuer und die betreuten Personen gleichermaßen erfolgen, da neben der Einwilligung des gesetzlichen Betreuers, die Einwilligung der betreuten Personen im Sinne eines „informed consent“ eingeholt werden sollte. In diesem Zusammenhang sollten sowohl die möglichen Risiken, als auch der mögliche Nutzen einer Teilnahme dargelegt werden, da nur so eine adäquate Risiko-Nutzen-Abwägung erfolgen kann. Da von einer steigenden Zahl betreuungsbedürftiger Personen auszugehen ist, wird es zunehmend wichtiger, vulnerable Gruppen mit in die medizinische Forschung einzubeziehen. Nur auf diese Weise können bestehende Nachteile vulnerabler Personengruppen in Zukunft abgebaut werden.
Hintergrund
Akupunktur wurde 2007 für die Indikationen chronische Knie- und Rückenschmerzen in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung aufgenommen. Die Studie untersucht, wer Akupunktur erhält, wer Akupunktur anbietet und ob es zeitliche und regionale Unterschiede gibt.
Methoden
Für die retrospektive Beobachtungsstudie wurde eine knapp vier Millionen große Stichprobe anonymisierter GKV-Abrechnungsdaten verwendet. Diese ist für das Jahr 2013 gemäß Alter und Geschlecht repräsentativ für Deutschland.
Ergebnisse
Rückenschmerzen war die am häufigsten kodierte Indikation (86 %) für die Abrechnung von Akupunktur. Überwiegend Frauen nahmen Akupunktur in Anspruch, das mittlere Alter lag bei 61,1 Jahren. Bei 63 % der Versicherten mit Akupunktur in 2014 wurde jene erstmals abgerechnet, 37 % nahmen bereits in 2012 oder 2013 Akupunktur in Anspruch. Der Anteil an Versicherten mit frühzeitiger Beendigung (< 6 Sitzungen) ihres ersten Akupunkturbehandlungszyklus in 2014 betrug bei Knieschmerzpatienten 14 % und bei Rückenschmerzpatienten 21 %. Von 2008 bis 2015 ließ sich ein signifikant abnehmender Trend der Inanspruchnahme nachweisen. Es zeigten sich deutliche regionale Unterschiede zwischen den neuen und alten Bundesländern sowie den Stadtstaaten. Knapp 11 % aller durchführenden Ärzte rechneten die Hälfte aller erbrachten Sitzungen in 2014 ab.
Diskussion
Dass überwiegend Frauen im höheren Alter Akupunktur in Anspruch nehmen entspricht der Epidemiologie von Rücken- und Knieschmerzen sowie ihrer höheren Präferenz für komplementäre Behandlungsverfahren. Der hohe Anteil von Patienten, die Akupunktur wiederholt in Anspruch nehmen, deutet auf einen wahrgenommenen Nutzen in einer Teilgruppe hin. Dem gegenüber stehen die geringe und kontinuierlich abnehmende Inanspruchnahme sowie der hohe Anteil an frühzeitigen Beendigungen.
Einleitung: Der Gesetzgeber hat die 2001 von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) veröffentlichte Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF) als Grundlage der Rehabilitation in Deutschland im Sozialgesetzbuch IX verankert. Anders als bisherige Klassifikationsmodelle, die einen linearen Zusammenhang zwischen Beeinträchtigung der Funktion und Behinderung annehmen, basiert die ICF auf einem bio-psycho-sozialen Verständnis von Gesundheit und Krankheit. Das ICF-Modell sieht Beeinträchtigungen der funktionalen Gesundheit einer Person als das Ergebnis der negativen Wechselwirkung zwischen den Gesundheitsproblemen sowie den personbezogenen und umweltbezogenen Kontextfaktoren der Person. Ziel einer Rehabilitationsmaßnahme ist die Förderung der gleichberechtigten Teilhabe am Leben der Gemeinschaft und die Selbstbestimmung von behinderten und von Behinderung bedrohten Menschen. Auf Basis der ICF ist es also Aufgabe der deutschen Rehabilitationseinrichtungen, die Kontextfaktoren mit zu berücksichtigen, um den Rehabilitanden eine bestmögliche (Re-)Integration in die Gesellschaft und Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen. Besonders gefordert sind hierbei ambulante Rehabilitationseinrichtungen, die nach der Akutbehandlung bzw. Frührehabilitation ansetzen, in einer Phase, in der der Rehabilitand bereits in sein gewohntes häusliches Umfeld zurückgekehrt ist, was eine Mitberücksichtigung von Kontextfaktoren in besonderer Weise ermöglicht. Bislang gibt es nur wenige Studien, die explizit das Konstrukt Teilhabe als Zielvariable im Rehabilitationsverlauf untersuchen und beeinflussende Kontextfaktoren mit in den Blick nehmen.
Material und Methoden: In vier empirischen Studien wurden Teilhabeverläufe und beeinflussende Kontextfaktoren in der ambulanten Neurorehabilitation untersucht. Da Depressivität den Behandlungserfolg im Kontext einer ambulanten Neurorehabilitation beeinflussen kann, wurde mit den Depressions-Angst-Stress-Skalen (DASS-21) eine Raschanalyse durchgeführt, um ihre Eignung als Screeninginstrument zu untersuchen.
Ergebnisse und Diskussion: In der ersten Studie wurde explorativ die teilhabebezogene Ergebnisqualität in vier ambulanten Reha-Einrichtungen im österreichischen Vorarlberg erfasst. Es zeigten sich positive Entwicklungen im Reha-Verlauf. In deutschen ambulanten neurologischen Rehabilitationseinrichtungen konnten in Studie 2 mehrheitlich positive Teilhabeentwicklungen im Rehabilitationsverlauf gezeigt werden, darüber hinaus fanden sich aber auch Teilnehmer, deren Teilhabe sich nicht veränderte oder sogar verschlechterte. Als beeinflussende Kontextfaktoren konnten sowohl das Geschlecht als auch das Nettoeinkommen identifiziert werden, wobei die genauen Hintergründe hinsichtlich des Geschlechts noch weiterer Forschung bedürfen. In Studie 3 zeigte sich zudem, dass insbesondere eine niedrige Depressivität am Ende der Rehabilitation die Wahrscheinlichkeit erhöhte, in der Gruppe der Teilhabeverbesserten zu sein. Zu Beginn der Rehabilitation unterschieden sich die Depressivitäts-Werte der zum Ende der Rehabilitation Teilhabeverbesserten und Teilhabeverschlechterten nicht, was auf Einflussmöglichkeiten im Verlauf der Rehabilitation hindeutet. Die Mehrheit der Teilnehmer erfüllte nicht das Vollbild einer klinisch relevanten Depression. Bei der Raschanalyse einer Kurzversion der Depressions-Angst-Stress-Skalen (DASS-21) zeigte sich passend dazu, dass sich insbesondere eine zusammengefasste Skala aus Stress- und Depressions-Items, die den generellen Faktor „psychologischer Distress“ erfassen sollte, für den Einsatz in der ambulanten Neurorehabilitation als besonders geeignet erwies. Auch die Depressions- und die Stressskala konnten jedoch mit einigen Einschränkungen die Kriterien des Rasch-Modells erfüllen, die Angstskala erwies sich bei den Teilnehmern dieser Studie als ungeeignet, die Stichprobe erwies sich hinsichtlich des mit der Angstskala erfassten Angstkonstrukts als wenig ängstlich.
Fazit: Neben ersten, weiter zu erforschenden Erkenntnissen hinsichtlich der ambulanten Neurorehabilitation in Österreich konnten insbesondere Informationen zu unterschiedlichen Teilhabeverläufen und beeinflussenden Kontextfaktoren in der ambulanten Neurorehabilitation in Deutschland gewonnen werden. Insbesondere die kontinuierlich erfasste Variable Depressivität geriet hierbei in den Blickpunkt, die DASS-21 erwiesen sich im Rahmen einer Raschanalyse mit einigen Einschränkungen als geeignetes Screeninginstrument, um besonders gefährdete Patienten herauszufiltern. Neben der Untersuchung weiterer Kontextfaktoren besteht insbesondere noch Forschungsbedarf bei der Frage, welche Unterstützungsmethoden bei psychischem Distress im Rahmen der ambulanten Neurorehabilitation effizient und realistisch umsetzbar eingesetzt werden können
Hintergrund und Problemstellung:
Menschen mit Migrationshintergrund (MmM) mit Demenz stellen eine vulnerable Gruppe dar,
da sie nicht die gleiche Qualität an Demenz-Diagnostik erhalten wie die autochthone
Bevölkerung und bei formellen Versorgungsleistungen unterrepräsentiert sind. Das Ziel dieser
Dissertation besteht darin, aufzuzeigen, auf welche Weise im öffentlichen Diskurs der EU-,
EFTA- und UK-Staaten zur Planung der Versorgung von Menschen mit Demenz das Thema
Migration berücksichtigt wird und welche Elemente dort eine zentrale Rolle spielen sollten.
Methode:
Mit Hilfe der Modelle der Diskursanalyse nach Keller (2011) und der kritischen Diskursanalyse
nach Jäger (2015) wurden N = 27 nationale Demenzpläne aus 23 Ländern und N = 43
Versorgungsleitlinien aus 27 Ländern untersucht und durch eine Triangulation der Methoden
der systematischen Literaturanalyse nach Becker (2018), der Diskursanalyse nach Keller (2011)
und der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring (2014) aus N = 64 Dokumenten und N = 4
Veranstaltungen Schlüsselelemente einer kultursensiblen Demenzversorgung abgeleitet.
Ergebnisse:
Die Sensibilisierung von Migrantengemeinschaften, der Aufbau von Strukturen zur
interkulturellen Öffnung des Gesundheitswesens, die Initiierung von Maßnahmen zur
Sicherstellung einer validen Demenz-Diagnose bei MmM, die Unterstützung von pflegenden
Angehörigen von MmM mit Demenz, die Schulung von Fachkräften in der Demenzversorgung,
die Verbesserung des Zugangs von MmM zum Versorgungssystem, die Entwicklung von
spezifischen Dienstleistungen für MmM mit Demenz und die Partizipation von MmM an der
Demenzforschung stellen zentrale Elemente einer kultursensiblen Versorgung dar. Die meisten
dieser Elemente werden in den berücksichtigten nationalen Demenzplänen und
Versorgungsleitlinien nicht oder nur kurz thematisiert. 26 der 70 untersuchten Dokumente
nehmen Bezug zur Migration und fünf von ihnen befassen sich ausführlich mit dieser Thematik.
Während sich die Demenzpläne vor allem auf die Versorgung von MmM mit Demenz
fokussieren, beschäftigen sich die Leitlinien primär mit der Demenz-Diagnose und der Eignung
von Diagnostikinstrumenten für diese Population. Insgesamt spielt die Migration in der
aktuellen Planung der Demenzversorgung von europäischen Staaten eine untergeordnete Rolle.
Ausblick:
Europäische Institutionen sollten zusammen mit Regierungen, Forschungseinrichtungen und
Versorgungsanbietern eine konzertierte Strategie für die Versorgung von MmM mit Demenz
entwickeln. Als formeller Rahmen können Leitlinien zur kultursensiblen Versorgung dienen.
Die Zahl der Menschen mit Demenz (MmD) nimmt auch in den Krankenhäusern zu. Die Stationen sind üblicherweise auf eine Akutbehandlung ausgelegt, dies macht das Eingehen auf MmD schwierig. Sich dadurch ergebende mögliche Konsequenzen erstrecken sich von einer ungeplanten Wiedereinweisung über eine Heimeinweisung bis hin zum Tod des Patienten.
Verschiedene Studien konzentrieren sich auf die kurzfristigen Folgen einer Hospitalisierung
von MmD. Nur einige Studien erfassten Langzeitfolgen. Diese Informationen sind jedoch
bedeutend, um die Versorgung von MmD zu verbessern.
In der vorliegenden systematischen Übersichtsarbeit und Metaanalyse wird ein Überblick zu
den Langzeitfolgen (ungeplante Wiedereinweisung, Institutionalisierung und Mortalität) einer Hospitalisierung von MmD gegeben. Es werden Prädiktoren erfasst, die mit negativen Folgen
eines Krankenhausaufenthaltes assoziiert sind. Um alle relevanten Publikationen zum Thema zu erfassen, wurde eine systematische Literaturrecherche in den Datenbanken PubMed, CENTRAL und ScienceDirect durchgeführt. Die Qualität der einzelnen relevanten Studien
wurde in einem Formular zu Bewertung der Studien dokumentiert. Die Ergebnisse wurden in
einer Tabelle zusammengefasst, die Metaanalyse wurde mittels Review Manager 5.3 der Cochrane Collaboration berechnet.
Die systematische Literaturrecherche führte zu 1108 Artikeln, hiervon erfüllten 20 Artikel die Einschlusskriterien. 10 Studien wurden mit einer Kontrollgruppe durchgeführt und demnach in die Metaanalysen eingeschlossen. Die Inzidenz und das Relative Risiko für die Mortalität von
MmD (RR: 1,74 [95 %-KI 1,50-2,05]) und die Institutionalisierung (RR: 2,16 [95 %-KI 1,31-
3,56]) waren signifikant erhöht im Vergleich zu Menschen ohne Demenz. Die Ergebnisse bezüglich der ungeplanten Wiedereinweisung waren nicht aussagekräftig. Wichtige Faktoren, welche mit diesen Folgen assoziiert waren, waren der Schweregrad der Demenz, die Anzahl der eingenommen Medikamente und der Umfang der benötigten Hilfe bei der Verrichtung der Aktivitäten des täglichen Lebens.
Die Ergebnisse dieser Arbeit sprechen dafür, dass eine umfassendere Betreuung von MmD sowohl im Akutkrankenhaus als auch in der Häuslichkeit nötig ist. Außerdem sollten alle Prozesse an den Schnittstellen dieser Bereiche, insbesondere das Krankenhausentlassungsmanagement, weiter intensiviert und verbessert werden.
Schmerzen im unteren Rücken sind ein häufiger Beratungsanlass in Hausarztpraxen.
Trotz evidenz- und konsensbasierter Empfehlungen der NVL unspezifischer
Kreuzschmerz ist die ärztliche Leitlinienadhärenz gering und wird teilweise mit
anderslautenden Patientenerwartungen begründet. Ziel dieser Studie war es zu
untersuchen, inwiefern die Patientenerwartungen den Empfehlungen der NVL
Kreuzschmerz entsprechen und ob diese mit Patienteneigenschaften, der
Kreuzschmerzvorgeschichte und Behandlungserfahrungen assoziiert sind. Es
handelt sich um eine Querschnittsstudie mit 1018 Patienten aus 13
allgemeinmedizinischen Arztpraxen. Mit Hilfe eines auf den Kernempfehlungen der
NVL Kreuzschmerz basierenden Fragebogens wurden demografische Daten, die
Kreuzschmerzanamnese sowie Erwartungen und Überzeugungen hinsichtlich des
Managements der Kreuzschmerzen erfasst. Um den Non-respose-Bias zu
berücksichtigen, wurden Inverse Wahrscheinlichkeitsgewichte verwendet. Es wurden
deskriptive Analysen und univariate sowie multivariate logistische
Regressionsmodelle durchgeführt. In die Analysen inkludiert wurden insgesamt 977
Patienten mit einem Durchschnittsalter von 57 Jahren und einem Frauenanteil von
60%. Von den Teilnehmern waren 66% bereit auf weitere Untersuchungen zu
verzichten, 44% erwarteten trotz fehlender Indikation eine Bildgebung, 70%
erwarteten Massagen, 44% erwarteten Injektionen, 67% waren bereit, ihre
Alltagsaktivitäten beizubehalten. Die Akzeptanz von psychosozialen Faktoren und
deren Behandlung bewegte sich zwischen 31% und 43%. Patienten mit starken
Zweifeln hinsichtlich der effektiven Therapierbarkeit ihrer Kreuzschmerzen durch
Ärzte erwarteten trotz dessen die Ausschöpfung sämtlicher diagnostischer und
therapeutischer Optionen einschließlich der psychotherapeutischen Interventionen.
Die Erwartungshaltung der Patienten zum Management ihrer Kreuzschmerzen
stimmt teilweise mit den Empfehlungen der aktuellen Leitlinien überein und wird
scheinbar von früheren Behandlungserfahrungen, dem Gesundheitszustand und
Bildungsniveau beeinflusst. Weitere Untersuchungen sind erforderlich, um den
Einfluss dieser Faktoren auf eine individuellere Therapie und Patientenzufriedenheit
zu bewerten.
Das im deutschen Grundgesetz festgehaltene Ziel der „Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse“ wird zunehmend auch im präventiven und krankheitsbezogenen Kontext diskutiert. Kinder und Jugendliche haben diesbezüglich speziellen Bedarf. Ihr Gesundheitszustand wirkt sich auf den gesamten Lebensverlauf aus. Es gibt allerdings Regionen, zumeist ländlich geprägt, in denen eine flächendeckende, bedarfsgerechte und wohnortnahe Versorgung mit Pädiater*innen bereits jetzt oder zukünftig gefährdet ist.
Es werden zwei Publikationen mit Ergebnissen aus zwei Expert*innenbefragungen thematisiert. Eine Befragung adressierte zwei Stichproben von Kita-Eltern und verglich diese miteinander. Die andere Befragung bezog Angehörige verschiedener Gesundheitsprofessionen als in der Pädiatrie aktive Leistungserbringer*innen ein. Beide Befragungen waren fokussiert auf die medizinische Versorgungssituation in Mecklenburg-Vorpommern und auf die Akzeptanz gegenüber einer innovativen Versorgungsmöglichkeit in Form von berufsgruppenübergreifender Zusammenarbeit in der ambulanten Pädiatrie.
Als wichtigste Ergebnisse ist zum einen festzuhalten, dass Kinder und Jugendliche in ländlichen Regionen seltener einer für ihre Bedürfnisse ausgebildeten Ärzt*in vorgestellt wurden. Zum anderen nahmen mehr als die Hälfte aller teilnehmenden Experte*innen (54 Prozent der Eltern und 58 Prozent der Leistungserbringer*innen) Probleme in der medizinischen Versorgung der Kinder und Jugendlichen in Mecklenburg-Vorpommern wahr. Gegenüber der berufsgruppenübergreifenden Zusammenarbeit zeigte sich in den Befragungen eine relativ hohe Akzeptanz, so dass in einer der Publikationen neben den Befragungsergebnissen die Entwicklung eines mehrdimensionalen Konzeptes zu ihrer Umsetzung vorgestellt wird.
Darüber hinaus wurden in den letzten Jahren zwei weitere Konzepte innovativer Versorgungsansätze implementiert und evaluiert, die in die Dissertationsarbeit integriert werden. Dies waren Pilotprojekte zu Machbarkeit und Akzeptanz einer telemedizinischen Dringlichkeitseinschätzung in pädiatrischen Notaufnahmen und für eine hausärztlich-pädiatrische Kooperation. Beide Projekte wurden positiv evaluiert. Es gibt Transfer-Strategien und Finanzierungsmöglichkeiten zu einer Ausweitung dieser Versorgungsformen. Die Veröffentlichung der Ergebnisse dieser beiden Konzepte ist derzeit in Vorbereitung.
Ob die Transfer-Strategien für diese Projekte erfolgreich sein werden, entscheidet letztlich der gesundheitspolitische Wille zu langfristigen Veränderungsprozessen.
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Entwicklung einer Schmerzzeichnung und der Verbreitung von multilokulären Schmerzen in der vorpommerschen Allgemeinbevölkerung. Bei der Auswertung der Daten wurden 4 Forschungsfragestellungen untersucht: 1. Wie differenziert sollte die Auswertung einer Schmerzzeichnung nach Körperregionen zur Lokalisation der Schmerzproblematik erfolgen? 2. Wie konsistent werden verschiedene Ansichten des menschlichen Körpers einer Schmerzzeichnung genutzt, die dieselbe Körperregion darstellen? 3. Wie gut stimmen die Angaben aus einer Schmerzzeichnung mit den Selbstauskünften im dazugehörigen Fragebogen überein? 4. Wie verbreitet sind multilokuläre Schmerzen in der vorpommerschen Bevölkerung laut Angaben in der Schmerzzeichnung?
Als Datenquelle diente ein Fragebogen mit Schmerzmännchen, welcher aus der „Study of Health in Pomerania“ (SHIP-Studie) stammte, speziell aus der Erhebung SHIP-2 mit 2333 Teilnehmern, welche den Langzeitverlauf von subklinischen Befunden, ihrer Determinanten und prognostischen Werte untersuchte.
Die vorliegende Arbeit zeigt, dass eine Schmerzzeichnung mittels der Gitter-Technik genauer ausgewertet werden kann, als zumeist üblich. Um einen guten Überblick über vorhandene Schmerzen im Rahmen epidemiologischer Erhebungen zu bekommen, sind keine acht Körper- und Kopfansichten notwendig, da die Möglichkeiten zum Einzeichnen der Schmerzen bei weitem nicht ausgeschöpft werden. Für eine praktische Anwendung wären die Körperansichten von vorne und hinten in entsprechender Größe im Rahmen einer Bevölkerungsstudie ausreichend. In der Gegenüberstellung von Ergebnissen aus Interview und Schmerzzeichnung zeigen sich systematische und teilweise erhebliche Methodenunterschiede, die einer weiteren Untersuchung bedürfen. Prävalenzschätzungen sind zwischen beiden Methoden nicht ohne weiteres übertragbar. Damit gestaltet sich auch eine Interpretation der Prävalenzen auf Basis der Schmerzzeichnungen in SHIP im Vergleich zu anderen Bevölkerungsstudien als schwierig, da diese typischerweise Listen von Körperregionen per Interview oder Fragebogen einsetzen. Im Einklang mit bestehenden Arbeiten wird aber auch bei der hier eingesetzten Schmerzzeichnung deutlich, dass multilokuläre Schmerzen häufiger vorkommen als Schmerzen alleine in einer Region.
Statistisch gesehen erkrankt weltweit alle 3 Sekunden ein Mensch an Demenz, allein in Deutschland beträgt die jährliche Inzidenz 300.000 Fälle. Demenzerkrankungen sind aufgrund des demographischen Wandels schon jetzt eine Herausforderung für das Gesundheitswesen, welches zusätzlich noch durch einen Mangel an Ärztenachwuchs in der Primärversorgung verschärft wird. Ein prominenter Ärztemangel ist statistisch schwer nachzuweisen, jedoch gibt es ernst zu nehmende Hinweise wie er schon heute beispielweise durch das Phänomen der sogenannten „Over-utilizer“ auftritt. Eine weitere Herausforderung ist, dass Demenz in der älteren Bevölkerung unterdiagnostiziert ist. Allgemein ist über die Quantität der Kooperation zwischen niedergelassenen Haus- und Fachärzten in der Demenzdiagnostik und Therapie wie in der S3-Leitlinie empfohlen, wenig bekannt.
Es besteht der Bedarf an Versorgungsforschung mit Primärdaten über das Thema Diagnostik und Differentialdiagnostik in der Primärversorgung.
Das Ziel der vorliegenden kumulativen Dissertationsschrift ist es, hier einen empirischen Beitrag zu leisten. Unter anderem wurde analysiert wie hoch die Inanspruchnahme niedergelassener Fachärzte durch hausärztlich versorgte Menschen mit mindestens einem V.a. Demenz ist und welche Faktoren damit assoziiert sind. Es wurde auch untersucht ob und wie sich die S3-Empfehlungen zur leitliniengerechten Diagnostik der Demenz bei der Behandlung der Probanden widerspiegeln.
Aus eigenem Interesse lag ein weiterer Fokus auf der Prüfung von Zusammenhängen zwischen experimentellen Scores zur cMRT-Analyse und den in der Versorgung gebräuchlichen kognitiven Kurztests von beteiligten Probanden.
Die Analysen basieren auf Daten von Probanden der DelpHi-Studie. In dieser wurden Probanden mithilfe von Hausärzten unter Anwendung des DemTec rekrutiert. Eingeschlossen wurden Menschen, bei denen aufgrund des Screenings ein Verdacht auf eine Demenz vorlag, diese noch in eigener Häuslichkeit lebten und die ihre informierte Einverständniserklärung abgaben. Bei diesen Probanden wurden die ärztliche Akte, die Facharztkonsultationen und das Bildmaterial angefordert, sowie weitere persönliche Datenerhebungen eingeleitet.
Aufgrund der Analysen der Primärdaten konnte unter anderem die Inanspruchnahme von Fachärzten der Neurologie und Psychiatrie eruiert werden. Abhängig von dem Umstand, ob ein Demenzerkrankter bei einem Facharzt vorstellig gewesen war, wurden die Daten der Studienteilnehmer zur Analyse in 2 Gruppen („GP-only“ und „GP+specialist“) eingeteilt und die beiden Gruppen in ihren Charakteristika miteinander verglichen. Dabei zeigten sich die Variablen „Alter“, „Partnerschaftsstatus“, „Vorhandensein einer formalen Demenzdiagnose bei Studienbeginn“ als statistisch signifikant.
Es zeigt sich, dass Probanden, die einen Facharzt aufgesucht haben, insgesamt eher jünger; eher in einer Partnerschaft leben und dass bei ihnen bereits Demenz diagnostiziert wurde. Werden alle untersuchten Variablen in einem Logistischen Regressionsmodell untersucht, so fallen die Variablen „Alter“ und „B-ADL“ statistisch signifikant auf. Das bedeutet, dass wenn das Alter des Patienten um ein Jahr ansteigt, so sinkt die relative Wahrscheinlichkeit, dass ein MmD zu einem Facharzt überwiesen wird um 5,2 %. Ebenso stellt sich dar, dass wenn die Alltagsmobilität, welche mit dem B-ADL gemessen wurde, um eine Einheit steigt, so erhöht sich die relative Wahrscheinlichkeit, dass ein MmD zum Spezialisten überwiesen wird um 15,2 %,
Des Weiteren konnte ein kritischer Blick auf die Anwendung der aktuellen S3-Leitlinie zur Demenz anhand der Auswertung der DelpHi-Studie geworfen werden. Erstmals wurden in diesem Setting das studienbedingt vorhandene Bildmaterial durch etablierte Scores analysiert und zusammen mit den Ergebnissen aus den kognitiven Kurztests ausgewertet. Dabei wurde in dieser Arbeit ein Fokus auf den MTA-Score von Scheltens et al. gelegt, mit dem die Hippocampusatrophie eines Demenzerkrankten in 4 Schweregrade eingeteilt wird. Anschließend wurden diese Ergebnisse mit den ebenfalls vorhandenen Resultaten der kognitiven Tests des MMST gegenübergestellt, was in fast der Hälfte der Fälle Ambivalenzen auslöste.
Allgemein lässt sich sagen, dass Frauen und Alleinlebende seltener, Jüngere öfter und Patienten mit niedrigerem Funktionsniveau häufiger beim FA gewesen sind und erweiterte bildgebende Diagnostik erhalten haben. Tatsächlich bekamen aber weniger als die Hälfte derer, die überwiesen wurden ein cMRT als erweiterte Diagnostik verordnet. Insgesamt ist es wünschenswert die S3-Leitlinie zur Demenz zu stärken und die Motivation der Fach-, und Hausärzte diese anzuwenden zu steigern, zum Wohle einer umfänglichen Diagnostik von demenzverdächtigen oder erkrankten Patienten. Die Ergebnisse konnten der Fachwelt durch die Publikation in internationalen, peer-reviewed Journals zugänglich gemacht werden.
Die Pflege demenziell erkrankter Menschen geht bekanntermaßen mit einer Belastung für die Pflegepersonen einher. Ziel dieser Studie war es, die Belastung pflegender Angehöriger und professioneller Pflegekräfte unmittelbar nach Krankenhausaufnahme des Menschen mit Demenz zu beschreiben.
In dieser deskriptiven Querschnittstudie füllten 25 pflegende Angehörige und 25 professionelle Pflegekräfte der geschlossenen gerontopsychiatrischen Station eines Krankenhauses in Greifswald einen Fragebogen (BIZA-D-PV)
aus, der in verbundenen Stichproben ausgewertet wurde. Es wurden Häufigkeitsverteilungen, Mittelwertunterschiede und Korrelationen bestimmt. Darüber hinaus erfolgte eine Einordnung der pflegenden Angehörigen in Risikogruppen.
Die pflegenden Angehörigen empfanden eine höhere Belastung durch kognitive Einbußen, Aggressivität und Verwirrtheit des Menschen mit Demenz im Vergleich zu den professionellen Pflegekräften. Statistisch signifikante Unterschiede in Hinblick auf die Belastung durch praktische Pflegeaufgaben ließen sich nicht feststellen. Weibliche Angehörige gaben eine höhere Belastung an als männliche Angehörige, wohingegen in der Gruppe der professionellen Pflegekräfte die männlichen Befragten eine höhere Belastung empfanden.
Es wurden Korrelationen zwischen einzelnen Belastungsdimensionen und dem Alter der Pflegenden, dem Schweregrad der Demenz sowie körperlichen Beschwerden der Pflegenden beschrieben. Die Einordnung der pflegenden Angehörigen in Risikogruppen zeigte ein hohes Risiko für die Entwicklung von Depressionen bei den Pflegenden, für Gewaltanwendung gegenüber den demenziell Erkrankten und deren Heimeinweisung innerhalb der nächsten Monate in 44-72% der Fälle.
Die Ergebnisse verdeutlichen die Notwendigkeit, Erkenntnisse über die Belastung der Pflegenden im zeitlichen Verlauf der Pflege zu sammeln, um zielgerichtete Interventionen entwickeln zu können. Derartige Interventionen sollten darauf abzielen, eine Reduktion der Pflegebelastung zu ermöglichen und Krankenhauseinweisungen aufgrund einer Krise
der häuslichen Pflege zu vermeiden.
Einleitung
Der EQ-5D ist ein etablierter Fragebogen zur Messung der gesundheitsbezogenen
Lebensqualität von Erwachsenen. Die Entwicklung einer kinderfreundlichen Version dieses
Instrumentes, namens EQ-5D-Y, ermöglicht die Erhebung von vergleichbaren
Lebensqualitätsdaten bei Kindern und Jugendlichen. Die vorliegende Studie dient der
ergänzenden Validierung und methodischen Absicherung des EQ-5D-Y durch Anwendung
bei kranken Kindern und Jugendlichen.
Methoden
Es wurden 235 akut und chronisch erkrankte Probanden, davon 107 Kinder (5-12 Jahre) und
128 Jugendliche (13-18 Jahre), in die Studie eingeschlossen. Die Befragungen wurden im
Krankenhaus, in ambulanten Sprechstunden und in Rehakliniken durchgeführt. Die
Rehapatienten wurden zum Rehabeginn sowie vor der Abreise befragt, während bei allen
anderen Patienten eine einmalige Datenerhebung erfolgte. Der Patientenfragebogen umfasste
neben dem EQ-5D-Y weitere bereits validierte Lebensqualitätsinstrumente wie den KINDL-R
und den KIDSCREEN-10. Die behandelnden Ärzte beantworteten ebenfalls einen
Fragebogen, der u.a. die Proxy-Version des EQ-5D-Y beinhaltete.
Neben Häufigkeitsanalysen des EQ-5D-Y auf Itemebene wurden die fehlenden Werte
ausgezählt sowie Mittelwerte und Standardabweichungen berechnet und mit dem KINDL-R
und KIDSCREEN-10 verglichen. Eine Varianzanalyse sollte Unterschiede zwischen den
einzelnen Diagnosegruppenmittelwerten detektieren. Zur Bestimmung der konvergenten
Validität wurde der EQ-5D-Y mit den beiden genannten Vergleichsinstrumenten korreliert.
Weiterhin wurden die Patientendaten den Ärztedaten gegenübergestellt und auf
Übereinstimmung überprüft. Die Daten der Längsschnittstudie der Rehagruppe dienten der
Berechnung der Änderungssensitivität. Mithilfe eines Ankerinstrumentes wurden je nach hier
angegebener Veränderung des Wohlbefindens drei Gruppen gebildet (verbesserter,
unveränderter oder verschlechterter subjektiver Gesundheitszustand) und die standardisierten
Effektstärken (SES) berechnet.
Ergebnisse
Die Kinder waren im Durchschnitt 10,31 (SD 1,46) und die Jugendlichen 15,22 (SD 1,52)
Jahre alt. In beiden Altersgruppen wurden im EQ-5D-Y am häufigsten Schwierigkeiten im
Bereich ‚Schmerzen/körperliche Beschwerden‘ und am seltensten in der Dimension ‚für sich
selbst sorgen‘ angegeben. Die von 0-100 transformierten Mittelwerte des EQ-5D-Y lagen bei
90,47 (Kinder) und 84,45 (Jugendliche), die der EQ-VAS bei 82,79 (Kinder), 78,25
(Jugendliche). In der Kinderbefragung blieb im EQ-5D-Y eine Frage unbeantwortet, bei den
Jugendlichen gab es je zwei fehlende Werte beim EQ-5D-Y und bei der EQ-VAS. Die
Deckeneffekte betrugen beim EQ-5D-Y 47,7% in der Kindergruppe und 34,4% in der
Jugendgruppe, bei der EQ-VAS: 21,5% (Kinder), 7,0% (Jugendliche). Ein
schlechtmöglichster Gesundheitszustand wurde nicht genannt. Verglichen mit dem KINDL-R
und dem KIDSCREEN-10 waren die Mittelwerte und Deckeneffekte des EQ-5D-Y größer
und der Anteil fehlender Werte deutlich geringer. In der Varianzanalyse wurden verglichen
mit den anderen Instrumenten die meisten signifikanten Unterschiede für den EQ-5D-Y
insbesondere in der Gruppe mit akuten Erkrankungen berechnet. Die Korrelationen zwischen
dem EQ-5D-Y und den Vergleichsinstrumenten lagen in beiden Altersgruppen insgesamt im
mittleren Bereich. Die EQ-VAS korrelierte in der Kindergruppe schwach und in der
Jugendgruppe mittel bis stark mit dem KIDSCREEN-10 und dem Gesamtwert des KINDL-R.
Im Arzt-Patienten-Vergleich wurden in beiden Altersgruppen die höchsten Werte (Cohens
Kappa) in der Dimension ‚Schmerzen/körperliche Beschwerden‘ berechnet (Kinder: 0,23,
Jugendliche: 0,27). Die stärkste Korrelation nach Pearson fand sich im Item
Schmerzen/körperliche Beschwerden (0,21) in der Kindergruppe. Bei den Jugendlichen lag
der größte Wert bei 0,38 in der Dimension ‚alltägliche Tätigkeiten‘. Die ICC für die EQ-VAS
lag bei 0,05 (Kinder) und 0,23 (Jugendliche). In der Rehapatientengruppe mit unverändertem
Wohlbefinden lagen die SES des EQ-5D-Y bei annähernd Null (-0,08 Kinder; -0,13
Jugendliche). Bei der EQ-VAS lagen die Werte in dieser Gruppe bei 0,50 (Kinder), 0,18
(Jugendliche). In der Gruppe mit subjektiver Gesundheitsverbesserung zeigte der EQ-5D-Y
eine positive Veränderung an (0,47 Kinder; 0,25 Jugendliche). Für die EQ-VAS wurden hier
ebenfalls positive SES berechnet. In der Gruppe mit verschlechtertem Befinden betrugen die
SES des EQ-5D-Y -0,20 (Kinder) und 0,01 (Jugendliche), die SES der EQ-VAS 0,04 (Kinder)
sowie -1,12 (Jugendliche). Die SES der Vergleichsinstrumente waren ebenfalls entsprechend
der Gruppenzuteilung meist positiv, gleichbleibend oder negativ.
Schlussfolgerung
Der EQ-5D-Y-Fragebogen erwies sich bezüglich der durchgeführten Analysen insbesondere
im Vergleich zu den bereits erprobten HRQoL-Instrumenten bei der Anwendung an kranken
Kindern und Jugendlichen als hinreichend valide. Durch die begrenzte Diagnosenauswahl und
relativ kleinen Stichprobenumfänge wäre es jedoch empfehlenswert, die dargelegten
Ergebnisse durch weitere Daten zu ergänzen.
Hintergrund: Aus dem generischen Profilinstrument VR 12 ist es möglich, das präferenzbasierte Lebensquali-tätsinstrument VR-6D abzuleiten. Bislang existieren jedoch keine Untersuchungen, die die Eignung des „deutschsprachigen“ VR-6D für gesundheitsökonomische Fragestellungen adressieren. Die in dieser Arbeit durchgeführten Analysen greifen genau diese Lücke auf.
Methodik: Die vorliegende Arbeit umfasst die Übersetzung des englischsprachigen VR-12 in die deutsche Spra-che sowie die Untersuchung der messmethodischen Eigenschaften des VR-6D an einer Stichprobe von ortho-pädischen und psychosomatischen Patient*innen der medizinischen Rehabilitation. Diese füllten zu Reha-Beginn und am Reha-Ende den VR-12 oder SF-12 Fragebogen u. a. zusammen mit dem EQ-5D Instrument aus. Folgende Eigenschaften wurden analysiert: Fehlende Werte, deskriptive Verteilungseigenschaften, Kennwerte der Übereinstimmungsreliabilität (Intra-Klassen-Korrelationskoeffizienten (ICC) und Bland-Altman-Plots), Kon-struktvalidität (Pearson Korrelationskoeffizient r), Known-Group-Validität von unterschiedlich stark beeinträch-tigten Patient*innen sowie die verteilungsbasierten Effektmaße SES (Standardized Effect Size) und SRM (Stan-dardized Response Mean) zur Erfassung von Gesundheitsveränderungen. Die VR-6D-Ergebnisse wurden mit den Befunden des SF-6D indirekt und mit denen des EQ-5D-5L direkt verglichen. Abschließend erfolgte die Berechnung von Qualitätsadjustierten Lebensjahren (QALYs) mittels des VR-6D, SF-6D und EQ-5D-5L in Abhän-gigkeit der Maßnahmenart (HV= Heilverfahren; AHB= Anschlussheilbehandlung) sowie der körperlichen Funkti-onsfähigkeit (FFbH= Funktionsfragebogen Hannover) für Rehabilitanden der Orthopädie. Hierbei wurde der QALY-Gewinn in einem Zeitraum von einem Jahr ab Rehabilitationsbeginn berechnet.
Ergebnisse Die Übersetzung des englischsprachigen VR-12 in die deutsche Sprache war nur mit sehr wenigen Modifikationen verbunden. Die deskriptiven Kennwerte (MW, SD, Wertebereich, Boden- und Deckeneffekte) des VR-6D zeigten sich vergleichbar mit denen des SF-6D. Es konnten für beide Instrumente weder Boden- noch Deckeneffekte erfasst werden. Übereinstimmungsprüfungen mittels ICC und Bland-Altman-Plots ergaben, dass im indirekten Instrumentenvergleich der VR-6D eine etwas geringere Übereinstimmung mit dem EQ-5D-5L aufweist als der SF-6D mit dem EQ-5D-5L. Zwischen VR-6D und EQ-5D-5L zeigte sich insgesamt eine moderate, jedoch geringere Zusammenhangsstruktur als zwischen SF-6D und EQ-5D-5L, was besonders in der Psychoso-matik zu beobachten war. Die Known-Group-Validität mittels des VR-6D ergab, dass gesundheitlich beeinträch-tigte Patienten einen geringeren Nutzwert aufwiesen als weniger gesundheitlich beeinträchtigte Patient*innen. Vergleichbare Befunde zeigten sich mit dem SF-6D. Die erfassten Änderungssensitivitäten variierten je nach Effektmaß (SES, SRM) und Instrument. Insgesamt konnten mit dem VR-6D kleine bis moderate und mit dem SF-6D moderate Gesundheitsveränderungen erfasst werden. Im Instrumentenvergleich erwies sich der SF-6D in der Orthopädie änderungssensitiver als der VR-6D. Sowohl für Patienten der AHB als auch des HV konnten QALYs generiert werden, wobei sich mit dem VR-6D die geringsten QALYs für die AHB-Patient*innen ergaben. HV-Patient*innen mit einer schlechteren körperlichen Funktionsfähigkeit wiesen ebenfalls einen geringeren QALY-Gewinn mit dem VR-6D als mit dem SF-6D auf.
Diskussion Die mit dem VR-6D erfassten und dem SF-6D ähnlichen deskriptiven Verteilungseigenschaften bele-gen eine gute Vergleichbarkeit der beiden Instrumente und spiegeln internationale Befunde wider. Der VR-6D erwies sich auf Indikationsebene sowie auf Ebene unterschiedlich stark beeinträchtigter Patient*innen als ein differenzierungsfähiges und dem SF-6D vergleichbares Instrument. Die Sensitivität des VR-6D gegenüber Ver-änderungen durch den Erhalt einer rehabilitativen orthopädischen als auch psychosomatischen Behandlung konnte in den hier präsentierten Stichproben belegt werden und stützt internationale Befunde. Die Unter-schiede in den Änderungssensitivitäten zwischen VR-6D und SF-6D in der Orthopädie müssen dennoch weiter erforscht und Vergleichsdaten gegenübergestellt werden. Die Befunde des anwendungsbezogenen Vergleichs halten fest, dass es mit dem VR-6D möglich ist, QALYs für die hier betrachteten Patientengruppen auszuweisen. Die vorliegenden Befunde müssen aufgrund des Fehlens von weiteren Referenzdaten dennoch mit Bedacht interpretiert werden und machen zusätzliche Forschungsaktivitäten notwendig.
Im Rahmen der vorliegenden Analyse wird das Interventionsprogramm Cordiva der AOK Nordost für Menschen mit Herzinsuffizienz auf der Basis von Abrechnungsdaten evaluiert. Die Intention-to-treat Analyse zeigt positive Effekte der telemedizinischen Intervention für die teilnehmenden Versicherten. Das adjustierte OR für Überleben nach einem Jahr beträgt 1,47 gegenüber der gemachten Kontrollgruppe (95%-CI: 1,21 - 1,80, p < 0,001) und ist auch nach zwei Jahren ähnlich groß (adjustiertes OR = 1,51, 95%-CI: 1,28 - 1,77, p < 0,001). Bei den Gesundheitskosten unterscheiden sich die Ergebnisse in städtischen (-18 Euro pro Quartal und Versicherten) und ländlichen Regionen (-276 Euro pro Quartal und Versicherten). Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Intervention insgesamt wirksam und für große Patientengruppen auch gesundheitsökonomisch effizient ist.
Die ambulante geriatrische Komplexbehandlung (AGKB) verfolgt das Ziel der Vermeidung bzw. Verminderung von Pflegebedürftigkeit und der Vermeidung von Hospitalisierungen. Die AGKB wurde als Modellprojekt für multimorbide, geriatrische Patienten im Jahr 2008 für gesetzlich Versicherte der AOK Nordost in Mecklenburg-Vorpommern eingeführt. Die Effektivität der AGKB wurde bisher nur durch unkontrollierte Studiendesigns und einem Follow-up von 6 Monaten evaluiert [16, 18]. Der Einfluss der AGKB auf die Anzahl verschreibungspflichtiger Arzneimittel (bzw. Wirkstoffe) und potenziell inadäquater Medikamente (PIM) wurde bisher nicht untersucht. Wir evaluierten die AGKB mittels drei unterschiedlichen Studien mit unterschiedlicher Datenherkunft. Eine Beobachtungsstudie auf Basis klinischer Primärdaten der AGKB Teilnehmer ohne Kontrollgruppe, eine gematchte Kohortenstudie auf Basis von Abrechnungsdaten der AOK Nordost und eine Beobachtungsstudie auf Basis von Abrechnungsdaten der AOK Nordost zum Effekt der AGKB auf Polypharmazie und potenziell inadäquate Arzneimittel.
Die Beobachtungsstudie auf Basis klinischer Primärdaten zeigte einen positiven Effekt der AGKB auf Selbstständigkeit, Mobilität, Gleichgewicht, Sturzrisiko und der subjektiven Einschätzung des Gesundheitszustands. Die Ergebnisse der gematchten Kohortenstudie zeigten keinen Vorteil der AGKB gegenüber der Routineversorgung im Hinblick auf Pflegestufenprogression, Pflegeheimaufnahme, Krankenhausaufnahme, Frakturen und Mortalität. Bei Berücksichtigung der Kosten der Intervention sind auch keine kostenrelevanten Vorteile zu erkennen. Einen positiven Effekt der AGKB auf die Anzahl der verordneten Arzneimittel und die Anzahl der PIMs konnte durch unsere Studie nicht beobachtet werden. Eine mögliche Erklärung der unterschiedlichen Ergebnisse unserer Studien könnte, trotz des Matchings, eine unzureichende Vergleichbarkeit der AGKB Teilnehmer und den Kontrollen sein. Es lagen uns für die gematchte Kohortenstudie keine klinischen Daten und psychosozialen Merkmale der Versicherten vor. Diese könnten ausschlaggebend für den Einschluss der Patienten in die Intervention gewesen sein. Der fehlende positive Effekt der AGKB auf Polypharmazie und PIMs kann durch das Nicht-Vorhandensein eines systematischen Medikamentenreviews als Teil der AGKB Leistung erklärt werden. Vor einer flächendeckenden Einführung ist eine Evaluation mit einer randomisiert kontrollierten Studie notwendig.
Die vorliegende Studie hatte zum Ziel, verschiedene Messinstrumente zur patienten-zentrierten Evaluation des Knie- und Hüftgelenksersatzes (PROMs) zu vergleichen. Untersucht wurden der WOMAC und die hieraus abgeleiteten HOOS und KOOS, der FFbH-OA sowie der Lequesne-Index als gelenkspezifische Messinstrumente und der SF-36 als Messinstrument des allgemeinen Gesundheitszustandes. Zum Vergleich wurden zum ersten Messzeitpunkt pro Gelenk je zwei klinische Scores (Hüfte: Staf-felstein-Score, IOWA Hip Score; Knie: Staffelstein-Score, Knee Society Score) erho-ben. Zunächst erfolgte die Auswertung der Messinstrumente hinsichtlich ihrer Vertei-lungseigenschaften, anschließend wurden Validität, Reliabilität und Änderungssensiti-vität bestimmt. Die Studie war als Längsschnittstudie mit einem Befragungszeitraum von direkt präoperativ bis drei Monate postoperativ angelegt.
Die bereits in vielen Studien bewiesenen überwiegend sehr guten psychometrischen Eigenschaften der verwendeten Messinstrumente bestätigten sich auch in dieser Un-tersuchung. Insgesamt sind sich alle Messinstrumente hinsichtlich ihrer Verteilungs-eigenschaften, Validität und Reliabilität ähnlich. Somit können alle Instrumente emp-fohlen werden.
PROMs werden vor allem in der orthopädischen, rehabilitationswissenschaftlichen und epidemiologischen Forschung eingesetzt, während sie bisher im klinischen Alltag keine breite Verwendung finden. Auch in unserer Studie zeigten sich hohe Korrelati-onen zwischen den klinischen Scores und der subjektiv wahrgenommenen Funkti-onsfähigkeit. Die gute Übereinstimmung zwischen subjektiv und objektiv wahrge-nommener Gesundheit bzw. Funktion spricht dafür, dass der Einsatz von PROMs auch im klinischen Umfeld als Erfolgsmessung einer Maßnahme empfohlen werden kann.
Alle verwendeten Instrumente waren in der Lage, Veränderungen im Zeitverlauf ab-zubilden. Die gelenkspezifischen Fragebögen wiesen hierbei überwiegend etwas hö-here Werte auf als der allgemeine SF-36. Diese Tendenz zeigte sich auch in der Un-tersuchung nach Aufteilung der Gesamtstichprobe in Gruppen bezüglich der Kriterien „Geschlecht“, „Alter“ und „präoperativer Schmerz“. Neben den Funktionsskalen zeig-ten auch die ergänzend betrachteten Skalen „Schmerz“, „Steifigkeit“, „Sport“ und „Lebensqualität“ deutliche Verbesserungen im Zeitverlauf. Insgesamt besteht somit eine deutliche Verbesserung auch in anderen Bereichen als der reinen Gelenkfunkti-on, was als Hinweis auf die Effektivität eines Gelenkersatzes auch auf die Faktoren „Schmerz“ und „Lebensqualität“ gedeutet werden kann.
Zusammenfassend können alle in der vorliegenden Studie verwendeten Messinstru-mente empfohlen werden. Für die direkte Ergebnismessung beispielsweise eines Gelenkeingriffs bieten die gelenkspezifischen Messinstrumente aufgrund ihrer höhe-ren Änderungssensitivität Vorteile. WOMAC und HOOS bzw. KOOS waren aufgrund besserer Reliabilität und größerer Änderungssensitivität dem Lequesne Index und dem FFbH leicht überlegen. Für Studien, die auch über die reine Gelenkfunktion hin-ausgehende Aspekte untersuchen, empfiehlt sich die (zusätzliche) Verwendung von allgemeinen Instrumenten. Analog zu anderen Untersuchungen konnte auch in die-ser Studie die hohe Übereinstimmung von durch einen Untersucher erhobenen Be-funden mit der subjektiven Gesundheitswahrnehmung gezeigt werden, so dass die Verwendung von patientenzentrierten Messinstrumenten auch im klinischen Alltag zur Ergebnismessung einer medizinischen Behandlung (ergänzend) sinnvoll, kosten-günstig und wenig aufwendig ist und daher auch zur routinemäßigen Anwendung in klinischen Settings empfohlen werden kann.
Assoziation zwischen Thyreotropin und dem Lipidprofil bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland
(2017)
Zielstellung:
Es gibt noch keine populationsbezogene Studie, die den Zusammenhang zwischen Thyreotropin (TSH) und den Lipidparametern Gesamtcholesterin, Low-Density-Lipoprotein-(LDL)-Cholesterin, High-Density-Lipoprotein-(HDL)-Cholesterin und Triglyzeriden bei Kindern und Jugendlichen unter-sucht hat, trotz der möglichen Auswirkungen eines erhöhten Lipidprofils auf die Entstehung von kardiovaskulären Erkrankungen.
Teilnehmer und Methoden:
Es wurden Eigenschaften und Laborparameter von insgesamt 6 622 drei- bis zehnjährigen Kindern und 6 134 elf- bis 17-jährigen Heranwachsenden der Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland (KiGGS) analysiert. Primäre Expositionsvariable dieser Querschnittsstudie war der mit einer Elektroluminiszenz-Methode gemessene TSH-Spiegel im Serum. Primäre Outcomevariablen waren die Gesamtcholesterin-, LDL-Cholesterin-, HDL-Cholesterin- und Triglyzeridspiegel im Serum, die über enzymatische Farbanalysen bestimmt wurden. Die Variablen wurden mithilfe von altersspezifischen Grenzwerten kategorisiert.
Ergebnisse:
Signifikante positive Assoziationen lagen bei Kindern zwischen Serum-TSH-Spiegeln und allen Nicht-HDL-Cholesterinspiegeln (Gesamtcholesterin-, LDL-Cholesterin- und Triglyzeridspiegeln) vor (β = 0,90, 95 %-Konfidenzintervall [KI]: 0,53 – 1,27; β = 0,78, 95 %-KI: 0,44 – 1,13; und β = 0,90, 95 %-KI: 0,52 – 1,27), gleichermaßen bei Jugendlichen (β = 0,90, 95 %-KI: 0,47 – 1,32; β = 0,67, 95 %-KI: 0,29 – 1,05; und β = 0,92, 95 %-KI: 0,49 – 1,35; p < 0,05). Stratifizierte Modelle deuteten darauf hin, dass diese Zusammenhänge besonders stark bei übergewichtigen und adipösen Kindern waren. Kinder mit erhöhten TSH-Spiegeln hatten im Vergleich zu Kindern mit TSH-Spiegeln im Referenzbereich höhere Nicht-HDL-Cholesterinspiegel.
Fazit:
Wie schon bei Erwachsenen bekannt, zeigt diese Studie bei Kindern und Jugendlichen einen positiven Zusammenhang zwischen den Serumspiegeln von TSH und Nicht-HDL-Lipiden. Längsschnittstudien könnten klären, ob ein erhöhter Serum-TSH-Spiegel, der von einem unvorteilhaften Lipidprofil begleitet wird, im Erwachsenenalter fortdauert.
Die Dichte von medizinischen Versorgungseinrichtungen und Leistungserbringern ist in ländlichen Räumen gering. Zu überwindende Distanzen können aufgrund dessen groß sein. Die Einwohner peripherer Räume sind jedoch oft älter, haben ein höheres Morbiditätsrisiko und einen größeren Bedarf an medizinischer Versorgung. Dazu kommen mit dem Alter zunehmenden Mobilitätseinschränkungen. Obwohl der motorisierte Individualverkehr in ländlichen Räumen dominiert, ist auch die Erreichbarkeit durch den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) wichtig, da gerade ältere Menschen seltener ein Auto besitzen.
Das Ziel dieser Arbeit war die Untersuchung der Pkw- und ÖPNV-Erreichbarkeit von Hausärzten (Allgemeinmediziner und hausärztliche Internisten), Augenärzten, fachärztlichen Internisten und Urologen im Landkreis Vorpommern-Greifswald sowie die Analyse wie viele Einwohner von guter bzw. schlechter Erreichbarkeit betroffen sind und ob eine längere Fahrzeit mittels Pkw und ÖPNV einen Einfluss auf die Inanspruchnahme von Hausärzten bzw. Frauenärzten in Vorpommern hat.
Die Erreichbarkeitsanalysen für diese Vorhaben wurden in einem Geografischen Informationssystem (GIS) mittels Netzwerkanalysen auf der Basis von digitalen routingfähigen Straßendaten mit der Software ESRIArcGIS 10.0 Esri Inc., Redlands/California (USA) durchgeführt. Für die ÖPNV-Erreichbarkeit wurde zusätzlich ein Model verwendet, dass auf der Implementation des Dijkstra Algorithmus‘ die Fahrpläne der regionalen Verkehrsbetriebe einliest und Routen zu den nächstgelegenen medizinischen Leistungserbringern berechnet. Unterschiede zwischen den Arztgruppen wurden mit dem Kruskal-Wallis-Test bestimmt. Die Daten zur Inanspruchnahme stammen aus der Study of Health in Pomerania (SHIP) aus dem 5-Jahres-Follow-Up SHIP-1. Determinanten für die Inanspruchnahme wurden mit multiplen logistischen Regressionen ermittelt. Für die statistischen Berechnungen wurde die Software SAS 9.3 © 2002-2010 (SAS Institute Inc., Cary, NC, USA) verwendet.
Die Pkw-Fahrzeit zum Hausarzt beträgt maximal 23 Minuten, während die ausgewählten spezialisierten Fachärzte in maximal 43 Minuten erreicht werden. 80 % der Bevölkerung erreicht den Arzt jedoch innerhalb von 20 Minuten. Die ÖPNV-Fahrzeit (hier Hin- und Rückfahrt) beträgt durchschnittlich 100 Minuten zum Hausarzt und zwischen 130 und 160 Minuten zum ausgewählten spezialisierten Facharzt. 4 – 7 % der Bevölkerung hat keine Verbindung (Hin- und Rückfahrt) mit dem ÖPNV zum Hausarzt bzw. Facharzt. Die Unterschiede zwischen Haus- und Fachärzten sind statistisch signifikant.
Bezüglich des Einflusses der Erreichbarkeit auf die Inanspruchnahme hat sich gezeigt, dass die Erreichbarkeit keinen signifikanten Einfluss hat, wenngleich ein Trend zur geringeren Inanspruchnahme bei größeren Entfernungen erkennbar ist. Für die Inanspruchnahme der Frauenärzte sind jedoch das Alter, der Sozialschichtindex und Personen im Haushalt ≥ 18 Jahre (potentielle Mitfahrgelegenheiten) statistisch signifikante Determinanten.
Eine gute ÖPNV-Erreichbarkeit ist nicht nur eine Frage der Distanz, sondern vor allem der Anbindung. Mithilfe von Erreichbarkeitsanalysen lassen sich Räume identifizieren, die einen schlechteren räumlichen Zugang zur Versorgung haben, weshalb Erreichbarkeitsanalysen in Planungsprozessen im Gesundheitsbereich grundsätzlich Anwendung finden sollten.
Eine geringere Inanspruchnahme ist in Vorpommern nicht signifikant mit schlechterer Erreichbarkeit im Sinne von längeren Fahrzeiten assoziiert. Wichtiger ist, dass es überhaupt eine Verkehrsanbindung gibt, z.B. durch Mitfahrmöglichkeiten.
Hintergrund
Aufgrund verschiedenster Erkrankungen müssen Patienten regelmäßig ärztlich verordnete Medikamente einnehmen. Für den Heilungsprozess sowie zur Abwendung von gesundheitlichen Gefahren durch einen sicheren Umgang mit der eigenen Medikation ist eine sachgemäße Einnahme der Medikation entscheidend. Patienten sollten daher bestimmte Kerninformationen zu ihren ärztlich verordneten Medikamenten kennen und auch über diese Auskunft geben können. Sowohl demografische Faktoren als auch ein Medikamenteneinnahmeplan können die Auskunftsfähigkeit von Patienten beeinflussen.
Methode
In dieser Querschnittstudie wurden insgesamt 637 Patienten in zehn Hausarztpraxen im Raum Göttingen und Westthüringen zu den Medikamentenitems Name, Dosierung, Einnahmefrequenz und Indikation ihrer ärztlich verordneten Medikation befragt. Es erfolgte ein Abgleich der Patientenangaben mit der hausärztlichen Dokumentation. Des Weiteren wurde der Einfluss demografischer Faktoren sowie eines Medikamenteneinnahmeplanes auf die Auskunftsfähigkeit von Patienten zur Medikation untersucht. Die Datenerhebung wurde mittels persönlichen Interview in der Arztpraxis, Telefoninterview und postalischer Befragung durchgeführt.
Ergebnisse
Patienten konnten bezüglich ihrer einzunehmenden Medikation mäßig zum Medikamentennamen (67 %) sowie der Indikation (82 %) und sehr gut zur Dosierung (96 %) und zur Einnahmefrequenz (97 %) Auskunft geben. Es bestand eine relevante Diskrepanz zwischen den hausärztlich dokumentierten Medikamentenverordnungen und den von Patienten tatsächlich eingenommenen Medikamenten. Im Abgleich der Patientenangaben mit der hausärztlichen Dokumentation konnten Patienten am besten den Medikamentennamen (75 %) und am schlechtesten die Indikationen (47 %) übereinstimmend benennen. Mit zunehmender Medikamentenanzahl sank die Übereinstimmungsrate.
Einen Medikamenteneinnahmeplan besaßen 65 % der Patienten. Jedoch nutzten lediglich 19 % diesen zur Beantwortung der Fragen. Der Besitz eines Medikamenteneinnahmeplanes alleine zeigte keinen positiven Effekt auf die korrekte Auskunftsfähigkeit von Patienten zur Medikation, jedoch dessen Anwendung. Eine höhere Bildung (≥10 Jahre) war mit einem höheren Anteil korrekter Angaben assoziiert. Die Einnahme jedes zusätzlichen Medikamentes war ein negativer Indikator. Je nach Erhebungsmodalität variierte die Auskunftsfähigkeit von Patienten, insbesondere bezüglich des Medikamentennamens und der Indikation.
Schlussfolgerung
Patienten kennen bestimmte Basisinformationen zu ihren ärztlich verordneten Medikamenten und können häufig zu diesen Auskunft geben. Es besteht jedoch eine relevante Diskrepanz zwischen den hausärztlich dokumentierten Medikamenten und den Patientenangaben. Insbesondere bei steigender Medikamentenzahl ist die Nutzung eines vorhandenen Medikamenteneinnahmeplanes wichtig. Die meisten Patienten jedoch verwenden diesen, obwohl vorhanden, nicht. Daher führt per se die Ausstellung eines Medikamenteneinnahmeplanes nicht zu einer besseren Auskunftsfähigkeit zur Medikation. Technische Lösungen, um die Arzneimitteltherapiesicherheit zu gewährleisten und Informationslücken zu schließen, sollten unabhängig von einem unvollständigen und oft im Bedarf nicht vorhandenen oder nicht genutzten Medikamenteneinnahmeplan aus Papier entwickelt werden.
Menschen mit Demenz (MmD) sind oft multimorbid und haben komplexe Pharmakotherapie, die mit einer zunehmenden Anzahl von arzneimittelbezogenen Problemen (ABP) einhergeht. Dies kann zu einer Verringerung der Lebensqualität und zu erhöhten Krankenhausaufenthaltsraten für MmD sowie zu hohen Kosten für das Gesundheitssystem führen. Daher ist es wichtig, die Prävention von ABP bei der Planung von Versorgungsprogrammen für MmD zu berücksichtigen. Frühere Studien zur Arzneimitteltherapiesicherheit konzentrierten sich hauptsächlich auf institutionalisierte MmD. Über die Situation in der ambulanter Versorgung ist wenig bekannt. Das Ziel dieser Arbeit ist es, Folgendes zu bestimmen: (a) Häufigkeit und Art der Behandlung mit Antidementiva und damit assoziierte soziodemografische und klinische Prädiktoren (b) Prävalenz von potenziell inadäquater Medikation (PIM) gemäß der Priscus-Liste und damit verbundene soziodemographische und klinische Prädiktoren (c) Häufigkeit und Art der ABP und damit verbundene soziodemografische und klinische Prädiktoren bei MmD in primärärztlicher Versorgung, die positiv auf Demenz gescreent wurden. Die Analysen basieren auf den Daten der DelpHi-MV-Studie, einer clusterrandomisierten, kontrollierten Interventionsstudie zur Evaluation eines innovativen Konzepts des Dementia Care Managements (DCM) in Deutschland. Die Daten von N = 448 Studienteilnehmern (≥70 Jahre, zu Hause lebend), die positiv auf Demenz (DemTect <9) getestet wurden, wurden in die Analyse einbezogen. Für jeden Studienteilnehmer wurde eine Medikationsanalyse auf der Grundlage der häuslichen Medikationsanamnese durchgeführt. Die Ergebnisse zeigten, dass 30% der MmD Antidementiva erhielten, von denen 63% hatten bereits eine formale Demenzdiagnose. In der Untergruppe der Studienteilnehmer mit einer formalen Demenzdiagnose erhielten 46% die Antidementiva. Die Verschreibung von Antidementiva war signifikant mit dem Schweregrad der kognitiven Beeinträchtigung und einer formalen Demenzdiagnose assoziiert. 38% der Studienteilnehmer ohne Demenzdiagnose erhalten Antidementiva. 22% der Studienteilnehmer erhielten mindestens ein PIM gemäß der Priscus-Liste. Die kognitive Beeinträchtigung war nicht mit der Verwendung von PIM assoziiert. Die Verschreibung eines PIM war signifikant mit der Gesamtzahl der eingenommenen Medikamente sowie mit der Diagnose von psychischen und Verhaltenssymptomen assoziiert. Polypharmazie, definiert als die dauerhafte Anwendung von fünf oder mehr Medikamenten, wurde bei 67% der Studienteilnehmer identifiziert, 93% hatten mindestens ein ABP, das von einem Apotheker oder einer Krankenschwester während eines Hausbesuchs entdeckt wurde. Insgesamt wurden 1077 ABP registriert. Probleme im Zusammenhang mit Anwendung und Compliance waren die häufigste Gruppe von ABP, gefolgt von Problemen mit Arzneimittelwechselwirkungen, Problemen mit unangemessener Arzneimittelwahl, Problemen mit der Dosierung und Problemen mit unerwünschten Arzneimittelereignissen. Die kognitive Beeinträchtigung war nicht mit der Gesamtzahl der ABP assoziiert. Die Gesamtzahl der eingenommenen Medikamente und das Vorhandensein einer Diagnose von psychischen und Verhaltenssymptomen waren mit der Gesamtzahl der ABP assoziiert.
Die Dissertation gibt einen Überblick über die Gesamtmedikation und ABP von MmD in der Primärversorgung. Unter anderem wurden die Probleme der Behandlung mit Antidementiva und der Einnahme von PIM diskutiert. Die These legt nahe, dass das Medikationsanalyse auf der Grundlage der häuslichen Medikationsanamnese für MmD wichtig ist, da eine solche Überprüfung die Verfügbarkeit umfassender Informationen über die Gesamtmedikation, Ernährungsfaktoren und die tatsächliche Anwendung von Medikamenten gewährleistet. Die Dissertation bietet somit eine Basis für die Verbesserung der Arzneimitteltherapiesicherheit und die Entwicklung innovativer Versorgungskonzepte für MmD. Die hohe Prävalenz von ABP in dieser Population unterstreicht die Wichtigkeit der Einbeziehung eines Medikationsmanagements in die Versorgungsprogramme für MmD. Identifizierte Risikofaktoren für ABP können dazu beitragen, das Medikationsmanagement für die Patientengruppen anzubieten, die das höchste Risiko aufweisen.
Halsschmerzen gehören zu den häufigen Beratungsanlässen in der Hausarztpraxis und sind zu circa 90% viral bedingt. Um nicht-indizierte Behandlungen mit Antibiotika zu vermeiden gibt es symptomatische Therapieoptionen. AMC / DCBA (Amylmetacresol und 2,4-Dichlorbenzylalkohol) ist eine nicht verschreibungspflichtige Wirkstoffkombination, die in Lutschtabletten (z.B. Strepsils®) enthalten ist. Die Wirkung ist antiseptisch und lokalanästhetisch.
Wir durchsuchten die Datenbanken Medline, Cochraine und EMBASE nach randomisiert kontrollierten Studien, in denen AMC / DCBA gegen Placebo oder andere lokale Behandlungsmethoden getestet wurde. Zwei Gutachter prüften unabhängig Relevanz, Einschlusskriterien und Bias der Studien. Aus den Daten der eingeschlossenen Studien wurden die gewichteten mittleren Differenzen der Schmerzreduktion berechnet.
Diese Metaanalyse fast 3 RCTs mit insgesamt 660 Patienten zusammen und vergleicht AMC / DCBA (0,6 mg Amylmetacresol, 1,2 mg 2,4-Dichlorbenzylalkohol) mit wirkstofffreien Lutschtabletten bei der Behandlung von Halsschmerzen. Berechnet wurden die gewichteten mittleren Differenzen (SMD). Hauptstudienergebnis war die Reduktion der Schmerzintensität von -1,04 Punkten (-1,28 bis -0,79; p<.00001) nach 2 Stunden im Vergleich zum Ausgangswert, gemessen auf einer 11-Punkte Ordinalskala, zum Vorteil für AMC / DCBA. Für die Nebenergebnisse wurden die Schmerzlinderung auf einer 7-Punkte-Skala von 0,89 (1,04 bis 0,73; p<0,00001) und die Linderung der Schluckbeschwerden auf der VAS100 von -0,90 (-1,06 bis -0,75; p<0,00001) nach 2h beobachtet, ebenfalls zugunsten von AMC / DCBA.
In beiden Gruppen berichteten 2 bis 16% der Probanden von Nebenwirkungen, welche meist mild und bezogen auf die eigentliche Atemwegsinfektion waren. 3 Patienten jedoch berichteten von Ulzerationen im Mund, ein Zusammenhang mit der Studienmedikation kann jedoch nicht bewiesen werden [21-23].
Hintergrund:
Geschlecht und Gender sind nicht nebensächlich, sondern spielen eine relevante Rolle in der kindlichen Entwicklung, Erziehung und Gesundheit. Die Diskurse um Geschlecht und Gleichstellung lassen hingegen häufig den durchschnittlichen Reifungsvorsprung der Mädchen außer Acht. Auf diese Weise wird die Kluft zwischen den Geschlechtern bereits im Vorschulalter in beunruhigendem Maße betont. Durch die dichotome Geschlechterperspektive geraten außerdem andere entscheidende Einflussfaktoren wie die soziale und die ethnische Herkunft der Kinder in den Hintergrund. Diese Dissertation setzt den Schwerpunkt daher auf eine angemessene Analyse der Kategorie Geschlecht in ihrer immerwährenden Interaktion mit Anlage und Umwelt.
Methoden:
Die Betrachtungen beruhen auf Daten zu N = 6.447 Kindergartenkindern aus Mecklenburg-Vorpommern (M-V), die im Rahmen der kontrollierten prospektiven Kohortenstudie „Summative Evaluation KiföG M-V“ erhoben wurden. Zur Einschätzung kindlicher Kompetenzen kam das „Dortmunder Entwicklungsscreening für den Kindergarten“ (DESK 3-6) zur Anwendung; weiterhin wurde ein Elternfragebogen zur Erhebung des Sozialstatus eingesetzt. Auf der Grundlage geschlechtsinsensibler Normen erfolgte die Ermittlung kompetenzspezifischer Geschlechtsunterschiede in Abhängigkeit vom Kindesalter, vom Bildungshintergrund und vom Migrationsstatus. Geschlechtsspezifische Normen fanden anschließend Anwendung für die erneute Errechnung der Screeningbefunde von n = 4.251 Kindern im Alter von 48 bis 83 Monaten. Das Effektstärkemaß Cohen’s d diente dabei der Beurteilung der praktischen Relevanz der Geschlechterdifferenzen.
Ergebnisse:
Unter Anwendung der geschlechtsinsensiblen Gesamtnormen schnitten die Jungen jeden Alters schlechter ab – in allen Entwicklungsbereichen und unabhängig vom Kindesalter, vom Bildungshintergrund und vom Migrationsstatus manifestierten sich stets Geschlechtsunterschiede zugunsten der Mädchen. Diese Differenzen vergrößerten sich meist mit zunehmendem Alter und waren stellenweise stärker ausgeprägt bei Kindern aus bildungsnahen Elternhäusern bzw. bei Kindern nicht-deutscher Nationalität. Analysen auf der Grundlage geschlechtsspezifischer Normen ergaben allerdings ein andersartiges, buntes Bild und keine konsistenten Vorteile für ein Geschlecht: Die Unterschiede zwischen Mädchen und Jungen waren alles in allem nicht pädagogisch und praktisch bedeutsam, die Stärken und Schwächen geschlechtstypisch, aber nicht geschlechtsspezifisch verteilt. Die Berücksichtigung geschlechtsbedingter Besonderheiten hatte auch auf die Ermittlung von Entwicklungsrisiken im feinmotorischen und im psychosozialen Bereich einen Einfluss: Die Prävalenzraten wurden dabei durch die geschlechtsinsensiblen Normen für Mädchen mehrheitlich unterschätzt, für Jungen überschätzt.
Schlussfolgerungen:
Die besondere Beachtung geschlechtsspezifischer Entwicklungsaufgaben und Entwicklungsbedingungen entschärft einerseits die „Jungenkrise“ und ermöglicht andererseits eine erweiterte, eine biopsychosoziale Perspektive: Die Unterschiede in den Lernwelten und Lebenswegen von Mädchen und Jungen sind nicht monokausal, sondern multidimensional zu erklären. Statt die Geschlechter gegeneinander auszuspielen, sollte deshalb das Augenmerk auf der Koexistenz von Stärken und Schwächen innerhalb der Geschlechter liegen. Differenzierungen und Diversitäten müssen dringend den Platz von Pauschalisierungen einnehmen, um Behinderungen durch Begriffe und Bilder von Geschlecht gewissenhaft zu umgehen und in angemessener Art und Weise auf ethnische und soziale Herkunft Rücksicht zu nehmen. Im Sinne der Strategien des „Gender Mainstreaming“ und „Managing Diversity“ werden so intersektionale, interdisziplinäre Maßnahmen für mehr Chancengleichheit ins Rollen gebracht. Für frühzeitige Förderung und Frühintervention erscheint entsprechend ein Fokus auf Fähigkeiten und Fertigkeiten statt allein auf Geschlecht und Gender vielversprechend. Kompetenzspezifische, kompensatorische, kultursensible Präventionsansätze bieten die beste Chance, bereits bei Kindergartenkindern die Divergenzen nicht nur im Hinblick auf Geschlecht und Gender, sondern auch auf Ethnizität und Milieu zu verringern.
Hintergrund: Patientennahe und klinische Erhebungsverfahren zur Dokumentation des Therapieverlaufs und des Behandlungserfolgs in der Ambulanten Muskuloskeletalen Rehabilitation (AMR) wurden bisher nur selten im direkten Vergleich hinsichtlich ihrer methodischen Eigenschaften, speziell der Änderungssensitivität untersucht. Für die angemessene Beurteilung medizinischer Behandlungsergebnisse sind begründete Empfehlungen für die Auswahl und Beurteilung geeigneter Outcomeparameter erforderlich.
Ziel: Die methodischen Eigenschaften verschiedener klinischer Messverfahren (Bestimmung der Gelenkbeweglichkeit und des Fingerbodenabstands mit der Neutral-Null-Methode, manuelle Muskelkraftmessung, Gehstreckenbestimmung mit dem Laufband, Staffelsteinscore Version Hüfte und Knie, Harris Hip Score und Knee Society Score) werden ermittelt und verglichen. Es wird untersucht, ob und wie gut diese Erhebungsmethoden mit generischen (SF-36) und spezifischen (WOMAC® bzw. Funktionsfragebogen Hannover-Rückenschmerz) patientennahen Erhebungsinstrumenten korrespondieren. Neben den klassischen Haupt- und Nebentestgütekriterien und den Verteilungseigenschaften wird die Änderungssensitivität bestimmt, um zu zeigen, wie gut die Instrumente in der Lage sind, Veränderungen über die Zeit abzubilden.
Methoden: In die prospektive unkontrollierte Längsschnittstudie mit indirekter Ergebnismessung im Vorher-Nachher-Design werden alle Patienten konsekutiv eingeschlossen, welche vom 1.1.2013 bis zum 1.5.2014 eine durchschnittlich dreiwöchige Ambulante Muskuloskeletale Rehabilitation nach Hüft- oder Knie-TEP-Implantation sowie nach operativer oder konservativer Behandlung der Claudicatio spinalis im Zentrum für Rehabilitation und Physikalische Medizin am SRH Zentralklinikum Suhl absolviert haben. Bei Aufnahme (T1) und bei Entlassung (T2) werden die o.g. klinischen Erhebungsverfahren, anamnestische Daten und bei den Patienten mit Claudicatio spinalis der Funktionsfragebogen Hannover-Rückenschmerz, bei den Endoprothese-Patienten der WOMAC® und bei allen Patienten der SF-36 bestimmt. Die Datenerhebung für WOMAC® und SF-36 erfolgt per Selbstauskunft, mit Hilfe oder als Interview. Die Reliabilität der patientennahen Instrumente wird für T1 mit Cronbach's alpha ermittelt. Für die Änderungssensitivität werden Effektstärken und Standardisierte Mittelwertdifferenzen berechnet und miteinander verglichen. Mit der Pearson-Korrelation wird gemessen, ob und wie gut die Ergebnisse der verschiedenen klinischen Befunde untereinander und mit den patientennahen Erhebungsverfahren korrelieren.
Ergebnisse: Die Untersuchung umfasst 175 Patienten (40 nach Hüft- und 60 nach Knie-TEP-Implantation sowie 75 mit Claudicatio spinalis, davon 24 nach einer Operation). Im Verlauf der Ambulanten Muskuloskeletalen Rehabilitation zeigen sich unabhängig von Alter, Geschlecht und Bildungsstand positive Veränderungen. Die heterogene Datenerhebung mittels schriftlicher Befragung bzw. durch ein persönliches Interview für SF-36 und WOMAC® hat keinen Einfluss auf das Untersuchungsergebnis. Wegen der unterschiedlichen Ergebnisse für die beiden Indikatoren zur Bestimmung der Änderungssensitivität (Effektstärke und Standardisierte Mittelwertdifferenz) ist es empfehlenswert, in Studien grundsätzlich beide Kennziffern zu berechnen und zu vergleichen. Die höchste Änderungssensitivität aller Instrumente erzielt der Staffelsteinscore in beiden Versionen (Knie stärker als Hüfte). Die Änderungssensitivität der anderen klinischen Erhebungsverfahren und des Funktionsfragebogen Hannover-Rückenschmerz fällt schwächer aus, ist aber der Änderungssensitivität der körperlichen Domänen des SF-36 überlegen, die wiederum eine höhere Änderungssensitivität aufweisen als die WOMAC® Subscores. Am niedrigsten ist die Änderungssensitivität für die Psychischen Domänen des SF-36. Es gibt keine relevanten Antwortausfälle. Nennenswerte Boden- und Deckeneffekte zeigen testimmanent nur der WOMAC® und für die Items "Körperliche Rollenfunktion", "Emotionale Rollenfunktion" und "Soziale Funktionsfähigkeit" der SF-36. Der Funktionsfragebogen Hannover-Rückenschmerz, der WOMAC® und mit Einbußen der SF-36 für die Items "Schmerz" und "Allgemeine Gesundheitswahrnehmung" sind zum Zeitpunkt T1 hoch reliabel (Cronbach's alpha). Mit der Pearson-Korrelation wird außer für die Hüft-TEP-Patienten in T1 die Konstruktvalidität für den SF-36 und den WOMAC® bestätigt. Als mögliche Fehlerursache kann nur die geringe Anzahl von 40 Hüft-TEP-Patienten identifiziert werden. Staffelsteinscore, Harris Hip Score und Knee Society Score korrelieren miteinander hochsignifikant. Der Staffelsteinscore ist in beiden Versionen bezüglich der Nebentestgütekriterien und der Korrelation mit dem SF-36 bzw. dem WOMAC® dem Harris Hip Score und dem Knee Society Score insgesamt leicht überlegen. Bei Patienten mit Claudicatio spinalis korrelieren Gehstrecke, Funktionsfragebogen Hannover-Rückenschmerz und mit Abstrichen für T1 der Fingerbodenabstand hochsignifikant miteinander und auch akzeptabel mit dem SF-36. Die Gehstrecke der Totalendoprothese-Patienten korreliert eher weniger gut mit allen Kenngrößen.
Diskussion: Im Ergebnis der Studie kann zur Evaluation und Dokumentation der Prozess- und Ergebnisqualität in der Ambulanten Muskuloskeletalen Rehabilitation für Endoprothese-Patienten die Verwendung des Staffelsteinscores in beiden Versionen und für Patienten mit Claudicatio spinalis die Bestimmung des Funktionsfragebogen Hannover-Rückenschmerz, der Gehstrecke und des Fingerbodenabstandes empfohlen werden. Dabei sind die differierenden Ergebnisse der Hüft-TEP-Patienten zum Zeitpunkt T1 und die heterogene Form der Datenerhebung für SF-36 und WOMAC® zu berücksichtigen. Die Kombination des Staffelsteinscores mit dem Harris Hip Score für die Hüft-TEP- und mit dem Knee Society Score für die Knie-TEP-Patienten bringt keinen Vorteil. Der Einsatz des SF-36 und des WOMAC® in der Routine ist nicht sinnvoll, genau wie das Messen der Gehstrecke mit dem Laufband bei den Endoprothese-Patienten. Weitere Studien an größeren Patientengruppen, im Einrichtungsvergleich, mit praktikableren patientenberichteten Endpunkten für die Endoprothese-Patienten und mit spezifischeren patientennahen Erhebungsverfahren für die Patienten mit Claudicatio spinalis sind genauso notwendig wie Untersuchungen mit anderen Assessmentinstrumenten der Mobilität sowie zur Bestimmung der Gehstrecke in anderer Art und Weise.
Zusammenfassung
Fragestellung
Quarzstäube sind ein Lungenkarzinogen. Dieses Siliziumdioxid wirkt nach inhalativer Aufnahme als inflammatorischer Schlüsselreiz zur Unterhaltung einer chronischen Entzündung. Diese betrifft typischerweise zunächst die pulmonalen Lymphknoten und später die Lunge selbst. Bislang war unbekannt, ob es bei Lungentumoren und gleichzeitig vorliegender Silikose der Lungenlymphknoten Unterschiede bezüglich des histologisch führenden Typs im Vergleich zu anderen Stadien der Silikose gibt. Ebenso war der mögliche Zusammenhang auch für andere, häufige Lungenkarzinogene des Uranbergbaus wie Radon oder Arsen noch nicht untersucht worden.
Methodik
Es wurden Daten von 2.524 Uranbergarbeitern aus dem Sektionsarchiv der SDAG Wismut in Stollberg sowie deren Expositionsdaten verwendet. Referenzpathologisch erfolgte die Einteilung in drei Silikosestadien (keine Silikose, ausschließlich Lungenlymphknotensilikose, Lungengewebs- und Lungenlymphknotensilikose) sowie die Zuordnung zu einem der drei führenden Lungentumorentitäten (Adenokarzinom, Plattenepithelkarzinom, kleinzelliges Karzinom). Unter Berücksichtigung der kumulativen Quarzexposition auf der Grundlage einer Job-Exposure-Matrix wurde die Auftretenswahrscheinlichkeit der Lungentumortypen für jedes Silikosestadium durch ein multinominales Regressionsmodell geschätzt. Gleiches erfolgte für die kumulativen Expositionen gegenüber den relevanten weiteren Karzinogenen Radon und Arsen.
Ergebnisse
Insgesamt waren die Wahrscheinlichkeiten der histologischen Lungentumortypen unter Uranbergarbeitern mit ausschließlicher Lymphknotensilikose den Wahrscheinlichkeiten mit Lungen- und Lymphknotensilikose ähnlicher als den Wahrscheinlichkeiten ohne Silikose. Dies wurde auch für Radon und Arsen bestätigt.
Schlussfolgerung
Die Ergebnisse stützen die Hypothese, dass die Karzinogenese sowohl durch Quarz als auch durch Radon und Arsen in Lymphknotensilikotikern ähnlicher der Karzinogenese in Lungensilikotikern ist, als deren bei Nichtsilikotikern.
Die zentralen Fragestellungen dieser Arbeit lauten: (I) „Hat sich die Prävalenz depressiver Symptome zwischen 1997–2001 und 2008–2012 geändert?“, (II) „Ist eine erhöhte Anzahl an Besuchen bei einem Psychotherapeuten oder Psychiater auszumachen?“ und (III) „Wie veränderte sich die Prävalenz der Einnahme von Antidepressiva?“
Die Untersuchung dieser Fragen erfolgte mithilfe zweier Bevölkerungsstichproben in Ost-Mecklenburg-Vorpommern. Dabei handelt es sich um die SHIP-0 (1997–2001; n=4.308) und die SHIP-TREND (2008–2012; n=4.420). Um die Prävalenz der depressiven Symptomatik zu messen, wurden mehrere Fragen aus dem CID-S ausgewertet. Da in beiden Studien auch die Arztbesuche der Teilnehmer erfasst wurden, konnte somit gleichzeitig die Prävalenz der Besuche bei einem Psychotherapeuten oder Psychiater registriert werden. Im Rahmen der zwei Studien wurden auch die ATC-Codes der Medikamente, welche die Studienteilnehmer einnahmen, aufgezeichnet. Durch dieses Verfahren konnte die Prävalenz der Einnahme von Antidepressiva erfasst werden.
Bei der Prävalenz depressiver Symptome konnte ein Anstieg von 13,2 % (SHIP-0) auf 27,7% (SHIP-TREND) verzeichnet werden. Die Inanspruchnahme von psychiatrischen oder psychotherapeutischen Leistungen stieg ebenfalls an. Hier konnte eine Erhöhung der Prävalenz von 2,8 % in der SHIP-0 auf 5,2 % bei SHIP-TREND festgestellt werden. Auch die dritte Fragestellung zur Einnahme von Antidepressiva in der Gesamtbevölkerung weist eine Erhöhung der Werte von SHIP-0 im Vergleich zu SHIP-TREND auf, denn der Wert stieg von 1,8 % auf 5,2 %.
Aus diesen Daten ist zu schlussfolgern, dass es in der allgemeinen Bevölkerung zu einem massiven Anstieg depressiver Symptomatik gekommen ist. Somit ist zu vermuten, dass auch ein vermehrtes Aufkommen von Depressionen zu verzeichnen ist. Dieser Fakt wird von den Ergebnissen der Fragen II und III untermauert, da hier ein Anstieg der Behandlungsmaßnahmen von Depressionen festgestellt werden konnte.
Zielstellung
Zugang zu Gesundheitsversorgung ist eine Dimension von Versorgungsqualität; eine zugangsgerechte Versorgung setzt ein den Versorgungsbedarfen angemessenes Versorgungsangebot voraus. Das Ziel der vorliegenden Dissertation war, die regionale Verteilung von zahnärztlichen Versorgungsangeboten und -bedarfen am Beispiel des Bundeslandes Mecklenburg-Vorpommern (M-V) zu analysieren und zu prognostizieren. Zudem sollten Maßnahmen zur Steuerung der räumlichen Verteilung von Zahnärzten evaluiert werden.
Methodik
Auf der Basis von Zahnarzt-, Bevölkerungs- und Morbiditätsdaten wurden zunächst die regionalen Versorgungsangebote und -bedarfe des Bundeslandes M-V in 2001 und 2011 dargestellt. Anschließend wurde ein Modell zur Vorhersage der regionalen Verteilung von zahnärztlichen Versorgungsangeboten und -bedarfen entwickelt, validiert und zur Projektion des Jahres 2030 angewandt. Dazu wurden die zu erwarteten Zu- und Abgänge an Zahnärzten in jeder Region sowie die zu erwartenden Bedarfe modelliert. Dabei wurden drei Szenarien dargestellt (Best/Worst/Moderate Case). Vorhandene Maßnahmen zur Steuerung der räumlichen Verteilung von Zahnärzten wurden mittels systematischer Literaturanalyse gesichtet und auf ihre Wirksamkeit überprüft.
Ergebnisse
In 2001 und 2011 zeigte sich eine signifikante regionale Ungleichverteilung in dem Verhältnis von Versorgungsangeboten und -bedarfen. Das entwickelte Vorhersagemodell zeigte eine hohe Validität. Der Rückgang der Bevölkerung in M-V bis 2030 sowie eine parallel dazu einhergehende Reduktion des Bedarfs zahnmedizinischer Leistungen führten zu einer signifikanten Abnahme der regionalen Versorgungsbedarfe. Auf der anderen Seite wurde bis 2030 eine Abnahme der Versorgungsangebote vor allem im ländlichen Raum beobachtet. In zwei der drei modellierten Szenarien überstieg das Versorgungsangebot den benötigten Versorgungsbedarf in M-V. Dabei wurden sowohl über- als auch unterversorgte Gebiete identifiziert. Wir erwarten eine Verschärfung der regionalen Ungleichversorgung bis 2030. Die Wirksamkeit der zahlreichen Instrumente zur Steuerung der räumlichen Verteilung von Zahnärzten ist nur bedingt belegt.
Schlussfolgerung
Die bestehende Ungleichverteilung des Verhältnisses von Versorgungsangeboten und -bedarfen wird sich bis 2030 vermutlich verschärfen. Eine generelle Unterversorgung ist nicht zu erwarten. Entscheidungsträger in der Versorgungsplanung stehen diverse Steuerungsmaßnahmen zur Bekämpfung der Fehlverteilung zur Verfügung. Vor der Anwendung dieser Maßnahmen sollte deren Wirksamkeit in Modellstudien ermittelt werden.
Einleitung
Die Ausscheidung zahlreicher Medikamente über die Nieren erfordert bei Patienten mit CKD (chronic kidney disease) eine sorgfältige Dosisanpassung um Nebenwirkungen zu vermeiden. Ziel der Studie war es zu untersuchen, wie gut die verordnete Medikation bei Patienten mit CKD an die Nierenfunktion angepasst ist, welche Medikamente häufig fehlverordnet werden und Prädiktoren für Fehlverordnungen zu identifizieren.
Methode
In einer Querschnittstudie in 34 Hausarztpraxen in Vorpommern wurde die Medikation von Patienten mit einer CKD ≥ Stadium 3 auf Grundlage der Fachinformation und zusätzlich unter Berücksichtigung von Empfehlungen von Fachgesellschaften ausgewertet. Die verordneten Medikamente wurden mittels ATCCode erfasst. Es wurden kontraindizierte und überdosierte Verordnungen unterschieden. Prädiktive Faktoren für Fehlverordnungen wurden mittels logistischer Regressionsanalyse untersucht.
Ergebnisse
589 Patienten (Ø 78 Jahre, 63 % weiblich) mit einer CKD ≥ Stadium 3 aus 34 Hausarztpraxen wurden eingeschlossen. Sie konnten in 52 % dem CKD Stadium 3a, 37 % dem CKD Stadium 3b und 10 % CKD Stadium 4 und 5 zugeordnet werden. Insgesamt wurden in den Medikationsplänen 5102 Verordnungen erfasst (94,6 % Dauermedikationen, 5,4 % Bedarfsmedikationen). Im Mittel nahm jeder Patient fast 9 verschiedene Wirkstoffe ein (Ø=8,66; SD=3,6). 4,2 % aller Verordnungen waren nach Auswertung der Fachinformationen in der gegebenen Dosierung kontraindiziert (2,1 %) oder überdosiert (2,1 %). Bei 173 Patienten (29 %) war mindestens eine Verordnung betroffen. Der Anteil der Fehlverordnungen sank unter Berücksichtigung von neueren Empfehlungen auf 3,5 %. Metformin, Methotrexat und Kaliumpräparate wurden häufig trotz Kontraindikation verordnet. Ramipril, Sitagliptin und Simvastatin in Kombination mit Ezetimib wurden häufig überdosiert. Wichtigste Prädiktoren für Fehlverordnungen waren CKD Stadium ≥ 3b und die Anzahl der verordneten Dauermedikamente.
Schlussfolgerung
Der Anteil der unangepassten Verordnungen war in Bezug auf die Gesamtmenge aller Verordnungen gering, trotzdem war ein Viertel aller Patienten von mindestens einer unangepassten Verordnung betroffen. Unter zusätzlicher Berücksichtigung von Empfehlungen von Fachgesellschaften sank die Zahl der Fehlverordnungen. Zur klinischen Relevanz der Fehlverordnungen fehlen aussagekräftige Daten und hier besteht weiterer Forschungsbedarf. Für ein besseres Monitoring der Verordnungsqualität von Medikamenten bei CKD in der Hausarztpraxis wird ein Konsens benötigt, der auf Fachinformationen, Empfehlungen von Fachgesellschaften und klinischer Relevanz basiert. Wegen des hohen Aufwands des Einzelabgleichs sollten sich Maßnahmen zur Qualitätssicherung auf Patienten mit CKD Stadium ≥ 3b, Patienten mit Polypharmazie und auf problematische Wirkstoffe konzentrieren.
Hintergrund: Der Nutzen von Krebsfrüherkennungsuntersuchungen (KFU) bei älteren Menschen ist nicht gesichert. Während das Risiko einer Krebserkrankung mit dem Alter steigt, sinkt die Inanspruchnahme von KFU. Ziel der Arbeit: Einstellungen älterer Menschen und deren Motive für oder gegen eine Teilnahme an KFU sollten festgestellt werden. Material und Methode: Die vorliegende populationsbasierte, explorative „Mixed-methods“-Studie basiert auf einer Befragung von Bewohnern des Landkreises Vorpommern-Greifswald, die sich im Alter zwischen 69 und 89 Jahren befinden. Ausschlusskriterien waren kognitive Einschränkungen und/oder das Vorliegen von Malignomen. Mithilfe eines Fragebogens wurden Einstellungen zu verschiedenen Aussagen bezüglich KFU mit 5-stufigen Likert-Skalen erfasst. In leitfa- dengestützten Interviews erfolgte die Exploration der Motive. Ergebnisse. Von 630 kontaktierten Bewohnern nahmen 120 im Durchschnittsalter von 77 Jahren [Standardabweichung (SD) ±6 Jahre] an einer „Face-to-face“-Befragung (19%) teil. Die Mehrheit stimmte der lebenslangen Durchführung der KFU zu. Es gaben 14% an, dass andere gesundheitliche Probleme im höheren Alter wichtiger sind als die Teilnahme an KFU. Von den Befragten nahmen 7% an, nicht mehr lan- ge genug zu leben, um von einer KFU profitieren zu können. Motive für die Teilnahme an einer KFU waren Regelmäßigkeit, Pflichtgefühl, Angst und Glaube an den Nutzen. Motive für die Nichtteilnahme waren mangelndes Interes- se, keine Notwendigkeit oder Angst; Nachteile wurden nicht befürchtet. Schlussfolgerung. Ältere Menschen zeigen ein hohes Vertrauen in die KFU. Sie sollten über Nutzen und Risiken einer KFU besser aufgeklärt werden. Ihre Lebenserwartung und ihre Präferenzen sollten als Grundlage einer gemeinsamen Entscheidung für oder gegen eine KFU berücksichtigt werden.
Das Teddybärkrankenhaus ist ein weltweites Projekt, welches bei Kindern die Angst vor dem Arzt reduzieren soll und einmal im Jahr durch Medizinstudenten in Greifswald durchgeführt wird. Da es deutschlandweit zuvor noch keine systematische Studien zu diesem Projekt gab, sollte mit dieser Arbeit herausgefunden werden, wie viel Angst die Kinder vor medizinischen Situationen zeigen und ob diese durch einen Besuch im Teddybärkrankenhaus reduziert werden kann. Außerdem wurde der Einfluss verschiedener Faktoren untersucht. Als Instrument wurde ein fünfteiliger Bilderfragebogen entwickelt, bei dem typische Situationen (Abhorchen, Zahnarzt, Kind mit Gipsbein, Spritze, Rettungswagen) dargestellt waren. Die Einschätzung durch die Kinder erfolgte auf einer dreistufigen Teddygesichtsskala. Einige Kinder wurden zusätzlich mit der etablierten „Hospital Fears Rating Scale“ (HFRS) befragt. Insgesamt 569 Kinder aus 18 Kindertagesstätten und einer Schule in Greifswald wurden zwei Wochen vor dem Besuch im Teddybärkrankenhaus interviewt. Unmittelbar nach der Intervention durch das Teddybärkrankenhaus wurden 481 der zuvor befragten Kinder erneut befragt. Die Probanden waren zwischen zwei und acht Jahren alt. „Viel Angst“ gaben die meisten Kinder (40%) beim Item „Spritze“ an. Die meisten Kinder gaben „keine Angst“ beim Item „Abhorchen“ an (82%). Die HFRS und der Bilderfragebogen korrelierten mäßig miteinander. Die Angstausprägung der Kinder wurde im Wesentlichen durch die innerstädtische Lage der Kindertagesstätte beeinflusst, sowie dem Geschlecht des Kindes und der Vorbereitung durch die Erzieher. Der Vergleich der beiden Testzeitpunkte ergab, dass die Angst bei 206 von 481 Kindern reduziert und nur bei 149 vergrößert wurde. Diese Tendenz ist für alle Items zu erkennen, für das Item „Abhorchen“ war die Reduktion der Angst nach dem Besuch im Teddybärkrankenhaus statistisch signifikant. Eine multivariate Regression wurde zur Untersuchung der simultanen Auswirkung aller Einflussfaktoren auf die Angstreduktion durchgeführt. Als wichtigster Einflussfaktor stellte sich die Stärke der angegebenen Angst bei der ersten Befragung heraus. Weitere Einflussfaktoren stellten sich dagegen im multivariaten Modell als nicht signifikant heraus. Die Ergebnisse zeigen, dass das Teddybärkrankenhaus die Angst der Kinder reduziert. Zudem bekommen die Kinder im Vorschulalter die Gelegenheit, sich mit den Themen Krankheit und Gesundheit auseinanderzusetzen. Die Ergebnisse sprechen insgesamt für eine Ausweitung des Projektes.
Vor allem kleinere Forschungsvorhaben können die erforderlichen Aufwände zur Realisierung eines zentralen Datenmanagements (ZDM), insbesondere aber dem Aufbau einer Treuhandstelle zur Unterstützung der informationellen Gewaltenteilung, bislang häufig nicht leisten. Aufgrund vielzähliger Herausforderungen ist ZDM in Kohortenstudien und Registern daher nur wenig verbreitet. Im Rahmen dieser Arbeit wurden, ausgehend von ausgewählten epidemiologischen Projekten und Fachpublikationen, wesentliche Anforderungen an ein ZDM zusammengefasst und zentrale funktionale Bestandteile eines ZDM identifiziert. Datenquellen, ETL-Prozesse, eine Treuhandstelle, eine Speicherlösung und ein Datenbereitstellungsverfahren sind Kernkomponenten eines ZDM. Am Beispiel der Treuhandstelle wurden erforderliche Werkzeuge identifiziert. Die ID-Management-Lösung E-PIX, das Pseudonymisierungswerkzeug gPAS und das Einwilligungsmanagement gICS bieten die notwendige Funktionalität. Alle werden kostenfrei über das MOSAIC-Projekt bereitgestellt. Unterschiedliche Kohortenstudien und Register machen Szenario-spezifische Abläufe innerhalb einer Treuhandstelle erforderlich. Es wurde gezeigt, dass sich diese individuellen Abläufe software-seitig und effektiv durch Kombination der Funktionalitäten der einzelnen Werkzeuge (E-PIX, gPAS und gICS) in Form eines Treuhandstellen-Dispatchers realisieren lassen. Ein workflow-basierter Ansatz kann helfen, erforderliche individuelle Anpassungen auf ein Mindestmaß zu reduzieren. Die Praxistauglichkeit dieses werkzeuggestützten Ansatzes wurde im Rahmen des DFG-gefördertern Projektes MOSAIC (Fördernummer HO 1937/2-1) für die ausgewählten Werkzeuge mittels einer Kennzahlenerhebung in 8 kooperierenden Anwenderprojekten untersucht. In Summe konnten mittels E-PIX bisher etwa 580.000 Personen erfasst, 2.5 Mio. Pseudonyme generiert und mittels gICS 69.000 Einwilligungen erfasst werden (Stand: 03.05.2016). Weitere Anwendungen sind bereits in Vorbereitung. Der vorgestellte Treuhandstellenansatz wird bereits in zwei der Deutschen Zentren für Gesundheitsforschung genutzt. Auch wenn nicht jeder Aspekt eines ZDM durch vorkonfigurierte Werkzeuge unterstützt werden kann, wurde gezeigt, dass ein werkzeugunterstützter Ansatz zum Aufbau einer Treuhandstelle im Rahmen eines ZDM die nötige Flexibilität, Übertragbarkeit und Nachnutzbarkeit bietet, um den individuellen Anforderungen sowohl kleinerer als auch größerer Forschungsprojekte zu entsprechen und dabei gleichzeitig unterstützt, erforderliche Aufwände zu reduzieren.
Der insulinähnliche Wachstumsfaktor (IGF-I) spielt eine wichtige Rolle im Knochenstoffwechsel, indem er sowohl den Knochenauf- als auch den Knochenabbau fördert. Die Bindung an das IGF-Bindeprotein-3 (IGFBP-3) beeinflusst seine Bioverfügbarkeit und Fähigkeit, an den IGF-Zellrezeptor zu binden. Die beim Knochenstoffwechsel freigesetzten Knochenumbaumarker (BTM) können im Serum gemessen werden. Verschiedene, meist kleinere Studien brachten widersprüchliche Ergebnisse zum Zusammenhang zwischen IGF-I und verschiedenen BTM hervor. Ziel dieser Arbeit war es daher, die Assoziation zwischen IGF-I bzw. dem IGF-I/IGFBP-3 Verhältnis und drei BTM (PINP, CTX und BAP) in der erwachsenen Bevölkerung zu untersuchen. Datengrundlage bildete die Study of Health in Pomerania-1 (SHIP-1), das Follow-Up einer von 1997-2001 in Westvorpommern durchgeführten bevölkerungsbasierten Studie. Für die vorliegende Studie wurden die Daten von 2943 Teilnehmern (1463 Männer, 1481 Frauen) im Alter von 20-79 Jahren untersucht. Zur statistischen Analyse wurden Varianzanalysen und multivariabel-adjustierte Regressionsmodelle durchgeführt. Aufgrund der altersabhängigen Serumwerte für IGF-I und die BTM erfolgten die Berechnungen geschlechtsgetrennt für Männer über und unter 55 Jahren sowie für prä- und postmenopausale Frauen. Bei jüngeren Männern und prämenopausalen Frauen zeigte sich eine starke positive Assoziation zwischen IGF-I und dem Knochenaufbaumarker PINP sowie dem Knochenabbaumarker CTX. Dieser Zusammenhang stellte sich bei Berücksichtigung des IGFBP-3 umso signifikanter dar. Der Knochenaufbaumarker BAP war in beiden Gruppen nicht mit IGF-I korreliert. Bei Männern >55 Jahren und postmenopausalen Frauen ergaben sich z.T. positive, z.T. inverse oder U-förmige Zusammenhänge zwischen IGF- und den verschieden BTM. Diese Ergebnisse sind – ebenso wie die uneinheitlichen Ergebnisse ähnlicher vorheriger Studien – nicht eindeutig zu erklären. Möglicherweise spielen Sexualhormone, welche in dieser Studie nicht berücksichtigt wurden, in der älteren Bevölkerung eine entscheidendere Rolle für den Knochenstoffwechsel als das IGF-I. Es sind weitere, insbesondere auch longitudinale Studien nötig, um diese Zusammenhänge weiter zu erforschen. ¬¬
Zusammenfassung Die vorliegende Arbeit wurde mit dem Ziel konzipiert, Aussagen zu möglichen Subgruppenbildungen einer Stichprobe chronischer Schmerzpatienten zu treffen, die im Rahmen eines multimodalen Konzeptes behandelt wurden. Insgesamt vier Subgruppensysteme konnten bestimmt werden, welche nach unterschiedlichen Gesichtspunkten gebildet wurden. Ziel war es, diese Subgruppensysteme hinsichtlich ihrer Nachhaltigkeit und Bedeutung in der Behandlung chronischer Schmerzpatienten zu untersuchen und miteinander zu vergleichen, um Rückschlüsse auf deren Praktikabilität und Einsatzmöglichkeit in der täglichen Praxis zu ziehen und im Umkehrschluß auch zu hohe Erwartungen an den therapeutischen Verlauf und vermeintliche Behandlungsergebnisse zu relativieren. Um letztlich vier Subgruppensysteme zu erhalten, wurden zur Subgruppenbildung zu Hilfe genommen: - Hauptdiagnosen mittels der ICD. Hiervon konnten zwei Subgruppen gebildet werden, und zwar nach Lokalisation und nach Bewertung der jeweiligen Haupt- und ausgewählten Nebendiagnosen - Behandlungspfadsystem der Klinik für Manuelle Medizin Sommerfeld - Sommerfelder Diagnostiksystem Die zu prüfenden Fragestellungen wurden wie folgt formuliert: 1) Welches der 4 Subgruppensysteme ist am geeignetsten, Veränderungen im Zeitverlauf (zwei Meßzeitpunkte, zu Beginn und am Ende der Behandlung) der betrachteten Indikatoren NRS, PDI und HADS (Angst + Depression) am besten zu prädizieren und somit Aussagen über den zu erwartenden Behandlungserfolg zu treffen? 2) Welche Patientengruppen profitieren am meisten von der Behandlung im Rahmen der multimodalen Schmerztherapie in der Klinik für Manuelle Medizin und Schmerzmedizin Sommerfeld, gemessen an der Stärke der Veränderung der vier Variablen NRS, PDI und HADS (Angst + Depression)? Greift man die erste Fragestellung auf, zeigt sich, daß das Subgruppensystem Bewertung der Hauptdiagnose bei drei der vier Variablen praktisch relevante Aussagen über Behandlungsverlauf und -erfolg machen kann. Jedoch nur gemeinsam mit dem Subgruppensystem Pfadsystem gelingt es, alle vier Variablen abzudecken. Hinsichtlich der Beantwortung der zweiten Fragestellung ist die Betrachtung der errechneten Effektgrößen hilfreich. Patientengruppen mit den höchsten Effektgrößen profitieren am meisten von der Therapie. Diese finden sich in der Patientengruppe LWS-Beschwerden im Subgruppensystem Lokalisation des Hauptschmerzortes für die Variable NRS. Sobald zu den somatisch geprägten Subgruppen psychische Einflußfaktoren hinzukommen, stellen sich die Effektgrößen deutlich geringer dar. Diese Patientengruppen scheinen somit weniger von der multimodalen Schmerztherapie zu profitieren, wenn die Messung des Therapieerfolges anhand der erwähnten Variablen erfolgt. Für diese Fragestellung nicht berücksichtigt werden kann die Vielfalt an nicht meßbaren Größen wie Anbahnung einer ambulanten psychotherapeutischen Behandlung, Etablierung eines Krankheitsverständnisses oder auch Erlernen adäquater Schmerzbewältigungsstrategien.
Unter Verwendung der Basiserhebung der Daten der Study of Health in Pomerania wurden mit dem Alter, dem Geschlecht, der lebenslangen Rauchexposition und der Exposition gegenüber endogenen und exogenen weiblichen Sexualhormonen wichtige Risikofaktoren der Non Hodgkin Lymphome mittels multivariabler Verfahren in Bezug auf die t(14;18) Translokation quantitativ untersucht. Wir fanden einen kurvilinearen Trend der t(14;18) Prävalenz mit steigendem Alter mit einem Maximum in der Altersgruppe 50-59 Jahre sowohl bei Männern als auch bei Frauen. Männer zeigten in allen Altersgruppen eine höhere t(14;18) Prävalenz. Für Rauchen konnte in alters- und geschlechtsadjustierten Modellen keine Risikoerhöhung ermittelt werden. Die Analysen beschränkt auf Frauen zeigten ebenso keinen Zusammenhang für die Anzahl der Schwangerschaften oder Menopausentyp mit der Prävalenz der t(14;18) Translokation. Bei der t(14;18) Frequenz hingegen konnten in den altersadjustierten Modellen signifikante Assoziationen mit lebenslanger Exposition von oralen Kontrazeptiva beobachtet werden. Im multivariablen Model waren die Risikoschätzer für induzierte Menopause und jemals Einnahme von oralen Kontrazeptiva und Menopausaler Hormontherapie signifikant erhöht. Unsere Ergebnisse lassen vermuten, dass die exogene Hormoneinnahme ein Risikofaktor für die t(14;18) Frequenz ist, nicht jedoch für die t(14;18) Prävalenz. Roulland et al. (J Clin Oncol 2014) publizierten, dass der Nachweis von t(14;18)-positiven Zellen in gesunden Individuen einen repräsentativen Biomarker für ein Follikuläres Lymphom darstellen. Zukünftige Forschung sollte darauf abzielen, die besonders gefährdeten Personen und die zusätzlich notwendigen molekularen oder immunologischen Ereignisse zu identifizieren, die letztlich zur Transformation von t(14;18)-positiven Zellen in eine maligne Lymphom-Zelle führen. Ein vielversprechender Ausgangspunkt könnte eine systematische prospektive Follow-up Untersuchung von gesunden t(14;18)-positiven Individuen sein. Weitere molekulare oder Umweltereignisse sollten verfolgt und ihr jeweiliger Einfluss hinsichtlich der Entwicklung eines klinischen Follikulären Lymphoms oder Diffuse Large B-Cell Lymphoms quantifiziert werden. Daraus könnten sich mögliche klinische Anwendungen wie z. B. eine Risikostratifikation, ein erweitertes Monitoring und die Entwicklung einer frühzeitigen Intervention ableiten lassen.
Einleitung: Vorhofflimmern (VHF) ist eine Herzrhythmusstörung, die mit einem 5-fach erhöhten Risiko thromboembolischer Schlaganfälle und einen 1,5-fach erhöhten Risiko eines tödlichen Schlaganfalls einhergeht. Internationale und eine nationale Auswertung von Routinedaten zeigen, dass ein hoher Anteil (>50%) der Patienten mit VHF keine ausreichende orale Antikoagulation (OAK) erhält. Fragestellung: Primäres Ziel der Studie ist es, die Verordnungsqualität/Leitlinienadhärenz der Verordnung von OAK bei Patienten mit VHF zu untersuchen und Routinedaten der kassenärztlichen Vereinigung Mecklenburg-Vorpommern (KV-MV) mit direkt in der Praxis erhoben Daten zu vergleichen. Sekundäres Ziel ist die Erfassung von Gründen für Nichtverordnung einer OAK. Untersuchungshypothese: Die Nutzung von Qualitätsindikatoren auf Basis von Routinedaten führt zu einer systematischen Unterschätzung der Leitlinienadhärenz bei VHF. Methode: Für eine Querschnittstudie wurden mit der Praxissoftware Patienten mit VHF (ICD I48.-) in 29 aus 182 angeschriebenen Hausarztpraxen in Vorpommern (Teilnahmerate 16%) identifiziert. Daten zur Demographie, Medikation und Komorbidität im Zeitraum von 7/2011-6/2012 wurden aus der Dokumentation extrahiert und anhand eines strukturierten Fragebogens mit dem Arzt ergänzt. Es wurde eine rohe und eine adjustierte OAK-Verordnungsrate unter Berücksichtigung bestehender Kontraindikationen und weiterer Indikatoren leitliniengerechter Versorgung ermittelt. Ergebnisse: Anhand der Praxisdaten wurden 927 Patienten (54% Männer) und auf Basis der Routinedaten 1247 Patienten (52% Männer) mit VHF identifiziert. Für beide Patientengruppen betrug das Durchschnittsalter 75 Jahre (SD=10). Häufigste Komorbiditäten in beiden Patientengruppen waren arterielle Hypertonie, Gefäßerkrankungen, Diabetes mellitus und Herzinsuffizienz. Eine leitliniengestützte Indikation zur OAK lag anhand der Praxisdaten bei 93% und auf Basis der Routinedaten bei 91% der Patienten vor. Ein erhöhtes Blutungsrisiko entsprechend eines HAS-BLED-Scores ≥ 3 lag anhand der Praxisdaten bei 440 Patienten (47%) und auf Basis der Routinedaten bei 30 Patienten vor (2%). 69% der Patienten erhielten anhand der Praxisdaten eine OAK mit Phenprocoumon. 5% der Patienten erhielten ein nOAK und 32% Thrombozytenaggregationshemmer oder Heparin. Die rohe Gesamt-OAK-Verordnungsrate betrug 69%. Die rohe mittlere Behandlungsrate für eine OAK mit Phenprocoumon pro Arztpraxis betrug 71% (SD=16,6). Nach Berücksichtigung von Diagnosesicherheit, leitliniengestützter Indikation zur OAK, individueller Kontraindikationen einschließlich eines erhöhten Blutungsrisikos sowie alternativer leitliniengerechter medikamentöser Therapien lag eine adjustierte Gesamt-OAK-Verordnungsrate von 90% vor. Die mittlere adjustierte Gesamt-OAK-Verordnungsrate pro Arztpraxis betrug 91% (SD=8,3). Auf Basis der Routinedaten lag eine rohe Gesamt-OAK-Verordnungsrate von 61% vor. Die mittlere rohe Behandlungsrate für eine OAK mit Phenprocoumon pro Arztpraxis betrug 66% (SD=15,4). Nach Berücksichtigung der leitliniengestützten Indikation zur OAK und der Kontraindikation eines erhöhten Blutungsrisikos waren auf Basis der Routinedaten 63% der Patienten mit einer OAK versorgt. Dies entsprach einer mittleren Behandlungsrate für eine OAK pro Arztpraxis von 67% (SD=15,2). Häufigste Gründe für die Nichtverordnung einer OAK waren Sturzgefährdung, Demenz und ein erhöhtes Blutungsrisiko. Diskussion: Ein hoher Anteil der Patienten mit VHF wird leitliniengerecht antikoaguliert. Es liegt eine deutliche Diskrepanz zwischen roher und adjustierter OAK-Verordnungsrate vor. Diese ist insbesondere auf eine ungenügende Abbildung individueller Kontraindikationen und Komorbiditäten zurückzuführen. Aufgrund dieser Limitation führen Qualitätsindikatoren auf Basis von rohen Praxis- oder Routinedaten zu einer systematischen Unterschätzung der Leitlinienadhärenz. Eine mögliche Überversorgung im Bereich eines niedrigen Schlaganfallrisikos ist nicht auszuschließen. Anhand dieser Studie wäre ein OAK-Verordnungsrate auf Basis der Routinedaten pro Praxis zwischen 60% und 70% ein sinnvoller Zielbereich für einen Qualitätsindikator, um die Versorgungsqualität in Bezug auf die Leitlinienadhärenz gut abzubilden.
Einleitung: Die Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) mit seinem zugrunde liegenden bio-psycho-sozialen Modell wurde 2001 in Deutschland vom Gesetzgeber aufgegriffen und im Sozialgesetzbuch IX verankert sowie in das Zentrum rehabilitativer Bemühungen gestellt. Durch eine Vielzahl möglicher Erkrankungsfolgen charakterisieren unterschiedliche Behandlungs-konzepte, Struktur- und Prozessmerkmale die Umsetzung der gesetzlichen Rahmenbedingungen in den verschiedenen Phasen neurologischer Rehabilitation. Bei der Erfassung der Ergebnisqualität in der neurologischen Rehabilitation gibt es eine Reihe ungeklärter Fragestellungen. Material und Methoden: In vier empirischen Studien wurden Strukturen und Prozesse in der ambulanten neurologischen Rehabilitation in Deutschland sowie patientenbezogene Assessmentverfahren untersucht. Ergebnisse und Diskussion: In einer eigenen Untersuchung von Struktur- und Prozessdaten einer repräsentativen Stichprobe ambulanter Einrichtungen der Neurorehabilitation zeigen sich im Ergebnis vergleichbare strukturelle Voraussetzungen der Einrichtungen, die zumeist durch die Rahmenempfehlungen zur ambulanten neurologischen Rehabilitation der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation (BAR) und entsprechende Versorgungsverträge bedingt sind. Unterschiedliche konzeptionelle Ausrichtungen führen zu unterschiedlichen Prozessen. Es ergeben sich dabei deutliche Hinweise auf Unterschiede formaler sowie inhaltlicher Konzepte zur Umsetzung des sozialrechtlichen Rehabilitationsauftrags zwischen verschiedenen Rehabilitationseinrichtungen. Grundsätzlich zeigt sich ein oft noch ungenutztes Potenzial in der Kontextarbeit, dem durch den Einbezug des unmittelbaren personellen und materiellen Sozialraums der Rehabilitanden in die Therapie begegnet werden könnte. Bei der Untersuchung patientenbezogener Assessments zeigt sich, dass zur globalen Erfassung von Teilhabe der Index zur Messung von Einschränkungen der Teilhabe (IMET) gut geeignet ist. Die Studienergebnisse zum Selbstständigkeits-Index für die Neurologische und Geriatrische Rehabilitation (SINGER) sprechen für eine gute Eignung in der ambulanten Neurorehabilitation und eine eindeutige Überlegenheit des SINGER als Assessmentinstrument gegenüber den bisher am weitesten verbreiteten Instrumenten Barthel-Index (BI) und Funktioneller Selbstständigkeitsindex (FIM). Die Resilienzskala (RS-13) besitzt auch bei ambulanten neurologischen Rehabilitanden akzeptable psychometrische Eigenschaften und kann daher auch in der ambu-lanten neurologischen Rehabilitation eingesetzt werden. Die Beachtung des Resilienz-Konstrukts mit Blick auf therapeutische Interventionen, die auf eine Verbesserung der psychischen Widerstandsfähigkeit abzielen, erscheinen aufgrund einer Assoziation mit dem Reha-Outcome sinnvoll. Die zur Ergebnismessung eingesetzte Marburger Kompetenz Skala (MKS) erweist sich nur als bedingt geeignet. Jedoch kann der Vergleich von Selbst- und Fremdbeurteilung im Therapieprozess systematisch genutzt werden. Fazit: Die ambulante neurologische Rehabilitation in Deutschland stellt innerhalb der Rehabilitationsforschung ein Forschungsgebiet mit spezifischen Fragestellungen dar. Die bestehenden Strukturen und Prozesse zielen auf die Umsetzung des gesetzlich verankerten Rehabilitationsauftrages ab. Zur Erfassung des Rehabilitationsergebnisses existieren mittlerweile eine Reihe geeigneter patientenbezogener Assessmentverfahren. Um ihre vollen spezifischen Vorteile zu entfalten, muss die ambulante Neurorehabilitation zu einem Behandlungssetting ausgebaut und weiterentwickelt werden, in dem evidenzbasiert nicht mehr nur an Funktionen und Aktivitäten sondern übergeordnet an der Teilhabe und selbstbestimmter Lebensführung der Rehabilitanden behandelt wird. Hierzu besteht jedoch noch Forschungsbedarf.
AGnES in der Regelversorgung - Umsetzung des § 87 Abs. 2b S. 5 SGB V im Bundesmantelvertrag AGnES (AGnES: Arztentlastende, Gemeinde-nahe, E-Healthgestützte, Systemische Intervention) ist ein vom Institut für Community Medicine der Univeritätsmedizin Greifswald entwickeltes Modell zur Entlastung von Hausärzten, bei dem Hausbesuche auf speziell fortgebildete nicht-akademische Fachkräfte delegiert werden. Die Hausbesuche werden ohne Anwesenheit des Arztes durchgeführt und sollen gerade im ländlichen Raum Ärzte entlasten und dem Ärztemangel entgegenwirken. AgnES wurde von 2005 bis 2008 in mehreren Bundesländern erprobt. Im Jahr 2008 wurde im Rahmen einer Pflegereform (Pflege-Weiterentwicklungsgesetz) auch § 87 Abs. 2b S. 5 SGB V ergänzt. In dieser Norm werden die Behörden der Selbstverwaltung im Gesundheitswesen (in diesem Fall die Kassenärztliche Bundesvereinigung, der Spitzenverband Bund der Krankenkassen und der Bewertungsausschuss) verpflichtet, Regelungen zur Vergütung von Hausbesuchen nicht ärztlicher Fachkräfte zu erlassen. Der Bundesgesetzgeber verfolgte mit der Schaffung dieser Norm gerade das Ziel, das AGnES-Projekt oder ein inhaltlich gleichwertiges, wissenschaftlich evaluiertes und breit erprobtes Delegationsmodell in der Regelversorgung der Gesetzlichen Krankenversicherung zu verankern. Die Selbstverwaltung im Gesundheitswesen hat hierfür 2009 einerseits den Bundesmantelvertrag durch eine Anlage ergänzt, die sog. Delegationsvereinbarung. Außerdem wurde der Einheitliche Bewertungsmaßstab als Leistungs- und Vergütungskatalog der Gesetzlichen Krankenversicherung um Abrechnungspositionen für nicht-ärztlich durchgeführte Hausbesuche erweitert. Delegationsvereinbarung und EBM bleiben weit hinter dem vom Gesetzgeber gemeinten AgnESProjekt zurück. Die Delegationsvereinbarung verstößt deshalb in vielfältiger Hinsicht gegen den Vorrang des Gesetzes. Sie lässt sich unter anderem hinsichtlich der bis Ende 2014 vorgenommenen Beschränkung auf unterversorgte Gebiete (§ 2 Abs. 2), der Einschränkung der infrage kommenden Patientengruppen (§ 3 lit. a) und b)), des Anstellungszwanges der Praxisassistentinnen bei den Praxen (§ 4 Abs. 2), der Notwendigkeit der ärztlichen Einzelfallanordnung (§ 5 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 2), den zugelassenen Ausgangsqualifikationen der Fachkräfte (§ 6 S. 2 lit.a)) und vor allem hinsichtlich der Dauer der Fortbildung und ihrer Inhalte u.a. (§ 7 Abs. 2) nicht mit dem von § 87 Abs. 2b S. 5 SGB V vorgegeben Anforderungen vereinbaren. Die Regelungen der Delegationsvereinbarung verfehlen nicht nur die vom parlamentarischen Gesetzgeber gestellten Anforderungen, sondern werden auch den anderen Beteiligten nicht gerecht: Durch die zu niedrig festgelegten Qualifikationsanforderungen wird die Sicherheit der Patienten möglicherweise gefährdet. Zudem werden durch die zu restriktiven Voraussetzungen, welche Patientengruppen überhaupt von Praxisassistentinnen versorgt werden dürfen, unnötig viele Patienten ausgeschlossen. Hinsichtlich der Praxisassistentinnen wird die Chance vertan, einen großen Schritt hin zur Steigerung der Attraktivität der Heilhilfsberufe zu unternehmen und diesen den Stellenwert im Gesundheitssystem einzuräumen, den sie in den anderen europäischen Ländern bereits haben und wo sowohl finanzielle als auch personelle Probleme mit Hilfe der Praxisassistentinnen abgefedert werden können. Schließlich werden die Regelungen der Delegationsvereinbarung und des EBM auch den Vertragsärzten nicht gerecht. Ihnen steht die dringend notwendige Entlastung bis Ende 2014 nur in unterversorgten Gebieten zur Verfügung, die notwendige Attraktivitätssteigerung des Hausarztberufes bleibt auf der Strecke. Schließlich sind Zahl und Schwierigkeitsgrad der delegierbaren Leistungen aufgrund der potentiell ungenügenden Qualifikation der Praxisassistentinnen nach der Delegationsvereinbarung und damit ihre Entlastungswirkung deutlich in Frage gestellt, wollen nicht Hausärzte und Praxisassistentinnen Gefahr laufen, deshalb haftungsträchtige Behandlungsfehler zu begehen.
Zusammenfassung Hintergrund. Assessments zur Erfassung der Patientensicht sind wichtiger Bestandteil der Rehabilitation und Rehabilitationsforschung. Die vorliegende Dissertationsschrift beschäftigt sich mit Erhebungsinstrumenten zur Erfassung der subjektiven Gesundheit und der Reha-Ziele von Patienten der medizinischen Rehabilitation. In den empirischen Arbeiten wurden (Studie A) die messmethodischen Eigenschaften der originären dreistufigen (3L) und der überarbeiteten fünfstufigen (5L) Version eines international sehr häufig verwendeten Lebensqualitätsfragebogens (EQ-5D) miteinander verglichen und (Studie B) die Praktikabilität, der Nutzen und die Akzeptanz eines überarbeiteten Zielefragebogens aus Patienten- bzw. Behandlersicht untersucht. Da Reha-Ziele im Unterschied zur subjektiven Gesundheit bislang selten Gegenstand rehabilitationswissenschaftlicher Arbeiten waren, wurde vorab der Stand der Forschung zu Reha-Zielen aufgearbeitet und in einer Übersichtsarbeit zusammenfassend dargestellt. Methoden. Relevante nationale deutsch- und englischsprachige Studien zu Reha-Zielen und Zielvereinbarungen in der medizinischen Rehabilitation wurden mit Hilfe einer kombinierten Suchstrategie identifiziert und anhand definierter Ein- und Ausschlusskriterien ausgewählt. Die Datenbasis der empirischen Arbeiten bildeten die Stichproben zweier multizentrischer Längsschnittstudien. Indikatoren der Lebensqualität wurden im Selbsturteil mit standardisierten Fragebögen zu drei (Studie A) bzw. zwei Messzeitpunkten (Studie B) erfasst. Die von den Patienten in einem Zielefragebogen frei formulierten Reha-Ziele wurden auf der Grundlage eines selbst entwickelten Kategoriensystems klassifiziert. Für die Analysen kam ein breites Spektrum qualitativer und quantitativer Methoden zum Einsatz. Ausgewiesen wurden deskriptivstatistische Kennwerte (z.B. Mittelwerte, Dispersionsmaße, Häufigkeiten), regressionsanalytisch bestimmte Modellparameter (z.B. unstandardisierte Regressionskoeffizienten, Odds Ratios, Konfidenzintervalle, erklärte Varianzanteile) inhaltsanalytisch zusammengefasste Zielangaben und weitere statistische Maßzahlen (z.B. Effektgrößen). Sofern sinnvoll wurden soziodemografische und sozialmedizinische Parameter kontrolliert und stratifizierte Analysen durchgeführt. Ergebnisse. Studie A: Die 5L-Version erwies sich gegenüber dem originären EQ-5D bei allen durchgeführten Vergleichen in geringem bis moderatem Umfang überlegen. Insgesamt konnten bei Verwendung des 5L Boden- und Deckeneffekte reduziert, das deskriptive System besser genutzt und Veränderungen im Gesundheitszustand besser abgebildet werden. Die nach Indikation getrennten Analysen ergaben keine Ergebnisunterschiede in Richtung und Interpretation, zeigten für die Gruppe der psychosomatischen Patienten allerdings geringfügiger ausgeprägte und daher weniger bedeutsame Unterschiede zwischen den beiden Fragebogenversionen. Studie B: Mit nur 20 gefundenen Arbeiten ist die empirische Datenlage zu Reha-Zielen noch sehr gering. Die identifizierten Arbeiten zeigen, dass ein einheitliches Begriffsverständnis und ein Standardverfahren zur Erhebung von Reha-Zielen bislang noch fehlen. In den berücksichtigten Arbeiten wurden Reha-Ziele überwiegend mit Zielauswahllisten erfasst. Dabei bestanden oft unterschiedliche Zielvorstellungen zwischen Patienten und Behandlern. Der in der vorliegenden Studie verwendete Zielefragebogen zur freitextlichen Erfassung von Reha-Zielen wurde von der Mehrheit der befragten Patienten und Behandler in wichtigen Punkten für praktikabel und nützlich befunden. Der offene Erhebungsansatz erwies sich für die Zielerfassung geeignet: 91% der Befragten formulierten eigene Reha-Ziele. Im Mittel wurden sieben Ziele genannt. Welche Ziele sich Patienten setzten, hing dabei mehr von der Erkrankung und dem eigenen Krankheitserleben als von personenbezogenen Merkmalen ab. Diskussion. Studie A: Da die Ergebnisse selbst in dieser vergleichsweise wenig beeinträchtigten Studienpopulation auf bessere Messeigenschaften des 5L hinwiesen, wurde die Verwendung der überarbeiteten Fragebogenversion empfohlen. Weitere Studien an anderen Patientenkollektiven sind erstrebenswert. Studie B: Reha-Ziele waren bislang selten Gegenstand empirischer Forschungsarbeiten. Nach wie vor fehlen wichtige Erkenntnisse und daraus ableitbare Empfehlungen für die Praxis. Der hier erprobte Fragebogen kann Orientierungshilfe, Gesprächsgrundlage und Ausgangspunkt für die individuelle Ausgestaltung von Zielvereinbarungen sein. Anhand der gewonnenen Ergebnisse erscheint ein flächendeckender Einsatz insbesondere im Kontext der orthopädischen und onkologischen Rehabilitation vielversprechend. Eignung, mögliche Anwendungsbereiche und Implementierungsstrategien für die Psychosomatik sind in weiterführenden Studien zu überprüfen und näher zu bestimmen.
Rückenschmerzen sind eine häufige Erkrankung mit weitreichenden sozialen und gesundheitsökonomischen Folgen für unsere Gesellschaft. Die Abhängigkeit dieser Diagnose von Indikatoren des sozialen Status und die Annahme, dass sozial privilegiertere Schichten seltener von Dorsopathien betroffen sind, sind bekannte Thesen. Welcher Indikator der sozialen Schicht der Beste ist, um Vorhersagen treffen zu können und welche Unterschiede des sozialen Rückenschmerzgefälles zwischen Ost- und Westdeutschland 2004 zu verzeichnen waren, waren zwei Kernpunkte dieser Arbeit. Zur statistischen Untersuchung der Daten wurden der Chi²-Test auf Unabhängigkeit sowie logistische Regressionsanalysen durchgeführt. Es konnte in allen Tests gezeigt werden, dass sozial benachteiligte Personen signifikant häufiger unter schwergradigen Rückenschmerzen leiden, was sowohl vom Bildungsniveau aber auch vom Einkommen und der beruflichen Position vorhergesagt wurde. Der Schichtindikator "Bildungsniveau" hatte in den bivariaten Analysen jedoch den stärksten Einfluss auf die Assoziation zu Rückenschmerzen. Innerhalb der Drei- und Zwölf-Monats- sowie der Lebenszeitprävalenz ergab sich kein solch eindeutiger Trend. Es zeigte sich, dass die Lebenszeitprävalenz - mit über 80% - in allen Alterskategorien auf etwa dem gleich hohen Niveau liegt und dass diese hohe Prävalenz in jungen Jahren zum größten Teil von leichtgradigen Rückenschmerzen verursacht wird. Es konnte dargelegt werden, dass die schwergradigen Rückenschmerzen altersabhängig sind und außerdem die Tatsache bestätigt werden, dass ihr Anteil seit Jahrzehnten die 15%-Marke nicht überschritten hat. Im Ost-West-Vergleich wurden ähnlich hohe Prävalenzen von etwa 35% für die Punktprävalenz, etwa 65% für die Drei-Monats-Prävalenz, knapp unter 80% für die Zwölf-Monats-Prävalenz und knapp über 80% schließlich für die Lebenszeitprävalenz gefunden. Die soziale Lage schien in den Analysen der Lübecker Daten zunächst einen stärkeren Einfluss auf Rückenschmerzen zu haben als in denen Greifswalds. Bei der Überprüfung von Interaktionseffekten hinsichtlich der Stichprobenherkunft erwies sich diese allerdings als irrelevant, wonach im Vergleich der beiden Standorte von keinem ein erhöhtes Risiko auf Rückenschmerzen ausgeht. Eine Assoziation zum Sozialstatus ist jedoch auch hier zweifelsohne vorhanden. Die gefundenen Ergebnisse verdeutlichen, dass die soziale Schichtzugehörigkeit in einem engen Zusammenhang mit bestimmten Rückenschmerzausprägungen steht, diese jedoch wahrscheinlich nicht verursacht. Das Erkennen dieser Risikoindikatoren und das entsprechende Handeln sind wichtige Bestandteile eines besseren Umgangs mit dieser Diagnose und einer zielführenden Therapie.
Mit der vorliegenden epidemiologischen Untersuchung anhand der Akten aus dem Ermittlungsverfahren zum „Holzschutzmittel-Prozess“ wurde versucht, einen systematischen Zusammenhang zwischen der niedrigschwelligen chronischen Holzschutzmittel (HSM)-Exposition in Innenräumen und dem Auftreten von ausgewählten subjektiven Beschwerden, Symptomen und Erkrankungen wissenschaftlich nachzuweisen. Die umfassenden, alters- und geschlechtsbezogenen Analysen einer Prozesskohorte bestehend aus 179 Haushalten mit insgesamt 602 Personen lassen Beziehungen zwischen einer Exposition gegenüber den gesundheitsgefährdenden Stoffen PCP und Lindan in HSM und gesundheitlichen Beeinträchtigungen erkennen, erfordern aber gleichzeitig eine Diskussion möglicher Limitationen. Die im Hauptstaatsarchiv des Landes Hessen gelagerten Prozessakten mit (1) den Selbstausfüller-Fragebögen und (2) einer systematischen Erhebung sämtlicher Laborwerte (Konzentrationen von PCP und Lindan in Blut- und Urinproben sowie in Holz-, Raumluft- und Staubproben aus den betroffenen Haushalten) bildeten die Datengrundlage. Allerdings limitierten das Design und die Verwendung von zwei unterschiedlichen Selbstausfüller-Fragebögen im Verlauf der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen die durchgeführten Analysen. Pro Person wurden bis zu 62 Gesundheitsbeschwerden und Krankheitssymptome genannt, die im zeitlichen Zusammenhang mit HSM-Anwendungen bei den Mitgliedern der betroffenen Haushalte aufgetreten waren. Die fünf häufigsten Beschwerdenennungen unterscheiden sich bei Männern und Frauen nur in der Rangfolge und entstammen mehrheitlich – mit Ausnahme der Infektanfälligkeit und Schlafstörung – dem neurologischen Bereich: Kopfschmerzen, Konzentrationsstörungen und Mattigkeit. Für Kinder (< 14 Jahre) innerhalb der Kohorte wurden zahlenmäßig weniger Gesundheitsbeschwerden berichtet als für Jugendliche/Erwachsene (≥ 14 Jahre). Die Beschwerdenennungen unterscheiden sich außerdem deutlich im Spektrum. Bei Kindern sind die internistischen/immunologischen Beschwerden z.B. Infektanfälligkeit und Durchfall am häufigsten. Zwischen der Gesamtanzahl der Beschwerden pro Person und der verstrichenen HSM-Menge bzw. Größe der behandelten Fläche wurden numerisch geringe, jedoch statistisch signifikante positive Korrelationen ermittelt. Diese Hinweise auf einen möglichen Zusammenhang wurden sowohl für die gesamte Kohorte als auch für die Untergruppe der Selbstanwender beobachtet. In Bezug auf einzelne Beschwerden wiesen logistische Regressionsanalysen bei Männern einen signifikanten Zusammenhang zwischen der HSM-Menge bzw. dem Verhältnis HSM-Menge/Anstrichfläche und dem Auftreten von Bindehautentzündungen, Haarausfall oder Konzentrationsstörungen nach. In der Gruppe der Frauen zeigten sich positive Assoziationen zum Auftreten von Kopfschmerzen oder Schlafstörungen. Trotz der erhöhten HSM-Exposition der Betroffenen wiesen Mortalitätsanalysen für die untersuchte Kohorte eine deutlich und statistisch signifikant erniedrigte standardisierte Mortalitätsratio [SMR 0,51 (95 %-KI: 0,39-0,67)] auf. Diese Ergebnisse konnten durch Cox Regressionsmodelle bestätigt werden. Anhand der Altersverteilung, der Angaben zur Lebensweise und der berichteten Berufe lässt sich abschätzen, dass die betroffenen Personen nicht als repräsentativ für die Allgemeinbevölkerung angesehen werden können. So umfasst die Kohorte vergleichsweise weniger Raucher und Übergewichtige. Auch ist ein geringerer Alkoholkonsum zu verzeichnen. Zusammen mit dem Fakt, dass die Kohorte hauptsächlich aus Personen der mittleren bzw. höheren sozialen Schicht besteht, könnte der beobachtete gesündere Lebensstil eine Ursache für die niedrigere Mortalitätsrate darstellen. Eine hohe Selbstselektierung der Kohortenmitglieder, die sich aufgrund eigener Initiative als Zeugen gemeldet hatten, schließt eine unkritische Verallgemeinerung der erzielten Studienergebnisse auf die Allgemeinbevölkerung aus. Die Analyse der Prozessakten, der Verfahrensweisen bei der Datenerhebung durch die Staatsanwaltschaft, der Dokumentation und des Datenbestandes im Kontext des HSM-Prozesses ermöglichen es jedoch, Limitationen aufzuzeigen und methodische Schwierigkeiten bei der wissenschaftlichen Aufarbeitung der HSM-Problematik zu identifizieren. Hieraus können Empfehlungen für ein zukünftiges Vorgehen bei der Untersuchung ähnlicher toxikologischer Risiken abgeleitet werden.
Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wurden die von der WHO im Jahr 2003 publizierten Faktoren mit Einfluss auf die nichtmedikamentöse (Bewegungsverhalten, Nikotin- bzw. Alkohol-Konsum, Ernährungsanpassung/Reduktion des Körpergewichts) und medikamentöse Therapietreue (Compliance) bei Patienten mit essentieller arterieller Hypertonie u. W. erstmals in der Region Greifswald untersucht. Hauptzielstellung war die Untersuchung der Einflussfaktoren auf die Compliance anhand der von der WHO proklamierten fünf Dimensionen (sozioökonomisch, therapiebezogen, gesundheitssystembezogen, krankheitsbezogen, patientenbezogen) insbesondere hinsichtlich der „strikten Compliance“. Als Nebenfragestellung war zu klären, ob die Umstellung auf ein wirkstoffgleiches Medikament während der Bluthochdrucktherapie die medikamentöse Compliance beeinflusst. Die Ergebnisse sollen einen Beitrag zur Optimierung der Therapie der essentiellen Hypertonie liefern. Die Erfassung der Daten erfolgte in einer Querschnittsstudie (Feldstudie) mittels Fragebogen (Rückgabe ohne Einsicht Dritter; versiegelte Urnen), der nach einem Pretest optimiert wurde. Im Zeitraum vom 03. April 2010 bis zum 11. Januar 2011 wurden in drei allgemeinmedizinischen Praxen in Greifswald insgesamt 150 Fragebögen an Patienten mit manifester essentieller Hypertonie ausgegeben. 101 (67,3 %) wurden zurückerhalten, davon waren 97 auswertbar. Für die Mitwirkung der Patienten wurde durch das Praxispersonal sowie ein Informationsplakat geworben. Nach der deskriptiv-statistischen Auswertung und der univariaten Beschreibung der gewonnenen Daten wurden für das Verhalten der Patienten bei der nichtmedikamentösen und medikamentösen Therapie (generell sowie nach Umstellung auf ein wirkstoffgleiches Medikament) innerhalb von 6 Score-Systemen die entsprechenden Compliance-Scores gebildet (strikt compliant, partiell compliant und non-compliant). Anschließend erfolgte eine bivariate Datenbeschreibung unter Erstellung der Kreuztabellen mit den entsprechenden Compliance-Scores und die Berechnung der Überschreitungswahrscheinlichkeiten (bei Irrtumswahrscheinlichkeit α = 5 %) zur Beurteilung der jeweiligen Nullhypothesen H0. Die Wirkung der Einflussfaktoren auf das Compliance-Verhalten wurde aus der prozentualen Verteilung der strikten, partiellen und Non-Compliance der Studienteilnehmer innerhalb der Items ermittelt. Durch Zusammenfassen der Compliance-Scores „stritkt compliant“ und „partiell compliant“ zu „compliant“ sowie von Items bei den Einflussfaktoren in jeweils zwei inhaltlich sinnvoll strukturierte Kategorien wurden Vier-Felder-Kontingenztafeln erstellt, aus denen über die Verhältnisse der jeweiligen Raten für „compliant“ und „non-compliant“ (Prevalence Rate Ratios hier als Compliance Rate Ratios) Aussagen zur Beeinflussung der Non-Compliance abgeleitet wurden. Die erhaltenen Ergebnisse werden in Bezug auf das Bewegungsverhalten, das Nikotin- bzw. Alkoholkonsum-Verhalten, die Ernährungsanpassung/Reduktion des Körpergewichts als nichtmedikamentöse therapeutische Maßnahmen und die medikamentöse Therapie diskutiert und Folgerungen für mögliche praktische Ansätze zur Verbesserung des Compliance- Verhaltens gezogen. Bei zehn (71 %) von den 14 untersuchten patientenbezogenen Faktoren wurden im Vergleich zu den anderen Faktoren (sozioökonomisch bzw. krankheitsbezogen: 67 %, gesundheitssystembezogen: 57 % und therapiebezogen: 50 %) am häufigsten entsprechende signifikante Zusammenhänge und deutlich ausgeprägte Assoziationen gefunden. Im Bereich der nichtmedikamentösen Therapie wird deutlich, dass die Ansatzpunkte für eine Optimierung der Bluthochdrucktherapie vor allem bei der Verbesserung des Compliance-Verhaltens bei der Ernährungsanpassung und der Reduktion des Körpergewichts, gefolgt vom Bewegungsverhalten und dem Alkohol-Konsum liegen. Das Compliance-Verhalten bei der medikamentösen Therapie im allgemeinen lässt sich insbesondere über die gezielte Ausgestaltung der gesundheitssystembezogenen und der therapiebezogenen Einflussfaktoren verbessern, die wiederum fördernd auf die patientenbezogenen Einflussfaktoren wirken (Vermittlung der Sinnhaftigkeit von therapeutischen Maßnahmen, Verbesserung der Motivation). Dieser Aspekt betrifft in gleichem Maße das Compliance-Verhalten bei der nichtmedikamentösen Therapie. Zusammenhänge und eine Assoziation in Bezug auf die Compliance bei der medikamentösen Therapie nach Umstellung auf ein wirkstoffgleiches Medikament als Nebenfragestellung der Arbeit wurden vor allem bei den patientenbezogenen Faktoren (Sinnhaftigkeit von therapeutischen Maßnahmen, Motivation) und therapiebezogenen Faktoren (Abweichungen von der Einnahmevorschrift) aufgefunden. Die Raten der strikten Compliance lagen hier unerwartet deutlich über denen der medikamentösen Therapie generell. Auch dieses Ergebnis wird eingehend diskutiert.
Hintergrund: Berechnungen von qualitätsadjustierten Lebensjahren (QALYs) in Kosten-Nutzwert-Analysen basieren häufig auf Bewertungen von Gesundheitszuständen durch die Allgemeinbevölkerung. Die Ergebnisse verschiedener Studien zeigen jedoch Unterschiede in den Bewertungen zwischen verschiedenen Befragungskollektiven. Fragestellungen: Es wurde zum einen die Frage untersucht, inwieweit die Nutzwerte für EQ-5D Gesundheitszustände zwischen Befragungskollektiven differieren. Zum anderen wurde geprüft, welche Konsequenzen haben diese möglichen Unterschiede für die Koeffizienten zur Berechnung des EQ-5D Indexwerts und für die Berechnung des inkrementellen Kosten-Effektivitäts-Verhältnisses (ICER). Methoden: Es wurden lineare Regressionsanalysen mit schrittweiser Einbeziehung von Interaktionseffekten durchgeführt. Grundlage waren die Daten eines Surveys zur Bewertung von 42 EQ-5D-3L Gesundheitszuständen mit dem time trade-off (TTO)- und dem visual analogue scale (VAS-Verfahren durch Patienten mit muskuloskelettalen Erkrankungen, gesunde Freiwillige und medizinisches Personal. Zusätzlich wurde eine hypothetische Kosten-Nutzwert-Analyse unter Verwendung der Daten eines RCTs durchgeführt. Ergebnisse: Für beide Erhebungsverfahren wurden signifikante Interaktionseffekte in den Bewertungen einzelner Gesundheitszustände und in den ermittelten Regressionskoeffizienten identifiziert. Ausmaß und Richtung dieser Unterschiede variierten in Abhängigkeit vom Erhebungsverfahren und dem bewerteten Gesundheitszustand. Signifikante Unterschiede zeigten sich insbesondere bei schweren Gesundheitszuständen bzw. Koeffizienten, die starke Beeinträchtigungen der Lebensqualität in den EQ-5D Dimensionen kennzeichneten. Im Rahmen der hypothetischen Kosten-Nutzwert-Analyse zeigte sich, dass geringe Unterschiede zwischen den Bewertungen zu deutlichen Unterschieden in den ICERs und zu unterschiedlichen Entscheidungen führen können. Basierend auf den Patiententarifen waren die ICERs am höchsten. Schlussfolgerungen: Trotz einiger Limitationen der Studie zeigen die Ergebnisse, dass sich die Bewertungen von EQ-5D Gesundheitszuständen zwischen Befragungskollektiven unterscheiden. Entscheidungsträger sollten sich daher bei der Interpretation der Ergebnisse von gesundheitsökonomischen Analysen mit verschiedenen Befragungskollektiven dieser möglichen Differenzen bewusst sein.
Bei der juvenilen idiopathischen Arthritis (JIA) handelt es sich um eine multifaktorielle, polygene Autoimmunerkrankung, in deren Pathogenese T-Zellen eine wichtige Rolle spielen. Das cytotoxische T-Lymphozyten-Antigen-4 (CTLA-4) als Oberflächenmolekül auf aktivierten T-Zellen hat negativ-regulatorische Wirkung und supprimiert eine überschießende Immunantwort. Assoziationen verschiedener Single Nucleotid Polymorphisms (SNPs) im Gen des CTLA-4 zu unterschiedlichen Autoimmunerkrankungen sind vorbeschrieben. Ziel dieser Arbeit war es den Einfluss zweier ausgewählter Polymorphismen des CTLA-4 Gens (-318 Promotor C/T und +49 Exon 1 A/G) auf die Ausprägung der JIA und ihrer Unterformen zu untersuchen. 844 DNA-Proben von JIA-Patienten, sowie insgesamt 662 Kontrollen wurden genotypisiert. Die Kontrollgruppe setzte sich aus 500 lokalen Individuen der Region Vorpommern und 162 Personen aus ganz Deutschland zusammen. Die Genotypisierung erfolgte mittels Allelspezifischer Duplex-PCR und anschließender Gelelektrophorese. Beim Vergleich der JIA-Patienten mit der Kontrollgruppe konnte für die Psoriasisarthritis eine Assoziation für den -318 C/T SNP nachgewiesen werden. Für den +49 A/G SNP war keine Assoziation zu finden. Die Allelverteilung der JIA-Patienten zeigte eine nicht signifikante Häufung des A+49-Allels bei Psoriasisarthritis und Enthesitis-assoziierter Arthritis sowie einen signifikanten Zusammenhang des T-318-Allels bei Psoriasisarthritis. Bei Betrachtung der Allel- und Genotypverteilung der untersuchten SNPs in verschiedenen Regionen, Ländern und Ethnien in Daten der Literatur fiel eine große Variabilität, vor allem des +49-Exonpolymorphismuses auf. Weiterhin konnte ein vorbeschriebenes Linkage Disequilibrium, im Sinne einer genetische Kopplung, für die beiden untersuchten Polymorphismen bestätigt werden. Zur funktionellen und klinischen Bedeutung der von uns gefundenen Assoziation zwischen dem -318 C/T SNP und Psoriarisarthritis sind noch weitere Untersuchungen mit größeren Fallzahlen notwendig. Wichtig ist aufgrund der breiten Variabilität der Genotypverteilung in verschiedenen Ethnien, Ländern und Regionen adäquat passende Patienten- und Kontrollgruppen zu wählen. Aufgrund des Linkage Disequilibriums der beiden untersuchten Genorte empfehlen sich für weitere Studien Haplotypanalysen.
Demenznetzwerke versuchen mithilfe regionaler Kooperationen eine moderne, sektorenübergreifende sowie multidisziplinär ausgerichtete Demenzversorgung aufzubauen. Diese Kooperationsmodelle werden seit einigen Jahren politisch und gesellschaftlich gefordert. Obwohl es in Deutschland bereits eine Vielzahl von Demenznetzwerken gibt, ist wenig über sie bekannt. Mit dem Ziel, den MmD so lange wie möglich ein selbstständiges Leben zu ermöglichen, fordern nationale Demenzleitlinien eine integrierte Versorgung von Menschen mit Demenz (MmD). Die vorliegende Dissertation untersucht, wie häufig MmD eine integrierte, spezialisierte Demenzversorgung in deutschen Demenznetzwerken erhalten und mit welchen Faktoren diese auf Seiten des MmD und Netzwerkes assoziiert ist. Die Dissertation geht im Kern der Frage nach, inwieweit Demenznetzwerke die Versorgung von Menschen mit Demenz verbessern und ob Demenznetzwerke ein Zukunftsmodell zur Versorgung von MmD darstellen könnten. In der multizentrischen, interdisziplinären Evaluationsstudie von Demenznetzwerken in Deutschland (DemNet-D) wurden 560 Bezugspersonen von Menschen mit Demenz in n=13 Demenznetzwerken über sozio-demografische und klinische Parameter sowie die Inanspruchnahme von medizinischen, pharmazeutischen, nicht-pharmakologischen Therapien sowie die Hilfsmittelversorgung des MmD befragt. Die Daten wurden mit deskriptiven und multivariaten Regressionsmodellen analysiert. Im Ergebnis erreichen MmD in Demenznetzwerken eine hohe Quote in der Konsultation von Hausärzten (93%) und Fachärzten für Neurologie/ Psychiatrie (74%). Mit einem Antidementivum werden 52% der MmD in den untersuchten NW versorgt. Bei nicht-pharmakologischem Therapien erhalten 24% der MmD Physiotherapie und 15% der MmD Ergotherapie. Die häusliche Versorgungssituation wird u.a. mit Mobilitätshilfen bei 59% der Nutzer von Demenznerzwerken unterstützt. Weibliches Geschlecht ist innerhalb der neurologischen/ psychiatrischen Facharztversorgung mit einer geringeren Versorgungsquote (OR 0.6) assoziiert. Die Antidementivaversorgung ist u.a. signifikant positiv mit der formalen Diagnose (OR 16.8) assoziiert. Bei nicht-pharmakologischen Therapien (OR 1.2) und Hilfsmitteln (OR 1.4) sind Komorbiditäten signifikant mit der Versorgung assoziiert. Eine medizinische Affiliation des Netzwerkes zeigt sich als positiver Einflussfaktor u.a. bei der neurologischen/ psychiatrischen Facharztversorgung (8.4) und der Versorgung mit Antidementiva (OR 3.7). Die vorliegenden Ergebnisse zeigen, dass MmD in Demenznetzwerken im Vergleich zu primärärztlicher Versorgung höhere Inanspruchnahme-Quoten erreichen. Sie zeigen nicht, ob MmD bedarfsgerecht versorgt werden oder auch ob sich Demenznetzwerke auf Institutionalisierungsraten auswirken. Die Ergebnisse weisen jedoch darauf hin, dass Nutzer von Demenznetzwerken häufiger eine demenzspezifische Versorgung erhalten. Demenznetzwerke adressieren somit zentrale Forderungen u.a. der WHO.