Refine
Document Type
- Doctoral Thesis (2)
Language
- German (2)
Has Fulltext
- yes (2)
Is part of the Bibliography
- no (2)
Keywords
- Beurteilung (2) (remove)
Einleitung: Die Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) mit seinem zugrunde liegenden bio-psycho-sozialen Modell wurde 2001 in Deutschland vom Gesetzgeber aufgegriffen und im Sozialgesetzbuch IX verankert sowie in das Zentrum rehabilitativer Bemühungen gestellt. Durch eine Vielzahl möglicher Erkrankungsfolgen charakterisieren unterschiedliche Behandlungs-konzepte, Struktur- und Prozessmerkmale die Umsetzung der gesetzlichen Rahmenbedingungen in den verschiedenen Phasen neurologischer Rehabilitation. Bei der Erfassung der Ergebnisqualität in der neurologischen Rehabilitation gibt es eine Reihe ungeklärter Fragestellungen. Material und Methoden: In vier empirischen Studien wurden Strukturen und Prozesse in der ambulanten neurologischen Rehabilitation in Deutschland sowie patientenbezogene Assessmentverfahren untersucht. Ergebnisse und Diskussion: In einer eigenen Untersuchung von Struktur- und Prozessdaten einer repräsentativen Stichprobe ambulanter Einrichtungen der Neurorehabilitation zeigen sich im Ergebnis vergleichbare strukturelle Voraussetzungen der Einrichtungen, die zumeist durch die Rahmenempfehlungen zur ambulanten neurologischen Rehabilitation der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation (BAR) und entsprechende Versorgungsverträge bedingt sind. Unterschiedliche konzeptionelle Ausrichtungen führen zu unterschiedlichen Prozessen. Es ergeben sich dabei deutliche Hinweise auf Unterschiede formaler sowie inhaltlicher Konzepte zur Umsetzung des sozialrechtlichen Rehabilitationsauftrags zwischen verschiedenen Rehabilitationseinrichtungen. Grundsätzlich zeigt sich ein oft noch ungenutztes Potenzial in der Kontextarbeit, dem durch den Einbezug des unmittelbaren personellen und materiellen Sozialraums der Rehabilitanden in die Therapie begegnet werden könnte. Bei der Untersuchung patientenbezogener Assessments zeigt sich, dass zur globalen Erfassung von Teilhabe der Index zur Messung von Einschränkungen der Teilhabe (IMET) gut geeignet ist. Die Studienergebnisse zum Selbstständigkeits-Index für die Neurologische und Geriatrische Rehabilitation (SINGER) sprechen für eine gute Eignung in der ambulanten Neurorehabilitation und eine eindeutige Überlegenheit des SINGER als Assessmentinstrument gegenüber den bisher am weitesten verbreiteten Instrumenten Barthel-Index (BI) und Funktioneller Selbstständigkeitsindex (FIM). Die Resilienzskala (RS-13) besitzt auch bei ambulanten neurologischen Rehabilitanden akzeptable psychometrische Eigenschaften und kann daher auch in der ambu-lanten neurologischen Rehabilitation eingesetzt werden. Die Beachtung des Resilienz-Konstrukts mit Blick auf therapeutische Interventionen, die auf eine Verbesserung der psychischen Widerstandsfähigkeit abzielen, erscheinen aufgrund einer Assoziation mit dem Reha-Outcome sinnvoll. Die zur Ergebnismessung eingesetzte Marburger Kompetenz Skala (MKS) erweist sich nur als bedingt geeignet. Jedoch kann der Vergleich von Selbst- und Fremdbeurteilung im Therapieprozess systematisch genutzt werden. Fazit: Die ambulante neurologische Rehabilitation in Deutschland stellt innerhalb der Rehabilitationsforschung ein Forschungsgebiet mit spezifischen Fragestellungen dar. Die bestehenden Strukturen und Prozesse zielen auf die Umsetzung des gesetzlich verankerten Rehabilitationsauftrages ab. Zur Erfassung des Rehabilitationsergebnisses existieren mittlerweile eine Reihe geeigneter patientenbezogener Assessmentverfahren. Um ihre vollen spezifischen Vorteile zu entfalten, muss die ambulante Neurorehabilitation zu einem Behandlungssetting ausgebaut und weiterentwickelt werden, in dem evidenzbasiert nicht mehr nur an Funktionen und Aktivitäten sondern übergeordnet an der Teilhabe und selbstbestimmter Lebensführung der Rehabilitanden behandelt wird. Hierzu besteht jedoch noch Forschungsbedarf.
Im klinischen Alltag werden im Rahmen der Übergabe zwischen Notarzt und Klinik nach Verkehrsunfällen immer wieder technische Parameter vom Unfallort genannt. Ob diese Informationen zur verbesserten Einschätzung der Verletzungsschwere nützen, ist bisher nicht ausreichend untersucht worden. Um dieser Frage nachzugehen, wurden Daten von 100 realen Fällen aus der Datenbank der Unfallforschung Greifswald in einem mehrstufigen Experiment erfahrenen Notärzten in Fragebogenform präsentiert. Dabei wurden zunächst einfache Routineparameter, dann erweiterte Parameter und schließlich Fotos der Unfälle dargeboten. Gefordert war eine Einschätzung der Verletzungsschwere eines beteiligten PKW-Fahrers in den vier am ISS-Wert orientierten Kategorien „leicht verletzt“, „schwer verletzt“, „lebensgefährlich verletzt“ und „tot“. Zur Auswertung erfolgte eine Dichotomisierung in „leicht und schwer verletzt“ (ISS≤15) versus „lebensgefährlich verletzt und tot“ (ISS 16-75). Berechnet wurden die Übereinstimmung der Teilnehmer im Hinblick auf die Verletzungsschwere jenseits des Zufalls (kappa-Statistik) sowie die diagnostische Testgüte (Sensitivität, Spezifität, Fläche unter der ROC-Kurve, Likelihood Ratios) technischer Unfallparameter. Die Beobachter-Übereinstimmung der Verletzungsschwere unter Kenntnis einfacher oder erweiterter technischer Parameter sowie Bildparameter lag bei kappa-Werten von 0,42, 0,65 und 0,61. Die Sensitivität schwankte zwischen den Beobachtern und je nach unterschiedlicher Informationsmenge zwischen 18 und 80%, die Spezifität zwischen 41 und 89%. Durch die Präsentation von Fotos vom Unfallort ließ sich eine Steigerung der Sensitivität erzielen. Die Verschiebung der Vortest-Wahrscheinlichkeit von 50% für eine lebensbedrohliche Verletzung betrug im Falle negativer technischer Befunde maximal 40%, im positiven Fall 67%. Im Rahmen dieser umfangreichen Untersuchung unter Nutzung realer Unfälle und erfahrener Notärzte konnte erstmals gezeigt werden, dass technische Unfallparameter isoliert keine sichere Vorhersage der Verletzungsschwere zulassen. Ob technische Parameter zusammen mit medizinischen Parametern eine verbesserte erste Einschätzung ermöglichen, muss Ziel weiterer Untersuchungen sein.