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Dieses altnordisch-deutsche Wörterbuch gehört nun bereits seit Jahrzehnten zu den Standardwerken der Nordistik und ist bis heute durch kein anderes Nachschlagewerk zu ersetzen.
Den Kern der Sammlung bildet der Wortschatz der Isländersagas und der klassischen Werke der isländisch-norwegischen Geschichtsschreibung, von Aris Isländerbuch und der Sverrissaga bis zur Sturlungasaga; er wird ergänzt durch das Sprachgut der Knytlingasaga und solcher geschichtlicher Erzählungen wie die Jomsvikingasaga, die Orkneyingasaga, die Færeyingasaga und die Grönlandsagas. Eine dritte Gruppe der Quellen bilden die beiden großen Heldenromane des Nordens, Völsungasaga und Thidrekssaga, samt den wichtigsten Fornaldarsagas. Von den lehrhaften und ästhetischen Schriften ist nur die Snorra-Edda berücksichtigt worden. Als zeitliche Grenze für die aufzunehmenden Werke wurde im allgemeinen das Jahr 1300 genommen.
Ein besonderer Vorzug von Baetkes Wörterbuch besteht darin, daß den für die altnordische Sprache besonders charakteristischen Ausdrucksformen breiter Raum gegeben wird, hierzu gehören neben den für bestimmte Wörter typischen Wortverbindungen vor allem die unpersönlichen Ausdrücke und die zahlreichen präpositionalen Fügungen. Die wichtigste Aufgabe seines Wörterbuchs sah Baetke darin, die Bedeutung der Wörter und Wortgruppen möglichst treffend und eindeutig anzugeben. Andere Vermerke sind nur insoweit angebracht, als sie dazu dienen, die Benutzung zu erleichtern. Grammatikalische Angaben und Hinweise auf Wortformen sind auf das Notwendigste beschränkt, auf etymologische Erklärungen wird hier verzichtet.
Neben der Kürze wurde bei der Anlage des Wörterbuchs vor allem Übersichtlichkeit erstrebt. Die alphabetisch geordneten Artikel sind - je nach Wortkategorie - einheitlich aufgebaut. Bei den Verbartikeln sind die Präpositionalverbindungen in einem eigenen Abschnitt zusammengefasst.
Das Standardwerk der nordischen Philologie, das Wörterbuch zur altnordischen Prosaliteratur von Walter Baetke, ist jetzt im Internet kostenfrei zugänglich. Auf das Wörterbuch, das seit dem ersten Erscheinen in den Jahren 1965 bis 1968 bereits sieben Auflagen erlebte, kann über die Internetadresse der Greifswalder Universitätsbibliothek leicht zugegriffen werden.
Professor Dr. Hans Fix-Bonner (Lehrstuhl für Nordische Philologie des Mittelalters und Historische Sprachwissenschaft an der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald) und sein Mitarbeiterteam haben das Wörterbuch, das für das Studium des Altisländischen zentrale Bedeutung hat, jetzt digital aufbereitet und mit Genehmigung der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig der Greifswalder Universitätsbibliothek zur Verwahrung und kostenfreien Verbreitung anvertraut. Dafür wurden dem Faksimile des gedruckten Werkes nicht nur eine neue Einleitung, ein Verzeichnis zu korrigierender Fehler und eine Reihe von Literaturhinweisen beigegeben, sondern auch ein vollständiges Stichwortverzeichnis mit 23.521 Einträgen vorangestellt, in dem der Nutzer maschinell nach einem Wort suchen kann. Wird er fündig, dann ist die Wörterbuchseite, auf der das Stichwort steht, nur einen Mausklick entfernt: So kann das gesuchte Stichwort schon nach Bruchteilen einer Sekunde in seinem Kontext betrachtet werden. Diese Art der Suche ist vor allem für Anfänger und für Nutzer ohne solide Grammatikkenntnisse eine große Hilfe. Baetke hat nämlich - semantisch plausibel - die Komposita in Nestern unter dem jeweiligen Bestimmungsglied in der Grundform angeordnet, obwohl die ausgeprägte Flexion des Altisländischen zu mancherlei Verschiebung im Alphabet führt. Dieses Ordnungsprinzip erschwert Studienanfängern die Wortsuche in der gedruckten Ausgabe des Wörterbuchs mitunter erheblich. Die neue digitale Version des Wörterbuchs aus Greifswald garantiert das sichere Auffinden der gesuchten Stichwörter. (Nach: Pressemitteilung "Baetke im Internet", 13.10.2006, https://idw-online.de/de/news179533)
Im Zuge der bewaffneten christlichen Mission im Baltikum entstanden mehrere historio-graphische Texte, die für die Übermittlung von Nachrichten über die heidnischen Kulturen interessant sind. Meine Dissertation beschäftigt sich mit dem Stellenwert und dem Informationsgehalt derartiger Nachrichten. Das Ziel der Untersuchung besteht darin, ein Bild von der Diskurstechnik der Autoren zu gewinnen und auf diese Weise indirekt einen Beitrag zur Beurteilung des Wirklichkeitsbezuges der Texte zu leisten. Die zentralen Texte der Untersuchung sind die „Chronica Terre Prussie“ von Peter von Dusburg (1326) und „Chronicon Livoniae“ von Heinrich von Lettland (1227). Eine isolierte Betrachtung der ethnographischen Informationen macht wenig Sinn. Es muss vielmehr darauf ankommen, die ethnographische Information im Kontext des Gesamt-berichtes zu würdigen. Hier steht man vor der Schwierigkeit, dass sich ein historiographischer Text des 13. bzw. 14. Jahrhunderts eines Codesystems bedient, das ihn dem naiven Textverständnis verschließt. Sowohl die Austauschbeziehungen (paradigmatische Dimension) als auch die Anreihungsbeziehungen (syntagmatische Dimension) bedürfen einer auf das Gesamtsystem ausgerichteten Analyse, um einerseits die Textnorm zu modellieren, andererseits um relevante Abweichungen zu beschreiben. Für beide Chroniktexte gilt, dass sich sowohl die Struktur als auch das narrative Programm vor dem Hintergrund der pragmatischen Dimension erschließen. Die Konzepte helfen bei der Identifizierung von übergeordneten Einheiten. Beide Chronisten verfassten ihre Texte in einer für ihr Umfeld kritischen Lage. Als Schreibanlass kann man von der Absicht ausgehen, stabilisierend auf das Meinungsbild von Entscheidungsträgern im Inneren der christlichen Semiosphäre einzuwirken. Bei Heinrich von Lettland ist in diesem Zusammenhang der Besuch des päpstlichen Legaten Wilhelm von Modena zu nennen, bei Peter der Rechtfertigungsdruck, dem die übrigen Militärorden nach dem Fall der Templer ausgesetzt waren. Ein Hauptakzent liegt auf der Verbindung zwischen Barbarentypologie und Stellungnahme in innerchristlichen Konflikten. Als Beispiel sollen Information über geplante oder durchgeführte Menschenopfer bei den Heiden genannt werden. Für das Jahr 1191 berichtet Heinrich von Lettland von einem Versuch der Liven, den Missionsprediger Theoderich den heidnischen Göttern zu opfern. Den Kontext des geplanten Menschenopfers bilden juristisch relevante Informationen über Gründungshandlungen durch den Bischof Meinhard (Burgenbau, Erwerb von Grund und Boden, Kirchengründung, Investitur). Im Narrativ steht der Bericht über das versuchte Menschenopfer am Ende des narrativen Bogens in der Position der Evaluierung. In der Logik des Berichtes führen Menschenopfer zwangsläufig zu späterer Bekehrung und Integration in die christliche Semiosphäre. Sicher stellt sich die Frage, ob ein Menschenopfer für die Kultur der heidnischen Liven denkbar ist und ob die Textstelle als Beleg für eine derartige Praxis herangezogen werden kann. Rituelle Tötung, Zerstückelung und Auferstehung sind in einigen Märchen aus dem Baltikum Teil der Transformationen des Helden. Grundsätzlich lässt sich das Vorkommen von Menschenopfern zumindest nicht ausschließen. Viel wichtiger ist jedoch die Funktion, die einer solchen Nachricht im Bericht zukommt. Einmal geht es darum, die Zugehörigkeit der Liven zu dem für die Integration vorgesehenen Barbarentyp zu betonen, zum anderen soll eine Erhärtung und Beglaubigung der juristisch relevanten Information erreicht werden. In derartigen Zusammenhängen besteht der Forschungsgegenstand der vorliegenden Arbeit.
Zusammenfassung Die Förderung der Wundheilung durch pulsierenden Gleichstrom insbesondere bei chronischen Wunden ist ein aktuelles Forschungsthema mit wachsender Bedeutung. Gegenüber Bakterien sind bisher überwiegend bakteriostatische Effekte in vitro und in vivo im Tiermodell nachgewiesen. Das Ausmaß der bakterioziden Wirksamkeit wurde jedoch bisher nicht untersucht. Bei Anwendung des Dermapulse®-Verfahrens wurden die untersuchten Bakterienspecies (Escherichia coli, Staphylococcus aureus, Pseudomonas aeruginosa, Enterococcus faecium, Klebsiella pneumoniae und Staphylococcus epidermidis, MSSE) signifikant (p<0,01) reduziert. Dabei wurde die stärkste Reduktion gegenüber E. coli (mittlerer Reduktionsfaktor 0,8 lg), die geringste gegenüber MSSE (mittlerer Reduktionsfaktor 0,2 lg) ermittelt. Die Reduktion fiel zwischen positiver und negativer Polarität signifikant unterschiedlich aus, wobei die stärkere Wirkung bei positiver Polarität nachweisbar war. Im Vergleich zur mikrobioziden Wirkung eines Antiseptikums ist die bakteriozide Wirkung des pulsierenden Gleichstroms, obwohl sie gegen alle geprüften Bakterien signifikant nachweisbar ist, gering. Auf Grund der biologischen Wirkungen der Elektrostimulation auf die Wundheilung ist jedoch anzunehmen, dass die günstige Wirkung der Elektrostimulation durch deren direkte bakteriozide Wirkung noch verstärkt wird.
Diese Arbeit untersucht experimentell den Einfluss des metastabilen Zustandes Xe(1s3) und des Resonanzzustandes Xe(1s2) auf die VUV-Strahlungserzeugung in Helium-Xenon-Glimmentladungen (He:Xe = 98:2). Für die Bestimmung der Atomdichten wurde eine experimentelle Anordnung geschaffen, mit der, basierend auf der Methode der Laser-Atom-Absorptionsspektroskopie, orts- und zeitaufgelöste Messungen von optischen Dichten im Säulenplasma durchgeführt wurden. Als Hintergrundstrahlungsquelle kam ein durchstimmbarer Diodenlaser zum Einsatz. Die bereitgestellten Laserwellenlängen von 820 nm bzw. 826 nm entsprechen optischen Übergängen zwischen den Xenonzuständen 6s' 1/2[1/2]0 --> 6p' 1/2[3/2]1 (1s3 --> 2p4) und 6s' 1/2[1/2]1 --> 6p' 1/2[1/2]1 (1s2 --> 2p2).
Den Ausgangspunkt der Untersuchungen stellte die Messung der Absorptionslinienprofile beider Nahinfrarot-Übergänge dar. In Abhängigkeit von den Entladungsparametern Gasdruck, Entladungsstrom und Betriebsweise (Gleichstrom-, gepulste und Wechselstromentladung) wurden daraus die Dichten der angeregten Atome auf der Entladungsachse ermittelt. Durch die Analyse des Abklingens der Besetzungsdichten im Afterglow von gepulst betriebenen Entladungen mit Hilfe eines Systems von gekoppelten Ratengleichungen konnten die dominanten Stoßprozesse für die betrachteten Zustände identifiziert werden. Erstmalig ist in dieser Arbeit die radiale Verteilung der angeregten Spezies Xe(1s3) und Xe(1s2) in He-Xe-Glimmentladungen untersucht worden. Damit ist die VUV-Strahlungsleistung der 129 nm-Linie aus der Dichteverteilung der Resonanzatome ermittelbar.
In der vorliegenden Studie wurde die bei der Arthroskopie gewonnene Lavageflüssigkeit von28 Patienten mit unterschiedlich stark ausgeprägter Cranio-Mandibulärer Dysfunktion anfand der Parameter Interleukin-lß (DL-lß), lnterleukin-6 (IL-6) als Marker für die Regulation entzündlicher Vorgänge, Nitrotyrosin (Ntyr) und Peroxidase (PER) als Marker oxidativer Veränderungen N-Acethyl-ß-D-Giucosaminidase und Kollagenase als Marker des Abbaus der Knorpelmatrix sowie Gesamtprotein untersucht. Mit diesen Messungen sollte der Frage nachgegangen werden, ob eine biochemische Analyse der Kiefergelenklavageflüssigkeit zur Differentialdiagnose, Therapiekontrolle und Prognoseverbesserung bei Kiefergelenkerkrankungen beitragen kann. Die Bewertung der Gelenke nach dem klinisch-arthroskopischen Befund konnte durch die biochemischen Resultate nur teilweise bestätigt werden. Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass Kiefergelenke mit Dysfunktion sich unterteilen lassen in Gelenke mit und ohne biochemische Marker einer Entzündung in der Synovialflussigkeit. Die Parameter Eiweiß und Peroxidase erwiesen sich als geeignet, subakut chronische Entzündungen im Kiefergelenk anzuzeigen.
Ziel dieser Arbeit war es, den Einfluss der bioaktiven Wirkstoffe Folsäure und Thiozyanat, separat sowie in Kombination, auf die Skelettentwicklung von LEW.1A-Ratten zu untersuchen. Inbegriffen war die Überprüfung eines protektiven Effektes beider Substanzen bei Fehlbildungsinduktion durch Procarbazin und Methotrexat. Des weiteren galt es, die Knochenreife von Rattenfeten am 21. Tag post conceptionem näher zu charakterisieren. Die normale Emryonalentwicklung der Ratte zeigte am Skelett unterschiedliche Stadien der Knochenreife am 21. Trächtigkeitstag. Die Reifung des Skelettsystems erfolgte von kranial nach kaudal und von proximal nach distal. Die vorderen Extremitдten waren weiter entwickelt als die hinteren Gliedmaßen. Methotrexat führte in der gewählten Dosis zur intrauterinen Resorption aller Feten und war daher für die Beurteilung der Skelettreife ungeeignet. Durch die Procarbazinapplikation am 14. Tag der Gestation wurden nicht alle Skelettbestandteile in ihrer Entwicklung beeinflusst. Lediglich Knochen, die sich um den Zeitpunkt der Procarbazingabe in ihrer sensiblen Entwicklungsphase befanden, wurden in ihrer Reifung und Entwicklung beeintrдchtigt. Aufgrund der abnehmenden Knochenreife von kranial nach kaudal bzw. proximal nach distal ergaben sich an den Knochen der Gliedmaßen mehr sensible Phasen, besonders für die der hinteren Extremität. Die sensible Phase ist nicht identisch mit dem Reifegrad oder dem Entwicklungsstadium. Sie ist spezifisch für jeden Knochen an jedem Tag der Embryonalentwicklung. Die Ergebnisse zeigten keinen protektiven oder antiteratogenen Effekt bei alleiniger Thiozyanat- oder Folsäuregabe. Darüber hinaus beschleunigte die Applikation von Thiozyanat neben einer Procarbazingabe die teratogenen Effekte des Procarbazins. Diese Effekte waren unerwartet und es empfiehlt sich deren Berücksichtigung bei der onkologischen Therapie in der Humanmedizin. Procarbazin ist ein erfolgreiches Medikament bei der Behandlung von Morbus Hodgkin. Es ist zu empfehlen, dass Patienten, welche sich einer Krebstherapie mit Procarbazin unterziehen, nicht unkontrolliert thiozyanatreiche Lebensmittel erhalten.
Wenn Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in ihren Experimenten nicht-hypothesenkonforme Ergebnisse erhalten, können sie daraus nicht sicher schließen, dass ihre Hypothese falsch ist. Dieses Problem ist in der Wissenschaftstheorie unter dem Namen Duhem-Quine-Problem bekannt. In der vorliegenden Arbeit wird untersucht, was Biowissenschaftlerinnen und Biowissenschaftler tun, wenn sie in ihren Experimenten wiederholt nicht-hypothesenkonforme Ergebnisse erhalten. Dazu werden Theorien und Ansätze zum Handlungsabbruch (Janis & Mann, 1977; Brandstätter, 2003), zum Phänomen des escalation of commitment und zu den sozialen Einflussfaktoren wissenschaftlicher Prozesse herangezogen. Eine Interviewstudie mit 13 Biowissenschaftlerinnen und Biowissenschaftlern ergab unter anderem, dass die Bedingungen für die Anwendbarkeit der Theorien zum Handlungsabbruch teilweise gegeben sind und dass nicht-hypothesenkonforme Ergebnisse im wissenschaftlichen Prozess häufig auftreten. In einer Internet-Fragebogenerhebung, an der 112 Biowissenschaftlerinnen und Biowissenschaftlerinnen teilnahmen, wurde mit Hilfe einer semihypothetischen Situation überprüft, welche Faktoren nach einem nicht-hypothesenkonformen Ergebnis mit einem Festhalten an der Hypothese korreliert sind. Signifikante Zusammenhänge ergaben sich hier für die bisher investierte Zeit, für das Votum des Betreuers sowie in einer Untergruppe für die volitionale Voreingenommenheit. Um den Einfluss der Faktoren bisher investierte Zeit und level of completion unter kontrollierten Bedingen zu prüfen, wurde ein Experiment an 157 Biowissenschaftlerinnen und Biowissenschaftlern durchgeführt. Hierbei zeigte sich lediglich für den level of completion ein signifikanter Effekt. Dieses Ergebnis kann auch dahingehend interpretiert werden, dass die absolut noch zu investierende Zeit ausschlaggebend für die Entscheidung der Versuchspersonen ist. Die Ergebnisse der beiden Studien lassen sich auf unterschiedliche Weise integrieren und haben direkte Konsequenzen für die wissenschaftliche Praxis.
Hintergrund: Alkoholassoziierte Morbidität und Mortalität ist ein bedeutender Kostenfaktor im Gesundheitswesen. Daher sind genaue Kenntnisse über den Zusammenhang zwischen Alkoholkonsum und der Inanspruchnahme medizinischer Leistungen von Relevanz für alle Entscheidungsträger im Gesundheitswesen. Studien aus Japan, Kanada, Spanien und den USA zeigen, dass Personen mit riskantem Alkoholkonsum und Personen, die derzeit abstinent leben, seltener medizinische Hilfe in Anspruch nehmen als leichte Alkoholkonsumenten. Ziel dieser Arbeit ist es, diesen beschriebenen U-förmigen oder umgekehrt linearen Zusammenhang in der bundesdeutschen Allgemeinbevölkerung zu bestätigen. Außerdem werden zwei Erklärungsansätze geprüft, welche dem Befund einer höheren Inanspruchnahme medizinischer Leistungen bei abstinent lebenden Personen zugrunde liegen könnten. Methode: Die Daten wurden im Rahmen der Study of Health in Pomerania (SHIP) und des Bundesgesundheitssurvey 1998 (BGS) erhoben und basieren auf Zufallsstichproben der erwachsenen Allgemeinbevölkerung. Die Studienregion der SHIP umfasst die Region Nordost-Vorpommern und erreichte mit N = 4.310 eine Ausschöpfungsquote von 69%. Der BGS umfasste das gesamte Bundesgebiet; N = 7.124 nahmen an der Untersuchung teil (Ausschöpfung 60%). In beiden Querschnittsstudien wurden mittels Fragebögen, computergestützten Interviews und medizinischen Untersuchungen Daten erhoben, welche mit Hilfe multivariabler statistischer Verfahren ausgewertet wurden. Ergebnisse: In der erwachsenen Allgemeinbevölkerung bestand eine höhere Nachfrage medizinischer Leistungen bei abstinent lebenden Personen als bei Konsumenten mit moderatem Alkoholkonsum. Darüber hinaus fand sich ein umgekehrter Zusammenhang zwischen Alkoholkonsum und der Inanspruchnahme medizinischer Leistungen. Zwei Hypothesen für die höhere Inanspruchnahme abstinent lebender Personen wurden untersucht. (1) Ehemalige Risikokonsumenten, die derzeit keinen Alkohol trinken, nahmen mehr ambulante Leistungen wahr als andere Abstinente. (2) Abstinent lebende Personen und Alkoholkonsumenten unterschieden sich hinsichtlich sozialer, lebensstil- und gesundheitsbezogener Risikofaktoren, welche mit einem schlechteren Gesundheitszustand und höherer Inanspruchnahme in Verbindung stehen. Die Berücksichtigung dieser Merkmale als konfundierende Variablen im statistischen Modell verdeutlichte, dass insbesondere alkoholassoziierte Erkrankungen, welche bei Abstinenten häufiger auftraten, für den Befund einer höheren Inanspruchnahme abstinenter Personen verantwortlich sind. Diskussion: Angesichts der vorliegenden Ergebnisse muss davon ausgegangen werden, dass die in internationalen Studien gefundene höhere Inanspruchnahme medizinischer Leistungen auf unberücksichtigte konfundierende Variablen sowie auf eine Fehlklassifikation der ehemaligen Risikokonsumenten zurückzuführen ist. Dieser Befund ist auch für die wissenschaftliche Evidenz zum protektiven Effekte des moderaten Alkoholkonsum von Relevanz, weil in den meisten Studien Konfundierung und Fehlklassifikation bei der Datenanalyse nicht ausreichen Berücksichtigung gefunden haben.
Das Rauchen von Frauen nach der Schwangerschaft birgt erhebliche gesundheitliche Risiken für die Mutter und das Neugeborene. Die Hälfte der Frauen stellt in der Schwangerschaft das Rauchen ein. Jede zweite dieser Frauen raucht innerhalb von sechs Monaten nach der Geburt wieder. Ziel der vorliegenden Arbeit war es, die Umsetzbarkeit und Wirksamkeit eines Beratungskonzeptes zur Förderung des Nichtrauchens, das auf der Grundlage des Transtheoretischen Modells der Verhaltensänderung (TTM) entwickelt wurde und sich proaktiv an Frauen nach der Geburt richtet, zu untersuchen. Im Einzelnen wird den Fragen nachgegangen a) inwieweit Frauen, die vor oder während der Schwangerschaft geraucht haben, nach einer Geburt durch einen proaktiven Interventionsansatz erreicht werden, b) ob bei Frauen, die während der Schwangerschaft das Rauchen eingestellt hatten, nach der Geburt eine Absicht besteht, wieder mit dem Rauchen zu beginnen, und c) wie wirksam das Beratungkonzept hinsichtlich der Verringerung des Raucherinnenanteils und hinsichtlich von TTM-Variablen, u.a. Selbstwirksamkeit, ist. Die Daten zur Bearbeitung der Fragestellungen wurden im Rahmen der Studie „Rauchentwöhnung und Rückfallprophylaxe bei Frauen post patum“ erhoben. Die Stichprobe umfasste 644 Frauen, die vor der Schwangerschaft geraucht hatten. Sie wurden über ein systematisches Screening auf sechs Geburtsstationen in Mecklenburg-Vorpommern rekrutiert und randomisiert der Interventions- oder Kontrollgruppe zugeteilt. Die Intervention bestand aus Selbsthilfebroschüren, einem persönlichen Beratungsgespräch vier Wochen nach der Geburt und zwei telefonischen Nachberatungen. Die Kontrollgruppe erhielt nur Selbsthilfebroschüren. Die Erstbefragung zum Rauchverhalten, zu Konstrukten des TTM und zur Soziodemographie erfolgte vier Wochen nach der Geburt. Zu den Nachbefragungen wurden nach sechs Monaten 566 (88%) Frauen, nach 12 Monaten 529 (82%), nach 18 Monaten 490 (76%) und nach 24 Monaten 483 (75%) Frauen erneut erreicht. Die Datenauswertung umfasste querschnittliche Beschreibungen des Rauchverhaltens sowie der Verteilung von Stadien der Änderungsbereitschaft im Sinne des TTM und multivariate statistische Verfahren, wie Logistische Regressionen und Strukturgleichungsverfahren, für die Bearbeitung längsschnittlicher Fragestellungen. Es zeigte sich eine hohe Bereitschaft der Frauen, an einer Beratung zum Rauchen teilzu-nehmen. Dabei befanden sich 38% der Frauen im Stadium der Absichtslosigkeit, das Rau-chen aufzugeben und 43% der Frauen waren bereits seit mehr als sechs Monaten abstinent. Etwa 13% der Frauen, die zum Zeitpunkt der Erstbefragung abstinent waren, berichteten eine Absicht, wieder mit dem Rauchen zu beginnen. Während 77% dieser Frauen inner-halb eines Jahres wieder rauchten, betrug die Rückfallrate bei Frauen ohne Absicht zum Wiedereinstieg 45%. Die Absicht, wieder zu rauchen war der bedeutsamste Prädiktor für einen Rückfall (odds ratio 3,7; 95%-Konfidenzintervall: 1,51 – 9,01). Sechs Monate nach der Geburt war in der Interventionsgruppe ein geringerer Raucherinnenanteil als in der Kontrollgruppe nachweisbar (44% vs. 32%; Chi2 = 8,37; df = 1; p = 0,004). Zu den späteren Erhebungszeitpunkten fanden sich keine Effekte zugunsten der Intervention. Im Struktur-gleichungsverfahren zeigte sich, dass die Zugehörigkeit zur Interventionsgruppe die Abs-tinenz und eine höhere Selbstwirksamkeit nach sechs Monaten, jedoch nicht nach 12 Mo-naten vorhersagte. Die vorliegende Studie zeigt, dass durch ein proaktives Beratungsangebot zur Förderung des Nichtrauchens die Mehrheit der betroffenen Frauen erreicht werden kann, insbesondere diejenigen, die von den in Deutschland bislang üblichen Interventionsange-boten nicht profitieren. Die generell hohen Rückfallraten unterstreichen die Notwendigkeit verstärkter Bemühungen um Präventionsangebote für Frauen, die in der Schwangerschaft das Rauchen eingestellt hatten. Dabei kann die Absicht, wieder mit dem Rauchen zu be-ginnen, hervorragend genutzt werden, um Beratungsinhalte an die individuellen Bedürf-nisse der Frauen anzupassen. Sofern das Beratungskonzept konsequent und systematisch umgesetzt wird, kann es effektiv zur Verringerung der Raucherraten und damit zur Ver-meidung gesundheitlicher Risiken bei Müttern und ihren Neugeborenen beitragen. Diese Erkenntnisse sind von grundlegender Bedeutung, da sie die Forderung nach Präventions-konzepten für diese Zielpopulation erheben lassen, in denen die Initiative zur Beratung von den Beratern selber ausgeht und in denen systematisch an alle Frauen das Beratungs-angebot herangetragen wird (proaktiver Ansatz). Zudem können Berufsgruppen, die mit der medizinischen und psychosozialen Versorgung der Frauen betraut sind, auf ein Bera-tungskonzept zurückgreifen, dass leicht erlernbar und effektiv umsetzbar ist.