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Esterasen und Lipasen finden große Anwendung für die organische Synthese, da sie ein breites Substratspektrum besitzen, in organischen Lösungsmitteln oftmals stabil sind und hohe Enantioselektivitäten auch gegenüber nicht-natürlichen Substraten erreichen können. Die Schweineleberesterase (PLE) ist die bedeutenste Esterase für die Feinchemie. Für die biotechnologische Anwendung ist jedoch der Extrakt aus Schweinelebergeweben, aufgrund des tierischen Ursprungs und der Heterogenität (Vorkommen von verschiedenen Isoenzymen), eher ungeeignet. In dieser Arbeit wird die erfolgreiche rekombinante Expression der PLE in E. coli, die Optimierung der Kultivierung und die Etablierung eines Fermentationsprozesses beschrieben. Weitere Isoenzyme wurden ebenfalls identifiziert, charakterisiert und biokatalytische Umsetzungen von pharmazeutisch relevanten Substraten, wobei neben den PLE-Varianten auch Enzyme aus dem Metagenom verwendet wurden, durchgeführt.
Carboxylester-Hydrolasen gehören zu den Enzymen, die durch hohe Lösungsmitteltolereanz, gute Lagerstabilität und ein breites Substratspektrum, am häufigsten in der Biokatalyse eingesetzt werden. Allerdings akzeptieren sie im Gegensatz zu Estern primärer und sekundärer Alkohole nur in Ausnahmefällen Ester tertiärer Alkohole als Substrate. In der Arbeit werden Wege untersucht mittels Gerichteter Evolution und rationalem Protein Design, Esterasevarianten zu generieren die in der Lage sind diese Substrate mit guten Enantioselektivitäten umzusetzen. Unter Verwendung von Methoden der Zufallsmutagenese werden große Enzymbibliotheken aufgebaut und mit einem mikrotiterplatten basierendem Assays-system auf neu generierte Aktivitäten untersucht. Mittels molecular modeling, werden Positionen vorhergesagt, an den gezielt Mutationen eingeführt werden können um eine erhöhte Enantioselektivität zu erreichen.
Die Ziele der vorliegenden Arbeit ergaben sich aus zwei Arbeitsschwerpunkten - dem Nachweis einer neuartigen prokaryotischen Phenoloxidase bei dem Bakterienisolat Azotobacter chroococcum SBUG 1484 und der Durchführung Phenoloxidase-katalysierter Biotransformationsreaktionen zur Derivatisierung von ortho- bzw. para-dihydroxylierten Verbindungen. Der zunächst unbekannte, eine neue Phenoloxidase bildende, Bakterienstamm sollte mittels morphologischer und physiologischer Tests sowie 16S-rDNA-Analysen einer Art zugeordnet werden. Da die Expression der Phenoloxidase nur unter bestimmten Bedingungen auftrat sollten die in Abhängigkeit von verschiedenen Kultivierungsparametern zahlreich auftretenden Zelldifferenzierungsprozesse des Stammes untersucht und eine standardisierte Kultivierungsmethode zur Erzielung hoher Phenoloxidase-Aktivitäten entwickelt werden. Die Untersuchung wesentlicher Eigenschaften der neubeschriebenen Phenoloxidase war für eine Zuordnung in die Gruppe der Multikupfer-Oxidasen und eine Prüfung der Eignung des Enzyms für biotechnologische Anwendungen eine unbedingte Voraussetzung. In Phenoloxidase-katalysierten Reaktionen sollte die Aminierung von einfach alkylsubstituierten Brenzkatechinen und Hydrochinonen sowie mehrfach-substituierten ein- bzw. zweikernigen dihydroxylierten Aromaten mit aliphatischen sowie alicyclischen Amindonoren untersucht werden. Im Mittelpunkt der Betrachtungen standen dabei die Aufklärung von Reaktionsmechanismen bei homo- und heteromolekularen Kopplungsreaktionen sowie die Prüfung des Einflusses verschiedener Reaktionsparameter (u.a. Hydroxylierungspositionen der Enzymsubstrate, Substituenten, Eduktkonzentrationen, Katalysatoren, pH-Werte der Reaktionssysteme, Lösungsmittel) auf die Nebenreaktionen und Ausbeuten der anvisierten Zielverbindungen (sekundäre Amine). Eine strukturchemische Analyse der Syntheseprodukte war dazu unerlässlich.
Über 40% der derzeit verwendeten Arzneimittel beinhalten Amine als Wirkstoff. Vor allem die Chiralität dieser Moleküle stellt eine immer größere Bedeutung dar. Chirale Moleküle unterscheiden sich in der räumlichen Anordnung der Atome um das chirale Zentrum. Nicht selten besitzen Naturstoffe ein solches chirales Zentrum und sind asymmetrisch aufgebaut. In diesem Zusammenhang ist es nicht verwunderlich, dass die in der Medizin eingesetzten Wirkstoffe einen unterschiedlichen Wirkungsgrad je nach chiraler Konfiguration aufweisen.
Ziel dieser Arbeit war es neue Methoden zur stereoselektiven Synthese chiraler Amine zu untersuchen. Im Gegensatz zu herkömmlichen chemischen Synthesen, die beispielsweise auf Übergangsmetalle als Katalysatoren setzen, stellen Enzyme als Katalysatoren eine interessente Alternative dar. Stereo-, Regio- und Chemoselektivität ist Enzymen oft von Natur aus gegeben. Im Mittelpunkt der enzymatischen asymmetrischen Synthese optisch aktiver Amine standen bisher Amintransaminasen (ATA), die eine Aminogruppe von einem Amin (Aminodonor) auf ein Keton (Aminoakzeptor) transferieren. Diese Enzyme sind jedoch auf die Synthese primärer Amine beschränkt, sekundäre und tertiäre Amine sind nicht zugänglich. Eine Alternative hierzu stellen Iminreduktasen (IREDs) dar. Dabei handelt es sich um NADPH-abhängige Enzyme, die eine Reduktion von Iminsubstraten zu optisch aktiven Aminen katalysieren. Vor allem die IRED-katalysierte reduktive Aminierung steigerte das Interesse dieser Enzymklasse. In einer reduktiven Aminierung wird nicht das Imin selbst als Substrat eingesetzt, sondern eine prochirales Keton. Dieses formt mit einem Aminsubstrat (Nukleophil) ein Imin und wird anschließend reduziert. Durch diesen Reaktionsweg sind IREDs nicht nur auf zyklische Substrate beschränkt, auch instabile azyklische Imine werden zugänglich.
Die reduktive Aminierung mittels Iminreduktase wurde erstmalig im Jahr 2014 beschrieben und war zu Beginn dieser Arbeit nur als "Proof of Concept" gezeigt worden. Im Rahmen dieser Promotionsarbeit konnte gezeigt werden, dass diese Enzyme die Möglichkeit bieten, optisch aktive Amine mit hohen Umsätzen und Enantiomeren- bzw. Diastereomerenüberschüssen zu synthetisieren.
Unter promiskuitiver Acyltransferase-Aktivität versteht man die Eigenschaft bestimmter Hydrolasen, in wässriger Lösung bevorzugt Acyltransfer statt Hydrolyse zu katalysieren. Bis vor Kurzem waren nur wenige promiskuitive Acyltransferasen literaturbekannt. Dies führte zu der allgemeinen Annahme, dass diese Aktivität ein seltenes Phänomen in Hydrolasen ist. Diese Arbeit zeigt jedoch, dass promiskuitive Acyltransferase-Aktivität in der Familie der bakteriellen hormonsensitiven Lipasen und Carboxylesterasen der Familie VIII weit verbreitet ist. Detaillierte Struktur-Funktions-Analysen ermöglichen die sequenzbasierte Vorhersage und Optimierung der Acyltransferase-Aktivität in beiden Enzymfamilien. Insbesondere die Carboxylesterasen der Familie VIII überschreiten die Grenzen des bisher für möglich Gehaltenen, indem sie gute Enantioselektivität bei der kinetischen Racematspaltung sekundärer Alkohole zeigen und darüber hinaus die irreversible Bildung von Amiden und Carbamaten in Wasser katalysieren können. Die biokatalytische Acylierung von Zuckern in Wasser galt lange Zeit als unerreichtes Ziel der Biokatalyse. In dieser Arbeit wurde jedoch gezeigt, dass natürlich vorkommende und modifizierte Carboxylesterasen der Familie VIII die regioselektive Acetylierung von Glucose, Maltose und Maltotriose in Wasser mit hoher Effizienz katalysieren können.
β-chirale Amine, wie zum Beispiel Pregabalin und Baclofen, sind Verbindungen von großem Interesse insbesondere für die pharmazeutische Industrie. Biokatalytische Herstellungsverfahren, vor allem Aminierungsreaktionen, sind bisher nur geringfügig untersucht worden und werden nach aktuellem Wissenstand bis auf die Synthese von Niraparib noch nicht in großtechnischem Maßstab eingesetzt. Wünschenswert ist die Etablierung einer Synthese, welche (S)-Pregabalin bzw. (R)-Baclofen in hohen Ausbeuten liefert, da diese beiden Enantiomere jeweils die höhere biologische Wirksamkeit aufweisen.
Ziel dieser Arbeit war die Synthese von Pregabalin und Baclofen als Modellverbindungen für β-chirale Amine mit Hilfe einer selektiven Amintransaminase oder Amindehydrogenase.
Zunächst wurde erfolgreich mit Hilfe der Gaschromatographie bzw. HPLC jeweils eine chirale Analytik für die beiden Reaktionsprodukte sowie die Baclofen-Derivate etabliert, die stabil reproduzierbar und auch zur Quantifizierung geeignet war. Auch für 3-(4-Chlorphenyl)-4-oxo-buttersäure-t-butylester konnte eine GC-Methode entwickelt werden, die Aufschluss über die Konzentration und den Enantiomerenüberschuss gab.
Die vier zur Verfügung gestellten Amindehydrogenasen konnten erfolgreich exprimiert und mittels IMAC-Methode gereinigt werden. Trotz geringer Aktivitäten in einem photometrischen NADH-Assay konnte jedoch keine Produktbildung nachgewiesen werden. Eine Kollektion von ca. 150 Amintransaminasen wurde bezüglich der Desaminierung von Pregabalin und Baclofen mittels Dünnschichtchromatographie untersucht. In Richtung der Aminierung wurde ein photometrischer Acetophenon-Assay verwendet. Dabei wurden für Pregabalin sechs und für Baclofen 17 potenzielle Kandidaten ermittelt. Besonders vielversprechend war die Variante 3FCR 59W 87L 231A 382M 429A (3FCR_5M), welche 3-(4-Chlorphenyl)-4-oxo-buttersäure-t-butylester als Substrat akzeptierte. Nach der Ermittlung eines geeigneten Aminodonors und Optimierung der Reaktionsbedingungen konnten Umsätze bis zu 90% bei 99%ee (R) mit IMAC-gereinigter 3FCR_5M erzielt werden.
Um Kosten für ein späteres großtechnisches Verfahren einzusparen, sollte die Reaktion ebenfalls für den Einsatz von Zellextrakt optimiert werden. Dabei wurde beobachtet, dass geringere Enantiomerenüberschüsse erzielt wurden als mit dem gereinigten Enzym und der Substratverbrauch höher als die Produktbildung war. Als mögliche Ursachen wurden der Umsatz des Substrats durch ein E. coli eigenes Enzym, beispielsweise eine Aldehydreduktase oder Aldehyddehydrogenase, sowie eine Beeinflussung der Enantioselektivität durch die veränderte chemische Umgebung oder den selektiven Entzug des gewünschten Substrat-Enantiomers durch eine selektive Nebenreaktion hypothetisiert. Dieses Phänomen konnte durch eine vorgeschaltete Reinigung mittels fraktionierender Ammoniumsulfat-Fällung jedoch erfolgreich umgangen werden. Mit dieser Methode konnten vergleichbar hohe Umsätze und Enantiomerenüberschüsse wie mit dem IMAC-gereinigten Enzym erreicht werden.
Bei ersten Vorversuchen zum Up-Scaling der Reaktion wurde festgestellt, dass eine höhere Substratkonzentration nicht einen proportional höheren Umsatz zur Folge hatte, jedoch konnte der Umsatz durch eine versetzte Zugabe der Enzymlösung gesteigert werden, sodass ein Prozess mit diesem Biokatalysator in seiner aktuellen Form eine kontinuierliche Zugabe erfordern würde. Praktikabel wäre einer Verminderung der Substrat-Inhibierung und Erhöhung der Enzymstabilität durch weiteres Protein-Engineering. Auch zur Produktion von 3FCR_5M im größeren Maßstab wurden Experimente vorgenommen. Dabei konnte gezeigt werden, dass eine vielversprechende Expression im Bioreaktor bei einer kontinuierlichen Temperatur von 30°C und einer Expressionsdauer von sieben Stunden. Nach einigen Optimierungsschritten konnte im Bioreaktor die zwanzigfache volumetrische Aktivität im Vergleich zur Expression im Schüttelkolben erzeugt werden.
Zusammenfassend ist zu sagen, dass in der vorliegenden Arbeit, trotz weiterem Optimierungsbedarf, eine sehr gute Grundlage für die Transaminase-vermittelte Synthese von (R)-Baclofen geschaffen wurde. In zukünftigen Arbeiten sollte die Optimierung der Reaktion in großem Maßstab im Fokus stehen.