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Das Genus Pestivirus gehört zur Familie der Flaviviridae und enthält eine Reihe von tierpathogenen Erregern, welche (fast) ausschließlich Paarhufer befallen. Das bei Pestiviren vorkommende Strukturprotein ERNS ist einzigartig in der Familie Flaviviridae, es finden sich keine homologen Proteine in den anderen Genera dieser Familie. ERNS ist ein sehr ungewöhnliches Protein, da es für ein virales Strukturprotein verschiedene untypische Eigenschaften aufweist. Neben einer intrinsischen RNase-Aktivität findet sich am C Terminus eine sehr ungewöhnliche Signalpeptidase-Spaltstelle. Während die RNase Aktivität einen wichtigen Virulenzfaktor darstellt, sorgt die ungewöhnliche Spaltstelle mutmaßlich für die verlangsamte Prozessierung des ERNS-E1-Vorläuferproteins. Inwieweit die verlangsamte Spaltung des Vorläuferproteins für das Virus wichtig sein könnte, ist bis dato noch ungeklärt. Auch ist die Ausbildung von Dimeren wichtig für die Virulenz von ERNS. Darüber hinaus erfolgt eine partielle Sekretion von ERNS in den extrazellulären Raum, während ein Großteil in der Zelle verbleibt. Zusätzlich verfügt ERNS über eine untypische Membranverankerung, die durch eine lange, C-terminale amphipathische Helix vermittelt wird. Innerhalb dieser amphipathischen Helix findet sich eine Reihe geladener Aminosäuren, deren Lokalisation und Anordnung zu zwei spiegelsymmetrisch komplementären Gruppen bei Pestiviren konserviert ist. Es stellte sich die Frage, welche biologische Relevanz dieses Muster an geladenen Aminosäuren haben könnte. Ausgehend von der vorgeschlagenen Ausbildung eines „Charge Zippers“ – durch Rückfaltung und Ausbildung von Salzbrücken zwischen den komplementären Ladungen –, wurden mittels transienten Expressionsexperimenten die sechs hoch konservierten Ladungen im „Inneren“ des möglichen „Reißverschlusses“ untersucht, und es zeigte sich, dass der postulierte Charge-Zipper-Mechanismus bei ERNS vermutlich keine Rolle spielt. Für einige der betrachteten Aminosäuren konnten Hinweise erhalten werden, dass sie eine Rolle bei der Prozessierung, der Retention und bei der Dimerisierung von ERNS spielen. Vor allem ein Austausch der Ladung an der Position 194 im ERNS zeigte einen signifikanten Einfluss auf die Prozessierung und Retention von ERNS. Auch bei der Dimerisierung stach diese Position hervor, da entgegen anderer Mutationen ein Austausch hier zu einer vermehrten Dimerbildung führte. Weiterführend wurden diese Mutationen in rekombinante Viren eingeführt, und es zeigte sich, dass vor allem die spezifischen Ladungen an den Positionen 184 und 191 im ERNS wichtig für die effiziente Virusvermehrung sind. Ladungsaustausche an diesen Positionen sorgten für nicht lebensfähige Virusmutanten, während Alaninsubstitutionen im Lauf von Passagen zur ursprünglichen Ladung revertierten. Diese Ergebnisse zeigen die elementare Bedeutung der Ladungen für die Generierung von infektiösen Viren. Die molekularen Mechanismen, in denen diese Reste von Bedeutung sind, müssen in weiteren Arbeiten noch aufgeklärt werden.
Im Rahmen dieser Arbeit wurde ausgehend vom nicht zytopathogenen (nzp) Wildtypvirus BVDV-2 Stamm 890 (v890WT) erstmalig ein infektiöser cDNA Volllängenklon (p890FL) konstruiert. In vitro synthetisierte RNA des Volllängenklons p890FL replizierte nach Transfektion in bovine Zellen autonom und aus dem Überstand transfizierter Zellkulturen konnte infektiöses Virus (v890FL) isoliert werden. Die in vitro Charakterisierung ergab ein ähnliches Wachstumsverhalten des rekombinanten Virus v890FL im Vergleich zum Wildtypvirus v890WT. Im Tierexperiment zeigte v890FL jedoch einen geringfügig attenuierter Phänotyp gegenüber dem Wildtypvirus v890WT. Mit Hilfe des nzp Volllängenklons p890FL konnte zudem gezeigt werden, dass auch ein nzp BVDV-2 -Stamm stabil messbare Mengen an freiem NS3-Proteins bilden kann, wie es bisher nur für zytopathogene (zp) BVDV Stämme beschrieben worden ist. Der Volllängenklon p890FL diente weiterhin als Basis für die Etablierung zweier Deletionsmutanten, p890dNpro und p890dC, welche sich jeweils durch eine partielle Deletion des Nichtstrukturproteins Npro bzw. durch eine partielle Deletion des Kapsidproteins C auszeichnen. Die Deletion der Autoprotease Npro resultierte in einem verminderten viralen Wachstum auf Interferon-kompetenten bovinen Zellen, auf Interferon-inkompetenten Zellen können jedoch mit dem rekombinanten Virus v890FL vergleichbare Titer erreicht werden. Die Deletion des Strukturproteins C resultierte in der Bildung eines sogenannten Replikons, die in vitro synthetisierte virale RNA von p890dC war zwar in der Lage nach Transfektion in bovinen Zellen autonom zu replizieren, jedoch können keine Virusnachkommen isoliert werden. Für die Generierung infektiöser Virusnachkommen (sogenannter „Pseudovirionen“) wurde das Replikon p890dC unter Verwendung der Helferzelllinie WT-R2 in trans komplementiert und zu (einmal infektiösen) Pseudovirionen verpackt. Beide Deletionsmutanten offerieren einen neuartigen Ansatz in der Etablierung von sicheren und effizienten BVDV-2 Vakzinen und stellen einen wichtigen Schritt bei der Entwicklung neuer BVDV-Impfstoffe dar. Der infektiöse cDNA Volllängenklon p890FL ist mit seiner 228 nt großen Insertion im NS2-kodierenden Bereich zudem ein wichtiges Werkzeug für die Untersuchung von Insertionen im NS2/3 und dem Verständnis für die Ursachen der Zytopathogenität von Pestiviren.