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Ist die Stadtbaugeschichte Berlins bereits in vielen Facetten untersucht worden, so standen die Randbezirke, insbesondere im ehemaligen Ostteil der Stadt, bisher nicht im Fokus bauhistorischer Analysen. Diese Arbeit lenkt den Blick erstmals auf zwei dieser Randbezirke, die 1920 gegründeten nordöstlichen Verwaltungsbezirke Weißensee und Pankow, die mit ihrer heterogenen Bebauung aus urbanen Stadträumen, kleinstädtischen Siedlungsgebieten und dörflichen Gemeinden noch heute in besonderer Weise die verschiedenen Suburbanisierungsphasen seit dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts an der Peripherie der stetig wachsenden Metropole Berlin erkennen lassen. Eingebettet in internationale städtebaulich-architektonische Diskurse des späten 19. und des 20. Jahrhunderts einerseits, wie auch in die politische, wirtschaftliche, soziale und bauplanerische Entwicklung der Gesamtstadt Berlin andererseits werden die urbanen Besonderheiten der Bezirke Weißensee und Pankow zwischen 1870 und 1970 erstmals zusammenhängend dargestellt. Dabei wird der Frage nachgegangen, inwiefern sich die Suburbanisierung im Spannungsfeld zwischen planmäßiger Stadterweiterung auf der einen und unkoordinierter, sogenannter wilder Siedlungstätigkeit auf der anderen Seite vollzog, vor dem Hintergrund einer hier seit den 1870er Jahren intensiv betriebenen Rieselwirtschaft, die eine großflächige Erschließung und Bebauung des Berliner Nordostraumes lange Zeit verhinderte. Erst mit der schrittweisen Aufhebung der Rieselfelder setzte ab den 1970er Jahren eine zweite Phase der Stadterweiterung im Nordosten Berlins ein, die, bis in die Gegenwart hineinreichend, ausblickend skizziert wird. Drei Aspekte stehen im Fokus der bauhistorischen Untersuchung zwischen 1870 und 1970. Zunächst werden bedeutende realisierte wie auch unrealisiert gebliebene Architekturbeispiele der Bezirke Weißensee und Pankow dokumentiert. Den Schwerpunkt bildet der Wohnungsbau, dessen Entwicklung nachvollzogen wird von der Entstehung erster Villenkolonien und Mietshausviertel Ende des 19. Jahrhunderts, über den sozialen Wohnungsbau der 1920er Jahre, die Bauplanungen im Zuge der Umgestaltung Berlins zur ‚Welthauptstadt Germania‘ unter den Nationalsozialisten in den 1930er Jahren bis hin zum frühen industriellen Bauen der 1950er und 1960er Jahre im Rahmen des unter sozialistischen Vorzeichen stehenden Wiederaufbaus Ost-Berlins zur Hauptstadt der Deutschen Demokratischen Republik. Daneben werden auch im Untersuchungsgebiet entstandene Verwaltungseinrichtungen, Schulen, Sozial- und Gesundheitsbauten, Sport- und Unterhaltungsstätten sowie die Grundzüge der Grünplanung in einem Überblick zusammengetragen. Zweitens wirft die Untersuchung einen näheren Blick auf die Akteure, welche die Stadterweiterungen im Nordosten Berlins maßgeblich initiiert und durchgeführt haben. Die Strukturen und Kompetenzen der sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts in beiden Bezirken konstituierenden kommunalen Bauverwaltungen, die Bedeutung der lokalen Terraingesellschaften und Wohnungsbauunternehmen – wie die 1919 gegründete Pankower Heimstätten-Gesellschaft mbH – sowie biografische Hintergründe wichtiger hier tätiger, jedoch heute kaum mehr bekannter Architekten und Baubeamter – wie Gemeidebaurat Carl Fenten, Magistratsbaurat Reinhold Mittmann oder die Stadtbezirksarchitektin Ludmilla Herzenstein – werden herausgearbeitet. Drittens wird der Frage nachgegangen, inwiefern im polyzentralen Gefüge Berlins sich auch im Nordosten der Stadt städtebaulich-gesellschaftliche Zentren herausgebildet haben oder diese geplant wurden. Der Bogen spannt sich vom reformorientierten ‚Kommunalen Forum‘ in Weißensee, das zu Beginn den 20. Jahrhunderts vor allem besserverdienende Bürger in die finanzschwache Berliner Vorortgemeinde locken sollte, bis hin zum bezirksüberspannenden und auf gleiche Versorgung aller Bevölkerungsschichten abzielenden, hierarchischen Konzept aus Stadtbezirks-, Wohnbezirks- und Wohnkomplexzentren der 1950er und 1960er Jahre, welches aufgrund mangelnder Ressourcen in der Bauwirtschaft der DDR über das Planungsstadium jedoch kaum hinauskam. Auf besondere bauliche Werte am nordöstlichen Berliner Stadtrand aufmerksam zu machen, dabei Kontinuitäten und Brüche der Baugeschichte der Bezirke Weißensee und Pankow über einen Zeitraum von 100 Jahren hinweg nachzuvollziehen, aber auch denkmalpflegerische Herausforderungen und strukturelle Probleme des Nordostraumes in Hinblick auf die in jüngster Zeit wieder stark wachsende Gesamtstadt Berlin aufzuzeigen ist das Anliegen dieser Arbeit.
Als Stadtbaumeister Stralsunds war Ernst v. Haselberg sowohl praktisch als auch theoretisch noch universell mit der architektonischen und städtebaulichen Entwicklung des Historismus und der Konstituierung der Denkmalpflege in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts auf deutschem Territorium, insbesondere in der Provinz Pommern, verbunden. Das große architektonische und städtebauliche Œuvre mit seinen Konsequenzen für die Stadt Stralsund und ihre Bürger rief relativ bescheidene Resonanz hervor. Als Denkmalpfleger hat er den Paradigmenwechsel des 19. Jahrhunderts von der ästhetisch-orientierten Denkmalpflege zur historisch-wissenschaftlichen Denkmalpflege mitgestaltet. Die »Mathematische Aufgabe«, das magische Hexagon, verschaffte E. v. Haselberg die Aufnahme in die ewigen Annalen der Mathematik und eine bleibende, weltweite Reputation. Die monographische Studie über E. v. Haselberg will als Synchronopse seines Lebens aus neuerer Sicht Impulse geben. Die Genesis derer von Haselberg, unter ihnen renommierte Theologen, Juristen, Mediziner, koinzidieren seit der Frühen Neuzeit mit der Entwicklung der geistig-kulturellen Eliten in (Mecklenburg-) Vorpommern. Auf dem Fundament einer über Generationen hinweg sich als ethische Maxime etablierenden Universalität entstand auch die architektonische Ästhetik E. v. Haselbergs. Sein universelles Wirken bietet die Forschungsperspektive, Interdependenzen von Städtebau, Architektur und Denkmalpflege im Kontext der Urbanisierung des 19. Jahrhunderts zu analysieren. Die durch ihre meist mittelalterliche Historie geprägten Städte wurden, wie auch Stralsund, in verschiedenen Wellen durch die damalige konventionelle Stadtentwicklung mitgerissen. In dieser Urbanisierungsphase zeigten sich für die Städte Konsequenzen im Städtebau mit eklatanten Defiziten in der Hygiene und in der sozialen Funktionalität. Die Dissertation stützt sich zum einen auf die Aussagekraft der gebauten Architektur und zum anderen auf schriftliches und bildkünstlerisches Quellenmaterial, die partiell unbearbeiteten und unveröffentlichten Konvolute aus dem im Stadtarchiv der Hansestadt Stralsund befindlichen Nachlass derer v. Haselberg. Erweitert wurde dieses Quellenmaterial durch Recherchen in den relevanten Staats-, Landes- und Stadt- und Kirchenarchiven. Die Recherchen in den Kirchenarchiven konzentrierten sich auf Barth, Bergen, Damgarten und Pantlitz. Als methodologische Prämisse dient das Konstrukt, dass die architektonische Ästhetik einer Kulturlandschaft sich aus dem aktuell existierenden Architekturrepertoire und der ideellen Reflexion in ihrer Totalität immer wieder neu bildet. Diese Totalität, die Gesamtheit aller sakralen und profanen Architektur, schließt die ruinöse, in die Vergangenheit weisende Architektur genauso wie die sich eben erst etablierende, in die Zukunft weisende ein. Als Vermittlung ist die ideelle Reflexion unerlässlich und erhält in dem Verhältnis zwischen theoretischer Denkmalpflege resp. Kunsthistorie und kontemporärer Architektur resp. Städtebau ihre Wirkmächtigkeit. Es wurde von der Hypothese ausgegangen, dass die theoretische und praktische Entwicklung sowohl der Denkmalpflege als auch der Architektur und des Städtebaus im 19. Jahrhundert ein fortgesetzter räumlicher und zeitlicher Differenzierungsprozess war, wobei sich traditionelle und innovative hierarchische Strukturen überlagern können. Um die Interdependenzen von Städtebau, Architektur und Denkmalpflege im Kontext der Urbanisierung des 19. Jahrhunderts zu analysieren, mussten die Methoden der Kunstgeschichte innerhalb der Dissertation differenziert angewendet und soziologische Aspekte für die wechselseitige Beeinflussung von individueller und gesellschaftlicher Entwicklung in revolutionären Zeiten einbezogen werden. Die hier verwendete soziologische Terminologie stützt sich auf Alfred Webers theoretische Basis, insbesondere auch auf die Begriffe ›Masse‹ und ›Elite‹. Dazu ist aus (kunst-) historischer Perspektive die kontemporäre Terminologie Jacob Burckhardts zugeordnet. Der Rückgriff auf die Philosophie Bertrand Russels hat seine Relevanz wegen der in jeder Hinsicht starken angelsächsischen Orientierung derer v. Haselberg und einer historischen Verortung der Ideen. Für die Analyse wurden die wissenschaftstheoretischen Termini technici – einschließlich des im Dissertationsthema gewählten Begriffs der ›Universalität‹ – der von Jürgen Mittelstraß herausgegebenen ›Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie‹genutzt. Die Universalität als Ideal des Königlich Preußischen Baumeisters im Selbstverständnis einer dienenden Elite teilte sich für E. v. Haselberg in eine Mission und eine Passion. Damit vollzog E. v. Haselberg einen seit den 1830er Jahren begonnenen Prozess nach, der aus Absolventen von Schinkels Bauakademie nicht nur Königlich Preußische Baumeister, sondern auch Kunsthistoriker/ Denkmalpfleger werden ließ.
Der Prozess der Urbanisierung zwischen 1830 und 1918 vollzieht sich unter dem Einfluss der industriellen Revolution mit besonderer Dynamik in der Entwicklung Berlins von einer Residenzstadt zur Wirtschaftsmetropole. Zwischen den Gestaltungsansprüchen von Bürokratie und Krone auf der einen und der industriellen Bourgeoisie auf der anderen Seite entwickelt sich die Architektur der frühen Industriebauten. Hier werden für den Fabrikbau Maßstäbe gesetzt, die nachfolgend sowohl von den industriellen Bauherren als auch von den kommunalen Baumeistern respektiert werden. James Hobrecht entwickelt ab 1858 ein Gesamtkonzept für die Stadterweiterung, das bis weit in das 20. Jahrhundert Bestand hat. Seit 1860 werden mit industriellen Methoden Mietshäusern und kommunale Versorgungsanlagen für eine Millionenstadt errichtet. Die Lebensleistung Hobrechts als einflussreichstem Stadtplaner Berlins steht in dieser Periode exemplarisch für die herausragende Rolle, die den Ingenieuren noch vor den Architekten zukommt. Dieses Prinzip gerät nach 1890 an seine strukturellen Grenzen. Die großen Unternehmen eröffnen eine neue Phase städtischer Expansion an der Peripherie. Das Beispiel der Industriestadt Oberschöneweide zeigt wie die kommunalen Planungen maßgeblich beeinflusst werden. Hier wird ein wichtiges Kapitel der Geschichte der Industriearchitektur geschrieben, in dem zwischen 1895 und 1918 alle wesentlichen qualitativen und stilistischen Entwicklungen durchlaufen werden, die mit dem Beginn der architektonischen Moderne verbunden sind.