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In Mitteleuropa kommen innerhalb der Gattung Diphasiastrum neben drei Ausgangsarten (D. alpinum, D. complanatum, D. tristachyum) drei Taxa hybridogenen Ursprungs vor (D. x issleri = D. alpinum x D. complanatum; D. x oellgaardii = D. alpinum x D. tristachyum; D. x zeilleri = D. complanatum x D. tristachyum). Alle sechs Taxa sind diploid. Die homoploiden Hybriden unterscheiden sich sowohl morphologisch als auch hinsichtlich ihres Kern-DNA-Gehaltes deutlich voneinander und nehmen eine intermediäre Stellung zwischen ihren Elternarten ein. Daher ist zu vermuten, dass es genetische Schranken für Rückkreuzungen gibt. Außer den regelmäßig auftretenden diploiden Hybriden konnten drei sehr seltene triploide Diphasiastrum-Hybriden nachgewiesen werden. Auf Grund ihres Kern-DNA-Gehaltes und der Morphologie kann auf folgende Kombinationen geschlossen werden:
Diphasiastrum alpinum x D. x issleri (Genomformel AAC),
Diphasiastrum alpinum x D. x oellgaardii (Genomformel AAT),
Diphasiastrum complanatum ssp. complanatum x D. x issleri (Genomformel ACC).
Es kann vermutet werden, dass diese triploiden Hybriden durch eine Kreuzbefruchtung zwischen einem diploiden Gametophyten, entstanden aus einer Diplospore, und einem haploiden Gametophyten hervorgegangen sind. Diplosporen könnten auch zur Vermehrung der diploiden Hybriden mittels Sporen beitragen; allerdings sind sie bei Flachbärlappen noch nicht experimentell eindeutig nachgewiesen. Bisherige Untersuchungen dreier genetischer Marker (cp, RPB, LFY) sowie die Ergebnisse einer AFLP-Analyse legen jedoch eine überwiegende de-novo-Entstehung durch primäre Kreuzungsereignisse nahe.
Die drei Elternarten unterscheiden sich hinsichtlich ihrer genetischen Diversität erheblich. Während von D. alpinum mindestens zwei genetische Linien existieren, ist D. tristachyum offensichtlich wenig variabel. Die größte genetische Vielfalt weist D. complanatum auf, für das eine sexuelle Reproduktion durch flowzytometrische Untersuchungen der gametophytischen Generation nachgewiesen werden konnte. Auch die Hybriden sind genetisch nicht einheitlich, was für unabhängige Entstehungsereignisse spricht.
Die Vertreter der Gattung Diphasiastrum weisen einen ausgeprägten Pioniercharakter auf und können Lebens-räume mit frühen Sukzessionsstadien erfolgreich besiedeln. Hier bilden sie durch ihr klonales Wachstum flächig ausgedehnte Bestände (Klone) aus. Diese können, längerfristig geeignete Standortbedingungen vorausgesetzt, ein Alter von vielen Jahrzehnten bis zu mehreren Hundert Jahren erreichen. Mit ihren staubfeinen Sporen sind Flachbärlappe auch zur Besiedlung von Gebieten, die von bestehenden Vorkommen weiter entfernt sind, mittels Langstreckentransport durch die Luft befähigt.
Flachbärlappe sind obligate Dunkelkeimer mit sich über mehrere Jahre erstreckenden Entwicklungszyklen. Die heterotrophen unterirdisch lebenden Gametophyten benötigen für Ihre Entwicklung Mykorrhizapilze. Funde von Gametophyten des Alpen-Flachbärlapps boten die Möglichkeit, den assoziierten Mykorrhizapilz morphologisch und genetisch zu untersuchen. Dieser wurde als zur Sebacinales-Gruppe B (Agariomycota) zugehörig identifiziert. Diese Pilzgruppe ist auch als Mykorrhizapartner von Ericaceen (Heidekrautgewächse) bekannt. Da keine Hinweise auf eine Mykorrhizierung des sporophytischen Bärlapp-Gewebes gefunden wurden, ist die Beziehung zwischen Pilz und Bärlapp möglicherweise nicht symbiotischer sondern parasitischer Natur. Der mykoheterotrophe Bärlapp-Gametophyt würde in diesem Fall epiparasitisch auf Vertretern der Ericaceen leben. Dies würde die regelmäßige Vergesellschaftung von Flachbärlappen mit verschiedenen Heidekrautgewächsen erklären. Eine ericoide Mykorrhiza bei Bärlappen, bestehend aus einem Netzwerk zwischen Ericaceen, Mykorrhizapilzen und Bärlapp-Gametophyten, wurde zuvor nicht beobachtet.
Die aktuelle Verbreitung der Flachbärlappe ist in den meisten Landesteilen Deutschlands und auch in einigen anderen Regionen Mitteleuropas weitgehend bekannt. Ihre früheren Arealbilder sind hingegen erst für Teilgebiete geklärt, was auf ihre schwierige Bestimmbarkeit und der über Jahrzehnte in der botanischen Literatur bestehenden taxonomischen Verwirrung zurückzuführen ist. Die frühere Verbreitung konnte auf der Basis kritischer Herbarrevisionen bislang für Niedersachsen und Bremen, Nordrhein-Westfalen, Thüringen und Teilgebiete Hessens und Bayerns rekonstruiert werden.
Die standortökologischen Ansprüche der Flachbärlapp-Sippen sind für Deutschland und einige Regionen angrenzender Länder hingegen gut untersucht. Es werden Sandböden mit unterschiedlich hohen Lehm- und Tonanteilen besiedelt, die relativ humusreich sind und größere Skelettanteile aufweisen können. Die Böden sind trocken bis frisch, reagieren sehr stark bis stark sauer (pH-Werte zwischen 2,9 und 4,5) und sind nährstoffarm (Stickstoffgehalte im Mittel zwischen 0,12 % und 0,25 %). Hinsichtlich ihrer Lichtansprüche unterscheiden sich die Flachbärlapp-Taxa erheblich. D. complanatum, D. tristachyum und ihre Hybride D. x zeilleri besiedeln recht heterogene Wuchsorte und sind sowohl an halbschattigen als auch lichtreichen Standorten zu finden (relativer Lichtgenuss meist zwischen 20 % und 80 %). D. alpinum und seine Hybriden D. x issleri und D. x oellgaardii bevorzugen dagegen offene Wuchsorte mit einem relativen Lichtgenuss zwischen 80 % und 100 %.
Die allermeisten Vorkommen von Flachbärlappen sind in Mitteleuropa heute an Sekundärstandorten anthropogenen Ursprungs zu finden. Primärstandorte stellen außerhalb des Alpenraumes die große Ausnahme dar. Die Vergesellschaftung der Flachbärlappe ist gut dokumentiert. Neben verschiedenen von Nadelhölzern dominierten Wald- und Forstgesellschaften (Leucobryo-Pinetum, Cladonio-Pinetum, Vaccinio myrtilli-Piceetum) treten sie in verschiedenen Vegetationstypen des Offenlandes mit lückiger und kurzrasiger Struktur auf (Vaccinio-Callunetum, Genisto anglicae-Callunetum, Violion- und Nardion-Gesellschaften, Festuca nigrescens-Agrostis capillaris-Bestände).
Die Flachbärlappe sind seit Jahrzehnten von einem dramatischen Bestandsrückgang betroffen und werden daher in den meisten nationalen Roten Listen Mitteleuropas als stark gefährdet oder sogar als vom Aussterben bedroht geführt. Hauptgrund ist das fast vollständige Verschwinden ihrer ehemaligen Lebensräume durch Aufgabe traditioneller Nutzungsformen und Änderungen in der forstlichen Bewirtschaftung. Die zunehmende Eutrophierung durch die ständig intensiver werdende Landwirtschaft stellt einen sukzessionsbeschleunigenden Faktor dar und bedingt, dass die Verweildauer eines Bestandes an einem Sekundärstandort ohne pflegende Eingriffe mittlerweile auf maximal 10 bis 15 Jahre gesunken sein dürfte. Allerdings lassen sich die Bestände durch das regelmäßige manuelle Entfernen bzw. Eindämmen pflanzlicher Konkurrenten stützen und ihre Überlebensdauer damit deutlich erhöhen, wie Erfahrungen im Rahmen diverser Artenhilfsprogramme in verschiedenen Teilen Deutschlands gezeigt haben. Auch die Flachbärlapp-Hybriden bilden langlebige und flächig ausgedehnte Klone aus und können fernab einer oder sogar beider Elternarten auftreten. Unabhängig von ihrer noch ungeklärten generativen Reproduktionsfähigkeit verhalten sie sich wie unabhängige Arten und sollten daher naturschutzfachlich auch als solche bewertet werden.
Der starke Rückgang sowie eine hohe internationale Verantwortlichkeit Deutschlands für einige Diphasiastrum-Taxa, speziell für D. x issleri und D. x oellgaardii, zeigen die dringende Notwendigkeit für gezielte Artenhilfsprogramme für diese faszinierende Pflanzengruppe.