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Culicidae, auch bekannt als Stechmücken, sind medizinisch bedeutsame Zweiflügler, die als Vektoren eine Vielzahl von Krankheitserregern auf Menschen und Tiere übertragen können. Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich einerseits mit der Verbreitung von zwei seltenen Stechmückenarten, welche im Rahmen eines Monitoringprojekts gefangen wurden, und andererseits mit der Ökologie der Asiatischen Tigermücke. Bei allen Arten handelt es sich um thermophile Arten, bei denen angenommen wird, dass der Klimawandel ihre Verbreitung Richtung Norden begünstigt. Dies konnte vor allem für die Art Uranotaenia unguiculata gezeigt werden, da sie an zwei Orten gefunden wurde, die ausgesprochen weit entfernt waren von der einzigen jemals zuvor beschriebenen Nachweisstelle in Deutschland. Obwohl an beiden Fundorten jeweils nur ein einziges adultes Individuum gefangen werden konnte, ergab eine Beprobung von potenziellen Bruthabitaten im darauffolgenden Jahr, dass lokale Reproduktion stattfand. Somit konnte eine ausschließliche Verschleppung von adulten Einzelindividuen weitgehend ausgeschlossen werden. Eine weitere seltene Stechmückenart, die im Zuge des Monitorings nachgewiesen werden konnte, ist Anopheles algeriensis. Diese Art wurde an drei Standorten gefangen, an zwei von ihnen mit einer viel höheren Abundanz als Ur. unguiculata.
Den ökologischen Teil dieser Arbeit machen Feld- und Laborexperimente mit Aedes albopictus aus. Sie dienten der Ermittlung der Kältetoleranz der Eier dieser Spezies, die als Vektor für eine Vielzahl von Viren und andere Pathogene gilt. Drei verschiedene Stämme, die aus tropischen, subtropischen und gemäßigten Breiten stammen, wurden niedrigen Temperaturen, welche typischerweise im Winter herrschen, unter Feld- und Laborbedingungen ausgesetzt. Die Experimente belegen, dass alle untersuchten Stämme prinzipiell einen Winter mit einem Temperaturminimum von –8 °C im Feld überleben konnten. Die Laborexperimente konnten hingegen zeigen, dass alle Stämme in der Lage waren, Temperaturen von –10 °C für eine gewisse Zeit zu ertragen. Die Überlebensfähigkeit schwankte je nach Stamm zwischen 2 und 20 Tagen. Dabei hatte der Stamm aus den gemäßigten Breiten eine Kältetoleranz, die nur wenig höher lag als die des subtropischen Stammes. Der tropische Stamm hingegen besaß die geringste Toleranz gegenüber niedrigen Temperaturen, sowohl in den Freiland- als auch in den Laborexperimenten. Diapausierende Eier zeigen nur eine höhere Kältetoleranz nahe den physiologischen Grenzen der jeweiligen Stämme. Weiterhin konnte festgestellt werden, dass Eier unter fluktuierenden Temperaturen eine bestimmte Minimaltemperatur länger aushalten konnten als unter konstanten Temperaturen. Somit zeigen beide Experimente, dass gewisse Stämme von Ae. albopictus eine sehr hohe Toleranz gegenüber niedrigen Temperaturen haben. Das macht es sehr wahrscheinlich, dass diese invasive Art Winter in Deutschland oder anderen mitteleuropäischen Ländern überleben und ihre Ausbreitung weiter fortschreiten werden. Diese Entwicklung wird epidemiologische Auswirkungen auf die Human- und Veterinärmedizin haben.
Das alpha-Toxin (Hla) von Staphylococcus aureus (S. aureus) spielt eine bedeutende Rolle bei S. aureus-induzierten Pneumonien. Hla bindet zunächst als Monomer an die Plasmamembran eukaryotischer Wirtszellen und assoziiert sich zu heptameren Transmembranporen. Die Sensitivität gegenüber dem Toxin ist bei verschiedenen Atemwegsepithelzelllinien unterschiedlich ausgeprägt. Die Gründe dafür sind bis jetzt nicht vollends verstanden. Mögliche Faktoren, die einen Einfluss auf die Hla-Sensitivität der Zellen haben, könnten die Rezeptordichte und Effizienz der Porenbildung sowie die Entsorgung von Poren aus der PM durch Internalisierung und Degradation (lysosomal, proteasomal) oder durch Ausschleusung von extrazellulären Vesikeln in den Extrazellularraum sein.
Ziel dieser Arbeit war es, die Bedeutung der Faktoren, die einen Einfluss auf die Toxin-Sensitivität von Wirtszellen haben könnten, am Beispiel der drei Atemwegs-Modellzelllinien 16HBE14o-, S9 sowie A549 genauer zu untersuchen.
Dabei konnte gezeigt werden, dass die Menge an rHla, allem voran die Abundanz der Heptamere in der Plasmamembran der Zellen, einen starken Einfluss auf die Toxinsensitivität (gemessen an der Rate parazellulärer Lückenbildung in den Zellverbänden) der Zelllinien hat. Diese Ergebnisse korrelierten am besten mit der Häufigkeit des potenziellen Hla-Rezeptors ADAM10 in der Plasmamembran der drei Zelltypen, aber auch das Phospholipid Sphingomyelin scheint ebenfalls einen Einfluss auf die Hla-Sensitivität der Zellen zu haben. Die Zellgröße, der für die Hla-Vorpore stabilisierende Faktor Caveolin-1, Integrin α5β1 als weiterer möglicher Hla-Rezeptor und die Lipide Phosphatidylcholin/-serin zeigten dagegen keine Korrelation zur Hla-Sensitivität der drei Atemwegsepithelzelllinien. Das Lipid Phosphatidylethanolamin wies zwar das gleiche Muster wie das des Sphingomyelins bei den Zelllinien auf, jedoch muss eine mögliche Bedeutung des Lipids in der Hla-Bindung und/oder -Heptamerisierung erst noch untersucht werden.
Untersuchungen der Internalisierung des Toxins zeigten, dass von den drei Atemwegsepithelzelllinien nur die S9-Zellen in der Lage waren die rHla-Heptamere effizient zu internalisieren. Dabei konnte unter Verwendung der rHla-Mutante rH35L, die keine Transmembranpore ausbilden kann, gezeigt werden, dass die Internalisierung der Toxin-Heptamere wahrscheinlich Poren-unabhängig geschieht. Durch die Überprüfung des rHla-Abbaus in S9-Zellen nach Inhibierung der lysosomalen oder proteasomalen Proteindegradation konnte ein Abbau des Toxins über das Proteasom ausgeschlossen werden. Dagegen scheint der lysosomale Weg von entscheidender Bedeutung für die Hla-Heptamer-Degradation zu sein. Eine saure Hydrolyse der Protease-resistenten Toxin-Heptamere in rHla-Monomere konnte allerdings nicht nachgewiesen werden und scheint somit bei dem lysosomalen Abbau keine Rolle zu spielen. Präparierte extrazelluläre Vesikel von rHla-behandelten S9-Zellen zeigten zudem, dass eine Entsorgung des Toxins über Exosomen und/oder Mikrovesikel ebenfalls bei diesen Zellen möglich zu sein scheint. Der primäre Weg der Hla-Prozessierung ist bei den S9-Zellen dennoch der lysosomale Abbau.
Innerhalb der Proteinfamilien der Antistasine und der Hirudine konnte ein breites Spektrum von Faktoren identifiziert werden. Obwohl die Funktionen dieser Hirudin-ähnlichen Faktoren (HLF) aus Hirudo sp. und Hirudinaria manillensis, sowie des Antistasin-ähnlichen Faktors (ALF) aus Hirudo verbana, bis zu diesem Zeitpunkt unbekannt waren, könnte der hohe Grad an Übereinstimmung zu den Antistasinen bzw. Hirudinen bezüglich ihrer Genstruktur und Aminosäuresequenzen auf eine Anpassung der Blutegel auf ihr Wirtsspektrum hindeuten. So ist es mit der funktionellen Charakterisierung von rekombinanten Formen dieser Speicheldrüsenproteine möglich, die Frage zu beantworten, weshalb der Blutegel nicht nur einen potenten Inhibitor für die jeweiligen Faktoren der Blutgerinnung in seinen Speicheldrüsen sekretiert, sondern wohl möglich eine Vielzahl variierender Faktoren vorliegen.
Klimawandel, Änderungen der Landnutzung und Habitatzerstörung sowie die Globalisierung tragen zu einer zunehmenden Ausbreitung von bekannten und noch unbekannten Viren bei, die eine Gefahr für Mensch und Tier darstellen können. Um potenziell gefährliche Viren frühzeitig zu entdecken, kann das in dieser Arbeit vorgestellte Protokoll für einen pan-viralen DNA-Microarray-gestützten (PVM) Virusnachweis verwendet werden, der optional mit einer Hochdurchsatzsequenzierung gekoppelt werden kann.
Für die Etablierung des PVM-Protokolls wurde die Leistungsfähigkeit von drei Probenbearbeitungs- und Datenauswertungsmethoden beim Nachweis von zwei Modellviren, einem DNA-Virus und einem RNA-Virus, verglichen. Für die Kopplung mit dem PVM wurden verschiedene Systeme für die Hochdurchsatzsequenzierung verwendet.
Das Ziel der Arbeit war die Etablierung eines optimierten PVM-Protokolls für einen robusten, breiten Virusnachweis, welcher einzeln oder in Kombination mit einer Hochdurchsatzsequenzierung als Teil einer mehrstufigen Analysepipeline verwendet werden kann.
Beim Nachweis beider Modellviren wies die Library-basierte Probenbearbeitungs- und Datenauswertungsmethode Limma die höchste Sensitivität auf. In der darauf folgenden Validierung konnten alle Viren, unabhängig von ihrer Genomorganisation und Komplexität der Probenmaterialien, korrekt identifiziert werden. In zwei publizierten Studien konnte der Nachweis der zum Zeitpunkt der Untersuchung noch unbekannten BBLV und SqAdV-1 gezeigt werden. Durch die Rückgewinnung von Virus-spezifischen Nukleinsäuren vom PVM und der anschließenden Sequenzierung
mittels Hochdurchsatzsequenzierung konnte das SqAdV-1 im Rahmen einer mehrstufigen Analysepipeline vollständig identifiziert, annotiert und taxonomisch eingeordnet werden. Durch die Kombination von PVM und Hochdurchsatzsequenzierung wurden für sechs Viren eine Virus-spezifische Anreicherung und ein damit verbundener Gewinn an Sequenzinformation erreicht. Die Library-basierte Probenbearbeitung mit Limma erlaubte einen robusten und sensitiven Virusnachweis; deshalb wurden beide Methoden für das PVM-Protokoll ausgewählt. Die Fähigkeit des hier etablierten PVM-Protokolls, Viren unabhängig von der Genomorganisation und in komplexen Probenmaterialien zu identifizieren, zeigt dessen Gleichwertigkeit mit bereits etablierten PVM-Systemen. Die Verwendung des PVM-Protokolls in einer mehrstufigen Analysepipeline erlaubt auch die Identifikation von bisher unbekannten Viren. Der durch die Kombination mit einer Hochdurchsatzsequenzierung erreichte Gewinn an Sequenzinformation ermöglicht eine Identifizierung und detailliertere Charakterisierung von Viren.
Der PVM stellt einzeln und in Verbindung mit einem Hochdurchsatzsequenzierungs- System ein wertvolles Werkzeug für die Virusdiagnostik dar, dessen Anwendung den Zeitaufwand für die Virusidentifizierung deutlich reduzieren kann.
Lebenslang persistierende Neurogenese ist ein fester Bestandteil des olfaktorischen Systems bei reptanten Dekapoden („Panzerkrebse“; lat. reptans – kriechend; griech. deca – zehn, podes – Füße). Dabei generiert das deutocerebrale proliferative System über die Larvalphase hinaus neue Neuronen, die in die bestehenden neuronalen Netzwerke der deutocerebralen chemosensorischen Loben (auch „olfaktorische Loben“) integriert werden. Während in zahlreichen Studien die phänotypische Ausprägung, der zelluläre Mechanismus zur Umsetzung adulter Neurogenese und deren regulierende Faktoren umfassend untersucht und zum Teil kontrovers diskutiert wurden, ist über die phylogenetische Verbreitung in anderen Taxa der Malacostraca („Höhere Krebse“; griech. malakos – weich, ostrakon – Schale) nichts bekannt. Daher wurden im Rahmen der vorliegenden Arbeit verschiedene Vertreter aus Malakostrakentaxa mit unterschiedlicher phylogenetischer Position untersucht und unter evolutionären Aspekten diskutiert. Wie gezeigt werden konnte, ist adulte Neurogenese vermutlich ein plesiomorphes Merkmal der Eumalacostraca, welches in Vertretern der Euphausiacea („Leuchtgarnelen“; griech. phausis – Leuchten) und Peracarida („Ranzenkrebse“; griech. pera – Ranzen, karides – kleine Seekrebse) reduziert wurde. In Abhängigkeit von der zugrunde gelegten Verwandtschaftshypothese ist die Reduktion der persistierenden Neurogenese entweder mehrfach unabhängig (konvergent) erfolgt oder ein apomorphes Merkmal eines Monophylums aus Euphausiacea und Peracarida. Dagegen ist innerhalb der Decapoda eine Ausdehnung und strukturelle Erweiterung des deutocerebralen proliferativen Systems feststellbar. Um einen möglichen Zusammenhang zur Komplexität und Bedeutung des olfaktorischen Systems zu überprüfen, wurden zusätzlich die neuroanatomischen Merkmale von Vertretern der Decapoda und der Peracarida (am Beispiel der Amphipoda) vergleichend betrachtet. Dabei konnte innerhalb der Decapoda eine Korrelation zwischen der Entwicklung des deutocerebralen proliferativen Systems und der Evolution des akzessorischen Lobus bei Vertretern der Reptantia sowie dessen Reduktion in der Gruppe der Meiura, zu denen die Vertreter der Brachyura („Echte Krabben“; griech. brachys – kurz, oura – Schwanz) und Anomura („Mittelkrebse“; griech. anomalos – ungleich) gehören, festgestellt werden. Basierend auf diesen Ergebnissen wurden Vermutungen über die im Adultus neu generierten Neuronenklassen und somit über die Funktion adulter Neurogenese aufgestellt. In allen anderen untersuchten Taxa der Malacostraca konnte dagegen keine Korrelation mit der Komplexität des olfaktorischen Systems festgestellt werden.
Die Ergebnisse dieser Arbeit sollen dazu dienen, das Tragen eines Maulkorbs bei Diensthunden als möglichen Stressor zu analysieren und das Verhalten von Passanten auf Maulkorb tragende Hunde weiter zu erforschen.
123 Diensthunde wurden dafür in drei verschiedenen Situationen (Ablage (N=103), Stadtspaziergang (N=51) und Schutzdienst (N=35)) untersucht. Hierzu wurden das Ausdrucksverhalten und die Cortisolwerte videografiert und gemessen. Die Situatio-nen wurden jeweils einmal ohne und einmal mit Maulkorb durchgeführt, um gegebenenfalls eine Veränderung im Verhalten oder in den Cortisolwerten der Hunde durch den Maulkorb zu erkennen. Die Cortisolproben wurden vor der Situation im oder am Auto von den Diensthunden von den jeweiligen Hundeführern entnommen. 10-15 Minuten nach der Situation wurde die zweite Speichelprobe entnommen. Die Speichel-Cortisolwerte vorher und nachher dienten dem Vergleich und der Beurteilung, ob der Maulkorb einen Einfluss auf die Cortisolwerte hatte. Ausgewertet wurden die Proben mit Hilfe eines Enzymimmunoassays in Wien.
Während des Stadtspaziergangs wurde das Verhalten der Passanten auf die Hunde videografiert und ausgewertet. Auch hierbei wurde der Vergleich im Verhalten der Menschen auf die Diensthunde „ohne Maulkorb“ (N=1010) und „mit Maulkorb“ (N=1011) angestellt.
Die Fragestellungen dieser Arbeit waren:
• Zeigt der Diensthund in drei unterschiedlichen Übungssituationen durch das Tragen des Maulkorbes andere Verhaltensweisen als ohne Maulkorb?
• Steigt der Pegel des Stresshormons Cortisol beim Diensthund durch das Tragen des Maulkorbes in drei unterschiedlichen Übungssituationen im Vergleich zu den gleichen Situationen ohne Maulkorb an?
• Sind die Reaktionen von Passanten auf einen maulkorbtragenden Hund anders, als auf einen Hund ohne Maulkorb?
In dieser Studie konnte in keiner der drei Situationen ein Anstieg der Cortisolwerte bei den Hunden durch das Tragen des Maulkorbes festgestellt werden. Bei den Ver-haltensbeobachtungen konnten hingegen Unterschiede erkannt werden. Die Ohr- und Rutenhaltung wurden während des Stadtspaziergangs mit Maulkorb häufiger in einer defensiveren und submissiveren Stimmungslage getragen. Zusätzlich wurde ohne Maulkorb mehr gewedelt und geschnüffelt.
Der Einsatz des Maulkorbes bei der Polizei erzeugt nach dieser Studie bei Dienst-hunden keinen zusätzlichen Stress und stellt vielfach ein unersetzliches Hilfsmittel dar. Auch bei der Verwendung im Privathundebereich ist der Maulkorb deshalb mit hoher Wahrscheinlichkeit ein gutes Hilfsmittel, das der Hund, bei guter Gewöhnung und für einen begrenzten Zeitraum, ohne gesundheitliche Bedenken tragen kann.
Das Verhalten der Passanten auf die Hunde unterschied sich nur in dem Verhalten „keine Reaktion“. Auf Hunde ohne Maulkorb wurde häufiger nicht reagiert. Ein Anzeichen für erhöhte Furcht oder Wachsamkeit bei einem potentiell gefährlichen Hund mit Maulkorb, wie es in der Studie von Racca & Baudoin (2009) festgestellt wurde, konnte nicht beobachtet werden.
Der Vergleich von den in dieser Arbeit gewonnenen Erkenntnissen mit anderen Studien, ist fast nur in dem Bereich der Stressforschung beim Hund möglich. Arbeiten über die Auswirkungen des Maulkorbes auf das Verhalten von Hunden oder Passanten sind bisher kaum durchgeführt worden. Diese Arbeit bietet in diesem Bereich einen bisher einzigartigen Ansatz und konnte darüber hinaus mit einer großen Anzahl von Hunden durchgeführt werden.
Die vorgelegte Studie wurde auch im Hinblick auf Tierschutzaspekte durchgeführt und diskutiert. Es ist zu berücksichtigen, dass für die hier getesteten Situationen nur ein kurzes Tragen des Maulkorbes vom Hund notwendig war. Die Vielfältigkeit der unterschiedlichen Ausbildungsmethoden in den Polizeidienststellen und auch die vielfältigen Persönlichkeiten von Hunden und Hundeführern machen die Arbeit so anwendungsrelevant. Gerade auch die unterschiedliche Gewöhnung und Gewöhnungszeit an den Maulkorb, spiegelt die Realität im Umgang mit diesem Hilfsmittel wider und bietet, durch die große Zahl an teilgenommenen Hunden, trotzdem aussagekräftige Ergebnisse.
In einer parallel durchgeführten Studie von I. Spitzley werden das Verhalten und die Cortisolwerte von Haushunden während eines 45 minütigen Freilaufs, jeweils Hunde mit und ohne Maulkorb, ausgewertet und analysiert.
Heutige Vertreter der Insekten haben vielfältige Lebensweisen und Verhaltensstrategien entwickelt, wie beispielsweise zur Ernährung, zum Schutz gegen Fressfeinde, zu Reproduktionsstrategien und die Investition in Nachkommen. Um die Evolution dieser Strategien besser zu verstehen, kann die Einbeziehung von Fossilien wertvolle Hinweise liefern. So können fossile Überreste von Organismen oder Strukturen, welche von ihnen zu Lebzeiten verursacht wurden, für eine Rekonstruktion über das erstmalig zeitgeschichtliche Auftreten und der Entwicklung einer Strategie genutzt werden. Da jedoch die Untersuchung des Verhaltens von heute nicht mehr lebenden Organismen nicht möglich ist, können Hinweise dazu nur indirekt geschlussfolgert werden. Im Rahmen dieser Arbeit wurden daher folgende Aspekte näher beleuchtet und für Rekonstruktionen genutzt: (1) Die phylogenetische Position von fossilen Vertreten, (2) Spurenfossilien, (3) Gemeinsame Fossilisation mehrerer Individuen, (4) “Frozen Behaviour“, (5) Fossilisierte Eier und Ei-assoziierte Strukturen, sowie (6) Morphologische Anpassungen als Schwerpunkt der vorliegenden Arbeit. Die Anwendbarkeit und Limitationen der jeweiligen Ansätze wurden im Rahmen von Rekonstruktionen zu Aspekten von Raubverhalten und Reproduktionsstrategien (im Zusammenhang mit der Investition in die Nachkommen) von verschiedenen Vertretern der Arthropoden diskutiert.
Die Insektengruppe Dictyoptera, welche die Gruppen Mantodea und Blattodea umfasst, hat sich als besonders geeignet für die Rekonstruktion von Verhaltensaspekten unter den genannten Aspekten und Ansätzen gezeigt. Heutige Dictyopteren zeigen eine enorme Spannbreite von verschiedenen Lebensweisen, von räuberisch und solitär lebend bei Mantiden, über verschiedene Abstufungen von Sozialverhalten bei Schaben, bis hin zur Eusozialität der Termiten (als Innengruppe der Blattodea). Des Weiteren ist diese Gruppe durch eine bemerkenswerte Autapomorphie gekennzeichnet, die Ablage von Eiern in einer Art kompakten Paket (Oothek). Die Ootheken von Dictyopteren sind sehr robust und wurden, wenn auch selten, fossil gefunden. Die Rekonstruktion des Ursprungs der Fähigkeit,
Ootheken zu bilden, stellt ein Schlüsselmerkmal in der Rekonstruktion der evolutionären Entwicklung der gesamten Gruppe dar. Weitere Betrachtungen im Rahmen dieser Arbeit beleuchten die Entwicklung der Gruppe der Mantiden und deren Spezialisierung auf eine räuberische Lebensweise, wie sie bei heutigen Vertretern zu beobachten ist.
Die krankhafte Fettleibigkeit (Adipositas) wird in weiten Teilen der Welt zunehmend zum bestimmenden Gesundheitsproblem. Die Datenerhebungen der Weltgesundheits-organisation (WHO) sowie der Organisation zur wirtschaftlichen Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) zeigen einen deutlichen Anstieg der Adipositasprävalenz über die letzten Jahrzehnte. In vielen OECD Ländern gilt heute über die Hälfte der Bevölkerung als übergewichtig oder adipös (WHO: Website der WHO, zuletzt geprüft am 02.09.2017; OECD: Fettleibigkeit und Übergewicht nehmen in den OECD-Ländern weiter zu, zuletzt geprüft am 02.09.2017). Dies wird zur immer größeren Belastung für das Gesundheitssystem, da Adipositas mit vielen Sekundärkrankheiten wie Herz-Kreislauferkrankungen, Bluthochdruck und bestimmten Krebsarten assoziiert wird (Bray 2004; Després et al. 2001; Malnick und Knobler 2006). Für das Jahr 2003 wurde für das deutsche Gesundheitssystem dadurch ein finanzieller Aufwand in Höhe von 11 Milliarden Euro für die Behandlung von Adipositas oder durch Adipositas verursachte Komorbiditäten veranschlagt (Knoll 2010). Hinzu kommen „emotionale Kosten“ der Betroffenen, die unter sozialer Ausgrenzung und Stigmatisierung leiden (Latner und Stunkard 2003; Neumark-Sztainer et al. 1998; Sobal et al. 1995; Brewis et al. 2011; Brewis 2014).
Neben diesen klar Adipositas-assoziierten gesundheitlichen Beeinträchtigungen hat es immer wieder Untersuchungen zu einem möglichen Zusammenhang von Adipositas und Kognition gegeben. Dieser wurde in vielen Studien am Menschen untersucht und die bisherigen Ergebnisse sehr anschaulich von Anna Dahl und Linda Hassing 2013 beziehungsweise Christina Prickett und Kollegen 2015 analysiert (Dahl und Hassing 2013; Prickett et al. 2015). Diese Übersichtsarbeiten zeigen auf, dass es durchaus Belege für einen Zusammenhang von Adipositas und Kognition gibt, allerdings ist die Datenlage zu diesem Thema durchaus ambivalent.
In dieser Arbeit sollte deshalb der Einfluss von Adipositas auf die Kognition mithilfe eines etablierten Mausmodells für Adipositas untersucht werden. Zu diesem Zweck wurden adulte, vier bis sechs Monate alte, Leptin-defiziente Mäuse (ob) und deren Wildtypkontrollen (wt) vergleichend untersucht. Unsere Daten zeigen, dass Adipositas im Mausmodell nicht mit einer kognitiven Beeinträchtigung einher geht. Sowohl im Verhaltensexperiment (hippocampusabhängiges Lernen, Morris water maze) als auch auf zellulärer Ebene in der Verbindungsdichte der Nervenzellen untereinander (Dichte dendritischer Dornen) zeigten sich zwischen Leptin-defizienten und Wildtyptieren keine signifikanten Unterschiede.
Allerdings wiesen Leptin-defiziente Tiere ein kleineres Hirnvolumen als Wildtypkontrolltiere auf, ein Ergebnis, das mit anderen Publikationen übereinstimmt (Ahima et al. 1999; Steppan und Swick 1999). Detaillierte Analysen der Volumenverhältnisse im Gehirn von Leptin-defizienten und Wildtypmäusen in dieser Arbeit ergaben, dass sich die relativen Größenverhältnisse im Gehirn von ob‑Tieren zugunsten des Hippocampus verschieben. Diese Ergebnisse widersprechen damit Befunden in adipösen Menschen, die kleinere Hippocampusvolumina aufwiesen (Isaac et al. 2011).
Die adulte hippocampale Neurogenese selbst, also die Bildung neuer, funktionaler Neuronen im adulten Gehirn, war im Gyrus dentatus von Leptin-defizienten Mäusen signifikant vermindert. Zusammen mit den Analysen von Proliferation und Apoptose von Hirnzellen im Gyrus dentatus, konnte diese eingeschränkt Neurogenese auf eine geringere Proliferation neuronaler Vorläuferzellen zurückgeführt werden. Die Überlebens-wahrscheinlichkeit schien dabei nicht beeinflusst, da keine erhöhte Apoptose im Gyrus dentatus ermittelt werden konnte.
Die hier durchgeführten Experimente konnten keine direkte, negative Auswirkung von Adipositas auf Kognition im Mausmodell belegen. Wenngleich ein Einfluss auf Aspekte der neuronalen Plastizität durch eine verminderte adulte Neurogenese sowie das Gehirngesamtvolumen bestätigt werden konnte, waren Veränderungen des Verhaltens der ob‑Tiere unter Berücksichtigung ihrer motorischen Defizite nicht nachweisbar.
Staphylococcus aureus, einer der häufigsten Erreger von Pneumonien, Endokardien und Sepsen (Frank et al. 2010), gehört bei nahezu einem Drittel der Bevölkerung zur normalen Nasenschleimhautflora (van Belkum et al. 2009) und kann unter bestimmten Risikobedingungen, vor allem in nosokomialer Umgebung, weiter in die unteren Atemwege vordringen und sich dort vermehren (van Belkum et al. 2009, Ahmed et al. 2015). Da das respiratorische Epithel von einer dicken, viskösen Mukusschicht bedeckt ist (Knowles & Boucher 2002), die Bakterien aufgrund ihrer Größe kaum durchdringen können, liegt die Hypothese nahe, dass es die sehr viel kleineren, löslichen Virulenzfaktoren der Bakterien sind, die den Mukus überqueren und einen ersten Pathogen-Wirt-Kontakt herstellen können. Das lösliche, porenbildende α-Hämolysin (Hämolysin a, Hla) ist einer der Haupt-Virulenzfaktor von S. aureus (Spaulding 2012). Studien hatten gezeigt, dass Hla auch in sublytischer Konzentration zu einer Auflösung der Zell-Zell- (Inoshima et al 2012) und Zell-Matrix-Kontakte (Hermann et al. 2015) humaner Atemwegsepithelzellen führte und so eine Lückenbildung im Zellverband induzierte. In vivo könnten solche Hla-vermittelten Prozesse dazu beitragen, dass eine erste Schädigung des Epithels erfolgt und die Überwindung der epithelialen Barriere für S. aures erleichtert wird. Die vorliegende Arbeit konnte in einem ersten Teil zeigen, dass diese Unfähigkeit von humanen Atemwegsepithelzellen (16HBE14o- und S9), nach Inkubation mit rHla den epithelialen Zusammenhalt aufrecht zu erhalten und entstandene parazelluläre Lücken durch aktive Migration zu schließen, auf eine rHla-induzierte Hyperphosphorylierung des fokalen Kontaktproteins Paxillin an Tyrosin 118 (und damit erhöhten Turnover der fokalen Kontakte) und Hypophosphorylierung des Actin-depolymerisierenden Faktors Cofilin an Serin 3 (und damit verstärkten Abbau von Stressfasern) zurückzuführen war. Der Hla-Effekt konnte so in fünf Prüfgrößen quantifizierbar erfasst werden: (1) Verlust des epithelialen Zusammenhalts, (2) Reorganisation des Actinzytoskeletts, (3) Auflösung fokaler Kontakte, (4) Hyperphosphorylierung von Paxillin und (5) Hypophosphorylierung von Cofilin. Im zweiten Teil der Arbeit wurden diese Prüfgrößen herangezogen, um den Mechanismus der Hla-Wirkung genauer aufzuklären. Durch Einsatz einer nichtporenbildenden Mutante rHla-H35L und dem Porenblocker IB201 konnte zunächst gezeigt werden, dass für die schädigenden Effekte auf den epithelialen Zusammenhalt der Zellen Ausbildung einer funktionellen Hla-Pore notwendig war und nicht Bindungsereignisse der Monomere, der Vorpore oder der Pore allein den Hla-Effekt auslösen konnten. Um die porenabhängigen Ereignisse zu untersuchen, wurden Ionenströme durch die Hla-Pore identifiziert und mit Ionomycin (erzeugt einen Calciumeinstrom) und Gramicidin (erzeugt einen Natriumeinstrom und Membrandepolarisierung) nachgebildet. Beide Ionenströme zusammen konnten den Hla-Effekt nahezu vollständig erzeugen. Die Ergebnisse wiesen darüber hinaus darauf hin, dass die Hla-erzeugten ionalen Veränderungen an der Membran unterschiedliche Signalveränderungen in der Zelle vermittelten: Calciumaktivierte Signalwege schienen vor allem für die beobachtete Paxillin-Phosphorylierung verantwortlich zu sein, während ein Natriumeinstrom zu einer Cofilin-Dephosphorylierung führte. Die genaue Signaltransduktion zwischen Einstrom der Ionen und (De-)Phosphorylierungsereignissen erfordert jedoch noch eine genauere Aufklärung. Des Weiteren konnte die Modellierung der Ionenströme den Hla-Effekt nicht komplett nachbilden, sodass wahrscheinlich zusätzliche porenabhängige Signalwege nach Hla-Behandlung (z.B. Verlust von ATP, Baaske & Richter et al. 2016) aktiviert werden.
Stressresistenz verschiedener Entwicklungsstadien bei Tagfaltern unter dem Einfluss des Klimawandels
(2016)
Der anthropogene Klimawandel stellt für die Erhaltung der biologischen Vielfalt eine erhebliche Herausforderung dar. Dokumentierte biologische Reaktionen auf den jüngsten Klimawandel beinhalten phänologische und Verbreitungs-Verschiebungen sowie Abnahmen von an Kälte angepassten und Zunahmen von an Wärme angepassten Arten. Letzteres zeigt, dass einige Arten unter den sich ändernden Bedingungen leiden werden, während andere davon profitieren können. Welche spezifischen biologischen Eigenschaften darüber bestimmen, ob eine bestimmte Art ein „Gewinnen“ oder „Verlierer“ des Klimawandels sein wird, ist bis jetzt jedoch weitgehend unbekannt. Diese Dissertation untersuchte im ersten Experiment bei dem tropischen Schmetterling Bicyclus anynana welches Entwicklungsstadium am empfindlichsten auf Hitzestress reagiert. Ich konnte zeigen, dass Entwicklungsstadien deutlich in ihrer Hitzetoleranz variierten und Eier die höchste Anfälligkeit gegenüber Hitze zeigten. Auffällig war, dass die meisten Veränderungen in der Hitzetoleranz durch Unterschiede in der Körpermasse erklärt werden konnten, was somit zukünftig Einschränkungen in der Anpassungsfähigkeit mit sich bringen könnte. Ich schließe daraus, dass das Überleben der Arten unter dem Einfluss des Klimawandels vermutlich von anderen als dem auffälligen Imaginalstadium abhängt. Im zweiten Experiment habe ich die Stresstoleranz (Hitze und Trockenheit) während der frühen Entwicklung, bei drei verwandten Schmetterlingsarten mit unterschiedlichen Anfälligkeiten gegenüber dem Klimawandel, untersucht. Diese Arten sind Lycaena tityrus, L. dispar und L. helle. Die am meisten gefährdete Art (L. helle) zeigte den stärksten Rückgang des Schlupferfolges unter Hitze- und Trockenstress. Ich konnte darlegen, dass die Stresstoleranz während der frühen Entwicklung von entscheidender Bedeutung für das Überleben der Arten unter dem Einfluss des Klimawandels sein kann. Das dritte Experiment untersuchte die Reaktionen auf simulierte Hitzewellen während der Larven- und Puppenentwicklung und die daraus resultierenden Fitnessimplikationen für Lycaena tityrus, L. dispar und L. helle. Obwohl sich die Arten signifikant in ihren Reaktionen in den Versuchsgruppen unterschieden, scheint eine solche Variation weitgehend durch Selektionsdrücke, die mit den spezifischen Entwicklungswegen assoziiert sind, bestimmt zu sein. Ich fand heraus, dass die simulierten Hitzewellen nur geringe Auswirkungen auf Fitness-Komponenten, einschließlich des Fettgehalts und der Immunfunktion, hatten. Folglich scheinen alle drei Arten in der Lage zu sein, mit den projizierten Veränderungen während ihrer Larven- und Puppenentwicklung zurechtzukommen. Studie 4 verglich die Plastizität in der Stresstoleranz im adulten Stadium in diesen drei Feuerfalterarten. Die phänotypische Plastizität ist die erste Verteidigungslinie gegen Umweltveränderungen und kann für das Überleben von Arten unter dem Einfluss des Klimawandels von großer Bedeutung sein. Im Gegensatz zu meinen Vorhersagen zeigten die drei untersuchten Arten keine ausgeprägte Variation der Stressresistenz, obwohl sich die plastischen Kapazitäten in der Temperaturstressresistenz unterschieden. Insgesamt schienen meine Ergebnisse eher die Populations- als die Art-spezifischen Muster wiederzugeben. Experiment 5 untersuchte mögliche Unterschiede in den direkten und indirekten Entwicklungswegen von L. tityrus. Wie im vierten Experiment fand ich dabei keinen Hinweis auf negative Auswirkungen erhöhter Temperaturen und Hitzewellen. Darüber hinaus unterschieden sich die Muster nicht zwischen sich direkt und vermutlich mehr zeitlich beschränkten sich indirekt entwickelnden Individuen. Ich vermute, dass Art-spezifische Eigenschaften wichtiger sein könnten als potenzielle zeitliche Beschränkungen. Die letzte Studie wurde durchgeführt, um die Auswirkungen der veränderten Winterbedingungen auf das Überleben von L. tityrus zu testen. Ich fand heraus, dass wärmere und feuchtere Winterbedingungen die Überlebensraten deutlich verminderten. Diese negativen Auswirkungen beschränkten sich jedoch auf das Überleben während der Diapause und hatten keinen messbaren Effekt für die spätere individuelle Fitness der Falter. Ich gehe davon aus, dass die Überwinterung ein wichtiger Faktor für die Anfälligkeit gegenüber dem Klimawandel ist. Um das Schicksal bestimmter Arten und Populationen unter dem voranschreitenden Klimawandel vorherzusagen, müssen zwingend mehr Daten zur Stresstoleranz in verschiedenen Entwicklungsstadien, aus einem möglichst breiten Spektrum von Arten, zusammengetragen werden.
Der phylogenetische Ursprung der Hexapoda (Insekten sensu lato) ist kontrovers diskutiert. Einige morphologische Merkmale suggerieren ein Schwestergruppenverhältnis zu den Myriapoda (Tausenfüßer; Tracheatahypothese), während molekulare Sequenzdaten und andere morphologische Merkmale eine nähere Verwandtschaft zu den Crustacea (Krebstiere; Tetraconatahypothese) suggerieren. Ein Organsystem hat in dieser Diskussion eine besonderen Stellenwert, das Nervensystem. Die Neurophylogenie befasst sich mit der Rekonstruktion von Verwandtschaftsbeziehungen basierend auf neuroanatomischen Daten. In der vorliegenden Dissertation wird der phylogenetische Ursprung der Hexapoda, unter besonderer Berücksichtigung basaler Taxa, nähre beleuchtet. Das Sensilleninventar zweier basaler Hexapoda [Eosentomon pinetorum (Protura: Eosentomidae) und Lepisma saccharina (Zygentoma: Lepismatidae)] wird basierend auf rasterelektronen-mikroskopischen Daten dargestellt. Neuroanatomische Daten wurden mit verschiedenen histologischen Techniken (Immunhistochemie, Seriendünnschnitte, Computertomografie, dreidimensionale Rekonstruktionen) gewonnen. In der vorliegenden Dissertation werden Befunde zur Neuroanatomie zweier basaler Hexapoda [E. pinetorum und Thermobia domestica (Zygentoma: Lepismatidae)] und eines Vertreters der Myriapoda [Scutigerella causeyae (Symphyla: Scutigerellidae)] beschrieben. Eigene Befunde werden mit Literaturangaben verglichen und Implikationen für die sensorische Ökologie primär flügelloser Hexapoda und die Neurophylogenie der Mandibulata werden diskutiert. Für die Hexapoda wird das Grundmuster sensorischer Strukturen und assoziierter Nervensystemkompartimente (Neuropile) rekonstruiert. Basierend auf den Befunden zum Grundmuster der Hexapoda werden Konsequenzen für die sensorische Ökologie in frühe Evolution der Hexapoda und eine nähere Verwandtschaft zu den Myriapoda oder Crustacea diskutiert. Abschließend wird eine computergestützte Analyse zur Merkmalsevolution verschiedener Neuropile in 83 rezenten Arthropoden dargestellt. Bis auf die Ultrastruktur der Ommatidien (einzelne Einheiten der Komplexaugen) legt die Morphologie sensorischer Strukturen eine nähere Verwandtschaft zu den Myriapoda vor. Bestimmte Sensillentypen (Sensillum basiconicum, S. trichobothrium) kommen nur bei den Hexapoda und Myriapoda, aber auch den Chelicerata (Chelicerenträger) vor. Neuroanatomische Befunde legen eine nahe Verwandtschaft zwischen Hexapoda und Crustacea nahe. Eine belastbare Hypothese zur Neurophylogenie in den Arthropoda ist aufgrund mangelnder Vergleichbarkeit von Literaturangaben und unsicherer Homologisierungen neuronaler Strukturen nicht möglich. Aus neurophylogenetischer Sicht ist ein Schwestergruppenverhältnis der Hexapoda zu den Crustacea oder einem subspezischem Crustaceataxon am besten begründet.
Niedermoore beherbergen eine einzigartige Flora und Fauna. Aber Niedermoore sie sind auch stark bedroht. So ist von der ursprünglichen Moorfläche Deutschlands nur noch ein Prozent erhalten. Es stellt sich also die Frage, wie sich diese Restflächen möglichst effektiv managen lassen, um diese einzigartige Biodiversität zu schützen. Zudem werden die verbliebenen Niedermoorflächen wahrscheinlich nicht ausreichen, um besonders stark gefährdete Arten auch langfristig zu erhalten. Es wird also nötig sein, degradierte Niedermoorstandorte zu renaturieren, um ausreichend Lebensraum für besonders stark gefährdete Niedermoorarten zu reetablieren. Aus diesem Grunde wurde in dieser Arbeit sowohl der Einfluss unterschiedlicher Nutzungsformen wie auch von Renaturierungsmaßnahmen auf die Biodiversität der Niedermoore untersucht. Die Untersuchungen wurden zwischen 2011 und 2012 im Unteren Peenetal in Mecklenburg-Vorpommern durchgeführt. Als Indikatorgruppen wurden die Vögel (Aves), Tagfalter (Lepidoptera), Heuschrecken (Ensifera und Caelifera) und Laufkäfer (Coleoptera: Carabidae) ausgewählt, um den Einfluss von fünf unterschiedlichen Nutzungstypen (Intensivgrünland, Feuchtgrünland, Sommermahd, Wintermahd, Brache) auf die Fauna der Niedermoore zu ermitteln. Die Effektivität von Renaturierungsmaßnahmen wurde anhand der Laufkäfer und Gefäßpflanzen untersucht, auf entwässerten (Intensivgrünland), wiedervernässten (einst stark entwässertes Intensivgrünland) und naturnahen (relativ naturbelassen) Niedermoorstandorten. Zusätzlich wurden bei allen Untersuchungen verschiedene Umweltparameter erfasst, wie z.B. Wasserstand, Vegetationsstruktur und Torfdegradation. Noch vor der eigentlichen Datenaufnahme, wurde ein naturschutzfachliches Bewertungssystem entwickelt, welches auf der Häufigkeit, der Gefährdung und der Verantwortlichkeit Deutschlands für den Schutz einer Art basiert. Durch dieses Bewertungssystem lassen sich jedem Standort, je nach Artengruppe, spezifische Naturschutzwerte zuweisen. Die untersuchten Nutzungstypen unterschieden sich signifikant in Wasserstand und Vegetationsstruktur, was entscheidenden Einfluss auf die Ausprägung der Artgemeinschaftsstrukturen hatte. Die untersuchten Taxa reagierten sehr unterschiedlich auf die verschiedenen Nutzungstypen. Die Sommermahdflächen, welche durch relativ hohe Wasserstände gekennzeichnet waren, hatten einen besonders hohen naturschutzfachlichen Wert für die Vögel, während sich das Intensivgrünland aufgrund der Frühjahrsmahd und niedriger Wasserstände als ungeeignet für die niedermoortypische Avifauna erwies. Hingegen wurden für die Tagfalter und Heuschrecken die höchsten Artzahlen und Naturschutzwerte im Feuchtgrünland nachgewiesen, welches durch mittlere Mahdfrequenzen und Wasserstände charakterisiert war. Die Wintermahdflächen zeigten zum einen die niedrigsten Artzahlen und Naturschutzwerte für die Tagfalter und Heuschrecken, zum anderen aber auch den höchsten Naturschutzwert für die Laufkäfer. Auf den Brachflächen konnten besonders viele Individuen der vom Aussterben bedrohten Laufkäferarten Carabus menetriesi und Limodromus krynickii nachgewiesen werden. Diese Ergebnisse zeigen deutlich, dass nur ein Mosaik unterschiedlicher Nutzungstypen mit ausreichend hohen Wasserständen, die gesamte Niedermoorfauna erhalten kann. Auch entwässerte, wiedervernässte und naturnahe Niedermoore zeigten deutliche Unterschiede bezüglich der Umweltparameter. In der Folge waren diese drei Niedermoortypen auch durch eigenständige Gefäßpflanzen- und Laufkäfergemeinschaften gekennzeichnet. Besonders der Wasserstand und der Zustand des Torfkörpers hatten einen Einfluss auf die Formierung der niedermoortypspezifischen Artgemeinschaftsstrukturen. Artzahl und Naturschutzwert der Gefäßpflanzen waren auf naturnahen Niedermooren am höchsten, während auf entwässerten sowie wiedervernässten Niedermooren nur sehr geringe Artzahlen und Naturschutzwerte für die Gefäßpflanzen ermittelt werden konnten. Hingegen waren für die Laufkäfer, die Artzahl und die Anzahl stenotoper Niedermoorarten auf den wiedervernässten Flächen am höchsten. Auch der Naturschutzwert der Laufkäfer war auf den wiedervernässten Niedermooren deutlich höher als auf entwässerten Standorten, erreichte aber nicht den besonders hohen Naturschutzwert naturnaher Niedermoore. Folglich können Wiedervernässungen zwar zu einer deutlichen naturschutzfachlichen Aufwertung entwässerter Niedermoore führen. Jedoch sind Wiedervernässungsmaßnahmen alleine nicht geeignet, um Artgemeinschaften naturnaher Niedermoore zu reetablieren. Entsprechend hoch ist die Bedeutung des Schutzes noch bestehender naturnaher Niedermoore. Zudem zeigen die sehr unterschiedlichen Reaktionen der einzelnen Taxa auf die jeweiligen Management- und Renaturierungsmaßnahmen, wie wichtig die Berücksichtigung mehrerer Artengruppen bei naturschutzfachlichen Bewertungen von Management- und Renaturierungsmaßnahmen ist.
In einer Welt durchsetzt mit Gerüchen, haben marine Tiere hochentwickelte chemosensorische Systeme entwickelt um den vielfältigen Anforderungen des Lebens und Überlebens gerecht zu werden. Nahrungserwerb, Kommunikation, das Erkennen von Räubern oder potentieller Partner sind in diesem Kontext nur als Rahmen zu nennen. Durch eine Vielzahl an Sensillen, sowie durch spezifische, olfaktorisch geführte Verhaltensweisen, wie dem antennal flicking oder Stimulus-gerichteter Navigation, zeigen viele Vertreter der Malacostraca ein hohes Maß an Präzision und Genauigkeit in der Differenzierung und Lokalisierung von Düften. Die Mehrzahl der detaillierten morphologischen und ethologischen Studien konzentrierte sich bislang jedoch auf decapode Crustaceen. Das außer Acht lassen kleinerer Spezies abseits der klassischen Modellorganismen führte daher zu einer gewissen Einseitigkeit unseres Verständnisses der chemosensorischen Pfade und Nahrungssuchstrategien. Während einige der terrestrischen Asseln (Oniscidea) schon gelegentlich als Vorlage für Studien dienten um die chemosensorischen Pfade in puncto Morphologie, Physiologie und Verhalten zu untersuchen, beruht unser Verständnis der chemischen Ökologie mariner Isopoden lediglich auf vereinzelten Beobachtungen und Annahmen. In der vorliegenden Arbeit sollen verschiedene Aspekte der Morphologie und Phänomenologie der Chemorezeption der baltischen Riesenassel Saduria entomon (Valvifera) LINNAEUS 1758 berücksichtigt werden. Abschließend soll anhand der vorgelegten Ergebnisse ein Rahmen entworfen werden, in welchem die Terrestrialisierung der Oniscidea neu betrachtet werden muss. Gestützt durch 3D Rekonstruktionen, konventionelle Lichtmikroskopie sowie konfokale Laser-Scanning-Mikroskopie, wurden die generelle Anatomie des Gehirns, sowie das neuronale Substrat der chemosensorischen Pfade untersucht. Während es innerhalb der terrestrischen Isopoden zu einer drastischen Größenreduktion ihrer ersten Antenne und allen mit dieser assoziierten Gehirnareale kam, besitzt S. entomon ein olfaktorisches System, das in Bezug auf die antennale und neuronale Morphologie noch sehr grundmusternah aufgebaut ist. Im Vergleich mit den Decapoda zeigen sich jedoch deutliche Unterschiede in der strukturellen Diversität und dem Umfang von Nervengewebe das in der Verarbeitung chemischer Informationen beteiligt ist. Gleich ihren terrestrischen Verwandten zeigt S. entomon zudem einige Besonderheiten, die die sensorischen Pfade der zweiten Antenne betreffen. Die mikroglomeruläre Organisation des assoziierten Neuropils deutet auf eine zunehmende Bedeutung dieses Anhangs in der Wahrnehmung und Verarbeitung chemischer Informationen hin. Verhaltensuntersuchungen lassen jedoch Zweifel an dem olfaktorischen Potential dieser Spezies aufkommen. Mittels eines Y-Labyrinthes und einer Reihe an Düften, dem das Tier in seiner natürlichen Umgebung begegnen mag, konnte gezeigt werden, dass S. entomon einen offenkundigen Mangel an Präzision aufweist, Stimuli zu differenzieren, sowie die Quelle eines Stimulus zu lokalisieren. In lediglich vier von 15 Experimenten ließ sich eine statistisch signifikante Verhaltensantwort beobachten. In diesen konnte darüber hinaus nur ein Stimulus als attraktiv identifiziert wurde. Auf Basis von Freilandbeobachtungen, die das Tier mit einer gewissen Zufälligkeit umherwandernd darstellen, wurde ein Experiment entwickelt in welchem S. entomon in einem Mikrokosmos, und nur durch chemosensorische Sinne, einen Köder lokalisieren sollte. Obwohl es zwischen Kontrolle und Stimulusexperimenten deutliche Unterschiede in den aufgenommenen Bewegungsparametern gab, war kein von anderen Malacostraca oder Hexapoda bekanntes Suchmuster zu identifizieren. Eine statistische Auswertung der durch das Tier zurückgelegten Pfade ergab jedoch, dass die Tiere sich einer chemotaktischen Orientierung bedienten. Diese scheint zudem einer positiven rheotaktischen Bewegung überlagert. Um die Bedeutung der chemosensorischen Anhänge für eine erfolgreiche Nahrungssuche zu verdeutlichen, wurden chemische Ablationen der ersten und zweiten Antennen durchgeführt. Einige wenige Tiere waren zwar noch in der Lage den Köder zu lokalisieren, die Deaktivierung der Antennen führte aber zu einer beinahe vollständigen Unfähigkeit den Stimulus ausfindig zu machen. Eine Pfadanalyse konnte daher Chemotaxie als elementaren Orientierungsmechanismus ausschließen. Statt dieser wurde Chemokinesie mit einer ausgeprägten positiven rheotaktischen Komponente identifiziert. Darüber hinaus demonstriert dieses Experiment die Abhängigkeit S. entomon‘s von der komplexen Interaktion der Distanz- und Kontaktchemorezeptoren für einen effizienten Suchlauf. Bislang wurde davon ausgegangen, dass terrestrische Isopoden es nicht geschafft haben ihr olfaktorisches System derart anzupassen, dass es in Luft anstatt von Wasser operiert. Um der Notwendigkeit eines chemosensorischen Systems gerecht zu werden, entwickelte sich daher de novo ein System, in welchem die zweite Antenne sowie ihr neuronales Substrat entsprechend transformiert wurden. Das Vorhandensein eines gleichartig organisierten Systems in einem relativ nah verwandten marinen Vertreter deutet jedoch darauf hin, dass die Tendenz zu dieser Funktionstransformation der zweiten Antenne bereits im letzten gemeinsamen Vorfahren vorhanden war und somit der Kolonisation des Landes durch die Asseln vorausging. Die zweite Antenne als der maßgebliche chemosensorische Anhang der Oniscidea kann daher als Präadaptation verstanden werden, welche im Laufe ihrer Terrestrialisierung eine antennulare Olfaktion zweitrangig, wenn nicht sogar obsolet machte.
Innerhalb der Crustacea evolvierte der Landgang mindestens zehn Mal unabhängig voneinander. Die Evolution des Landganges geht mit einer Vielzahl von morphologischen und physiologischen Anpassungen einher, die sich im Vergleich mit rezenten aquatischen Taxa und ihren nächsten terrestrischen Verwandten rekonstruieren lassen. Im Rahmen des Promotionsprojektes dienten vorangegangene neuroanatomische Untersuchungen am Landeinsiedler Coenobita clypeatus (Fabricius, 1787) und dem nah verwandten Palmendieb Birgus latro (Linnaeus, 1767) sowie auch das wenige Wissen über die Lebensweise des Palmendiebes als Ausgangspunkt, Hypothesen zur Sinnes- und Orientierungsleistung zu entwickeln und mit verschiedenen Verhaltensversuchen im Labor (C. clypeatus) bzw. im Freiland (B. latro) zu testen. Morphologische und verhaltensbiologische Befunde wurden mit Daten anderer Vertreter innerhalb der Anomala, Brachyura und Isopoda verglichen. Für die neuroanatomischen Untersuchungen wurden histologische und immunhistochemische Experimente und deren Analyse mithilfe der Lichtmikroskopie, der konfokalen Laser-Scanning-Mikroskopie durchgeführt und mittels dreidimensionaler Rekonstruktion und Morphometrie gestützt. Zur Evaluierung des Wanderungsverhaltens und der Orientierungsleistung von B. latro wurden verschiedene Freilandversuche auf der Weihnachtsinsel während vier Forschungsreisen im Zeitraum von 2008 bis 2012 vorgenommen. Für die verhaltensbiologische Untersuchung des Palmendiebes wurden Experimente mithilfe von Telemetrietransmittern für die Untersuchung des Wanderungsverhaltens und der Tagesrhythmik genutzt. Die neuroanatomischen Daten terrestrischer Vertreter dieser drei Taxa im Vergleich zu ihren nächsten marinen Verwandten, lassen den Schluss zu, dass die Strukturen des primären olfaktorischen Pfades im Zuge des Landgangs unterschiedlichen morphologischen Transformationen unterlagen. Hierbei fällt auf, dass die Strukturen des primären Riechsystems bei terrestrischen Vertretern innerhalb der Anomala stark vergrößert sind, wohingegen diese innerhalb der Brachyura deutlich geringere Dimensionen aufweisen. Innerhalb der Landasseln (Isopoda: Oniscidea) scheinen die primären Verarbeitungszentren der Olfaktion, die deutocerebralen chemosensorischen Loben im Gehirn, reduziert zu sein, da sie sich mit den hier verwendeten Methoden nicht identifizieren ließen. Die ersten Antennen der terrestrischen Isopoda sind im Vergleich zu den untersuchten marinen Asseln, aber auch im Vergleich zu den anderen beiden Taxa deutlich reduziert. Es wird in diesem Zusammenhang vermutet, dass andere sensorische wie verarbeitende Strukturen des Nervensystems es vermögen, das Fehlen bzw. die starke Reduktion des primären olfaktorischen Systems zu kompensieren. Es wurden Versuche durchgeführt, um die Reaktion des Palmendiebes auf verschiedene Duftstoffe im Freiland zu analysieren. Hierbei zeigten Acetoin, Trimethylamin und Dimethyltrisulfid die höchsten Attraktionswirkungen. Zusätzlich wurden Laborexperimente im Windkanal an Coenobita clypeatus etabliert, die das Ziel hatten, das Duftspektrum dieser dem Palmendieb nahe verwandten Tiere zu evaluieren und geruchsgesteuertes Suchverhalten zu analysieren. Dabei konnte gezeigt werden, dass die Tiere sich bei der Stimulation durch natürliche Duftstoffe entlang der Duftfahne entgegen der Strömungsrichtung zielgerichtet zum Stimulus bewegten. Durch die Telemetrieversuche konnte gezeigt werden, dass der Palmendieb auch außerhalb der Reproduktionszeit zum Teil weite Distanzen zurücklegt, aber auch über eine gewisse Ortstreue verfügt und dieses Verhalten somit als semi-nomadisch charakterisiert werden kann. Während der Wanderungen wird vermutlich die Spurverfolgung als Navigationsstrategie genutzt, wobei auch Hinweise auf Pfadintegration als eine weitere Navigationsstrategie hindeuten. Dabei wird aufgrund der bevorzugten Nachtaktivität der Tiere davon ausgegangen, dass die Orientierung bei der Spurverfolgung chemisch gesteuert sein könnte. Diese These wird auch durch einfache Attraktionsversuche gestützt, bei denen einige Versuchstiere, trotz Blendung, den Köder erfolgreich aufsuchen konnten. Die lokomotorische Aktivität im Tagesgang, welche mithilfe von Beschleunigungssensoren (Akzellerometer) aufgezeichnet werden konnte, scheint besonders unter dem Einfluss der relativen Luftfeuchtigkeit zu stehen. Dabei konnte im Beobachtungszeitraum neben stabilen diurnalen, crepuscularen bis nocturnalen Aktivitätsmustern, auch kathemerales Verhalten dokumentiert werden. Neben individuellen Abweichungen im Tagesgang der lokomotorischen Aktivität, konnte für die meisten der Versuchstiere ein Aktivitätsmaximum während der Zeit des Sonnenuntergangs festgestellt werden, wohingegen während der Mittagszeit das überwiegende Aktivitätsminimum lag. Dies stützt wiederum die Hypothese, dass es einen Zusammenhang zwischen der Dynamik der Aktivität und der Dynamik der relativen Luftfeuchtigkeit geben könnte.
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit der Verbreitung und Populationsgenetik der invasiven asiatischen Buschmücke Ae. j. japonicus, die sich seit 2008 durch Menschen-vermittelten Transport in Deutschland ausbreitet. Aedes j. japonicus ist unter Laborbedingungen Vektor für verschiedene Viren, unter anderem für das Dengue-Virus und das Chikungunya-Virus, und wurde im Feld mit dem Japanische Enzephalitis-Virus, dem West Nil-Virus und dem La Crosse-Virus infiziert gefunden. 2012 wurde aufgrund mehrerer unabhängiger Mücken-Einsendungen im Rahmen des Citizen-Science-Projekts “Mückenatlas” eine Population der Asiatischen Buschmücke in Westdeutschland entdeckt. Das Verbreitungsgebiet dieser Population befand sich weit nördlich der bisher angenommenen nördlichen Verbreitungsgrenze der Art in Süddeutschland. Das Ausmaß der Population wurde nach einem zeitlich begrenzten Monitoring auf eine Fläche von ca. 2000 km2 bestimmt. Aus dieser Population wurden Individuen von fünf Orten populationsgenetischen Analysen unterzogen, um verwandtschaftliche Beziehungen innerhalb der Population und im Vergleich zu anderen europäischen Populationen aufzudecken. Hierzu wurden sieben Mikrosatelliten-Loci untersucht. Zusätzlich wurde ein Teil der mitochondrialen nad4-Genregion der Individuen auf Nukleotid-Polymorphismen untersucht. Die Ergebnisse wurden mit bereits zuvor erhobenen Daten von Populationen aus der Schweiz, aus Österreich/Slowenien und Belgien verglichen. Die Mikrosatellitensignatur der westdeutschen Population unterschied sich deutlich von der der anderen europäischen Populationen. Weiterhin wurden verschiedene nad4-Haplotypen gefunden, die zuvor nirgendwo sonst in Europa aufgetreten waren. Demnach ist zu vermuten, dass diese Population auf eine unabhängige Einschleppung von Individuen aus Übersee zurückgeht. Der genaue Ursprung – USA oder Ostasien – konnte nicht bestimmt werden. 2013 wurden zwei weitere Ae. j. japonicus-Populationen in Europa entdeckt: eine in Norddeutschland und eine weitere in den Niederlanden. Die genetischen Signaturen von Individuen dieser Populationen wurden wie beschrieben analysiert. Zusätzlich wurde das genetische Material einer größeren Menge von Individuen aus Slowenien sowie von Individuen aus Kroatien und Süddeutschland untersucht. Die Ergebnisse wurden mit denen aus der vorigen Studie verglichen und zeigten aufgrund einer ähnlichen Mikrosatellitensignatur und gleicher nad4-Haplotypen klar, dass die norddeutsche Population eine Subpopulation der westdeutschen ist. Die geringe Populationsdichte und die vergleichsweise kleine Ausdehnung der norddeutschen Population deuten außerdem darauf hin, dass die Abspaltung nicht lange zurückliegt. Die niederländische Population scheint hingegen auf einer weiteren Einschleppung von Individuen aus Übersee zu basieren. Im Spätsommer 2015 wurde die bisher letzte deutsche Ae. j. japonicus-Population in Oberbayern und dem angrenzenden Österreich entdeckt. Populationsgenetischen Analysen zufolge ist diese Population eng mit der früher beschriebenen österreichisch-slowenischen Population verwandt und unterscheidet sich von allen anderen deutschen Populationen, was darauf schließen lässt, dass es sich bei ihr um eine Abspaltung von der österreichisch-slowenischen Population handelt. Die Ver- und Ausbreitung von Ae. j. japonicus in West- und Norddeutschland wurde vom Zeitpunkt der Entdeckung in 2012/2013 bis 2015 beobachtet. In dieser Periode erweiterte die westdeutsche Population ihr Verbreitungsgebiet beträchtlich, während die norddeutsche überhaupt nicht zu expandieren schien. Dies ist möglicherweise darauf zurückzuführen, dass die norddeutsche Population jünger als die westdeutsche ist, das Verschleppungsereignis noch nicht so weit zurückliegt und die Population sich noch in der Gründerphase befindet. Die passive weltweite Verschleppung von Stechmücken wird in der Zukunft vermutlich zunehmen, und die Etablierung und Ausbreitung invasiver Spezies, inklusive der Asiatischen Buschmücke und anderer potenzieller Überträger von Krankheitserregern, werden Europa und Deutschland weiterhin vor herausfordernde Probleme stellen. Das Monitoring der Ausbreitung von Populationen und die Durchführung populationsgenetischer Analysen zur Ermittlung von geographischen Ursprüngen sowie von Wanderungs- und Transportrouten werden helfen, weitere Einschleppungs- und Ausbreitungsereignisse nachzuvollziehen und zu unterbinden und sind daher essenzielle Instrumente des Managements von Mückenvektoren.
Das Gezeter des Seggenrohrsängers, die Alarmrufe der Uferschnepfe, das Gemecker der Bekassine, das Geschnarre des Wachtelkönigs und die Pfiffe des Tüpfelsumpfhuhns - kaum ein anderer Lebensraum weist so viele exklusive Vogelarten auf wie die Flusstalmoore. Dieser Moortyp dominiert die Grundmoränenlandschaft des südlichen Ostseeraumes. Jedoch wurde auch kein anderer Lebensraum vom Menschen so gründlich in seiner ökologischen Funktionstüchtigkeit gestört. Insbesondere die grossflächigen und tief gehenden Entwässerungen des 20. Jahrhunderts führten zum Verstummen zahlreicher Vogelarten. So ist etwa der Seggenrohrsänger heute vom globalen Aussterben bedroht. In Nordostdeutschland wurden in den letzten 15 Jahren grosse Anstrengungen unternommen, die Ökosystemleistungen der Flusstalmoore neu zu beleben. Dazu wurden über 20 000 Hektar Moorfläche wiedervernässt. Wie reagiert die Vogelwelt auf diese neuen Veränderungen? Bestehen Chancen für eine Wiederansiedlung verschollener Vogelarten? Wie können die Wiedervernässungsmassnahmen gestaltet werden, um gefährdete Vogelarten zu begünstigen? Lässt sich das Leitbild des Artenschutzes mit den Leitbildern des Moor- und Klimaschutzes und zukünftigen Bewirtschaftungsformen vereinen? Diesen Fragen ist der Autor in einer umfassenden Studie von Vogelwelt, Vegetation und Hydrologie am Beispiel des Peene- und Trebeltals in Mecklenburg-Vorpommern nachgegangen und stellt seine Ergebnisse hier vor.
Evolutionäre Morphologie ist nie nur beschreibend, sondern versucht morphologische Vielfalt immer auch zu erklären. Spermien im Allgemeinen und Spinnenspermien im Besonderen sind für ihre enorme morphologische Vielfalt bekannt. Spinnenspermien werden eingerollt und von einer Sekrethülle umschlossen übertragen. Außerdem werden Spinnenspermien sowohl als individuelle Spermien, aber auch als Spermienkonjugate übertragen. Synspermien, wo mehrere Spermien vollständig Sicherung am Ende der Spermiogenese sind charakteristisch für eine bestimmte Spinn Taxon, der sogenannten Synspermiata. Die vorliegende Arbeit fokussiert auf die evolutionäre Morphologie der Spermien der Dysderoidea, einem gut definierten Taxon innerhalb der Synspermiata. Das Taxon Dysderoidea besteht aus vier Familien, den Segestriidae, Dysderidae, Orsolobidae und Oonopidae. Die kleine Familie der Caponiidae ist die vermutete Schwestergruppe der Dysdeoidea. Interessanterweise werden Spermienkonjugate bestimmter Arten der Orsolobidae und Oonopidae, sowie eines Vertreters der Caponiidae, nicht von einer Sekrethülle umgeben. Die Funktion der Sekrethülle ist bislang noch nicht klar. Jedoch muss die Sekrethülle vor der Aktivierung der Spermien innerhalb des weiblichen Genitalsystems zunächst wieder entfernt werden. Dieser Prozess wird vermutlich vom Weibchen gesteuert und kann dem Weibchen unter anderem die gezielte Wahl der zu aktivierenden Spermien ermöglichen. Die nicht von einer Sekrethülle umschlossenen Spermienkonjugate könnten daher eine hoch spezialisierte männliche Paarungsstrategie darstellen, um den Einfluss des Weibchens und damit der gezielten postkopulatorischen Weibchenwahl zu umgehen. Innerhalb der Dysderoidea ist die morphologische Diversität der Spermien der Oonopidae besonders hoch. Hier werden in bestimmten Arten z.B. aflagellate Spermien, oder nicht eingerollte Spermien übertragen. Die Anzahl der fusionieren Spermien, sowie die Größe und Form der Spermienkonjugate ist innerhalb der Dysderoidea sehr variabel. Basierend auf der traditionell angewandten, zweidimensionalen (2D) Mikroskopie allein wird eine detaillierte Analyse der oftmals enorm komplexen Spermienkonjugate jedoch oft erschwert. Für das Verständnis von (ultra)struktureller Komplexität sind dreidimensionale (3D) Rekonstruktionen oftmals besonders hilfreich. Doch dies unweigerlich erfordert Serienbilder, die durch verschiedene Methoden erreicht werden können. Traditionell werden diese seriellen Bilder durch serielle Ultradünnschnittmikrotomie, gefolgt von der Analyse mittels Transmissionselektronenmikroskopie (ssTEM), erstellt. Allerdings ist ssTEM höchst anspruchsvoll, zeitaufwendig und sehr anfällig für Artefakte, wie zB der Verlust von Einzelschnittbildern, oder Bildverzerrungen. Neuere Methoden, wie Serial-Block-Face Rasterelektronenmikroskopie (SBFSEM) überwinden diese Einschränkungen, aber die Bildqualität, und das Signal-zu-Rausch-Verhältnis sind stark abhängig von den vorausgehenden Fixier- und Kontrastiereigenschaften. Spinnenspermien sind hoch komplex und daher besonders nützlich, um die Anwendbarkeit der SBFSEM mit der traditionellen ssTEM zu vergleichen. Obwohl SBFSEM in hochwertigen Bilddaten des somatischen Gewebes resultierte, konnten aufgrund der hohen Elektronendichten bestimmter Spermienzellkomponenten keine detaillierten Analysen der Spinnenspermien erfolgen. Somit bleibt ssTEM bislang die einzig Methode für die Generierung der seriellen Schnittbilder für die Rekonstruktion der Spinnenspermien. Serienschnitte und 3D Rekonstruktionen im Allgemeinen sind nicht nur sinnvoll um ultrastrukturelle Details zu visualisieren, sondern auch für das allgemeine Verständnis von komplexen Strukturen besonders hilfreich. Nichtsdestotrotz gehen Informationen über die natürliche Kohärenz durch den Schneidprozess in der Regel verloren. Non-destruktive Methoden, wie die Röntgenstrahlen Mikrocomputertomografie (Mikro-CT) überwinden diese Beschränkungen und haben sich als ein wertvolles Werkzeug für das Verständnis und die Visualisierung inneren Anatomie einer Vielzahl von Taxa, einschließlich Arthropoden, erwiesen. Dennoch ist nur wenig über die Anwendbarkeit dieses Verfahrens zur Analyse von Weichgewebe bekannt. Um das Potential und auch die Grenzen dieses Verfahrens zu analysieren wurden daher wurden die männlichen Kopulationsorgane von Spinnen, die Pedipalpen, sowie die Anatomie des Gehirns von drei Vertretern der Hexapoda analysiert, und mit den Ergebnissen vorangegangener histologischer und immunhistochemischer Untersuchungen vergleichen. Basierend auf diesen Daten wurde ein Protokoll für die Mikro-CT Analyse von Weichgewebe entwickelt und evaluiert
Der Speichel des medizinischen Blutegels, H. verbana enthält eine Vielzahl von Proteinen und Peptiden mit deren Hilfe das Tier bei seinen Wirten parasitiert. Die bioaktiven Speichelinhaltsstoffe sind in den einzelligen Speicheldrüsenzellen des Tieres lokalisiert und werden während des Saugaktes über die Ausführgänge einer jeden Zelle in die Bisswunde des Wirtes transferiert. Die Proteine ermöglichen es dem Parasiten das Blut des Wirtes optimal aufzunehmen und es bis zu einem Jahr im Speichermagen zu bevorraten. In den letzten Jahrzehnten wurden einige Speichelproteine identifiziert und rekombinant hergestellt. Aufgrund schmerzstillender, gefäßerweiternder, gerinnungshemmender und vermutlich auch thromobolytischer Eigenschaften sind diese Substanzen in der Humanmedizin und -prophylaxe von potenzieller Bedeutung. Seit Jahrhunderten wird die klassische Blutegeltherapie durch das Ansetzen lebender Egel an die Haut des Menschen von Heilpraktikern und Ärzten erfolgreich durchgeführt. Gleichwohl sind die Funktionen der meisten sekretorischen Speichelproteine weiter ungeklärt und die Mechanismen, die zur Freisetzung der Proteine aus den Vorratsbehältern führen, unbekannt. Im Rahmen dieser Arbeit konnte im Zuge der Quantifizierung der Speichelproteine und -peptide von H. medicinalis und H. verbana festgestellt werden, dass es keine globalen Unterschiede im Expressionsmuster beider Arten gibt. Es ist anzunehmen, dass der ohnehin in den letzten Jahren vermutlich zumeist, wenngleich vom Therapeuten unbewusst, eingesetzte H. verbana ähnliche Speichelproteine wie der tatsächlich medizinisch zugelassene H. medicinalis besitzt. Darüber hinaus wurde in dieser Arbeit mit gelfreien und gelbasierten Methoden erstmals das sekretorische Speichelproteom eines einzelnen Blutegels dargestellt. Dieses wird es zukünftig erlauben, Speichelproteine zu identifizieren und auf deren Funktion zu testen. Mit Hilfe der 3D-Rekonstruktion von Speicheldrüsenzellen konnte ermittelt werden, dass ein adulter Blutegel der Art H. verbana etwa 36.960 Speicheldrüsenzellen mit einem mittleren Volumen von 67.048 ± 38.935 µm³ besitzt. Aus den Daten und dem ermittelten Proteingehalt einer Speicheldrüsenzelle wurde geschlussfolgert, dass ein Blutegel über 1,2 ± 0,7 mg Protein in seinen Speicheldrüsenzellen verfügt. Sollte die gesamte Proteinmenge in den Wirt transferiert werden, könnten individuelle Komponenten des Egelspeichels in einem extrazellulären Verteilungsvolumen von 5 l (Mensch) maximale Konzentrationen zwischen 3 und 236 pmol/l erreichen. Gleichwohl ergaben histologische Studien, die eine Reduktion der Speicheldrüsenzellflächen nach der Nahrungsaufnahme anzeigen und auf eine Entleerung der Speicheldrüsen im Zuge des Saugaktes schließen lassen, dass die Zellflächen in gesogenen Tieren gegenüber den Zellflächen in ungesogen Egel nur um etwa 40 % reduziert sind. Die sich ergebene Frage, ob die Entleerung der Drüsenzellen dementsprechend auch nur anteilig erfolgt, kann derzeit aufgrund nur lückenhafter Erkenntnisse zur inneren Struktur der Speichelsekretionszelle noch nicht beantwortet werden. Mit Verweis auf das einzige pharmakokinetisch umfangreich untersuchte Speichelprotein Hirudin (Ki 2,3 pmol/l) kann jedoch gemutmaßt werden, dass selbst unter der Annahme einer nur 40 %igen Speicheldrüsen-Entleerung die in den Wirt transferierte Menge an individuellen Speichelproteinen eines einzelnen Tieres ausreichend hoch sein könnte, um pharmakologisch wirksame Konzentrationen im Organismus zu erreichen. Interessanterweise gelang es in dieser Arbeit erstmals zu zeigen, dass die Neusynthese der Speichelproteine, obgleich die Tiere von dem Nahrungsblut einer Mahlzeit bis zu einem Jahr leben, bereits innerhalb der ersten beiden Wochen nach der Nahrungsaufnahme stattfindet. Die Mechanismen, die zur Freisetzungen des Materials aus den einzelligen Drüsen führen, sind bislang weitestgehend ungeklärt. Innerhalb dieser Arbeit konnten erste Beiträge geleistet werden, indem elektronenmikroskopisch nachgewiesen wurde, dass die Speicheldrüsenzellen Vesikel enthalten, in denen wahrscheinlich die sekretorischen Speichelinhaltsstoffe vorliegen. Zudem wurde gezeigt, dass Na+/K+-ATPase-Moleküle in nur sehr geringer Abundanz in den Drüsenzellen vorkommen, V-ATPase-Moleküle, die sekundäre Ionentransporte energetisieren (Erhöhung der intrazellulären Osmolyt-Konzentration) und zur Freisetzung des sekretorischen Materials (Platzen der Vesikel) führen könnten, jedoch sehr prominent sind.
Die Atemwege sind mögliche Eintrittspforten für Staphylococcus aureus in den menschlichen Organismus. Inhalierte Bakterien oder Bakteriencluster kommen initial vermutlich nicht direkt mit den Epithelzellen der Atemwege in Kontakt, sondern nur mit der aufgelagerten Mukusschicht. Die Mikroorganismen nehmen in dieser Situation möglicherweise über sekretorische lösliche Virulenzfaktoren auf die Funktion der Epithelzellen Einfluss und können dadurch das Infektionsgeschehen für sich günstig beeinflussen. Die Behandlung einer Infektion ist oft schwierig, da viele S. aureus-Stämme resistent gegenüber Antibiotika sind. Es ist daher von großem Interesse, mehr über die vielfältigen Interaktionen dieser Bakterien mit ihren eukaryotischen Wirtszellen in Erfahrung zu bringen. Bisher ist nur wenig über die Reaktionen humaner Atemwegsepithelzellen auf Kontakt mit S. aureus-Sekretionsprodukten bekannt, deswegen wurden in dieser Arbeit die Effekte der löslichen Virulenzfaktoren, Hämolysin A und B, auf die Zellmorphologie, Zytokinsezernierung und Ca2+-Signaltransduktion in verschiedenen humanen Atemwegsepithelzellen (16HBE14o-, S9, A549) genauer charakterisiert. Unter rHla-Einwirkung konnte in konfluenten Zellrasen die Bildung parazellulärer Lücken beobachtet werden, wobei die Stärke der Reaktion zelltypspezifisch war. Für die in vivo-Situation könnte der Verlust des stabilen Zellverbands bedeuten, dass das Bakterium dadurch die Möglichkeit erhielte, in den Wirtsorganismus einzudringen. Die Untersuchungen an primären Nasenepithelzellen unterstützen diese Schlussfolgerung. Hingegen zeigten Hämolysin B und die bakteriellen Zellwandbestandteile Lipoteichonsäure und Peptidoglykan kaum Effekte auf die Morphologie der Zellen. Durch fluorometrische Messung mit Indo1-beladenen Zellen wurde deutlich, dass die rHla-Behandlung und der daraus resultierende Einbau von Hla-Poren in die Membran der Atemwegsepithelzellen zu einem Ca2+-Einstrom in die Zellen führen. Wurden die A549-Zellen mit höheren Hla-Konzentrationen behandelt, war der Ca2+-Einstrom sehr stark und konnte nicht durch den zelleigenen Ca2+-Auswärtstransport kompensiert werden, so dass die intrazelluläre Ca2+-Konzentration [Ca2+]i stetig anstieg. Diese Ca2+-Überladung könnte zur Schädigung der Zellen oder gar zum Absterben einiger Zellen beigetragen haben, was in den Experimenten mit dem Time lapse-Mikroskop beobachtet wurde. Auch die Behandlung der A549-Zellen mit rHlb, durch dessen Sphingomyelinase-Aktivität Spaltprodukte entstehen können, die selbst als Signalmoleküle fungieren, führte zu einer leicht veränderten [Ca2+]i in den A549-Zellen. Ob dieses durch Sphingosin-1-Phosphat erfolgt, das in A549-Zellen tatsächlich ein deutliches Ca2+-Signal erzeugt, oder durch andere Hlb-bedingte Effekte auf die Zellen, wurde nicht abschließend geklärt. Auch der direkte Einfluss der beiden Hämolysine auf die Freisetzung von pro-inflammatorischen Zyto- und Chemokinen aus den Atemwegsepithelzellen unter rHla und rHlb wurde quantitativ bestimmt. Mit Hilfe von FlowCytomix-Kits konnte ebenfalls gezeigt werden, dass beide Hämolysine die Sekretion von IL-6 und IL-8 aus den Zellen bewirken. Um die physiologischen Vorgänge im respiratorischen Gewebe nach Kontakt mit S. aureus bzw. dessen Virulenzfaktoren zu ergründen, wurden in dieser Arbeit verschiedene endogene Proteinkinasen und Signalmoleküle der Atemwegsepithelzellen pharmakologisch inhibiert und untersucht, wie sich die selektive Hemmung der Signaltransduktion auf die Lückenbildung im Zellrasen unter der Stimulation mit rHla auswirkt. Da die intrazelluläre Konzentration von Ca2+-Ionen für die Steuerung der Salz- und Wassersekretion im respiratorischen Gewebe und somit für die Abwehr potentieller Pathogene wichtig ist, wurden für diese Arbeit einige Schlüsselelemente dieses Systems analysiert. Die Resultate weisen auf eine komplexe Verbindung der Signalwege hin, wobei die Zellantworten häufig Zelltyp-spezifisch waren. Es konnte durch Time lapse-Beobachtungen gezeigt werden, dass Calmodulin, c-Src, Calpaine, die Proteinkinasen A, G, B und C sowie NF-κB den Zellen tendenziell helfen, ihre Zellform unter rHla-Einwirkung zu bewahren. Für Calmodulin, die Ca2+/CaM abhängige Kinase II, ERK1/2, p38 und NF-κB wurde eine Beteiligung an der Erhöhung der Sekretionsraten von IL-8 und IL-6 durch rHla sowie rHlb festgestellt. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass die untersuchten Signalwege, je nach Intensität der Einwirkung der bakteriellen Faktoren auf die Atemwegsepithelzellen, sowohl zellprotektive als auch Epithel-beeinträchtigende Prozesse beeinflussen, jedenfalls aber in die Produktion von Signalen (Freisetzung von Zyto- und Chemokinen) eingebunden sind, die solcherart Epithelzellen in vivo an das Immunsystem eines Wirts senden.
Herzinsuffizienz ist eine der häufigsten Ursachen für Morbidität und Mortalität weltweit. Zum jetzigen Zeitpunkt ist die Herztransplantation im fortgeschrittenen Stadium der Erkrankung der einzige kurative Therapieansatz. Durch den Einsatz von Stammzellen als Therapieoption der Herzinsuffizienz konnten in den letzten Jahren im Rahmen von tierexperimentellen und klinischen Studien zahlreiche vielversprechende Daten gewonnen werden. Ziel der Stammzelltransplantationen ist es, das geschädigte Gewebe zu ersetzen, die Gefäßneubildung zu induzieren und somit die kardiale Funktion aufrechtzuerhalten. Kardialen Stammzellen wird durch die Fähigkeit der Selbsterneuerung, Proliferation und der Differenzierung in spezialisierte Zelltypen ein großes Regenerationspotential zugeschrieben. Weiterhin wurde ein positiver Einfluss von kardialen Stammzellen auf die Gefäßneubildung mittels parakriner Effekte beschrieben. Obwohl durch die Transplantation von kardialen Stammzellen eine Regeneration des geschädigten Gewebes, z.B. nach einem Myokardinfarkt, beobachtet wurde, ist noch wenig über die genauen Wirkungsweisen der eingesetzten Stammzellen bekannt. Zudem bleibt unklar, welchen Einfluss eine Schädigung des Herzens auf die Stammzellen und ihre Funktion hat und welche Faktoren dabei eine Rolle spielen. Die Existenz von residenten kardialen Stammzellen konnte sowohl im tierischen als auch im humanen Herzen nachgewiesen werden. Jedoch ist bis heute nicht geklärt, warum der Pool an residenten kardialen Progenitorzellen nicht merklich zur Regeneration nach einer Schädigung beitragen kann. Die vorliegende Arbeit befasste sich daher mit der Untersuchung der Funktion muriner residenter kardialer Progenitorzellen, die positiv für das Stammzellantigen-1 (Sca-1) sind, unter physiologischen und pathophysiologischen Bedingungen. Hierfür wurde der Einfluss des Renin-Angiotensin-Aldosteron Systems (RAAS), welches entscheidend an der Entwicklung einer Herzinsuffizienz beteiligt ist, auf die Funktion Sca-1 positiver Zellen in vitro untersucht. Anschließend wurde der Einfluss pathophysiologischer Aldosteronkonzentrationen, wie sie im Rahmen einer Herzinsuffizienz nachweisbar sind, auf die sekretorische Aktivität der Sca-1 positiven Zellen bestimmt. Im Rahmen dieser Arbeit konnte erstmals gezeigt werden, dass die Komponenten des RAAS die Migrationsrate Sca-1 positiver Zellen dosis- und zeitabhängig beeinflussen, wobei vor allem pathophysiologische Konzentrationen von Aldosteron eine signifikante Steigerung der Migrationsrate der Sca-1 positiven Zellen bewirkten. Des Weiteren konnte eine Mineralokortikoidrezeptor-vermittelte Wirkungsweise des Aldosterons auf die Funktion der Sca-1 positiven Zellen festgestellt werden, welche durch den Einsatz der Aldosteron-Antagonisten Spironolakton und Eplerenon inhibiert wurde. Anhand der an Sca-1 positiven Zellen durchgeführten Sekretomanalysen konnte gezeigt werden, dass sich die sekretorische Aktivität kardialer Progenitorzellen unter physiologischen und pathophysiologischen Bedingungen unterscheidet. Pathophysiologische Stimuli führen zu einer erhöhten sekretorischen Aktivität kardialer Progenitorzellen. Die Analyse der sekretierten löslichen Faktoren deutet auf eine Beteiligung Sca-1 positiver Zellen an Reparatur- und Regenerationsprozessen mittels parakriner Mechanismen nach einer Schädigung hin. Die vorliegenden Ergebnisse zeigen, dass mit dem Mineralokortikoid Aldosteron ein Faktor identifiziert wurde, welcher zur Optimierung der Stammzelltherapie, z.B. im Rahmen einer Herzinsuffizienz, dienen kann. Weiterhin konnte in dieser Arbeit das Verhalten und die Funktion kardialer Progenitorzellen unter pathophysiologischen Bedingungen näher charakterisiert werden und mögliche Mechanismen aufgezeigt werden, über welche kardiale Stammzellen an Regenerationsprozessen beteiligt sein können.