Wie andere Vertreter der Paramyxoviridae vergröĂert das NDV durch Editierung von Transkripten seine KodierungskapazitĂ€t. Durch co-transkriptionelle mRNA-Editierung kodiert das P-Gen beim NDV sowohl fĂŒr das P-, das V-, als auch das W-Protein. Die drei Proteine gleichen sich N-terminal, wohingegen die C-Termini in LĂ€nge und AS-Zusammensetzung variieren. WĂ€hrend sowohl Expression als auch Inkorporation des P- und V-Proteins in das NDV-Partikel nachgewiesen wurde, gab es bisher keinen Beweis fĂŒr die Existenz des W-Proteins.
FĂŒr den Nachweis der Expression des NDV W-Proteins wurden W-spezifische Seren auf Grundlage von Peptiden generiert, welche im spezifischen C-Terminus lokalisiert waren und vorhersagbare antigene Regionen beinhalteten. Je eines der Kaninchenseren ermöglichte die Detektion von Plasmid-exprimiertem NDV W-Protein, sowie W-Protein in infizierten Zellen mittels indirekter IF und WB-Analyse.
Eine Inkorporation des W-Proteins in NDV-Virionen deuteten WB- und massen-spektrometrische Analysen an, wĂ€hrend die Abwesenheit des Proteins fĂŒr rekombinante NDV deren W-Protein Expression durch unterschiedliche Mutations-ansĂ€tze unterbunden wurde, in infizierten Zellen und Viruspartikeln bestĂ€tigt werden konnte.
Untersuchungen infizierter Zellen mit Hilfe konfokaler Mikroskopie zeigten eine Akkumulation des W-Proteins im Zellkern. Diese Lokalisation wurde auf eine zweigliedrige NLS im spezifischen C-Terminus zurĂŒckgefĂŒhrt und die FunktionalitĂ€t der NLS anhand der zytoplasmatischen Verteilung des Proteins in transfizierten bzw. infizierten Zellen nach Mutation der zwei basischen Cluster bestĂ€tigt.
Vergleichende Untersuchungen rekombinanter und WT-NDV zeigten keinen Einfluss der NLS bzw. der Expression des W-Proteins auf die Virusreplikation in vitro.
Bei der Analyse wirtsspezifischer, IFN-antagonistischer Funktionen des NDV W-Proteins in der spĂ€ten Phase der Typ-I-IFN-Antwort mit Hilfe eines HĂŒhnerzell-basierten IFN signaling Assays konnte sowohl fĂŒr das W-Protein eines lentogenen (NDV Cl30), als auch eines velogenen NDV-Stammes (NDV Herts_I) kein inhibierender Effekt auf den untersuchten Signalweg gezeigt werden. Stattdessen deutete sich fĂŒr das NDV Cl30 W-Protein ein aktivierender Effekt an.
Sequenzanalysen zur Vorhersagbarkeit von W-Proteinen bzw. C-terminal kodierten NLS in NDV-StĂ€mme unterschiedlicher Virulenz und Genotypen lieĂen keinen RĂŒckschluss auf einen Einfluss des W-Proteins auf die PathogenitĂ€t von NDV zu.
Im Gegensatz zum W-Protein war die Expression des NDV V-Proteins essentiell fĂŒr die Replikation von NDV in vitro und in ovo.
FĂŒr die Analyse des Einflusses von V-Proteinen unterschiedlicher Herkunft auf die Replikation eines lentogenen NDV in vitro wurden diese in verschiedenen rekombinanten Viren von einem zusĂ€tzlich inserierten ORF exprimiert und die Expression der homo- und heterologen V-Proteine durch stammspezifische Seren ĂŒberprĂŒft, wofĂŒr im Vorfeld ein NDV R75/95 V-spezifisches Peptidserum generiert wurde. Keines dieser rekombinanten Viren zeigte Replikationsvorteile in vitro im Vergleich zum parentalen Virus.
Ein Hinweis auf einen Einfluss der Herkunft des V-Proteins konnte mit Hilfe des HĂŒhnerzell-IFN signaling Assays erhalten werden. WĂ€hrend das V-Protein eines lentogenen NDV (NDV Cl30) keinen inhibierenden Effekt zeigte, deutete sich ein leicht inhibierender Effekt fĂŒr das velogene NDV Herts_I V-Protein in einer Zelllinie an.
Pilotstudien zur potenziellen IFN-antagonistischen Funktion des V-Proteins wurden nach vorheriger Transfektion und Ăberexpression von V-Proteinen unterschiedlicher Pathotypen bzw. nach Vorbehandlung von Zellen mit HĂŒhner-IFN-α vor Infektion durchgefĂŒhrt. Die Replikation des korrespondierenden WT-Viruses bzw. rekombinanten Virus mit homo- oder heterologer V-Proteinexpression war in vitro in beiden FĂ€llen nicht verĂ€ndert.
Die Newcastle Disease (ND) und die hochpathogene aviĂ€re Influenza (HPAI) sind zwei der bedeutendsten Viruserkrankungen des GeflĂŒgels. Neben hohen wirtschaftlichen Verlusten stellt besonders das zoonotische Potential des hochpathogenen aviĂ€ren Influenzavirus (HPAIV) auch eine Gefahr fĂŒr den Menschen dar. Eine erfolgreiche Prophylaxe erfordert effektive Impfstoffe, die hohe Anforderungen wie die VertrĂ€glichkeit in sehr jungen Tieren, Massenapplizierbarkeit, eine sichere und kostengĂŒnstige Produktion sowie die Möglichkeit der Differenzierung zwischen infiziertem und vakziniertem GeflĂŒgel (DIVA) erfĂŒllen mĂŒssen. ReplikationsfĂ€hige Vektorviren sind dafĂŒr besonders geeignet. Mit Hilfe des reversen genetischen Systems konnte ein rekombinantes Newcastle Disease Virus (NDV) generiert werden, welches das HĂ€magglutinin H5 eines HPAIV exprimiert (rNDVH5Vm). Dieses vermittelt in SPF-HĂŒhnern nach Immunisierung einen bivalenten Schutz vor HPAI und ND, versagt jedoch als Vakzine in GeflĂŒgel mit maternalen NDV-Antikörpern (Veits, Wiesner et al. 2006). Aufgrund der flĂ€chendeckenden NDV-Impfung in GeflĂŒgelbestĂ€nden mĂŒssen NDV-basierte Vektorvakzinen jedoch die maternale NDV-ImmunitĂ€t ĂŒberwinden. Ein neuer Ansatz zur Entwicklung eines entsprechenden Vakzinevirus wird in dieser Arbeit gezeigt. Dazu erfolgte ausgehend von rNDVH5Vm die Generierung eines chimĂ€ren rekombinanten NDV, in welchem die NDV-OberflĂ€chenproteine F und HN durch die des aviĂ€ren Paramyxovirus-8 (APMV-8) ausgetauscht wurden (chNDVFHNPMV8H5). Nach Generierung der neuen Virusrekombinante wurde sowohl die Expression und Inkorporation der drei OberflĂ€chenproteine F, HN und H5 in das Viruspartikel, als auch eine Replikation zu hohen Endtitern nachgewiesen. Die geringe Virulenz und die damit mögliche Eignung als Vakzinevirus wurde durch einen ICPI von 0,288 bestĂ€tigt. Auch die in vivo-Charakterisierung in SPF-HĂŒhnern zeigte eine gute VertrĂ€glichkeit, eine lokale Virusreplikation und eine detektierbare Immunantwort gegen APMV-8 und AIV. Drei Wochen nach Vakzinierung ein oder sieben Tage alter KĂŒken, die eine maternale NDV-ImmunitĂ€t aufwiesen, mit chNDVFHNPMV8H5 erfolgte die Infektion mit einer letalen Dosis HPAIV. Es konnte ein vollstĂ€ndiger klinischer Schutz, einhergehend mit einer signifikant verringerten Virusausscheidung im Vergleich zur Kontrollgruppe detektiert werden. Die Vakzinierung mit chNDVFHNPMV8H5 ermöglicht auĂerdem die DIVA-Diagnostik auf Basis des Nachweises von AIV-NP Antikörpern. Aufgrund der Substitution der OberflĂ€chenproteine des NDV ist chNDVFHNPMV8H5 nicht mehr in der Lage, einen Schutz gegen ND zu vermitteln. Die fehlende KreuzreaktvitĂ€t der Antikörper gegen die OberflĂ€chenproteine von NDV und APMV-8 konnte auch in vitro gezeigt werden. Da die ND neben der HPAI einen hohen ökonomischen Stellenwert besitzt, wurde ein kombiniertes Vakzinierungsschema entwickelt, welches GeflĂŒgelbestĂ€nde vor beiden Erkrankungen schĂŒtzen soll. DafĂŒr wurden ein oder sieben Tage alte, maternale NDV-Antikörper tragende HĂŒhner mit chNDVFHNPMV8H5 und sieben Tage spĂ€ter mit einem lentogenen rekombinanten NDV (rNDVGu) immunisiert. Die Replikation des rNDVGu wurde dabei weder durch chNDVFHNPMV8H5 noch durch die Immunantwort gegen interne NDV-Proteine gestört, so dass beide Vakzinen eine Immunantwort induzierten. Diese vermittelte nach Infektion mit einer letalen Dosis HPAIV oder velogenem NDV einen klinischen Schutz und eine signifikant verringerte Virusausscheidung bei den geimpften HĂŒhnern gegenĂŒber den ungeimpften Kontrolltieren. Dieses erfolgreiche Vakzinierungsschema vereint zudem Massenapplizierbarkeit mit sicherer, kostengĂŒnstiger Produktion des Vakzinevirus. Von den bisher beschriebenen zwölf aviĂ€ren Paramyxoviren ist NDV (APMV-1) aufgrund seiner wirtschaftlichen Bedeutung das am besten charakterisierte. APMV-8 hingegen ist bisher nur wenig untersucht. Um eine APMV-8-Infektion im Huhn zu charakterisieren, wurden drei Wochen alte SPF-HĂŒhner mit APMV-8/goose/Delaware/1053/76 infiziert. Die Tiere zeigten nach Infektion keine klinischen Symptome, aber die Replikation des Erregers konnte bis vier Tage nach Infektion im oberen Respirationstrakt nachgewiesen werden. Sie verursachte jedoch keine histologischen GewebeverĂ€nderungen, was die geringe PathogenitĂ€t des Erregers bestĂ€tigt. Eine Immunantwort konnte bereits sieben Tage nach Infektion detektiert werden. Um die Schutzwirkung einer APMV-8-Vakzinierung vor einer NDV- und APMV-8-Infektion zu ermitteln, erfolgte drei Wochen nach Immunisierung der HĂŒhner eine Infektion mit homologem APMV-8 oder velogenem NDV. Dabei konnte gezeigt werden, dass nach erneuter APMV-8-Infektion die Virusausscheidung signifikant verringert war, was die Wirksamkeit der induzierten Immunantwort bestĂ€tigt. Nach Infektion mit einem velogenen NDV waren jedoch weder hinsichtlich MorbiditĂ€t und MortalitĂ€t, noch Virusausscheidung signifikante Unterschiede zwischen vakzinierten und nicht vakzinierten Tieren nachweisbar. Das macht deutlich, dass eine ImmunitĂ€t gegen APMV-8 die Virusausscheidung nach erneuter APMV-8-Infektion zwar signifikant reduziert, jedoch nicht vor der Infektion mit einer letalen Dosis von velogenem NDV schĂŒtzt.
Influenza-A-Viren sind wichtige Pathogene von Mensch und Tier. Als Erreger der klassischen GeflĂŒgelpest fĂŒhren hoch-pathogene aviĂ€re Influenzaviren (HPAIV) weltweit zu hohen Verlusten in der GeflĂŒgelindustrie. Des Weiteren stellen der zoonotische Charakter und das pandemische Potential, vor allem von StĂ€mmen des Subtyps H5N1, eine ernste gesundheitliche Bedrohung fĂŒr die Bevölkerung dar. Zur Risikobewertung dieser Viren ist es daher notwendig, genetische Marker zu ermitteln, welche die Virulenz und das Wirtsspektrum beeinflussen. FĂŒr die Identifizierung dieser Virulenzdeterminanten sind Pathogenese-Studien in verschiedenen Tiermodellen wie HĂŒhnern und MĂ€usen essenziell. Bisher wurde gezeigt, dass HPAIV aus niedrig-virulenten VorlĂ€ufern durch den Erwerb eines polybasischen Spaltmotives im HĂ€magglutinin (HA) im Zuge der Adaptation an terrestrisches GeflĂŒgel hervorgehen. Im ersten Teil dieser Arbeit sollte daher die FĂ€higkeit eines niedrig-pathogenen aviĂ€ren Influenzavirus (LPAIV) vom Subtyp H5N1 zur Ausbildung eines HPAIV-PhĂ€notyps untersucht werden. Dazu wurde das revers-genetische System fĂŒr das Isolat A/Teal/Germany/Wv632/05 (H5N1) etabliert und das Virus TG05 generiert. In-vitro konnte die Trypsin-AbhĂ€ngigkeit als Merkmal von LPAIV bestĂ€tigt werden. Im Huhn verhielt sich dieses Virus avirulent. Durch zielgerichtete Mutagenese wurde die HA-Spaltstelle in ein polybasisches Motiv mutiert und das Virus TG05poly generiert. Das Virus war wie ein HPAIV zur in-vitro-Replikation ohne Trypsin-Zusatz fĂ€hig, löste aber nach der Infektion von HĂŒhnern nur eine zeitlich begrenzte Erkrankung aus. Des Weiteren wurde die HA-Reassortante TG05-HAR65 generiert, deren Genom aus dem HA-Gen des HPAIV-Isolates A/Swan/Germany/R65/06 (H5N1) (R65) und den anderen sieben Gensegmenten von TG05 besteht. Dieses Virus konnte in-vitro ebenfalls Trypsin-unabhĂ€ngig replizieren, fĂŒhrte aber zu einer LetalitĂ€t von 30%. Eine weitere Reassortante, R65-HATG05poly, enthielt die umgekehrte Genkonstellation: das mutierte TG05-HA und die anderen Gensegmente des R65. An der Infektion verstarben acht von zehn HĂŒhnern, was der LetalitĂ€t von ânatĂŒrlichenâ HPAIV entspricht. Der Erwerb einer polybasischen HA-Spaltstelle ist daher ein notwendiger, aber nicht hinreichender Schritt in der Evolution von LPAIV zu HPAIV. So kann nicht jeder H5- oder H7-LPAIV-Stamm als unmittelbarer HPAIV-VorlĂ€ufer dienen. ZusĂ€tzlich zur HA-Spaltstelle sind weitere Virulenz-Determinanten im HA selbst, aber auch in den anderen viralen Proteinen, vorhanden. Im zweiten Teil dieser Arbeit wurde daher auch der Einfluss der AminosĂ€uren der unmittelbaren Spaltstellen-Umgebung untersucht. Dazu wurden verschiedene Virus-Mutanten des R65 mit AminosĂ€ure-Substitutionen in der HA-Spaltstelle selbst (Motive ETR und ER) und in ihrer direkten Umgebung (HA-S346V) generiert und hinsichtlich der in-vitro-Replikation und der Virulenz im Huhn untersucht. Dabei konnte gezeigt werden, dass HA-346S einen Vorteil fĂŒr die Replikation von LPAIV und HPAIV vermittelt. T an Position 2 der Spaltstelle unterstĂŒtzt die Replikation von LPAIV. Bei Erwerb der polybasischen Spaltstelle wĂ€hrend der Evolution von LPAIV zu HPAIV mĂŒssen also auch die benachbarten Regionen im HA angepasst werden. Die H5N1 HPAIV der Clade 2.2 verbreiteten sich ĂŒber infizierte Vögel von SĂŒdostasien nach Europa, infizierten aber auch eine Vielzahl von SĂ€ugerspezies. Normalerweise weisen aviĂ€re Influenzaviren PB2-627E auf; im Gegensatz dazu besitzen die Clade 2.2-Viren PB2-627K, was sonst in humanen StĂ€mmen zu finden ist. Um im dritten Teil dieser Arbeit den Einfluss dieser Mutation auf das breite Wirtspektrum der Clade 2.2-Viren zu untersuchen, wurde im HPAIV-Isolat R65 PB2-627K durch E ersetzt und die Virusmutante R65-PB2K627E generiert. Im Vergleich zu R65 war die Replikation von R65-PB2K627E in SĂ€ugerzellen drastisch reduziert, in Vogelzellen replizierten beide Viren jedoch gleich. Des Weiteren fĂŒhrte die Substitution zu einer extrem verringerten Polymerase-AktivitĂ€t auf 5% in SĂ€ugerzellen, aber nur zu einer vergleichsweise wenig verringerten AktivitĂ€t in Vogelzellen. WĂ€hrend die Virulenz im Huhn durch die Mutation nicht verĂ€ndert wurde, konnte bei der Bestimmung der LD50 in der Maus eine drastische Attenuierung gezeigt werden. Interessanterweise revertierte bereits nach einer Mauspassage PB2-K627E zurĂŒck zu K, im Huhn erfolgte diese Reversion aber nicht. Um zu untersuchen, ob andere virale Proteine fĂŒr diese Reversion notwendig sind, wurden Reassortanten generiert, welche R65-PB2-K627E und ein oder mehrere Gensegmente des R65 im Hintergrund des HPAIV A/Hong Kong/156/97 (H5N1) tragen, welches natĂŒrlicherweise PB2-627E besitzt. Mittels Zellkultur-Passagen dieser Reassortanten konnte gezeigt werden, dass die Reversion zu PB2-627K nur in SĂ€ugerzellen auftritt, und dass dazu das Nukleoprotein des R65 notwendig ist. Die schnelle Reversion zu PB2-627K in SĂ€ugerzellen und in MĂ€usen zeigt, dass die H5N1 HPAIV der Clade 2.2 in ihrer Evolution möglicherweise mehrere Wirte gehabt haben, zu denen wahrscheinlich auch SĂ€uger gehörten.