Das Lungenkarzinom ist in Deutschland die dritthĂ€ufigste Krebserkrankung und bei MĂ€nnern die am hĂ€ufigsten zum Tode fĂŒhrende TumorentitĂ€t. Zur Therapieplanung und prognostischen EinschĂ€tzung sind insbesondere das Tumorstadium und der Performance-Status des Patienten entscheidend. Derzeit beruht die Beurteilung der funktionellen KapazitĂ€ten von Patienten noch zum groĂen Teil auf subjektiver EinschĂ€tzung seiner AktivitĂ€t und LeistungsfĂ€higkeit unter Anwendung des ECOG oder des Karnofsky-Index. Diese Arbeit umfasst die Deskription und Ăberlebenszeitanalyse einer Patientenpopulation der UniversitĂ€tsmedizin Greifswald und prĂŒft die Frage einer prognostischen Relevanz von objektiv ermittelbaren funktionellen Werten aus Lungenfunktion und Spiroergometrie fĂŒr das GesamtĂŒberleben der Patienten mit Bronchialkarzinom. Die Arbeit erfasst und analysiert die Daten aller Patienten mit neudiagnostiziertem Bronchialkarzinom, welche vom 01.01.2005 bis zum 31.12.2009 im UniversitĂ€tsklinikum Greifswald zur Diagnostik und Therapie stationĂ€r aufgenommen wurden. Die Datenbank setzt sich aus den Daten der Dokumentation des klinischen Krebsregisters Tumorzentrum Vorpommern e.V. und den funktionellen Daten aus dem Krankenhausinformationssystem des Klinikums zusammen. Die Ăberlebenszeitkurven in AbhĂ€ngigkeit von Tumorstadium und Histologie sind nach der Kaplan-Meyer-Methode erstellt worden. Zur Ermittlung der prognostischen Wertigkeit der Funktionsparameter ist eine Cox-Regressions-Analyse univariat und multivariat unter Adjustierung fĂŒr die etablierten Prognosefaktoren Alter, Geschlecht, Gewicht, Tumorstadium, Histologie und ECOG-Grad durchgefĂŒhrt worden. Im Zeitraum vom 01.01.2005 bis zum 31.12.2009 wurden im UniversitĂ€tsklinikum Greifswald 515 Patienten (391 MĂ€nner) zur Diagnostik und Therapie aufgenommen. Das mittlere Erkrankungsalter lag bei 65 ± 10 Jahren und die mediane Ăberlebenszeit bei 8,12 Monaten. Die histologische Untersuchung ergab bei 81,2% ein NSCLC. Bei der MajoritĂ€t der Patienten (68,6%) wurde ein UICC-Stadium IIIB oder IV diagnostiziert, der Anteil von Patienten mit Stadium I, II und IIIA entsprach 12,2%, 6,4% und 18,5%. Die Ăberlebenszeitanalyse ergab eine absolute 5-Jahres- Ăberlebensrate der gesamten Patientenpopulation von 11% und einen signifikanten Einfluss von Tumorstadium und Histologie. Eine LungenfunktionsprĂŒfung lag bei 79,6% und eine zusĂ€tzliche Spiroergometrie bei 42,2% der Patienten vor, es zeigten 84 sich mehrheitlich gröĂere Normwertabweichungen. Die univariate Analyse ergab einen prognostischen Einfluss von 10 der 13 ĂŒberprĂŒften Funktionswerte. Differenzen von einer Standardabweichung gingen mit Senkungen des MortalitĂ€tsrisikos von 18% (VEmax) bis 41% (VE/VCO2_AT) einher. UnabhĂ€ngig von den etablierten Faktoren erwiesen sich die Funktionsparameter FEV1, TLC, VEmax und VE/VCO2_AT in der multivariaten Analyse als signifikante Prognosefaktoren fĂŒr das GesamtĂŒberleben. Eine Limitierung dieser Studie ergibt sich aus dem niedrigen Anteil an Patienten mit frĂŒhen Tumorstadien als auch aus der fehlenden DurchfĂŒhrung von Spiroergometrien bei allen Patienten. WĂŒnschenswert sind die WeiterfĂŒhrung der Datensammlung und die Wiederholung der prognostischen Analyse fĂŒr eine gröĂere Patientengruppe. Damit wĂ€ren eine Steigerung der statistischen Power, die Bestimmung soliderer Cut- Off-Werte und eventuell auch die Identifizierung weiterer signifikanter Faktoren in der multivariaten Analyse anzunehmen. Bis zum jetzigen Zeitpunkt existieren nur wenige Studien, welche die Hypothese zur prognostischen Relevanz von Parametern aus Lungenfunktion oder Spiroergometrie fĂŒr alle Patienten mit Bronchialkarzinom ĂŒberprĂŒft haben. Diese Untersuchung zeichnet sich durch die Einbeziehung aller UICC-Stadien, eine verhĂ€ltnismĂ€Ăig groĂe Patientengruppe und die Auswertung relativer Funktionswerte aus. Ein weiterer Vorteil ergibt sich aus der Bevölkerungs- struktur des FlĂ€chenlandes Mecklenburg-Vorpommern. Bei der im bundesweiten Vergleich geringsten Bevölkerungsdichte behandeln die UniversitĂ€tskliniken als Maximalversorger Patienten eines groĂen Einzugsgebietes, sodass die Patientenpopulation dieser Studie eine reprĂ€sentative Grundgesamtheit darstellt. Diese Arbeit belegt bei Patienten mit Bronchialkarzinom die prognostische Bedeutung von Lungenfunktion und Spiroergometrie, welche die LeistungsfĂ€higkeit und FunktionalitĂ€t von Patienten objektiv darstellen können. Eine differenzierte Bewertung der FunktionalitĂ€t von Patienten mit adĂ€quatem ECOG-Grad oder Karnofsky-Index wird ermöglicht. Die Werte von FEV1, TLC, VEmax sowie VE/VCO2_AT haben dabei offenkundig eine besondere Relevanz. Die ErgĂ€nzung des konventionellen Patientenmanagements um die Beurteilung der funktionellen und spiroergometrischen Werte kann die Therapieplanung und die prognostische EinschĂ€tzung der Patienten optimieren.