Die Physiologie des Magens mit den unterschiedlichen Gegebenheiten im proximalen und distalen Magen stellt einen relevanten Einflussfaktor auf die Pharmakokinetik von oral applizierten Wirkstoffen dar. Innerhalb der peroralen Pharmakotherapie nimmt die Sondenapplikation von Arzneimitteln dabei eine Sonderrolle ein, da je nach Lokalisation des Sondenendes die Applikation tendenziell eher in proximale oder distale Anteile des Magens erfolgt. Ziel dieser Arbeit war die Untersuchung der Pharmakokinetik bei Sondenapplikation hinsichtlich der Variablen Sondenlage‚ Nahrungsaufnahme und Nüchternmotilität. Hierzu wurde in einer kontrollierten, randomisierten, drei-armigen Cross-Over-Studie an zwölf gesunden, männlichen Probanden 540 mg einer Paracetamol-Suspension über einen Zeitraum von sechs Stunden jeweils in den distalen und proximalen Magen infundiert. Unsere Ergebnisse konnten zeigen, dass die Bedingungen „proximale Applikation“ und „Nahrungsaufnahme“ die Wahrscheinlichkeit einer Retention im proximalen Magen erhöht. Merkmale hierfür waren größere Abweichungen der Invasionskinetik von der Applikationsrate im Sinne einer verspäteten Anflutung, vermehrt Schwankungen der Invasionsrate und mehr Nachflutungen in der Eliminationsphase. Umgekehrt ging die distale Applikation mit einer größeren Kontinuität der Invasion einher. Hinsichtlich der Invasionskinetik häuften sich bei Nahrungskarenz und proximaler Sondenlage Merkmale, die für einen Einfluss der interdigestiven Motilität auf die Pharmakokinetik sprechen. Limitiert wurde die Aussagekraft zum Einfluss der Nüchternmotilität durch das Fehlen einer simultanen Aufzeichnung der Motilität, zum Beispiel mittels elektrischer Impedanzmessung. Die angewandte Methodik mit kontinuierlicher Infusion der Prüfsubstanz, regelmäßigen Messungen der Serumkonzentration und Berechnung der Invasionskinetik mittels schneller Fouriertransformation erwies sich zur Untersuchung der Fragestellung als gut geeignet und kann als Grundlage zukünftiger Forschungen dienen.
Die Verlängerung des Aufenthalts einer Arzneiform im Magen kann enorme Vorteile insbesondere für Arzneistoffe mit einem Absorptionsfenster im oberen Dünndarm oder schlechter Bioverfügbarkeit bieten. Bei gleichzeitig kontrollierter Freisetzung eines enthaltenen Wirkstoffs können Plasmaspitzen und Fluktuationen im Blutplasma vermieden werden. Ziel der Arbeit war die Entwicklung und Charakterisierung solcher potentiell gastroretentiver Darreichungsformen in vitro und in vivo. Der Hauptteil der Arbeit umfasste die Entwicklung einer neuartigen Arzneiform, die bei nüchterner und postprandialer Gabe eine zuverlässige Gastroretention über mehrere Stunden zeigen und den Wirkstoff kontrolliert im Magen freigeben sollte. Das System bestand aus einer wirkstoffhaltigen Kerntablette und einem den Kern umgebenden, quellenden Mantel, welcher durch Expansion die angestrebte Gastroretention ermöglichen sollte. Im Rahmen der Formulierungsentwicklung erwies sich die Mischung aus einem hoch- und niedrigmolekularen Polyethylenoxid als geeignet für die Kontrolle der Wirkstofffreisetzung aus dem Kern. Die Ergänzung wasserlöslicher, osmotischer Hilfsstoffe ermöglichte eine weitgehend pH-unabhängige und vollständige Wirkstofffreigabe. In vitro-Quellungsstudien mit den entwickelten Manteltabletten ergaben eine schnelle und ausgeprägte Größenzunahme bei Testung in einfachen Freisetzungsmedien. Zur Prüfung des tatsächlichen gastroretentiven Potentials der entwickelten Manteltabletten mit dem Diuretikum Furosemid wurde eine Magnetic Marker Monitoring (MMM)-Studie durchgeführt. Das MMM basiert auf der magnetischen Markierung einer Arzneiform und der Bestimmung ihrer Lokalisation im Gastrointestinaltrakt mittels empfindlicher Sensoren. Nach Nüchterneinnahme wurden die Manteltabletten innerhalb von 38 ± 12 min aus dem Magen der Probanden entleert. Bei Applikation der Manteltabletten nach Einnahme einer hochkalorischen, standardisierten Mahlzeit konnte eine durchschnittliche Gastroretentionszeit von 8 ± 3 h erzielt werden. Die AUC(0-24 h) konnte im Studienarm mit Nahrung im Vergleich zur Nüchterneinnahme von 89 ± 56 ng·h/mL auf 708 ± 304 ng·h/mL gesteigert werden. Weiterhin wurde im Rahmen der vorliegenden Arbeit ein neuartiges mechanisches Antrummodell entwickelt, mit dem der Einfluss antraler Kontraktionswellen auf die Tendenz zur Entleerung von Objekten untersucht wurde. Große, starre Objekte wie eine Glaskugel wurden aufgrund ihrer geringen Reibung vor der Welle hergeschoben und aus dem Modell entleert. Auch die reibungsverminderte Oberfläche eines Cryogel-Schaums erhöhte die Tendenz zur Entleerung aus dem Modell. Vielversprechend war dagegen die unter allen variablen Testbedingungen beobachtete Gastroretention eines Trichobezoars. Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass weiterhin eine große Herausforderung in der Entwicklung von Arzneiformen besteht, die eine nachweisliche Gastroretention beim Menschen in Abwesenheit von Nahrung zeigen.
Die zielgerichtete Steuerung einer Arzneiform zu einem bestimmten Teil des Gastrointestinaltraktes ist ein wesentlicher Punkt, wenn es um die Erhöhung der Bioverfügbarkeit und um die Verringerung von möglichen Nebenwirkungen geht. Im Zuge dessen macht man sich die physiologischen Unterschiede entlang des Verdauungstraktes zu Nutze, die unter anderem den pH-Wert, die Transitzeiten oder die Enzymausstattung betreffen. Verschiedene Faktoren wie Nahrungsaufnahme oder pathophysiologische Veränderungen können allerdings dazu führen, dass pH-, Zeit- oder Enzym-getriggerte Darreichungsformen versagen und ihren Wirkstoff entweder zu früh, zu spät oder gar nicht freisetzen. Durch die Entwicklung neuer Arzneiformen, die ihren Wirkstoff aufgrund eines definierten Drucks freigeben, könnten diese Probleme unter Umständen vermieden werden. Weiterhin kann die Bioverfügbarkeit besonders von schwer löslichen Wirkstoffen negativ beeinflusst werden durch den Zeitpunkt und die Dauer der Desintegration einer Arzneiform und das Fehlen der dafür erforderlichen Wassermengen im Gastrointestinaltrakt. Besonders bei Wirkstoffen mit einem engen Absorptionsfenster im oberen Dünndarm ist ein schneller Lösungsprozess des Wirkstoffs einer Arzneiform wichtig, um eine optimale Absorption zu gewährleisten. Aus diesem Grund bestand das Ziel der vorliegenden Arbeit in der Entwicklung neuer drucksensitiver Darreichungsformen, die ihren Inhalt bei einem definierten Druck von 300 mbar, wie er am Pylorus vorherrscht, schlagartig und komplett freisetzen. Dabei sollten die Arzneiformen vor ihrer Entleerung weder durch eine verlängerte Magenverweilzeit noch durch den sauren pH-Wert des Magens angegriffen werden, um eine verfrühte Wirkstofffreisetzung zu vermeiden. Die entwickelten Darreichungsformen sollten den Wirkstoff entweder in bereits gelöster Form oder dispergiert in einer flüssigen Grundlage enthalten, die sich nach Zerplatzen über die Dünndarm-Schleimhaut verteilen und durch eine verlängerte Kontaktzeit die Absorptionsrate erhöhen kann. Für die entwickelten Arzneiformen wurden Methoden zur Gehaltsbestimmung entwickelt, um die Gleichförmigkeit und Reproduzierbarkeit einschätzen zu können. Weiterhin wurde ein dreistündiger Freisetzungsversuch in der Paddle-Apparatur zur Simulation einer verlängerten Magenverweilzeit durchgeführt. Bruchfestigkeitsuntersuchungen am Texture Analyser sollten die Beeinflussung der aufzuwendenden Kraft in Bezug zu individuellen Parametern, wie Polymerbeladung oder Konzentration beurteilen. Mit Hilfe der Stresstest-Apparatur wurde die direkte Einwirkung von Druck im Bereich zwischen 100 und 500 mbar untersucht, und unter Verwendung eines Magenentleerungsprogramms das Verhalten der Darreichungsformen im nüchternen Magen und bei der Pyloruspassage simuliert. Es wurden sechs unterschiedliche Darreichungsformen entwickelt, deren Eignung als drucksensitive Arzneiform anhand der genannten Prüfungen untersucht wurde. Die Entwicklung der Agar-Kugeln beruhte auf der Eigenschaft des Gelbildners spröde Matrizes zu bilden, deren Bruchverhalten durch Veränderung der Konzentration oder durch eine definierte Trocknungszeit beeinflusst werden konnte. Das Prinzip der Hartfett- und PEG-Kugeln beruhte darauf, dass Hilfsstoffe, die bei Raumtemperatur fest sind und bei Körpertemperatur schmelzen, mit einem wasserunlöslichen Polymer überzogen wurden, der aus der Arzneiform bei Eintritt in den Körper einen flüssigkeitsgefüllten Ballon bildete. Die mit Ethylcellulose überzogenen Paraffin-Kapseln sollten durch das Einfügen einer Sollbruchstelle in Form von acht radial angeordneten Löchern zerplatzen und ihren Inhalt freigeben. Das wässrige Medium sollte durch die Löcher eindringen, die innere Gelatinekapsel anlösen und somit zu einer dünnen Polymer-Schicht führen, die auf Druck nachgeben und den Inhalt komplett freisetzen sollte. Die entwickelten Tristearin-Kapseln bestanden aus einer festen, spröden, wasserabweisenden Hülle aus einem hochschmelzenden Hartfett, mit welchem in flüssiger Form handelsübliche Gelatine-Kapseln innenbeschichtet werden konnten und wurden mit einem wirkstoffhaltigen Hydrogel gefüllt. Bei den Kaugummi-Tabletten sollte ein dünner Mantel aus lipophiler Kaugummi-Grundmasse die Arzneiform vor dem Einfluss wässriger Medien schützen. Ein enthaltener Kern aus Hartfett, welcher bei Körpertemperatur schmilzt, sollte zusätzlich dafür sorgen, dass das Gerüst der Tablette instabil wird und sie durch definierte Druckeinwirkung zum Platzen gebracht wird. Eingefügte Sollbruchstellen sollten das Platzen steuern und ein anschließendes Dippen in eine heptanhaltige Kaugummilösung sollte die Arzneiformen soweit stabilisieren, dass sie nicht bereits bei zu niedrigen Drücken zerbrachen. Unter den entwickelten Darreichungsformen erwiesen sich vor allem die Tristearin-Kapseln und die Hartfett-Kugeln als sehr geeignet für eine drucksensitive Freisetzung, während für die anderen Arzneiformen weitere Modifikationen notwendig wären.