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Die Anfälligkeit für Parodontitis und weitere chronische Entzündungskrankheiten, wie z. B. Morbus Crohn, wird durch ein komplexes Zusammenspiel zwischen Bakterien,Immunsystem
sowie Umweltfaktoren bestimmt und durch Gene reguliert. Modernste genetische Methoden konnten bisher zahlreiche Suszeptibilitätsgene identifizieren, die zum Teil nicht nur mit einer Krankheit assoziiert wurden, sondern die bspw. auch in der Pathogenese mehrerer chronisch
entzündlicher Entitäten involviert sind.
In der vorliegenden Dissertation wurde untersucht, ob eine Assoziation zwischen Parodontitis und zwei Einzelnukleotidpolymorphismen (Single Nucleotide Polymorphism, SNPs) in den Genen SLC22A4 bzw. SLC22A5 besteht. Diese wurden zuvor als Suszeptibilitätsgene für
chronisch entzündliche Erkrankungen, insbesondere Morbus Crohn, identifiziert. Bei den untersuchten SNPs handelt es sich um den Austausch von Cytosin zu Thymin (c.1507C>T) im
Exon 9 von SLC22A4 und um den Austausch von Guanin zu Cytosin (−207G>C) in der Promotorregion von SLC22A5. Beide Polymorphismen befinden sich im Kopplungsungleichgewicht und bilden einen risikoassoziierten T-C-Haplotyp. Die
entsprechenden Gene kodieren für die organischen Kationentransporter OCTN1 (SLC22A4) und OCTN2 (SLC22A5), welche in vielen Geweben exprimiert werden. OCTN1 vermittelt u. a. den Transport des Antioxidans L-Ergothionein. OCTN2 spielt vor allem eine entscheidende
Rolle beim Transport von Carnitin und ist somit maßgeblich an der Carnitin-Homöostase beteiligt.
Zunächst wurde das Vorkommen der beiden Transporter im Parodontium mittels Immunfluoreszenz-Mikroskopie geprüft. Für die anschließende Analyse eines möglichen Einflusses der Genvarianten wurde auf die Querschnittsdaten von 4.308 Probanden der „Study of Health in Pomerania“ (SHIP-0) zurückgegriffen, für welche zum großen Teil Genotypisierungsdaten bezüglich der OCTN-SNPs vorlagen. Für die Erkennung indirekter Effekte der SNPs auf das Parodontium wurden u. a. anthropometrische Daten und bestimmte Laborparameter, insbesondere Entzündungsparameter und Serumcholesterolwerte, in die
Auswertung einbezogen.
OCTN1 und OCTN2 wurden sowohl im gesunden als auch im erkrankten Parodontium detektiert, vor allem im Epithel und Gefäßendothel. Deutliche Unterschiede in ihrer Expression in Abhängigkeit vom parodontalen Gesundheitszustand wurden nicht festgestellt.
Für die Ermittlung der Genotypfrequenzen von SLC22A4 standen 4.186 und für SLC22A5 4.105 DNA-Proben zur Verfügung. Der SLC22A4-TT-Genotyp hatte in der untersuchten SHIP-0-Population eine Häufigkeit von 16,6 %, der CT-Genotyp 48,4 % und der CC-Genotyp 35,0 %. Der SLC22A5-CC-Genotyp war mit einer Häufigkeit von 19,9 %, der CG-Genotyp mit 50,2 % und der GG-Genotyp mit 29,9 % vertreten. 19,3 % waren homozygote T-C-Haplotyp-Träger. Die Genotypverteilung entsprach vergleichbaren Populationen.
Es wurde keine Assoziation zwischen parodontalen Indizes, wie Sondierungstiefen (Taschentiefen, TT) und Attachmentverlusten (AV), und den SNPs verzeichnet, sodass ein direkter Zusammenhang zwischen den Genvarianten von SLC22A4 bzw. SLC22A5 und Parodontitis ausgeschlossen werden kann. Ferner waren die Genvarianten nicht mit etablierten Entzündungswerten (high-sensitive-Creaktives Protein (hs-CRP), Fibrinogen) sowie HbA1c und anthropometrischen Daten assoziiert.
Mit Berücksichtigung des bekannten engen Zusammenhangs zwischen Adipositas und Parodontitis erfolgte die Stratifizierung der Probanden in adipös (BMI ≥ 30 kg/m²) und nicht adipös. Dabei zeigte sich eine signifikante Assoziation zwischen erniedrigten HDL-Cholesterol-Werten (HDL-c) und erhöhten Gesamtcholesterol-, LDL-Cholesterol- (LDL-c) und Apolipoprotein B-Werten in der Gruppe der adipösen Variantenträger. Dieser Geneffekt wurde sowohl bei homozygoten Trägern einer der beiden Genvarianten als auch bei Trägern beider Genvarianten (homozygote Risiko-Haplotyp-Träger) beobachtet. Die Ergebnisse zeigen
weiterhin, dass bei einem niedrigeren BMI die Varianten hinsichtlich des LDL-c-Spiegels eher günstig erscheinen, währenddessen sie die Hypercholesterinämie bei adipösen Probanden fördern.
Weiterhin wurde festgestellt, dass der Einfluss des Parodontitisschweregrads auf einen grenzwertig hohen LDL-c-Wert von über 3,61 mmol/l bei homozygoten Risiko-Haplotyp-Trägern höher war als bei Probanden ohne Genvarianten.
Zusammenfassend kann den Genvarianten ein direkter BMI-abhängiger Einfluss auf Serumcholesterolwerte zugeschrieben werden. Ferner haben sie einen verstärkenden Einfluss auf die Wechselwirkung zwischen LDL-c-Werten und Parodontitis.