Theoretischer Hintergrund: Ausdauerndes Handeln (Persistenz) ist fĂŒr das Erreichen schwieriger Ziele notwendig. Ohne Persistenz und die zugrundliegenden motivational-kognitiven Prozesse wĂŒrde eine Person bei auftretenden Schwierigkeiten jede Handlung sofort abbrechen. Allerdings stellen sich manche Ziel-Intentionen als kaum umsetzbar heraus, sodass das Ziel, wenn ĂŒberhaupt, nur unter unverhĂ€ltnismĂ€Ăig hohen Kosten erreicht werden kann. Persistenz wĂŒrde dann zu einer Verschwendung von Anstrengung, Zeit oder Geld fĂŒhren. Wie vorangegangene Studien gezeigt haben, neigen Menschen dazu, an solchen fehlgehenden oder verlustreichen Handlungen festzuhalten. Somit kann Persistenz nicht der einzige Faktor sein, der fĂŒr eine effektive und ressourcenschonende Zielverfolgung wichtig ist. Zielgerichtetes Verhalten muss auch an relevante VerĂ€nderungen, die wĂ€hrend des Zielstrebens auftreten, angepasst werden, was gegebenenfalls, z. B. bei Lebensgefahr, auch zum Handlungsabbruch fĂŒhren sollte. In der vorliegenden Arbeit wird eskalierende Persistenz als spezifischer Aspekt dieses Persistenz-FlexibilitĂ€ts-Dilemmas (Goschke, 2008) analysiert. Der volitionale Zustand, der die Grundlage zielgerichteter Persistenz bildet, wird ĂŒblicherweise als Commitment bezeichnet. GemÀà volitionspsychologischer AnsĂ€tze, wie der Goal-Setting Theorie (Locke & Latham, 2002) oder dem Rubikon-Model der Handlungsphasen (Gollwitzer, 1990), wird Commitment als Festlegung auf die Erreichung eines Ziels beschrieben. Das Konstrukt wird jedoch eher allgemein definiert. Mit der vorliegenden Arbeit wird das Commitment-Modell der Handlungsphasen (CMHP) vorgeschlagen, das auf dem Rubikon-Modell aufbaut und eine neue, prĂ€zisere Perspektive auf Commitment und dessen Implikationen fĂŒr eskalierende Persistenz bietet. Im CMHP wird Commitment als relative stabile Eigenschaft der Ziel-Intention verstanden, die die Aufrechterhaltung der Intention motivational und kognitiv unterstĂŒtzt. Somit bleiben die Intention und ihre Umsetzung bei hohem Commitment relativ unbeeinflusst von Problemen, Unannehmlichkeiten oder anderen negativen VerĂ€nderungen. In solchen FĂ€llen konzentriert sich die Person unbeirrt auf die Umsetzung und bewertet das Ziel weiterhin positiv. Diese anfĂ€nglich funktionale StabilitĂ€t der Intention kann zu eskalierender Persistenz fĂŒhren, wenn Risiken und Kosten der Zielverfolgung weiter ansteigen oder auf unvorteilhaftem Niveau verbleiben. GemÀà dem CMHP wird eskalierende Persistenz durch eine reduzierte kognitive ReprĂ€sentation von Problemen verursacht, die besonders bei hohem Commitment auftritt. Je höher das Commitment der Intention ist, desto stĂ€rker reduziert sich die kognitive ReprĂ€sentation von Problemen und desto unwahrscheinlicher ist es, dass ein Handlungsabbruch erwogen wird. Somit fĂŒhren bei hohem Commitment selbst schwerwiegende Problem nicht unmittelbar zum Handlungsabbruch. Empirische Studien: In Studie 1 (N = 115) sollte gezeigt werden, dass problembezogene Informationen bei hohem Commitment nur abgeschwĂ€cht kognitiv reprĂ€sentiert werden. Dazu wurden die Faktoren Commitment und Probleme bei einer computergestĂŒtzten Leistungsaufgabe experimentell variiert. Es zeigte sich modellkonform, dass bei geringem Commitment die kognitive ReprĂ€sentation der Probleme deutlich positiv vom Faktor Probleme abhing, wohingegen bei hohem Commitment sowohl geringe als auch starke Probleme kaum reprĂ€sentiert wurden. In Studie 2 gelang es Commitment (als stabilen Parameter der Intention) und VolitionsstĂ€rke (als flexiblen Parameter der Intention) empirisch zu differenzieren. In diesem LĂ€ngsschnittexperiment (N = 149) konnte gezeigt werden, dass das Commitment fĂŒr ein persönliches Ziel ĂŒber drei Wochen stabil verlief, wĂ€hrend die VolitionsstĂ€rke eine flexible Charakteristik aufwies. Zudem stimmte ein Modell mit zwei spezifischen Faktoren der Handlungsregulation (Commitment und VolitionsstĂ€rke) zu allen Messzeitpunkten deutlich besser mit den empirischen Daten ĂŒberein, als ein Modell mit nur einem globalen Faktor (Commitment = VolitionsstĂ€rke). In Studie 3 (N = 120) wurden ValiditĂ€tsprobleme des Commitment-Selbstberichts untersucht, die offenbar dem konstruierten Charakter von Intentionen in Laboruntersuchungen geschuldet sind. Bei persönlichen Zielen liegen demgegenĂŒber keine ValiditĂ€tsprobleme des Commitment-Selbstberichts vor. Diskussion: Die Annahmen des CMHP wurden durch die Ergebnisse ĂŒberwiegend bestĂ€tigt. In allen drei Studien wurde umso ausdauernder an problematischen Intentionen festgehalten, je höher das Commitment war. Die Konstrukte Commitment und VolitionsstĂ€rke konnten empirisch differenziert werden. Zudem wurde die spezifische Rolle von Commitment bei der kognitiven ReprĂ€sentation von problembezogenen Informationen gezeigt. AbschlieĂend wird die Bedeutung der Ergebnisse fĂŒr MaĂnahmen zur PrĂ€vention von eskalierender Persistenz diskutiert.
Die vorliegende Dissertation widmete sich der Entwicklung und Validierung einer deutschsprachigen Commitment-Skala. Grundlage hierfĂŒr bildeten die Rekonzeptualisierung von Commitment als willentliche Bindung, die sich durch Zusicherung und Verantwortlichkeit gegenĂŒber einem Bindungsziel auszeichnet (Klein, Molloy & Brinsfield, 2012) sowie die dazugehörige Skala (Klein, Cooper, Molloy & Swanson, 2014). Ziel dieser Arbeit war eine Skala, welche so, wie die Commitment-Skala von Klein et al. (2014), (1) vier Items umfasst, (2) eindimensional ist und (3) unabhĂ€ngig vom Bindungsziel eingesetzt werden kann. Die Entwicklung erfolgte in aufeinander aufbauenden Teilschritten. Ausgangspunkt war ein aus verschiedenen Quellen (Ăbersetzungen der US-amerikanischen Items, Interviews mit Arbeitnehmern, Items bestehender Skalen, Deduktionen aus der Commitment-Definition) zusammengestellter Itempool, der in mehreren empirischen Untersuchungen sukzessive reduziert wurde. Die finalen Entwicklungsschritte, eine qualitative Untersuchung zum ItemverstĂ€ndnis von Arbeitnehmern (Untersuchung 1) und eine darauf aufbauende quantitative Untersuchung zur Itemselektion (Untersuchung 2), werden in der Dissertation umfassend berichtet. Die resultierende Skala ist Gegenstand einer weiteren quantitativen Untersuchung, in welcher erste empirische Belege fĂŒr deren KonstruktvaliditĂ€t (z. B. nomologische ValiditĂ€t, konvergente und divergente ValiditĂ€t) gesammelt wurden (Untersuchung 3). Die vier Items der deutschen Commitment-Skala bilden jeweils ein Merkmal des Konstrukts ab. Im Kontrast zur US-amerikanischen Skala (Klein et al., 2014) kann das Konstrukt fĂŒr den deutschen Sprachraum nĂ€mlich nicht durch einen bestimmten Begriff operationalisiert werden. Die vier deutschen Items lauten: 1) âWie verbunden fĂŒhlen Sie sich [Ihrem/dem/diesem Bindungsziel]?â; 2) âWie wichtig nehmen Sie [Ihr/das/dieses Bindungsziel]?â; 3) âWie stark haben Sie sich [Ihrem/dem/diesem Bindungsziel] verschrieben?â; 4) âWie verantwortlich fĂŒhlen Sie sich gegenĂŒber [Ihrem/dem/diesem Bindungsziel]?â. Die Skala wird mit dem Akronym KUTG bezeichnet, welches die Merkmale der Skala widerspiegelt. Der Buchstabe K kennzeichnet, dass die Skala auf den Arbeiten von Klein et al. (2012, 2014) basiert. Ihre Commitment-Definition wird durch die Items 3 (willentliche Zusicherung) sowie die Item 2 und 4 (Verantwortlichkeit) abgebildet. Der Buchstabe U kennzeichnet die UnidimensionalitĂ€t der Skala. Die quantitativen Untersuchungen konnten zeigen, dass die Skalenitems keine Merkmale anderer, von Commitment abzugrenzender Konstrukte (z. B. Identifikation, Verhalten) abbilden. Das T bringt den von Klein et al. (2012) postulierten, allgemeinen GĂŒltigkeitsbereich (engl. target-free) von Commitment zum Ausdruck, der sich in der Skala widerspiegeln soll. In dieser Arbeit wurde die ValiditĂ€t der KUTG fĂŒr die Organisation, das Team und den Vorgesetzten als Bindungsziele eines Commitments gestĂŒtzt, wobei sie sich als metrisch invariant erwies. G steht fĂŒr German und verdeutlicht, dass die Verbundenheit mit dem Bindungsziel, welche durch Item 1 abgebildet wird, ein deutsches Merkmal von Commitment ist. Ausgehend von ihrer begrifflichen Bedeutung Ă€uĂert sich die Verbundenheit im Erleben von NĂ€he zum Bindungsziel, die durch positiven Affekt begleitet ist. Da der Affekt nach Klein et al. (2012) zu den Einflussfaktoren von Commitment zĂ€hlt, ist anzunehmen, dass im deutschen Sprachraum weniger prĂ€zise zwischen dem Erleben der Bindung und der positiv affektiven Bewertung des Bindungsziels differenziert wird als im US-amerikanischen Raum. Aus den Merkmalen der KUTG resultieren verschiedene methodologische und praktische Vorteile fĂŒr Forschung und Praxis, weshalb die KUTG einem Einsatz anderer Commitment-Skalen vorzuziehen ist. Sie ermöglicht bspw. weniger konfundierte und ökonomischere Messungen und ist zudem flexibel fĂŒr das jeweilig interessierende Bindungsziel einsetzbar.