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Die chronische Nierenkrankheit (CKD) gehört neben Diabetes mellitus und Hypertonie zu den Weltgesundheitsproblemen. Aufgrund der Vielzahl von Ursachen, die zu einer CKD führen können, gibt es nur wenige gezielte Therapiemaßnahmen, die vor allem auf Veränderungen des Lebensstils der Patienten oder die Behandlung von Vor- oder Folgeerkrankungen abzielen. Um gezielter eine CKD behandeln zu können, ist es essentiell die genauen molekularen Mechanismen, die an der Entwicklung einer CKD beteiligt sind, zu identifizieren. Das intrarenale Renin-Angiotensin-System (RAS) ist eines der Systeme, die eine wichtige Rolle bei der Entwicklung einer CKD spielen. Aus diesem Grund wurde in der vorliegenden Arbeit die Bedeutung des intrarenalen RAS für die Entwicklung der CKD in zwei, voneinander unabhängigen, Versuchsreihen untersucht.
In der Versuchsreihe I wurden genetisch veränderte Mäuse (ACE-/--Mäuse) verwendet, die eine verminderte renale Angiotensin-I-Konversionsenzym (ACE)-Expression haben. Bei diesen Mäusen steht die Transkription des ACE-Gens unter der Kontrolle des Albumin-Promotors, so dass ACE bei ACE-/--Mäusen vor allem in der Leber exprimiert wird. Vor dem Hintergrund, dass das renale RAS bei einer CKD aktiviert ist und die genetische Veränderung der ACE-/--Mäuse einen Bestandteil des RAS betrifft, wurde in Versuchsreihe I untersucht, ob ACE-/--Mäuse vor einem experimentell-induzierten chronischen Nierenschaden geschützt sind. Weiterhin wurde untersucht, ob an einem möglichen Schutz die alternative renoprotektive ACE2/Angiotensin (1-7)/Mas-Rezeptor-Achse beteiligt ist.
Die Daten einer klinischen Studie unserer Arbeitsgruppe zeigten, dass sowohl die renale Angiotensinogen- als auch die renale Renin-Ausscheidung als potenzielle Biomarker einer CKD in Frage kommen. Auf Grundlage dieser Ergebnisse wurde in Versuchsreihe II untersucht, ob die renale Angiotensinogen- bzw. die renale Renin-Ausscheidung auch als potenzielle Biomarker für den zeitlichen Verlauf eines experimentell induzierten, chronischen Nierenschadens geeignet sind. In dieser Versuchsreihe wurden nur Wildtyp-Mäuse verwendet, die über einen Zeitraum von 13 Wochen untersucht wurden.
Der chronische Nierenschaden wurde bei den Mäusen beider Versuchsreihen mittels Aristolochiasäure I (AAI), 3 mg/kg Körpergewicht, i.p. an jedem 3. Tag für sechs Wochen und einer sich anschließenden behandlungsfreien Phase von weiteren sechs bis sieben Wochen induziert. Am Ende des Beobachtungszeitraums wurden die Nieren makroskopisch sowie mikroskopisch begutachtet, die glomeruläre Filtrationsrate (GFR) mittels Inulin-Clearance als Maß für die Nierenfunktion bestimmt und weitere molekularbiologische und biochemische Untersuchungen durchgeführt.
In Versuchsreihe I führte AAI nur bei Wildtyp-Mäusen zu einer statistisch signifikanten Abnahme der GFR, jedoch nicht bei ACE-/--Mäusen. Die renalen ACE2- und Mas-Rezeptor-Protein-Gehalte nahmen zwar bei beiden Mausstämmen unter AAI ab, allerdings waren beide Parameter unter basalen Bedingungen bei ACE-/--Mäusen statistisch signifikant höher als bei Wildtyp-Mäusen. Gleichzeitig führte AAI bei ACE-/--Mäusen zu einem Anstieg der renalen Angiotensin-(1-7)-Konzentration, nicht jedoch bei Wildtyp-Mäusen. Die Ergebnisse der Versuchsreihe I zeigen zum ersten Mal, dass genetisch veränderte ACE-/--Mäuse vor einem AAI-induzierten, chronischen Nierenschaden geschützt sind. Dieser Schutz könnte auf eine basal höhere renale ACE2- und Mas-Rezeptor-Expression sowie auf die Zunahme der renalen Angiotensin-(1-7)-Konzentration unter AAI und somit eine Aktivierung der renoprotektiven ACE2/Angiotensin (1-7)/Mas-Rezeptor-Achse zurückzuführen sein.
In Versuchsreihe II nahm die renale Angiotensinogen-Ausscheidung während der Behandlungsphase unter AAI zu und während der sich anschließenden behandlungsfreien Phase ab. Sie blieb jedoch während des gesamten Versuchszeitraums statistisch signifikant höher als in der Kontrollgruppe. Die renale Renin-Ausscheidung nahm ebenfalls unter AAI, allerdings auch in der Kontrollgruppe, während der Behandlungsphase zu und nahm während der behandlungsfreien Phase ab. Die Befunde der Versuchsreihe II lassen zwar keine abschließenden Aussagen zur Eignung der renalen Renin-Ausscheidung als Biomarker zu, allerdings sind die Ergebnisse zur renalen Angiotensinogen-Ausscheidung vielversprechend. Die Daten zeigen, dass die renale Angiotensinogen-Ausscheidung als Biomarker für den zeitlichen Verlauf eines AAI-induzierten, chronischen Nierenschadens bei Mäusen geeignet ist und dass das unter diesen Bedingungen mit dem Harn ausgeschiedene Angiotensinogen vermutlich überwiegend renalen Ursprungs ist.
Der (Pro)Renin Rezeptor ((P)RR, auch ATP6ap2) wurde 2002 als membranständiges Protein entdeckt. Seitdem treten neben dem Renin-Angiotensinogen-Angiotensin System (RAAS) immer mehr Signalwege zu Tage, die von der Funktion des (P)RR abhängen. Hierzu zählen neben dem kanonischen Wnt – pathway und dem nicht kanonischen Wnt-PCP (planar cell polarity) auch ein Einfluss auf vesikuläre ATPasen und Transkriptonsfaktoren (PLZF Erk1/2). Wegen frühzeitig letaler Verläufe unter vollständiger (P)RR Elimination in vivo bleibt mit einer moderaten Verminderung der Expression (Downregulation) ein Weg, um die Relevanz und Beteiligung des Rezeptors weiter zu untersuchen. In der tumorösen renalen Zelllinie As4.1 wurde hierzu durch die AG Peters eine selektive (P)RR Downregulation etabliert. Die hierunter erfolgte unselektive Analyse des gesamten Transkriptoms zeigte 28 relevante Änderungen der Transkriptkonzentrationen, dessen zugehörige Genprodukte sich funktionell in zwei Gruppen teilen lassen. Einerseits waren mehrere Zilien assoziierte Transkripte nach (P)RR Downregulation erhöht, andererseits waren Zellzyklus assoziierte Transkripte vorrangig vermindert. Hieraus ergaben sich als Zielstellungen für die Arbeit:
1.) eine erneute gezielte und statisisch belastbare Überprüfung der zuvor veränderten Transkriptkozentrationen unter (P)RR Downregulation, 2.) eine funktionelle Untersuchung des Zusammenhangs von (P)RR zur ziliären Expression und dem Zellzyklus, 3.) die Analyse möglicher vermittelnder Signalwege.
Durch molekularbiologische und funktionelle Untersuchungen, Flureszenszmikroskopie und FACS Analysen, wurden im Rahmen dieser Arbeit (ad 1) die Transkriptveränderungen bestätigt, (ad 2) eine relevant verminderte Proliferationsrate und ein Zellzyklusarrest, bei gleichzeitig erhöhter Expression des primären Ziliums unter (P)RR Downregulation nachgewiesen, sowie (ad 3) Transkriptmengen Steigerungen des kanonischen und Wnt-PCP gemessen.
Ohne Analyse der zugehörigen Proteinmengen lässt sich aus den Ergebnissen nur vorsichtig schlussfolgern, dass der (P)RR (ad 1) möglicherweise im Aufbau des primären Zilium und/oder in der Entstehung von Ziliopathien beteiligt ist, (ad 2) eine (P)RR Downregulierung den Zellzyklus protrahiert und die Expression des primären Ziliums verstärkt und (ad 3) die Wnt-Signalwege dies vermitteln könnten. Neben dem ausstehenden Nachweis auf Proteinebene wäre ein gezielter Vergleich von primärem Zilium (fast ubiquitär, Zellzyklus abhängige Expression) gegenüber den spezialisierten Zilien der symptomatischen Ziliopathien (Retinitis pigmentosa, Polyzystische Nierenerkrankung) interessant, wobei in der Einordnung der Ergebnisse die Sonderrolle der hier gewählten Zellkultur (As4.1, renale Tumorlinie) berücksichtigt werden muss.