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JĂ€hrlich erkranken in Deutschland mehr als 70 000 Menschen an einem Kolorektalen Karzinom (KRK). Es ist damit einesder hĂ€ufigsten Malignome in Deutschland. Die Prognose einer am KRK erkrankten Person ist stark abhĂ€ngig vom Stadium des Tumors zum Zeitpunkt der Entdeckung. Eine frĂŒhzeitige Diagnosestellung ist entscheidend fĂŒr den gesamten weiteren Verlauf. Aufgrund der hĂ€ufig langen Symptomlosigkeit des KRK sind FrĂŒherkennungsuntersuchungen daher von besonderer Bedeutung. Eine Methode, die sich in den letzten Jahren als Goldstandard etabliert hat, ist die Koloskopie. Seit Oktober 2002 gehört sie in Deutschland zu den von den Krankenkassen finanzierten Screeninguntersuchungen. Die besondere Bedeutung der Koloskopie steht im Zusammenhang mit der Pathogenese des KRK. Ein GroĂteil aller KRK entsteht aus zunĂ€chst gutartigen Epitheldysplasien, den Adenomen. Mit Hilfe der Koloskopie können KRK sowie Adenome erkannt und Adenome durch eine in derselben Sitzung mögliche Polypektomie entfernt werden. Das KRK kann so nicht nur frĂŒhzeitig diagnostiziert, sondern bereits seine Entstehung verhindert werden. Bis zum Jahr 2007 nahmen rund 2,9 Mio. der Berechtigten eine Screeningkoloskopie in Anspruch. Die kumulierten Teilnahmeraten der Jahre 2002 bis 2007 lagen bei 14,2 % (MĂ€nner) bzw. 15,8 % (Frauen).Angesichts dieser nur geringen Teilnahmeraten stellte sich die Frage nach den Ursachen der eingeschrĂ€nkten Inanspruchnahme. In vorliegender Studie wurden die GrĂŒnde und beeinflussenden Faktoren der Nicht-Inanspruchnahme mit Hilfe qualitativer Methodik untersucht. Erhebungsinstrumente waren ein halbstrukturiertes Interview auf Grundlage eines Interviewleitfadens sowie ein ergĂ€nzender Fragebogen zu demographischen Merkmalen. Inhaltlich stĂŒtzte sich der Leitfaden auf den Health Action Process Approach (HAPA)- eines von Ralf Schwarzer entwickelten Modells zur ErklĂ€rung von VerhaltensĂ€nderungen. Entscheidend fĂŒr dieses Modell ist die Unterteilung einer VerhaltensĂ€nderung in zwei Phasen. In der zunĂ€chst ablaufenden Motivationsphase kommt es durch EinflĂŒsse der Risikoerwartung, Selbstwirksamkeitserwartung sowie Handlungsergebniserwartung zur Bildung einer Intention, die in der anschlieĂenden Volitionsphase in die entsprechende Handlung umgesetzt wird. Bei Erstellung des Interviewleitfadens lag ein besonderes Augenmerk auf den beeinflussenden Faktoren der Motivationsphase. Einen Schwerpunkt bildete dabei die Handlungsergebniserwartung mit Erfragung von konkreten Barrieren und Vorteilen. Die Selbstwirksamkeitserwartung wurde auĂerdem in dem ergĂ€nzenden Fragebogen erfasst. Die Befragungen fanden in Hausarztpraxen in der lĂ€ndlichen Umgebung von Greifswald, im UniversitĂ€tsklinikums Greifswald sowie in Privathaushalten in der Umgebung von Dresden statt. Insgesamt wurden 60 Personen interviewt, 50 Interviews wurden in die Auswertung einbezogen. Eingeschlossen wurden Personen ab 55 Jahren ohne KRK in der Eigenanamnese, bei denen noch keine Koloskopie durchgefĂŒhrt worden war. Bis auf eine Person befanden sich alle Interviewteilnehmer bezĂŒglich einer Koloskopieteilnahme in der Motivationsphase oder hatten sich noch nicht mit der Screeningkoloskopie auseinander gesetzt. Die GrĂŒnde der geringen Teilnahme sind daher in erster Linie im Zusammenhang mit prĂ€intentionalen Faktoren zu suchen. Dabei zeigte sich eine insgesamt hohe allgemeine Selbstwirksamkeitserwartung, wĂ€hrend die Risikoerwartung der Interviewteilnehmer gering war. Bei den konkret genannten Barrieren spielten vor allem emotional-kognitive Faktoren eine Rolle. Organisatorische Hindernisse wurden als weniger bedeutsam empfunden. Die mit Abstand am hĂ€ufigsten erwĂ€hnte Barriere war âSymptomlosigkeitâ, gefolgt von âVerdrĂ€ngungâ, âunangenehme Untersuchungâ, âSorge/Angst vor dem Ergebnisâ sowie âkeine Arztempfehlungâ. Vorteile der Untersuchung wurden deutlich weniger genannt, wobei âBeruhigungâ und âWissenâ im Vordergrund standen. Der Hauptvorteil der Koloskopie, die Verhinderung des KRK durch Polypektomie, wurde von keinem der Befragten erwĂ€hnt. Insgesamt wiesen sowohl die konkreten Barrieren als auch die Antworten auf die Fragen zum KRK und der Koloskopie sowie die genannten Vorteile auf einen unzureichenden bzw. falschen Wissensstand hin. DarĂŒber hinaus waren wĂ€hrend der Interviews deutliche VerdrĂ€ngungstendenzen durch eine automatische Assoziation der Koloskopie mit Tabuthemen wie Krankheit und Tod zu verzeichnen. Zusammenfassend findet sich mit der vorliegenden Stichprobe eine Personengruppe mit gröĂtenteils fehlender Intention bezĂŒglich einer Teilnahme an einer Screeningkoloskopie, womit eine wichtige Voraussetzung fĂŒr eine Handlung nicht gegeben ist. Als HauptgrĂŒnde der fehlenden Intentionsbildung sind dabei Faktoren im Zusammenhang mit einem unzureichenden Wissensstand sowie VerdrĂ€ngungstendenzen zu sehen.