Eduard Hubrich war um die letzte Jahrhundertwende Professor fĂŒr Ăffentliches Recht und Kirchenrecht an den UniversitĂ€ten Königsberg (OstpreuĂen) und Greifswald. Die Arbeit beschĂ€ftigt sich mit seinem Leben, seinem Werk und seiner Wirkung auf die Entwicklung des Hochschulrechts im 20. Jahrhundert.
Das TeddybĂ€rkrankenhaus ist ein weltweites Projekt, welches bei Kindern die Angst vor dem Arzt reduzieren soll und einmal im Jahr durch Medizinstudenten in Greifswald durchgefĂŒhrt wird. Da es deutschlandweit zuvor noch keine systematische Studien zu diesem Projekt gab, sollte mit dieser Arbeit herausgefunden werden, wie viel Angst die Kinder vor medizinischen Situationen zeigen und ob diese durch einen Besuch im TeddybĂ€rkrankenhaus reduziert werden kann. AuĂerdem wurde der Einfluss verschiedener Faktoren untersucht. Als Instrument wurde ein fĂŒnfteiliger Bilderfragebogen entwickelt, bei dem typische Situationen (Abhorchen, Zahnarzt, Kind mit Gipsbein, Spritze, Rettungswagen) dargestellt waren. Die EinschĂ€tzung durch die Kinder erfolgte auf einer dreistufigen Teddygesichtsskala. Einige Kinder wurden zusĂ€tzlich mit der etablierten âHospital Fears Rating Scaleâ (HFRS) befragt. Insgesamt 569 Kinder aus 18 KindertagesstĂ€tten und einer Schule in Greifswald wurden zwei Wochen vor dem Besuch im TeddybĂ€rkrankenhaus interviewt. Unmittelbar nach der Intervention durch das TeddybĂ€rkrankenhaus wurden 481 der zuvor befragten Kinder erneut befragt. Die Probanden waren zwischen zwei und acht Jahren alt. âViel Angstâ gaben die meisten Kinder (40%) beim Item âSpritzeâ an. Die meisten Kinder gaben âkeine Angstâ beim Item âAbhorchenâ an (82%). Die HFRS und der Bilderfragebogen korrelierten mĂ€Ăig miteinander. Die AngstausprĂ€gung der Kinder wurde im Wesentlichen durch die innerstĂ€dtische Lage der KindertagesstĂ€tte beeinflusst, sowie dem Geschlecht des Kindes und der Vorbereitung durch die Erzieher. Der Vergleich der beiden Testzeitpunkte ergab, dass die Angst bei 206 von 481 Kindern reduziert und nur bei 149 vergröĂert wurde. Diese Tendenz ist fĂŒr alle Items zu erkennen, fĂŒr das Item âAbhorchenâ war die Reduktion der Angst nach dem Besuch im TeddybĂ€rkrankenhaus statistisch signifikant. Eine multivariate Regression wurde zur Untersuchung der simultanen Auswirkung aller Einflussfaktoren auf die Angstreduktion durchgefĂŒhrt. Als wichtigster Einflussfaktor stellte sich die StĂ€rke der angegebenen Angst bei der ersten Befragung heraus. Weitere Einflussfaktoren stellten sich dagegen im multivariaten Modell als nicht signifikant heraus. Die Ergebnisse zeigen, dass das TeddybĂ€rkrankenhaus die Angst der Kinder reduziert. Zudem bekommen die Kinder im Vorschulalter die Gelegenheit, sich mit den Themen Krankheit und Gesundheit auseinanderzusetzen. Die Ergebnisse sprechen insgesamt fĂŒr eine Ausweitung des Projektes.
Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wurden die von der WHO im Jahr 2003 publizierten Faktoren mit Einfluss auf die nichtmedikamentöse (Bewegungsverhalten, Nikotin- bzw. Alkohol-Konsum, ErnĂ€hrungsanpassung/Reduktion des Körpergewichts) und medikamentöse Therapietreue (Compliance) bei Patienten mit essentieller arterieller Hypertonie u. W. erstmals in der Region Greifswald untersucht. Hauptzielstellung war die Untersuchung der Einflussfaktoren auf die Compliance anhand der von der WHO proklamierten fĂŒnf Dimensionen (sozioökonomisch, therapiebezogen, gesundheitssystembezogen, krankheitsbezogen, patientenbezogen) insbesondere hinsichtlich der âstrikten Complianceâ. Als Nebenfragestellung war zu klĂ€ren, ob die Umstellung auf ein wirkstoffgleiches Medikament wĂ€hrend der Bluthochdrucktherapie die medikamentöse Compliance beeinflusst. Die Ergebnisse sollen einen Beitrag zur Optimierung der Therapie der essentiellen Hypertonie liefern. Die Erfassung der Daten erfolgte in einer Querschnittsstudie (Feldstudie) mittels Fragebogen (RĂŒckgabe ohne Einsicht Dritter; versiegelte Urnen), der nach einem Pretest optimiert wurde. Im Zeitraum vom 03. April 2010 bis zum 11. Januar 2011 wurden in drei allgemeinmedizinischen Praxen in Greifswald insgesamt 150 Fragebögen an Patienten mit manifester essentieller Hypertonie ausgegeben. 101 (67,3 %) wurden zurĂŒckerhalten, davon waren 97 auswertbar. FĂŒr die Mitwirkung der Patienten wurde durch das Praxispersonal sowie ein Informationsplakat geworben. Nach der deskriptiv-statistischen Auswertung und der univariaten Beschreibung der gewonnenen Daten wurden fĂŒr das Verhalten der Patienten bei der nichtmedikamentösen und medikamentösen Therapie (generell sowie nach Umstellung auf ein wirkstoffgleiches Medikament) innerhalb von 6 Score-Systemen die entsprechenden Compliance-Scores gebildet (strikt compliant, partiell compliant und non-compliant). AnschlieĂend erfolgte eine bivariate Datenbeschreibung unter Erstellung der Kreuztabellen mit den entsprechenden Compliance-Scores und die Berechnung der Ăberschreitungswahrscheinlichkeiten (bei Irrtumswahrscheinlichkeit α = 5 %) zur Beurteilung der jeweiligen Nullhypothesen H0. Die Wirkung der Einflussfaktoren auf das Compliance-Verhalten wurde aus der prozentualen Verteilung der strikten, partiellen und Non-Compliance der Studienteilnehmer innerhalb der Items ermittelt. Durch Zusammenfassen der Compliance-Scores âstritkt compliantâ und âpartiell compliantâ zu âcompliantâ sowie von Items bei den Einflussfaktoren in jeweils zwei inhaltlich sinnvoll strukturierte Kategorien wurden Vier-Felder-Kontingenztafeln erstellt, aus denen ĂŒber die VerhĂ€ltnisse der jeweiligen Raten fĂŒr âcompliantâ und ânon-compliantâ (Prevalence Rate Ratios hier als Compliance Rate Ratios) Aussagen zur Beeinflussung der Non-Compliance abgeleitet wurden. Die erhaltenen Ergebnisse werden in Bezug auf das Bewegungsverhalten, das Nikotin- bzw. Alkoholkonsum-Verhalten, die ErnĂ€hrungsanpassung/Reduktion des Körpergewichts als nichtmedikamentöse therapeutische MaĂnahmen und die medikamentöse Therapie diskutiert und Folgerungen fĂŒr mögliche praktische AnsĂ€tze zur Verbesserung des Compliance- Verhaltens gezogen. Bei zehn (71 %) von den 14 untersuchten patientenbezogenen Faktoren wurden im Vergleich zu den anderen Faktoren (sozioökonomisch bzw. krankheitsbezogen: 67 %, gesundheitssystembezogen: 57 % und therapiebezogen: 50 %) am hĂ€ufigsten entsprechende signifikante ZusammenhĂ€nge und deutlich ausgeprĂ€gte Assoziationen gefunden. Im Bereich der nichtmedikamentösen Therapie wird deutlich, dass die Ansatzpunkte fĂŒr eine Optimierung der Bluthochdrucktherapie vor allem bei der Verbesserung des Compliance-Verhaltens bei der ErnĂ€hrungsanpassung und der Reduktion des Körpergewichts, gefolgt vom Bewegungsverhalten und dem Alkohol-Konsum liegen. Das Compliance-Verhalten bei der medikamentösen Therapie im allgemeinen lĂ€sst sich insbesondere ĂŒber die gezielte Ausgestaltung der gesundheitssystembezogenen und der therapiebezogenen Einflussfaktoren verbessern, die wiederum fördernd auf die patientenbezogenen Einflussfaktoren wirken (Vermittlung der Sinnhaftigkeit von therapeutischen MaĂnahmen, Verbesserung der Motivation). Dieser Aspekt betrifft in gleichem MaĂe das Compliance-Verhalten bei der nichtmedikamentösen Therapie. ZusammenhĂ€nge und eine Assoziation in Bezug auf die Compliance bei der medikamentösen Therapie nach Umstellung auf ein wirkstoffgleiches Medikament als Nebenfragestellung der Arbeit wurden vor allem bei den patientenbezogenen Faktoren (Sinnhaftigkeit von therapeutischen MaĂnahmen, Motivation) und therapiebezogenen Faktoren (Abweichungen von der Einnahmevorschrift) aufgefunden. Die Raten der strikten Compliance lagen hier unerwartet deutlich ĂŒber denen der medikamentösen Therapie generell. Auch dieses Ergebnis wird eingehend diskutiert.
In vielen internationalen Studien wurde gezeigt, dass ZahnĂ€rzte besonders gefĂ€hrdet zu sein scheinen, im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung im Laufe ihres beruflichen Arbeitsalltages vermehrt Erkrankungen im Bereich des Muskel-Skelett-Systems zu entwickeln. Diese These sollte im Rahmen einer Studie an Greifswalder ZahnĂ€rzten ĂŒberprĂŒft und ein PrĂ€ventionsprogramm zur Vermeidung solcher Beschwerden an Zahnmedizinstudenten der UniversitĂ€t Greifswald getestet werden. Von 2008 bis 2010 wurden insgesamt 66 Zahnmedizinstudenten aus dem 2. bzw. 9. Semester (N1=45, N2=21) sowie 21 ZahnĂ€rzte der Hansestadt Greifswald (Angestellte der UniversitĂ€tszahnklinik und Niedergelassene) untersucht und befragt. An dem eigentlichen Versuchskollektiv, den 45 Studenten des zweiten Semesters erprobten wir ein PrĂ€ventionsprojekt, welches in den Semesterstundenplan integriert wurde. Das PrĂ€ventionsprojekt umfasste neben einer standardisierten orthopĂ€disch-manualtherapeutischen Untersuchung am Beginn des Projekts, studiumsbegleitende Vorlesungen und Seminare mit einem hohen Praxisanteil. Insbesondere wurden theoretische Grundlagen zur Anatomie und funktioneller ZusammenhĂ€nge vermittelt sowie die korrekte Sitzhaltung bei der zahnĂ€rztlichen Behandlung demonstriert und geĂŒbt. Nach zwei Jahren intensiver Betreuung erfolgte eine Reevaluation der noch verbliebenen 29 Studenten mittels Fragebogen. Nach Auswertung der Fragebögen zeigte sich bereits, dass auch die Greifswalder ZahnĂ€rzte im Vergleich zur deutschen Allgemeinbevölkerung höhere PunktprĂ€valenzen in Bezug auf RĂŒckenschmerzen aufzeigen (43% gegen 35%). Ein statistisch signifikanter Unterschied zwischen den ZahnĂ€rzten und den Zahnmedizinstudenten, wie er international publiziert wird, konnte jedoch nicht nachgewiesen werden. Wir konnten weder einen Einfluss des Alters bzw. der Kollektivzugehörigkeit (p > 0,5) noch der tĂ€glichen Arbeitsdauer in unangenehmer Haltung (p > 0,1) auf die Ausbildung von Verspannungen belegen. In der klinischen Untersuchung zeigten sich bei den ZahnĂ€rzten mehr auffĂ€llige und vor allem mehr hochpathologische Untersuchungsbefunde als bei den Studenten. Signifikant waren dabei vor allem die BewegungseinschrĂ€nkungen im Bereich der LWS, bei den ZahnĂ€rzten insbesondere in der Seitneige (p < 0,003) und im Test nach Schober (p < 0,001). DarĂŒber hinaus konnten weitere auffĂ€llige Befunde bei den ZahnĂ€rzten erhoben werden, allerdings fehlen hier signifikante Unterschiede (z.B. qualitative und quantitative Schmerzentwicklung (p > 0,3)). Im Verlauf des Zahnmedizinstudiums gab das Versuchskollektiv 2010 eine Zunahme der SchmerzhĂ€ufigkeit an (p < 0,04). Bereits im Vergleich der beiden Studentenkollektive 2008 konnte eine Steigerung der SchmerzhĂ€ufigkeit nachgewiesen werden (p = 0,05). Die SchmerzstĂ€rke hingegen zeigte keine statistisch bedeutsame Ănderung im Verlauf des Studiums (p > 0,8). Sowohl die Studenten als auch die ZahnĂ€rzte sehen sich als ĂŒberdurchschnittlich gefĂ€hrdet an, im Bereich der Schulter-Nacken-Region sowie der Hals- und LendenwirbelsĂ€ule Beschwerden zu entwickeln, so dass ein PrĂ€ventionsprojekt einstimmig begrĂŒĂt wurde. Leider mangelt es den Studenten des Versuchskollektives an Compliance und Motivation. Die theoretisch und praktisch vermittelten Inhalte aus den Seminaren und Vorlesungen wurden wĂ€hrend des Studiums von den Studenten bisher nur ungenĂŒgend umgesetzt werden und im Alltag praktisch angewendet. Zusammenfassend konnten wir in dieser Studie, wie auch international mehrfach publiziert, belegen, dass der Berufsstand des Zahnarztes sowohl subjektiv als auch objektiv im Vergleich zur Bundesbevölkerung prozentual hĂ€ufiger an Beschwerden/ Schmerzen im Bereich des Bewegungsapparates leidet. Ebenso zeigte sich, dass der Wunsch nach PrĂ€vention und Schulung bezĂŒglich ergonomischer Sitz- und Arbeitshaltung bereits in der Studentenpopulation vorhanden ist. Eine Fortsetzung dieser PrĂ€ventionsprogramme ist dennoch unbedingt anzustreben.
Verbesserung der ProzessqualitÀt in der prÀhospitalen Notfallmedizin der Hansestadt Greifswald
(2010)
In dieser Arbeit erfolgte eine Untersuchung der QualitĂ€t des in der Hansestadt Greifswald verwendeten Notarzteinsatzprotokolls und der QualitĂ€tssicherung im Rettungsdienst Greifswald durch Analyse der Ăbereinstimmungen der Einsatzprotokolle mit den Daten, die in die EDV-Software Uni Pro eingegeben wurden. 869 Notarzteinsatzprotokolle der Boden- und Luftrettung aus den Monaten MĂ€rz 2002, Oktober 2002 und Oktober 2003 wurden nach 37 Feldern ausgewertet. Die Gesamtauswertung ergab, dass nur 45,3% der Felder ĂŒbereinstimmend dokumentiert und bis zu 38,69% der Felder nicht ausgefĂŒllt wurden. Durch eine Fortbildung konnte der Anteil ĂŒbereinstimmend ausgefĂŒllter Felder von initial 41,42% auf 48,41% erhöht sowie der Anteil nicht ausgefĂŒllter Felder von 38,69% auf 27,35% gesenkt werden. Ein diagnosespezifischer Vergleich bei FĂ€llen mit ACS/MI bzw. TIA/Apoplex zeigte Defizite in der Dokumentation relevanter Parameter. Bei ACS/MI wurden in ĂŒber 98% systolischer Blutdruck und in 96,26% Puls, aber nur in 86,92% SpO2, in 82,24% EKG und in 73% diastolischer Blutdruck ĂŒbereinstimmend dokumentiert. Bei TIA/Apoplex wurden systolischer Blutdruck in 95,5%, Puls in 87,88%, SpO2 in 71,21%, EKG in 77,27% und diastolischer Blutdruck in 70% der FĂ€lle ĂŒbereinstimmend dokumentiert. HĂ€ufig erfolgte keine Dokumentation der Psyche (25,76%) oder der Bewusstseinslage (18,18%). Blutzucker und Pupillenfunktion wurden in 19,7% bzw. 18,18% nicht ĂŒbereinstimmend dokumentiert.
Hintergrund: Die Infektion mit dem Humanen Immundefizienz-Virus (HIV) ist keine tödliche Krankheit mehr [1]. Mit dem Aufkommen der HAART (highly active antiretroviral therapy) im Jahre 1996 und ihrer stetigen Weiterentwicklung hin zur cART (combined antiretroviral therapy) stieg der Behandlungserfolg bei HIV-infizierten Personen drastisch an. Eine Kombination aus unterschiedlichen Wirkstoffklassen machte die Therapie effizienter und verbesserte die LebensqualitĂ€t von HIV-Patienten [92]. Doch obwohl sich die Medikation als gut und wirksam erwiesen hat, ist sie nicht frei von Nachteilen. Die AdhĂ€renz bei der Medikamenteneinnahme ist bei vielen Patienten nicht ausreichend, was unter anderem Nebenwirkungen, sozialen Faktoren, Stigmatisierung und KomorbiditĂ€ten geschuldet ist. Unterschreitet die Medikamenteneinnahme 95 % der verordneten Dosis, besteht die Gefahr von Resistenzbildung, die mit hohen Kosten fĂŒr das Gesundheitssystem und gesundheitlichen Risiken fĂŒr die infizierte Person verbunden ist [4, 10]. Die kontinuierliche Weiterentwicklung der antiretroviralen Therapie hat zu einer deutlichen VerĂ€nderung der AnsprĂŒche an die QualitĂ€t der Versorgung gefĂŒhrt. WĂ€hrend in den Anfangstagen der HIV-Behandlung das Hauptaugenmerk auf die Verhinderung von opportunistischen Infektionen (OI) gelegt wurde, sind inzwischen Aspekte wie die langfristige Virussuppression und die stabile Rekonstitution des Immunsystems die Mindestanforderungen der Therapie. Trotz dieser allgemeingĂŒltigen Ziele gibt es regional unterschiedliche Herausforderungen. Zur unterschiedlichen VersorgungsqualitĂ€t in lĂ€ndlichen und stĂ€dtischen Regionen existieren nur rudimentĂ€re Daten. Ziel dieser Arbeit war, diese Daten prototypisch fĂŒr Berlin und Greifswald zu erheben.
Methoden: Im Rahmen der QualitĂ€tssicherungsvereinbarung zur strukturierten Patientenversorgung nach § 135 Abs. 2 SGB V wurden gemÀà EBM seit 2009 in Berlin sowie in Greifswald Daten HIV-positiver Patienten im Rahmen der Routineversorgung erhoben. Von 43 Patienten in Greifswald konnten 41 mit einer HIV-Erkrankung in unsere Studie eingeschlossen werden. In Berlin umfasste die Ursprungskohorte einer Schwerpunktpraxis 1669 Patienten. Eingeschlossen wurden aufgrund der von uns angelegten Kriterien (Sampling der Berliner Patientendaten nach Alter und Geschlecht) jedoch nur 187 Patienten. Die wichtigsten Ausschlusskriterien waren eine fehlende Einwilligung zur Studienteilnahme sowie ein Lost to follow-up (LTFU) ĂŒber mehr als drei Quartale. Die Auswertung der bizentrischen, nicht interventionellen Korrelationsstudie erfolgte retrospektiv. Der Beobachtungszeitraum betrug fĂŒnf Jahre (01/2009 â 01/2014). Hauptaugenmerk der Datenauswertung wurde auf die Erfassung, den Vergleich und die Herausarbeitung von Gemeinsamkeiten und Unterschieden der demografischen, immunologischen, virologischen, klinischen und therapeutischen Daten der beiden Kohorten gelegt. Die Auswertung erfolgte mithilfe des Statistikprogrammes R (Version 3.2.1). Statistische Signifikanz wurde bei p †0,05 angenommen.
Ergebnisse: Vor DurchfĂŒhrung des Samplings bestanden deutliche Unterschiede hinsichtlich der demografischen Daten in beiden Kohorten. Bei gleichem Altersdurchschnitt (Median Berlin (B): 44,4 Jahre; Greifswald (G): 44,5 Jahre; p = 0,94) war der Anteil HIV-infizierten Frauen in Greifswald deutlich höher (B: 9,4%; G: 22%; p = 0,01), was sich im lĂ€ndlichen Raum auch in einer vergleichsweise geringen Transmissionsrate der HIV-Infektion ĂŒber MĂ€nner, die Sex mit MĂ€nnern haben (MSM) niederschlug (B: 141/187 [75,4%]; G: 17/41 [41,46%]; p = 5,384e-05). Zu Therapiebeginn zeigte sich eine im Median signifikant geringere CD4+ T-Lymphozytenzellzahl in Greifswald als in Berlin (B: 516/”l; G: 266/”l; p < 0,001). Weiterhin hatten in Greifswald mehr Patienten einen Ausgangswert von <200 CD4+ T-Zellen je ”l Blut (B: 12/187 [6,41%]; G: 13/41 [31,7%]; p < 0,001). Ungeachtet dieser unterschiedlichen Ausgangssituationen glichen sich die CD4+ T-Zellzahlen unter cART nach drei Quartalen auf ein einheitlich hohes Niveau an (B: 564/”l; G: 416/”l; p = 0,095). Die Viruslast (VL) lag in Greifswald zu Therapiebeginn nicht signifikant ĂŒber der von Berlin (p = 0,17). Ein Abfall der VL unter cART auf ein Level von < 50 Kopien/ml erfolgte in beiden Kohorten Ă€hnlich schnell (B: 128d; G: 137d; p= 0,8). Von allen 184 bzw. 41 diagnostizierten Patienten wurden in beiden Kohorten > 80 % mit cART versorgt (B: 153/184 [83,15%]; G: 36/41 [87,8%]; p = 0,12). Ein Absenken der VL unter die Nachweisgrenze (NG) gelang in beiden Kohorten bei mehr als der HĂ€lfte der Patienten (B: 115/184 [62,5%]; G: 23/41 [56,09%]; p = 0,085). Die Firstline-Therapie (FL) wurde in Berlin im Median 1127 d und in Greifswald 809 d eingenommen (p = 0,09). Eingesetzte Therapieregime in FL sowie in Secondline (SL) waren in beiden Kohorten weitgehend ĂŒbereinstimmend (FL: p = 0,48; SL: p = 0,08). Therapiewechsel fanden etwa in gleicher HĂ€ufigkeit statt (B: 33,5%; G: 32,1%; p = 0,87), wĂ€hrend die GrĂŒnde fĂŒr einen Therapiewechsel voneinander abwichen (p = 0,0076). Therapieumstellungen fanden in Berlin am hĂ€ufigsten aufgrund einer Therapievereinfachung (Umstellung auf Single-tablet regimen (STR)) oder auf Patientenwunsch statt, wĂ€hrend in Greifswald medikamentenassoziierte Probleme wie Resistenzbildung und das Auftreten von Nebenwirkungen am hĂ€ufigsten als Ursache fĂŒr einen Therapiewechsel benannt wurden. Koinfektionen wie Hepatitis C (HCV) und Hepatitis B (HBV) traten in beiden Kohorten mit gleicher HĂ€ufigkeit auf (p = 1), auch die Anzahl an durchgefĂŒhrten HBV-Impfungen differierte nicht (p = 0,68). Ein RĂŒckgang der OI war nach Beginn mit cART in beiden Kohorten gleichermaĂen zu verzeichnen (p = 0,87).
Diskussion: Die Auswertungen unserer Studie zeigen insgesamt, dass die Versorgung von HIV-infizierten Patienten sowohl in stĂ€dtischen als auch in lĂ€ndlichen Regionen leitlinienkonform durchgefĂŒhrt wird und die QualitĂ€t sehr hoch ist. Dieses Fazit kann gezogen werden, obgleich sich die Patienten aus Greifswald mit ihrer Erkrankung bei Therapiebeginn in einem deutlich weiter fortgeschrittenen Stadium befanden. Die Zahl der CD4+ T-Lymphozyten bei Erstdiagnose bzw. bei Therapiebeginn hat sich dabei als wichtigster Vorhersagewert etabliert, da niedrige Werte in direkter Verbindung mit dem Auftreten von KomorbiditĂ€ten stehen. Ein spĂ€ter Beginn mit cART ist weiterhin direkt mit einer erhöhten MorbiditĂ€t und MortalitĂ€t assoziiert [48, 49], besonders dann, wenn die CD4+ T-Lymphozyten bei Beginn mit cART bereits unter 200/”l abgesunken sind [50,51]. Trotzdem gelingt durch eine leitlinienorientierte und stringente Therapie eine Angleichung der Werte innerhalb kurzer Zeit, was fĂŒr ein hohes Versorgungsniveau auch im lĂ€ndlichen Raum spricht. Zwischen dem Leben im lĂ€ndlichen Raum und einem spĂ€ten Beginn mit cART scheint des Weiteren ein Zusammenhang zu bestehen [52]. Als mögliche Ursachen hierfĂŒr werden verminderte Risikowahrnehmung, gröĂere Stigmatisierung, weniger Diskretion und AnonymitĂ€t, ein geringerer Bildungsgrad sowie ein schlechterer Zugang zu AufklĂ€rungskampagnen und Screening-MaĂnahmen angegeben [52, 54, 55]. Ob diese GrĂŒnde auch fĂŒr Greifswald GĂŒltigkeit besitzen, erfordert weiteren Nachforschungen. Mitverantwortlich fĂŒr die unterschiedlichen Ausgangssituationen könnte des Weiteren sein, dass in Greifswald die Versorgung von HIV-positiven Patienten nicht durch eine Fachabteilung, sondern - aus historischen GrĂŒnden - durch verschiedene Ambulanzen bzw. Klinken mitgetragen wurde. Ein Umstand, der Ende 2014 durch die BetreuungsĂŒbernahme aller HIV-Patienten in die Klinik und Poliklinik fĂŒr Hautkrankheiten der UniversitĂ€tsmedizin Greifswald bereits geĂ€ndert wurde und dessen Effekte es im Nachgang zu evaluieren gilt.
Die cART wurde in beiden Kohorten wirkstoffgleich verordnet, wĂ€hrend die GrĂŒnde fĂŒr Therapiewechsel voneinander abwichen. Am ehesten erklĂ€rbar ist die hĂ€ufige Umstellung der cART auf Patientenwunsch in Berlin dabei durch viele HIV-Schwerpunktpraxen, HIV-Selbsthilfegruppen und AIDS-Treffpunkte in der Hauptstadt, die einen regeren Austausch ĂŒber neue Therapieregime und Möglichkeiten zur Verbesserung bzw. zur Vereinfachung der Therapie ermöglichen.