Abschnitt I: Die Klasse II-Adenylylcyclasen (AC) stellen eine Gruppe von löslichen Toxinen dar, welche die PathogenitĂ€t einer ganzen Reihe von Krankheitserregern vermitteln, darunter Bacillus anthracis (Milzbrand), Bordetella pertussis (Keuchhusten) und Pseudomonas aeroginosa (u. a. Pneumonien). Im Rahmen des ersten Abschnittes dieser Arbeit wurde der aus B. anthracis stammende, sogenannte "Ădemfaktor" als Modellenzym ausgewĂ€hlt, um die biologische AktivitĂ€t eines experimentellen Nucleotidanalogons gegenĂŒber Adenylylcyclasen zu testen. Die gestellten Anforderungen an diese Verbindung, sowie die entsprechenden LösungsansĂ€tze waren: 1) EinfĂŒhrung einer sterisch anspruchslosen, fluoreszierenden Reporterfunktion fĂŒr in vitro-Bindungsstudien (N-MethylanthranylsĂ€ure), 2) Verhinderung von AcylĂŒbertragungsreaktionen des Fluorophors (Amid- statt Esterbindung) und 3) Erhöhung der HydrolysestabilitĂ€t des Triphosphatrestes (bioisosterer Austausch der terminalen Phosphoranhydridbindung). Die Synthese des Nucleotides ging von 2'-Amino-2'-Desoxyadenosin aus und wurde in zwei Schritten vollzogen. ZunĂ€chst wurde mit Hilfe eines Festphasenreagenz-unterstĂŒtzten Protokolls N-MethylanthranilsĂ€ure amidartig an die 2'-Position geknĂŒpft. AnschlieĂend wurde dann in einem Ein-Topf-Verfahren an die 5'-Position eine triphosphatanaloge Seitenkette angebracht, in der die beta- und gamma-Phosphoratome statt ĂŒber eine DichlormethylenbrĂŒcke verbunden waren. Der Ki-Wert der so erhaltenen Verbindung (2'-MANT-2'-dAppCCl2p) gegenĂŒber der isolierten AC-DomĂ€ne des B. anthracis-Ădemfaktors wurde in einem alpha[32P]-ATP-basierten kinetischen Assay mit 8,8 mM ermittelt. Diese Untersuchungen wurden durch einen FRET-basierten Bindungsassay ergĂ€nzt. Obwohl die AktivitĂ€t der Zielverbindung damit um ein bis zwei GröĂenordnungen niedriger war, als die von unmittelbar verwandten Substanzen, konnten nichtsdestotrotz die gestellten strukturellen Anforderungen an ein molekulares Werkzeug realisiert werden. Abschnitt II: Die Entstehung reaktiver Sauerstoffspezies, wie z. B. von Wasserstoffperoxid, ist ein unvermeidbarer Vorgang in allen anaerob lebenden Organismen. Daher entstanden im Laufe der Evolution eine ganze Reihe von biologischen Mechanismen, welche diese i. d. R. toxischen Verbindungen effektiv zu beseitigen vermögen. Ein Vertreter ist das selenhaltige Enzym Glutathionperoxidase (GPx), welches Wasserstoffperoxid und andere organische Hydroperoxide zu Wasser bzw. den korrespondierenden Alkoholen unter Verbrauch von Glutathion abbaut. DarĂŒber hinaus wird aber auch zunehmend die Rolle von Wasserstoffperoxid als einem proapoptotischen Signalstoff diskutiert, was GPx zu einem interessanten pharmakologischen Ziel werden lĂ€sst. Durch Ăberexpression von GPx könnte die Apoptoseneigung eines Tumors gesenkt und somit dessen VitalitĂ€t erhöht werden, was sich unter anderem in einer gesteigerten Resistenz gegenĂŒber bestimmten Zytostatika Ă€uĂern kann. Auf dieser Arbeitshypothese aufbauend wurde die Synthese eines reversiblen GPx-Inhibitors angestrebt. Als Leitstruktur diente N'-(4-Hydroxybenzyliden)-2-(2-Methylimidazol-1-yl)essigsĂ€urehydrazid, welches in einer Vorarbeit in einem in silico-Screening aufgedeckt worden war. In einem kombinatorischen Ansatz wurde sowohl die ArylessigsĂ€ure-Untereinheit (5 Varianten), als auch die Benzyliden-Komponente (7 Varianten) abgewandelt. Zur Darstellung der so projektierten Substanzbibliothek mussten zunĂ€chst die benötigten ArylessigsĂ€urehydrazide synthetisiert werden. Diese wurden anschlieĂend unter Einsatz eines Mikrowellen-gestĂŒtzten Syntheseprotokolls mit den entsprechenden Benzaldehyden kombiniert. Von allen theoretisch möglichen Kombinationen konnten 30 Acylhydrazone in ausreichender Menge und Reinheit synthetisiert werden. Aufgrund technischer Probleme bei der DurchfĂŒhrung des Mikrotiterplatten-basierten GPx-Assays lagen zum Abschluss dieser Arbeit noch keine biologischen Daten vor.
Die BekĂ€mpfung der âmost neglected diseasesâ stellt die Menschheit vor eine groĂe Herausforderung. Besonders betroffen sind Menschen in den LĂ€ndern der Dritten Welt. Zur Behandlung vieler dieser Erkrankungen gibt es bis jetzt noch keine ausreichend aktiven Arzneistoffe. AuĂerdem stellt die Resistenzentwicklung der Erreger gegen vorhandene Antiinfektiva ein Ă€uĂerst groĂes Problem dar. Gegenstand dieser Arbeit war die Synthese von Substanzen, die als Inhibitoren der tRNA-Guanin-Transglycosylase (TGT) untersucht werden sollten und solche, die auf ihre antiplasmodiale AktivitĂ€t in vivo getestet werden sollten. Das Target des TGT-Projekts, die tRNA-Guanin-Transglycosylase von Shigella-Spezies, ist ein bakterielles Enzym, das verantwortlich fĂŒr PathogenitĂ€tsmechanismus virulenter Shigellen ist. Die TGT hat eine SchlĂŒsselfunktion bei der Expression von Virulenzfaktoren der Shigellen und spielt somit eine wichtige Rolle bei der Entstehung der Bakterienruhr (Shigellose). Sie katalysiert den Austausch der Purinbase Guanin durch die modifizierte Base preQ1 in der Anticodon-Wobble-Position bakterieller tRNA. Bei Untersuchungen von Shigellen mit mutiertem TGT-Gen konnte eine signifikante Abnahme der PathogenitĂ€t dieser Erreger festgestellt werden. Dieses Enzym kann deshalb prinzipiell als mögliches Target fĂŒr neuartige biologisch aktive Substanzen betrachtet werden, denn die Hemmung der TGT fĂŒhrt zum Verlust der PathogenitĂ€t der Erreger, allerdings nicht zu deren Tod. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wurden Abkömmlinge der Leitstruktur 5-Nitro-1,3-dihydro-2H-imidazo[4,5-b]pyridin-2-on, die aus einem virtuellen In-silico-Screeningexperiment hervorgegangen ist, synthetisiert um diese in einem Radioligandenassay auf TGT-Inhibition zu untersuchen. In vorangegangenen Untersuchungen konnte gezeigt werden, dass der Austausch des Pyridinstickstoffatoms der Leitstruktur durch ein Kohlenstoffatom zu einer Verbindung mit vergleichbarer inhibitorischen AktivitĂ€t fĂŒhrt. Ausgehend von dieser verĂ€nderten Leitstruktur wurden Benzimidazol-2-one und -thione synthetisiert. Diese Verbindungen weisen unterschiedliche Gruppen in Position 5 auf und unterscheiden sich zudem durch die Substitution an Position 1. Die Synthese der Verbindungen mit Benzimidazol-Grundkörper erfolgte durch die initiale EinfĂŒhrung der Substituenten durch nukleophile Substitution an ortho-Nitro-Halogenbenzen-Derivaten. FĂŒr diesen Reaktionsschritt erwies sich die Synthese im Mikrowellenreaktor als besonders gĂŒnstige Methode. Die Reduktion der entstandenen 2,4-Dinitroanilin-Derivate erfolgte selektiv unter Verwendung von Natriumsulfid als Reduktionsmittel, wobei die ortho-Nitrogruppe unverĂ€ndert blieb. Die Anilinderivate mit Cyano- und Trifluormethylgruppe in para-Position wurden durch eine palladiumkatalysierte Hydrierung zu ortho-Phenylendiaminen reduziert, die anschlieĂend ohne Isolierung dem Ringschluss unterzogen wurden. Die Ringschlussreaktionen erfolgten mit Triphosgen oder Kohlenstoffdisulfid zu Benzimidazol-2-onen beziehungsweise -thionen. Eine Auswahl an hergestellten Derivaten konnte hinsichtlich ihrer AktivitĂ€t als TGT-Inhibitoren untersucht werden. Einige Verbindungen wurden auf ihre ZytotoxizitĂ€t an vier Krebszelllinien hin untersucht. Das zweite Teilgebiet der vorliegenden Arbeit beschĂ€ftigt sich mit N-substituierten 7-Chlorchinolin-4-aminen, die auf ihre antiplasmodiale AktivitĂ€t hin untersucht werden konnten. Diese Verbindungen wurden in einer Zweistufensynthese mit abschlieĂender sĂ€ulenchromatographischer Reinigung synthetisiert. Verbindungen, die in vorangegangenen In-vitro-Untersuchungen eine AktivitĂ€t gegen chloroquinresistente Plasmodium-falciparum-StĂ€mme zeigten, konnten in vivo an MĂ€usen getestet werden. Dabei zeigten einige Vertreter guten AktivitĂ€ten gegen den eingesetzten Erreger.
Durch die vorliegende Arbeit wurde die Relevanz moderner AnsĂ€tze in der fragmentbasierten Leitstrukturentwicklung fĂŒr den Erfolg und die Sicherheit in der Arzneistoffentwicklung aufgezeigt. Neben den theoretischen Grundlagen konnte die praktische Anwendung molekularer Vielfalt mit Hilfe komplementĂ€rer Substanzbibliotheken vielfach direkt den resultierenden Nutzen aufzeigen. Dabei galt das Interesse speziell antiproliferativen Zielstrukturen, mit besonderem Schwerpunkt auf der Hemmung der Glutathionperoxidase. Des Weiteren unterstĂŒtzten in silico-Methoden eine zielgerichtete Arbeitsweise. Durch die Optimierung des GPx 1-Testsystems konnte eine zuverlĂ€ssige in vitro-Analytik etabliert werden. Zusammenfassend lĂ€sst sich festhalten, dass mit Hilfe der angestellten Untersuchungen die erfolgreiche Entwicklung, Optimierung und Evaluierung mehrerer Leitstrukturen fĂŒr diverse Zielproteine der Tumortherapie aufgezeigt werden konnte. Es wurden zunĂ€chst die Fortschritte auf dem Gebiet der fragmentbasierten Leitstrukturentwicklung ĂŒber multifunktionale Screeningbibliotheken zusammengefasst und bewertet (Publikation 1). Die vorgestellten AnsĂ€tze, wie Halogenbindungen und sp3-Reichtum, fanden in den folgenden Publikationen zu einem GroĂteil praktische Anwendung. Die Synthese einer umfangreichen Acylhydrazonbibliothek fĂŒhrte zum Ausbau der inhibitorischen AktiviĂ€t gegenĂŒber der bovinen GPx 1 (Publikation 2). Der kombinatorische Syntheseansatz erbrachte eine Vielzahl eng verwandter Analoga, die entgegen der Erwartungen leider kaum Erkenntnisse ĂŒber SAR erbrachten. Zudem erwiesen sich die angewandten Docking-Studien als irrefĂŒhrend, da keinerlei Korrelation zu den in vitro-Ergebnissen erkennbar war. Dennoch konnte mit den angestellten Untersuchungen ein stabiler Enzymassay etabliert werden, der eine zuverlĂ€ssige Analyse zukĂŒnftiger Produkte unterstĂŒtzt. Langfristig wĂ€re fĂŒr Aussagen ĂŒber quantitative SAR die gezielte Optimierung anhand einer Kristallstrukturanalyse erforderlich. Alternativ wurden bereits erste NMR-Versuche mit SĂ€ttigungstransfer-Differenz (STD)-Spektroskopie angestellt, die sich jedoch aufgrund der schlechten Löslichkeit der Acylhydrazone als schwierig erwiesen. Weiterhin wurde Misonidazol als Inhibitor der GPx 1 einer Neubewertung unterzogen (Publikation 3). WĂ€hrend racemisches Misonidazol nach frĂŒheren Berichten die AktivitĂ€t muriner GPx 1 bei 500 ”M signifikant reduzierte, zeigte die in vitro-Testung der reinen Enantiomere gleicher Konzentration an boviner GPx 1 keine inhibitorische Wirkung. Von wissenschaftlichem Nutzen war zudem die Erkenntnis ĂŒber einen schwachen, aber nachweisbar signifikanten Synergismuseffekt des Racemats verglichen mit den isolierten Enantiomeren. Die ergĂ€nzende Beschreibung dieser noch wenig untersuchten Wirkungspotenzierung liefert einen Beitrag zum gesamtheitlichen VerstĂ€ndnis dieses PhĂ€nomens. Alle synthetisierten Endstufen sowie ausgewĂ€hlte Zwischenstufen wurden in einer öffentlich zugĂ€nglichen Screeningplattform, dem FMP in Berlin, hinterlegt (Publikation 4). Sie haben als Gemeinsamkeit eine ausgeprĂ€gte Reaktionsbereitschaft, wodurch in zukĂŒnftigen biologischen Screenings eine gezielte oder auch zufĂ€llige Entdeckung neuartiger Interaktionen nicht abwegig ist. Die nukleophilen Verbindungen 1, 2, 4 und 5 könnten mit basischen AminosĂ€uren, wie dem Histidin der Serinproteasen, oder mit Metalloenzymen wechselwirken, wĂ€hrend durch die gezielte Elektrophilie von 3 kovalente reversible Bindungen mit Cysteinresten und deren Selen-Analoga zu erwarten sind. Der Beitrag fragmentbasierter Substanzbibliotheken zur Leitstrukturentwicklung konnte am Beispiel der 4-Amidocyclopentan-1,3-diole gezeigt werden (Publikation 5). Ausgehend von acht trisubstituierten Cyclopentan-Templaten konnte die Synthese von achtzig Produkten mit zum Teil potenter Wirkung gegen mehrere Tumor-Zelllinien beschrieben werden. Die Substanzbibliothek dieser Studie demonstriert den Einsatz moderner Methoden zur Bereitstellung von Werkzeug fĂŒr offene Fragen der Molekularbiologie aus einem bisher zu wenig bearbeiteten Bereich des chemischen Strukturraums. Mit Hilfe von in silico-Untersuchungen gelang eine gezielte Synthese neuartiger Inhibitoren NAD+-abhĂ€ngiger Histondeacetylasen (Publikation 6). Die resultierende Klasse N1-substituierter Benzimidazolthione zeichnete sich durch erhöhte physiologische StabilitĂ€t gegenĂŒber der Leitstruktur Splitomicin aus. Obgleich eine vollstĂ€ndig selektive Inhibition zwischen den Sirtuinen 1â3 nicht erreicht wurde, gelang durch die Anwendung computergestĂŒtzter Methoden die Synthese eines potenten Inhibitors mit selektiver Wirkung gegen Sirtuin 1 und 2, dessen GrundgerĂŒst als Leitstruktur weiterer Untersuchungen dienen kann.