Refine
Language
- German (1) (remove)
Keywords
- Bakterien (1)
- Bakteriolyse (1)
- Biotechnologie (1)
- Brackwasser (1)
- Predation (1)
Die Synthese und der Abbau von mikrobieller Biomasse sind fundamentale biologische Prozesse auf unserer Erde. Im Gegensatz zu zellulĂ€ren Syntheseleistungen wurde der Eliminierung von mikrobieller Biomasse allerdings bisher weniger Aufmerksamkeit geschenkt. Die Auflösung von Bakterienzellen wird als Bakteriolyse bezeichnet. Innerhalb von natĂŒrlichen Bakteriengemeinschaften wird die Bakteriolyse eingeleitet durch verschiedene mikrobielle Prozesse und wird schlieĂlich durch die Degradation komplexer bakterieller Zellwandbausteine bedingt. Sie ist ein fundamentaler Vorgang zur Energie- und NĂ€hrstoffversorgung, sowohl im Rahmen der Saprotrophie, also dem Abbau von toten Bakterienzellen, als auch der Bakterivorie, der PrĂ€dation an lebenden Bakterien. Der Prozess der Bakteriolyse ist bei beiden ErnĂ€hrungstypen abhĂ€ngig von extrazellulĂ€ren Enzymen und bioaktiven Metaboliten, die den enzymatischen Angriff ermöglichen oder verstĂ€rken und letztlich zur Zerstörung des Zellmaterials beitragen. Bakteriolytische Substanzen und Metaboliten besitzen eine hohe Anwendungsrelevanz, beispielsweise fĂŒr die ZurĂŒckdrĂ€ngung von Bakterien in vielen verschiedenen Bereichen des Lebens und werden in Anbetracht der weltweit steigenden Verbreitung von Krankheits- und Schaderregern sowie von Antibiotikaresistenzen dringend benötigt. Um Zugang zu neuen antimikrobiellen Substanzklassen zu erhalten, wurden im Rahmen der vorliegenden Arbeit 35 stark bakteriolytische Bakterienisolate aus Brackwasser gewonnen und charakterisiert, darunter 31 von verschiedenen Probenahmeorten der Ostsee und 4 aus dem brackwasserhaltigen Bereich des Balchaschsees in Kasachstan. Alle bakteriolytischen Isolate wurden morphologisch und physiologisch charakterisiert. Eine Auswahl bakteriolytischer StĂ€mme wurde zusĂ€tzlich taxonomisch identifiziert. Von den bakteriolytischen Umweltisolaten aus der Ostsee konnten zehn StĂ€mme eindeutig den vier Bacillus-Arten B. pumilus, B. subtilis, B. megaterium und B. licheniformis zugeordnet werden (Brack et al. 2013). Unter den Isolaten aus dem Balchaschsee wurden drei StĂ€mme als Pseudomonas veronii und ein Stamm als Paenibacillus apiarius identifiziert. Die Isolate aus dem Balchaschsee zeichneten sich durch eine starke LyseaktivitĂ€t gegenĂŒber lebenden Zellen von Pseudomonas putida, Escherichia coli, Micrococcus luteus und Arthrobacter citreus aus und waren zum Teil in der Lage, auch autoklavierte Zellen dieser Arten zu degradieren. FĂŒr das Isolat Paenibacillus apiarius SBUG 1947 wurde nach Analyse von Wachstumskurven und elektronenmikroskopischen Aufnahmen eine besonders deutliche LyseaktivitĂ€t gegenĂŒber lebenden Zellen von A. citreus in FlĂŒssigkultur nachgewiesen (Brack et al. 2014c). In einem umfangreichen systematischen Screening ĂŒber die bakteriellen Isolate aus der Ostsee zeigten ausgewĂ€hlte Bacillus-StĂ€mme aller vier identifizierten Arten lytische AktivitĂ€ten gegenĂŒber lebenden Zellen von grampositiven und gramnegativen Bakterien der Arten Arthrobacter citreus, Micrococcus luteus und Pseudomonas putida sowie zum Teil gegenĂŒber Hefen wie Trichosporon mucoides. Diese und weitere Mikroorganismen wie Aeromonas sp., Bacillus subtilis, Chromobacterium violaceum, Citrobacter freundii, Enterobacter aerogenes, Proteus mirabilis, Pseudomonas aeruginosa und Serratia marcescens wurden in Form von autoklavierten und pasteurisierten Zellen ebenfalls durch die Bacillus-StĂ€mme lysiert (Brack et al. 2013). Das stark bakteriolytische Isolat B. pumilus SBUG 1800 zeigte zudem in FlĂŒssigkultur eine deutliche BakteriolyseaktivitĂ€t gegen pasteurisierte und lebende Zellen von A. citreus, wobei selbst ein geringes Inokulum von B. pumilus zu einer raschen Abtötung sowie Auflösung der Wirtszellen fĂŒhrte, wie in Wachstumsversuchen und mit Hilfe von elektronenmikroskopischen Aufnahmen gezeigt werden konnte. Die stĂ€rkste LyseaktivitĂ€t gegenĂŒber lebensfĂ€higen A. citreus-Zellen konnte nach 3,5 bis 4,5 Stunden der Inkubation in Co-Kultur mit verdĂŒnnter NĂ€hrbouillon beobachtet werden. Um den Bakteriolyseprozess genauer zu charakterisieren, wurden im Folgenden VerĂ€nderungen im extrazellulĂ€ren Metabolom und Proteom unter verschiedenen Kulturbedingungen untersucht. So wiesen die zellfreien KulturĂŒberstĂ€nde von B. pumilus SBUG 1800, coinkubiert mit pasteurisierten Zellen von A. citreus, nachweislich eine starke bakteriolytische AktivitĂ€t auf, was auf die Anwesenheit von extrazellulĂ€ren Lysefaktoren hindeutete. Diese lytischen Faktoren sollten mit Hilfe von analytischen Messmethoden nachgewiesen und biochemisch charakterisiert werden. Mittels gekoppelter Gaschromatographie-Massenspektrometrie (GC-MS) und FlĂŒssigkeitschromatographie-Massenspektrometrie (LC-MS) wurden im KulturĂŒberstand von B. pumilus SBUG 1800, inkubiert in Gegenwart von pasteurisierten Zellen von A. citreus, verschiedene 2,5 Diketopiperazine detektiert. Hierdurch gelang der erste wissenschaftliche Nachweis der Sekretion der Diketopiperazine Cyclo(-Ala-Pro), Cyclo(-Gly-Pro), Cyclo(-Val-Pro), Cyclo( Ile-Pro), Cyclo(-Leu-Pro), Cyclo(-Pro-Pro), Cyclo (-HyP-Pro), Cyclo (-Pro-Met) und Cyclo(-Phe-Pro) durch das Umweltisolat B. pumilus SBUG 1800 aus der Ostsee sowie auch durch den Laborstamm B. pumilus SBUG 1921 (auch B. pumilus Jo2). Beide StĂ€mme reagierten nach 4 h der Inkubation in einem Mineralsalzmedium mit einer erhöhten Produktion der Diketopiperazine Cyclo(-Gly-Pro), Cyclo(-Ala-Pro) und Cyclo(-Val-Pro) auf das Vorhandensein pasteurisierter A. citreus-Zellen. Auch in zehnfach verdĂŒnnter NĂ€hrbouillon wurden diese Diketopiperazine produziert. Die detektierten antimikrobiellen Diketopiperazine wiesen gegenĂŒber verschiedenen TeststĂ€mmen eine Hemmwirkung auf, die bereits bei sehr geringen Konzentrationen von 1 ”g ml-1 einsetzte. FĂŒr die Diketopiperazine konnte jedoch keine bakteriolytische Funktion nachgewiesen werden, weder gegenĂŒber lebenden noch gegenĂŒber abgetöteten Bakterienzellen (Brack et al. 2014a). Sie wirken daher als Stoffwechsel inaktivierende Vorstufe fĂŒr einen nachfolgend einsetzenden bakteriolytischen Prozess. Um den unbekannten Lysefaktor aus dem zellfreien Ăberstand von B. pumilus SBUG 1800 zu identifizieren, wurde unter anderem die Lipopeptid-Fraktion der Zellen gewonnen und mittels LC-MS analysiert. Dabei wurden neun verschiedene Pumilacidine, darunter zwei bislang unbeschriebene Lipopeptide mit den MolekĂŒlmassen 1007 und 1021, detektiert. Da die Lipopeptidextrakte lebende Wirtzellen lysierten, können die Pumilacidine als eine erste Gruppe von wirksamen Lysefaktoren im untersuchten PrĂ€dator-Wirt-System angesehen werden. Die Konzentration der Pumilacidine ist Ă€hnlich der Diketopiperazin-Konzentration nach vier Stunden der Inkubation in verdĂŒnnter NĂ€hrbouillon höher in Anwesenheit von pasteurisierten oder lebenden Zellen von A. citreus als im Kontrollmedium ohne Wirtszellen. Neben den antimikrobiellen Diketopiperazinen und den bakteriolytischen Pumilacidinen konnte mittels Gelelektrophorese die bakteriolytische Wirksamkeit einer groĂen Bandbreite von extrazellulĂ€ren Enzymen aus B. pumilus SBUG 1800 nachgewiesen werden. Zwei der bakteriolytisch wirksamen Enzyme konnten mit Hilfe massenspektrometrischer Methoden als die Zellwandhydrolasen N-Acetylmuramoyl-L-Alaninamidase und ÎČ N Acetylglukosaminidase identifiziert werden (Brack et al. 2014b). Im Kontext der aktuellen Fachliteratur deuten die hier vorgestellten Ergebnisse darauf hin, dass Bacillus-Arten sich als Intragilden-PrĂ€datoren in das marine mikrobielle Nahrungsnetz einordnen lassen. Bei Nahrungsmangel, vergleichbar mit dem Wachstum in der vielfach verwendeten, zehnfach verdĂŒnnten NĂ€hrbouillon, greift B. pumilus benachbarte Mikroorganismen an, um diese als NĂ€hrstoff- und Energiequellen fĂŒr das eigene Ăberleben zu nutzen durch die damit verbundene Lyse von Nahrungskonkurrenten den Prozess der eigenen Sporulation zu retardieren. Der Vorgang der Bakteriolyse im untersuchten PrĂ€dator-Wirt-System lĂ€uft dabei nach dem dargelegten Kenntnisstand folgendermaĂen ab. In der Co-Kultur wird das Wachstum der Wirtsbakterienart A. citreus durch neun verschiedene Diketopiperazine mit antibakterieller Wirksamkeit inhibiert. Die Gesamtkonzentration der Diketopiperazine liegt bei ĂŒber 80 ”g ml-1. Gleichzeitig verursachen die ausgeschiedenen Pumilacidine A bis I als Hauptfaktoren der Bakteriolyse die initiale Zellpermeabilisierung, und den Zelltod der Wirtsbakterien, wahrscheinlich bedingt durch eine Desintegration von Membranstrukturen, woraufhin der austretende Zellinhalt im Medium verfĂŒgbar wird. FĂŒr die Degradation der freiwerdenden makromolekularen NĂ€hrstoffe sekretiert B. pumilus ein breites Spektrum von verschiedenen hydrolytischen extrazellulĂ€ren Enzymen, welche die komplexen Zellbestandteile zu metabolisierbaren Oligomeren und Monomeren zersetzen (Brack et al. 2014b). Auf der Grundlage der neuen Erkenntnisse ĂŒber den Hergang der Bakteriolyse im ausgewĂ€hlten PrĂ€dator-Wirt-System können neue, anwendungsrelevante AnsĂ€tze fĂŒr die ZurĂŒckdrĂ€ngung von schĂ€dlichen Mikroorganismen abgeleitet werden. Neben der detailliert untersuchten Art Bacillus pumilus stehen weitere lytische Bakterien zur VerfĂŒgung, deren Wirkstoffe und lytische Enzyme, ein groĂes Potential zur Zerstörung von mikrobiellen Zellen und