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Der „cholinerge antiinflammatorische Signalweg“ beschreibt einen vagalen, neuroimmunologischen Reflexmechanismus, der einen hemmenden Einfluss auf Immunzellen des Retikuloendothelialen Systems in lokalen und generalisierten Entzündungsgeschehen ausübt. Vermittelt wird dieser Reflexmechanismus über den α7-Subtyp des nikotinischen Acetylcholinrezeptors auf Makrophagen. Die in der Leber lokalisierten Kupffer-Zellen repräsentieren ca. 80 – 90% der Gewebsmakrophagen des Körpers. Während die neuroimmunologische Regulation von Peritoneal- und Alveolarmakrophagen sowie Monozyten durch den N. vagus gut dokumentiert ist, ist die Rolle der Kupffer-Zellen im „cholinergen antiinflammatorischen Signalweg“ noch unbekannt.
In der vorliegenden Arbeit wurde der parasympathische Einfluss auf die residente Makrophagenpopulation der Leber, die Kupffer-Zellen, untersucht. Nikotin als Agonist am α7nAChR zeigte in vitro im LPS-Modell keine Alteration der Zytokinantwort von Kupffer-Zellen aus nativen C57Bl/6-Mäusen. Hingegen führte die subdiaphragmale Vagotomie zu einer Reduktion der in vitro TNF-α-Antwort von Kupffer-Zellen nach Stimulation mit LPS.
Die Daten dieser Arbeit erweitern den Wissensstand über die neuroimmunologische Interaktion zwischen Parasympathikus und den residenten Makrophagenpopulationen des Körpers. In Analogie zur sympathischen Regulation des Immunsystems, das abhängig vom angesprochenen Rezeptortyp sowohl pro- als auch antiinflammatorisch wirken kann, deuten die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit zu murinen Kupffer-Zellen darauf hin, dass auch der Parasympathikus, neben seinen bekannten antiinflammatorischen Eigenschaften, kompartimentalisiert ebenfalls proinflammatorisch wirken könnte.
In der Chirurgie droht ein Ärztemangel, weil in naher Zukunft viele Fachkräfte das
Rentenalter erreichen. Die Akquirierung von Nachwuchskräften gewinnt somit zunehmend
an Bedeutung. Gleichfalls nimmt mit zunehmendem Studienfortschritt das Interesse für
eine Weiterbildung in der Chirurgie ab. Somit rücken die praktischen Kontaktflächen
zwischen den Studierenden und dem Fachbereich Chirurgie in den Blickpunkt.
Insbesondere die Famulatur und das chirurgische Pflichttertial im Praktischen Jahr sind
hier von besonderem Interesse, weil sie den Studierenden erste Einblicke in die spätere
ärztliche Tätigkeit geben.
Gemeinsames Ziel der kumulativen Arbeiten war die Analyse von Angaben aus
studentischer Sicht über die chirurgische Famulatur sowie des Pflichttertials Chirurgie im
Praktischen Jahr (PJ) in Hinblick auf die Zufriedenheit sowie den daraus resultierenden
späteren Weiterbildungswunsch.
Es konnten signifikante statistische Zusammenhänge zwischen der Zufriedenheit mit der
abgeleisteten Famulatur oder des PJ-Tertials sowie der späteren Fachspezifizierung in der
Chirurgie aufgezeigt werden. Die Lehre, welche hauptsächlich von den Assistenzärzten
ausging, bot vor allem in der didaktischen Qualität noch Verbesserungspotential. Die
Verlagerung der Lehre an das Patientenbett und die damit verbundene Einbeziehung der
Studierenden in diagnostische und therapeutische Überlegungen zeigte sich nach unseren
Ergebnissen für die Zufriedenheit und dem Weiterbildungswunsch zum Chirurgen
essentiell.
Dieser Zusammenhang erscheint logisch, jedoch überrascht die Eindeutigkeit der
statistischen Auswertung. Der Bedeutung des Praktischen Jahres und der Famulatur wird
man sich jedoch mehr und mehr bewusst. Neben den allgemeinen Rahmenbedingungen
der studentischen Praktika sind die Lern- und Lehrbedingungen in vielen Bereichen noch
deutlich zu optimieren. Innovative Lehrkonzepte werden von den Studierenden gefordert
und werden in naher Zukunft auch erforderlich sein, wenn man den Nachwuchs für das
Fachgebiet Chirurgie begeistern möchte.
Mit der Entdeckung der immunmodulatorischen Funktion des N. vagus über den cholinergen antiinflammatorischen Signalweg ergeben sich neue Möglichkeiten hinsichtlich der Analyse immunologischer Reaktionen im Verlauf der postoperativen Immunsuppression. Die Immundysfunktion infolge eines operativen Eingriffs stellt im chirurgischen Alltag eine große Herausforderung dar. Sie beeinflusst erheblich den Verlauf der Wundheilung sowie der Regeneration und bei sekundärer Infektion die Reaktion auf eine postoperativ erworbene Sepsis. Die Untersuchung der Folgen einer subdiaphragmalen Vagotomie in der postoperativ erworbenen Immunschwäche war eine zentrale Frage dieser Arbeit, da somit der Einfluss des N. vagus auf die postoperative Immundysfunktion beschrieben werden kann.
Die Vagotomie führte zu keiner Beeinträchtigung des Überlebens in der postoperativen Immunschwäche. Dies wäre erst zu erwarten, wenn ein zusätzlicher infektiöser Stimulus im Sinne einer Sepsis hinzukäme. In der Immunparalyse ist der Körper empfänglicher gegenüber infektiösen Komplikationen durch u. a. eine erleichterte Ausbreitung von Erregern im Blut. So führte bei Mäusen ohne Einfluss des Vagus die chirurgisch induzierte Immundysfunktion zu einer erhöhten Keimlast in der Peritoneallavage. War bei den Tieren der N. vagus hingegen intakt, schien dies nicht der Fall zu sein. Es ließ sich somit nachweisen, dass die Vagotomie die Erregerausbreitung bei einer postoperativ erworbenen Immundysfunktion begünstigt und somit zu einem erhöhten sekundären Infektionsrisiko beitragen könnte. Im Umkehrschluss ist möglicherweise anzunehmen, dass der Vagus eine eventuelle Rolle in der bakteriellen Last des Peritoneums spielt. In der frühen Phase der postoperativen Immunsuppression fördert die Durchtrennung des Vagus proinflammatorische Mechanismen über eine erhöhte MCP-1 Ausschüttung. Somit wurde gezeigt, dass die Vagotomie entzündungsfördernde Vorgänge, die zu einer Sepsis führen könnten, begünstigt. Im Umkehrschluss ist eine protektive Rolle des Vagus in der frühen postoperativen Phase anzunehmen. Hingegen ließ sich im Zeitverlauf über 72 Stunden eine prolongierte verminderte Immunabwehr der immungeschwächten Versuchstiere mit intaktem Vagus durch eine anhaltende IFN-γ-Suppression zeigen. Der N. vagus könnte somit besonders in der späten postoperativen Phase zu einer erhöhten Infektanfälligkeit der Patienten beitragen. Zusammenfassend weisen die Ergebnisse auf verschiedene Rollen des N. vagus zu verschiedenen Zeitpunkten in der Immundysfunktion nach chirurgischen Eingriffen hin. Damit wird ein neues Forschungsfeld eröffnet, dass die Auswirkungen des Nervus vagus bei postoperativ erworbener Immunsuppression einer genauen Analyse und somit einer Entwicklung von Therapien ermöglicht.