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Die Gruppe der solute carrier (SLC) Transportproteine hat 396 Mitglieder unterteilt in 53 Familien. Die Familie SLC35 fasst die Nukleosidzucker-Transporter zusammen. Einer der Mitglieder ist SLC35F1. Die Funktion von SLC35F1 ist bislang unbekannt, jedoch konnte gezeigt werden, dass SLC35F1 mRNA im Gehirn und der Niere stark exprimiert wird.
Das Ziel dieser Arbeit war es, die Lokalisation und Funktion von SLC35F1 im murinen Gehirn genauer zu charakterisieren. Hierfür wurden an Schnitten muriner Gehirne Immunfluoreszenzfärbungen durchgeführt. Im Anschluss erfolgte eine quantitative Analyse des Verteilungsmusters in verschiedenen Hirnarealen. Weiterhin sollte die subzelluläre Lokalisation von SLC35F1 geklärt werden. Hierfür wurden die Glioblastomazellen der Reihe U251-MG genutzt. Diese wurden mit einem t-grün-fluoreszierenden Protein (GFP) gekoppelten SLC35F1 Plasmid transfiziert. Mit den transfizierten Zellen wurden Lokalisationsstudien sowie in vivo Beobachtungen durchgeführt.
Diese Arbeit konnte zeigen, dass es sich bei SLC35F1 um ein neuronenspezifisches Protein handelt. Es wird im ZNS ubiquitär exprimiert. Auf subzellulärer Ebene scheint SLC35F1 im Gegensatz zu den meisten Nukleosidzucker-Transportern nicht im ER oder Golgi-Apparat vorzukommen. Stattdessen scheint SLC35F1 mit dem recycling Endosomenmarker Rab11 assoziiert zu sein. In diesem Kontext kann spekuliert werden, dass SLC35F1, vermittelt über Rab11, an verschiedenen Prozessen, die die neuronale Plastizität und die Bildung von LTP und dendritischen Dornen beeinflussen, beteiligt ist. Auch erscheint ein Einfluss auf die neuronale Entwicklung und die Entwicklung von Störungen wie der pädiatrischen Epilepsie möglich. Die genaue Funktion von SLC35F1 bleibt jedoch weiterhin ungeklärt.
Chronic alcohol abuse is one of the most common addictions and one of the most substantial public health problems as it affects millions of people physically as well as mentally around the world. Globally more than 3 million deaths are assignable to alcohol intake each year. Chronic alcoholism is a multi-component disease and its development is associated with both environmental as well as genetic factors. However, the key mechanisms underlying an addiction, especially on a cellular and physiological basis, are still unknown. Bio-medically an influence of chronic alcohol consumption on synaptic plasticity in the brain of humans as well as rodents has been proven.
On the dendritic shaft of nervous brain cells, small membrane protrusions called dendritic spines can be found. These spines possess the capacity to change their morphology and quantity and are thought to play an important role in learning and memory forming, and seem to be impaired in multiple neurological disorders. These dynamics are called synaptic plasticity. Most of these studies however, were carried out on the cortex. These previous observations raise the question whether such alterations in synaptic plasticity can also be observed in regions of the brain that contribute to the limbic system and therefore to the processing of emotional responses, learning and decision making. The amygdala is of special interest when trying to understand the neurobiology and pathophysiology that lead to the emergence and up keeping of an alcohol addiction. In this thesis a closer look has been taken at possible alterations in synaptic plasticity within different amygdaloid nuclei by the help of a rat model. These rats were put into the so called postdependent state, one of the most common animal models to investigate excessive ethanol intake in rodents. The postdependent state is a model in which the key driving force to obtain alcohol as part of a preserved addiction cycle is based on negative affect. Studies showed differences in the behavioural outcome of those animals that were exposed to chronic intermittent alcohol consumption compared to a control group, so it was of special interest to see whether those behavioural changes also show on a cellular basis.
In the study, a morphological comparison of the spine length as well as the spine density of alcohol dependent rats with a comparable control group has been made. The medial, the central, the lateral and the basolateral amygdaloid nucleus were of special interest in this research project.
The results showed no significant difference of the spine densities in any of the four amygdaloid regions. When comparing the spine morphology within the ethanol and the control group, differences showed in the lateral amygdaloid nucleus. In this region the spines of the ethanol group were significantly smaller. This leads to the conclusion that chronic alcohol intake can have an influence on the spine morphology and hence alter anatomical brain structures.
Leda-1 ist ein 2010 entdecktes Transmembranprotein, das im neuronalen Gewebe exprimiert
wird. Bis zum jetzigen Zeitpunkt identifizierte Interaktionspartner sind PILRα und GABABRezeptor-
Komplexe. 2016 wurde bei einem Kleinkind eine homozygote Defizienz des
entsprechenden Gens festgestellt. Der Junge wies Dysmorphien und eine allgemeine
Entwicklungsstörung auf. Ziel dieser Arbeit ist es, Auswirkungen der Defizienz von Leda-1
im Mäusegehirn unter neuroanatomischen Gesichtspunkten zu erfassen und zu bewerten.
Die Mäusegehirne wurden makroskopisch auf Gewicht und Volumen und mikroskopisch
anhand immunhistochemisch gefärbter Hirnschnitte untersucht. Die Färbung erfolgte mit
CNPase- und GFAP-Antikörpern sowie DAPI als Gegenfärbung. Die Schichtdicken
ausgewählter Bereiche des Neocortex’, des Hippocampus und verschiedener Fasertrakte
wurden vermessen und die Astrozytendichte der CA1-Region des Hippocampus wurde
bestimmt. Zur Untersuchung der adulten Neurogenese wurden als Marker Progenitorzellen
in der subgranulären Zone des Gyrus dentatus gezählt. Anhand von In-situ-
Hybridisierungsbildern wurde das Vorkommen von Leda-1 im Mäusegehirn beschrieben.
Das Gewicht der KO-Gehirne wies keinen Unterschied zur Kontrollgruppe auf. Das
Volumen war leicht erhöht. Im Stratum moleculare und im Stratum granulare des Gyrus
dentatus wurden signifikant geringere Schichtdicken bei den KO-Tieren gemessen. Die
Astrozytendichte war im untersuchten Bereich bei KO-Tieren vermindert. Die adulte
Neurogenese wies keinen messbaren Unterschied auf. Die Auswertung der In-situ-
Hybridisierungsbilder zeigte eine weit verbreitete Expression von Leda-1 in Neuronen des
gesamten Gehirns. Besonders stark stellte sich die Expression in den Purkinjezellen des
Kleinhirns dar.
Die Defizienz von Leda-1 bewirkt verschiedene neuroanatomische Veränderungen. Die
verringerten Schichtdicken könnten auf eine alterierte Zellzusammensetzung
zurückzuführen sein. Der Einfluss von Leda-1 auf die Astrozyten kann als Wirkung auf das
Immunsystem interpretiert werden. Wahrscheinlich beeinflusst Leda-1 auch die adulte
Neurogenese. Die makro- und mikrostrukturellen Veränderungen des Mäusegehirns, die
Wirkung auf das Immunsystem und die adulte Neurogenese sowie eine mögliche
Verbindung zur Autismus-Spektrum-Störung bleiben Thema zukünftiger Forschung.
Alkohol liegt nach Tabak und Bluthochdruck an dritter Stelle der Risikofaktoren für Krankheit und vorzeitigen Tod in Europa. Häufig ist der zu starke Alkoholkonsum durch eine Alkoholabhängigkeit bedingt, die für die Betroffenen nur sehr schwer zu überwinden ist. Dies ist unter anderem dadurch begründet, dass der Effekt der bisher angewendeten Therapiemaßnahmen zur Bekämpfung dieser Sucht sehr limitiert ist. Um neue und bessere Therapien zu entwickeln, gilt es zunächst, das Verständnis für die Prozesse und Zusammenhänge, die für die Suchtentwicklung maßgeblich sind, zu verbessern. Eine große Rolle spielt dabei das zentrale Nervensystem des Menschen.
In dieser Arbeit wurden bestimmte Gehirnregionen, bei denen ein bekannter Zusammenhang zur Entwicklung einer Sucht besteht, auf Veränderungen durch Alkoholabhängigkeit untersucht. Dazu wurden Ratten zunächst durch chronisch-intermittierende Alkoholexposition in eine Alkoholabhängigkeit geführt, anschließend die Gehirne entnommen und mittels Golgi-Imprägnation eingefärbt. Nachfolgend wurden Nervenzellfortsätze (Dendriten) und ihre Eintrittspforten für Informationen (Dornen/Spines) aus Gyrus cinguli, Nucleus accumbens und Infralimbischem Kortex mittels Lichtmikroskopie dreidimensional aufgenommen und am Computer rekonstruiert. Diese Rekonstruktionen wurden dann auf Spinedichte (Spines/μm Dendritenlänge), Spinelänge und Spinedurchmesser analysiert. Hierbei wurde eine signifikant höhere Spinedichte im Gyrus cinguli und eine signifikant niedrigere Spinedichte im Nucleus accumbens der alkoholexponierten Tiere im Vergleich zur Kontrollgruppe festgestellt. Alle anderen Analysen ergaben keine Auffälligkeiten.
Die Erkenntnisse dieser Arbeit geben einen Einblick in die neuroplastischen Veränderungen, die durch Alkoholexposition hervorgerufen werden und unterstreichen die Relevanz von Gyrus cinguli und Nucleus accumbens für die Suchtentwicklung. Eine eindeutige Interpretation der Ergebnisse ist beim aktuellen Kenntnisstand nicht möglich, jedoch wird das Verständnis für den Gesamtzusammenhang der multifaktoriellen Alkoholabhängigkeit durch diese Arbeit verbessert.
Weltweit leiden 4,4% der Weltbevölkerung an einer Depression. Das variable Erscheinungsbild dieser Erkrankung erschwert deren Erforschung. Dass ein besseres Verständnis und die Entwicklung optimaler Therapiemöglichkeiten dieser Erkrankung sehr wichtig sind, zeigen die starke Einschränkung des gesamten Lebensalltags Betroffener (DALYs) und auch die hohe Suizidalität. Es existieren verschiedene ätiologische Theorien zur Depression, wie zum Beispiel die Monoaminmangel-Hypothese, die auf einen Mangel an Neurotransmittern im synaptischen Spalt und deren sekundären Effekte beruht. Neuroendokrine Theorien verweisen auf einen Hyperkortisolismus mit Störung der HPA-Achse und eine Stress-bezogene Ätiologie. Ein andauernder Hyperkortisolismus führt laut der Neutrophin-Hypothese zu Neurotoxizität, zu einer verminderten Neurogenese, Atrophie und Volumenminderung. Bildmorphologische Untersuchungen mittels PET-CT oder fMRT verweisen auf strukturelle und funktionelle Veränderungen bestimmter Hirnregionen bei depressiven Probanden. Auf zellulärer Ebene kann eine veränderte Zellaktivität mittels immunhistochemischer Methoden wie der C-Fos-Färbung dargestellt werden.
Für die vorliegende Untersuchung wurden Hirne von 8 männlichen Ratten untersucht, die zuvor einen Verhaltensversuch der Erlernten Hilflosigkeit zugeführt wurden. Dieser von M. Seligman entwickelte Verhaltensversuch gilt als tierexperimentelles Modell der Depressionsforschung. Durch Selektion wurden Tiere mit angeborener Erlernter Hilflosigkeit gezüchtet (congenitally Learned Helplessness, cLH) und von nicht-hilflosen Tieren unterschieden (congenitally Non Learned Helplessness, cNLH). Tiere mit Erlernter Hilflosigkeit zeigen ein mit dem Menschen vergleichbares depressives Verhalten.
Die Rattenhirne von je 4 cLH- und cNLH-Tieren wurden mit indirekter Immunhistochemie auf ihre C-Fos-Expression untersucht. Dabei wurden die Hirne in 40 μm dicke Scheiben geschnitten und nach Anwendung eines standardisierten Färbeprotokolls 11 Hirnregionen unter Rhodaminfilter mikroskopiert. In einem 200 x 200 μm großen Rahmen wurden die C-Fos-positiven Zellen ausgezählt. Im Vergleich der cLH und cNLH-Hirne ergab sich hierbei eine signifikant geringere C-Fos-Expression der cLH-Tiere in der hippocampalen Regionen CA1 und CA3, dem medialen und centralen Amygdalakern und der Substantia nigra. Kein signifikanter Unterschied fand sich in den hippocampalen Regionen CA2 und dem Gyrus dentatus, dem basolateralen und lateralen Amygdalakern, dem Nucleus accumbens und dem prälimbischen Kortex. Die signifikanten Ergebnisse verweisen auf eine Hypoaktivität bei Depression in bestimmten Hirnregionen. Eine Hypotrophie und Hypoaktivität bestimmter Regionen (z. B. dem Hippocampus) wurde bereits in weiteren Studien beschrieben, während in anderen Regionen (z.B. den Amygdalakernen) eher Hyperaktivität vorbeschrieben wurde. Zusammenfassend konnte gezeigt werden, dass in einigen Hirnregionen eine verminderte Aktivität in Zusammenhang mit der depressiven Erkrankung steht.
In dieser Arbeit wurde der Einfluss von zwei Angiotensin (1-7) Derivaten TXA301 und TXA302 im Vergleich mit einer Placebo behandelten Kontrollgruppe einer Rattenpopulation mit mittels vorübergehendem Verschluss der Arteria cerebri media (tMCAO) herbeigeführtem Schlaganfall auf die adulte Neurogenese durch Immunfluoreszenzfärbungen untersucht. Beide Derivate, TXA301 und TXA 302, und damit Angiotensin (1-7) haben einen Einfluss auf die adulte Neurogenese, was sich anhand der gegenüber der Kontrollgruppe erhöhten Doublecortin Zahlen beweisen lässt. Diese Neurone scheinen im Fall von TXA301 weniger gut zu überleben wie solche, die mit TXA302 behandelt wurden. Ebenfalls besteht ein messbarer Einfluss auf die Zellteilungsrate 21 Tage nach Applikationsende, da mehr phosphorylierte-Histon-H3 positive Zellen gemessen werden konnten. Die Mikroglia Aktivität wurde durch Angiotensin (1-7) ebenfalls beeinflusst, wie sich in der ionisierten-kalziumbindendes-Adaptermolekül-1 Färbung zeigen ließ. Somit ist die Beeinflussung der adulten Neurogenese nach einem ischämischen Schlaganfall durch die Angiotensin (1-7) Derivate anzunehmen und sollte in größeren Studien weiter untersucht werden.
Staufen2 ist ein mRNA-bindendes Protein (RBP), das in Säugetieren vor allem cerebral exprimiert wird und an der neuronalen Plastizität innerhalb des Hippocampus beteiligt ist. RBPs spielen dabei eine wichtige Rolle in der strengen örtlichen und zeitlichen Regulation der neuroplastischen Vorgänge.
Ziel dieser Arbeit war es, die Auswirkungen eines Knockdowns von Staufen2 auf die Morphologie von Dendriten und dendritischen Dornen im Hippocampus der Ratte erstmalig in-vivo zu untersuchen. Als Grundlage dienten transgene Ratten, in denen durch Tamoxifen-Injektion ein RNA-Interferenz-Mechanismus zum Knockdown von Staufen2 aktiviert werden konnte. Die maximale Wirkung zeigte sich in der CA1-Region des Hippocampus, die in der Folge zum Gegenstand der weiteren Untersuchungen genutzt wurde. Mithilfe der Golgi-Cox-Silberimprägnierung konnte gezeigt werden, dass die Spinelänge und die Spinedichte in der apikalen CA1-Region in den Knockout-Tieren signifikant geringer waren. In den basalen Anteilen sowie bei der Morphologie des Dendritenbaums waren keine signifikanten Unterschiede nachweisbar. Andere Arbeitsgruppen konnten zeigen, dass diese Tiere Defizite im räumlichen Arbeitsgedächtnis sowie im räumlichen und zeitlichen Assoziationsgedächtnis haben. Der Grund hierfür könnte darin liegen, dass das normalerweise ausgewogene Verhältnis zwischen LTP und LTD zugunsten der LTP verschoben erscheint.
Mit seiner Funktion als RBP und einer Assoziation der LTD scheint Staufen2 eine Rolle in der späten, proteinsynthese-abgängigen Phase der LTD zu spielen, wobei die genauen Funktionsweisen des Proteins weiterhin nicht vollständig verstanden sind. Neben Staufen2 gibt es einer Reihe weitere RBPs mit wichtigen Funktionen innerhalb der neuronalen Plastizität. Einige davon sind mit schweren neurologischen Krankheitsbildern wie dem Fragilen-X-Syndrom, AutismusSpektrum-Störungen, amyotropher Lateralsklerose und frontotemporaler Demenz assoziiert. Ein besseres Verständnis der RBPs im Allgemeinen und von Staufen2 im Besonderen kann somit zukünftig zu einem besseren Verständnis von Lernen und Gedächtnis sowie der Pathogenese schwerer neurologischer Erkrankungen beitragen und möglicherweise auch zu neuen Therapiemöglichkeiten führen.
Im Jahr 2002 wurde bei einer stark mental retardierten Patientin im Rahmen einer Genanalyse ein Strangbruch am kurzen Arm des dritten Chromosoms festgestellt. Das davon betroffene Gen codiert für ein bis dahin unbekanntes Protein, welches als srGAP3 / MEGAP / WRP benannt wurde. Es gehört zur Familie der Rho-GTPasen aktivierenden Proteine. Diese Rho-GTPasen nehmen über verschiedene Signaltransduktionsketten Einfluss auf die Wegfindung, Differenzierung und Verknüpfung von Neuronen während ihrer Entwicklung.
Mit Hilfe eines Knockoutmausmodells konnten in vorangegangenen Forschungsarbeiten starke Veränderungen der Gehirnarchitektur, sowie Schichtverdickungen im Bereich des Hippocampus‘ festgestellt werden. Die Beziehung von srGAP3 zu den Rho-Proteinen und den damit entstehenden Einfluss auf die neuronale Entwicklung ließ den Hippocampus als Region der adulten Neurogenese in den Fokus der Forschungsarbeit rücken.
Die durchgeführten Untersuchungen erfolgten im srGAP3-Knockoutmausmodell mittels Kleintier-MRT, Golgi-Imprägnierung und immunhistochemischen Färbungen (gegen Doublecortin und Phosphohiston 3).
In den Ergebnissen konnte durch den srGAP3-Knockout zwar eine Volumenzunahme des Hippocampus‘, jedoch weder eine signifikante Veränderung der Neuronenanzahl, der Neuronenmorphidität, noch der Spinedichte oder der Spinelänge im Hippocampus festgestellt werden.
Als Erklärung der präsentierten Ergebnisse und möglicher neuer Forschungsansatz wäre die These einer Zunahme an kortikalen Neuronen, welche in den Hippocampus projizieren, denkbar. Dieser Anstieg könnte sowohl eine faserbedingte Volumenzunahme, die gleichzeitig fehlenden neurostrukturellen Veränderungen im Hippocampus, als auch die milden verhaltensbiologischen Auffälligkeiten in den bisher durchgeführten Tests erklären. Die Untersuchung der Tiere in komplexeren Verhaltenstests könnte dahingehend wegweisend sein.
Die krankhafte Fettleibigkeit (Adipositas) wird in weiten Teilen der Welt zunehmend zum bestimmenden Gesundheitsproblem. Die Datenerhebungen der Weltgesundheits-organisation (WHO) sowie der Organisation zur wirtschaftlichen Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) zeigen einen deutlichen Anstieg der Adipositasprävalenz über die letzten Jahrzehnte. In vielen OECD Ländern gilt heute über die Hälfte der Bevölkerung als übergewichtig oder adipös (WHO: Website der WHO, zuletzt geprüft am 02.09.2017; OECD: Fettleibigkeit und Übergewicht nehmen in den OECD-Ländern weiter zu, zuletzt geprüft am 02.09.2017). Dies wird zur immer größeren Belastung für das Gesundheitssystem, da Adipositas mit vielen Sekundärkrankheiten wie Herz-Kreislauferkrankungen, Bluthochdruck und bestimmten Krebsarten assoziiert wird (Bray 2004; Després et al. 2001; Malnick und Knobler 2006). Für das Jahr 2003 wurde für das deutsche Gesundheitssystem dadurch ein finanzieller Aufwand in Höhe von 11 Milliarden Euro für die Behandlung von Adipositas oder durch Adipositas verursachte Komorbiditäten veranschlagt (Knoll 2010). Hinzu kommen „emotionale Kosten“ der Betroffenen, die unter sozialer Ausgrenzung und Stigmatisierung leiden (Latner und Stunkard 2003; Neumark-Sztainer et al. 1998; Sobal et al. 1995; Brewis et al. 2011; Brewis 2014).
Neben diesen klar Adipositas-assoziierten gesundheitlichen Beeinträchtigungen hat es immer wieder Untersuchungen zu einem möglichen Zusammenhang von Adipositas und Kognition gegeben. Dieser wurde in vielen Studien am Menschen untersucht und die bisherigen Ergebnisse sehr anschaulich von Anna Dahl und Linda Hassing 2013 beziehungsweise Christina Prickett und Kollegen 2015 analysiert (Dahl und Hassing 2013; Prickett et al. 2015). Diese Übersichtsarbeiten zeigen auf, dass es durchaus Belege für einen Zusammenhang von Adipositas und Kognition gibt, allerdings ist die Datenlage zu diesem Thema durchaus ambivalent.
In dieser Arbeit sollte deshalb der Einfluss von Adipositas auf die Kognition mithilfe eines etablierten Mausmodells für Adipositas untersucht werden. Zu diesem Zweck wurden adulte, vier bis sechs Monate alte, Leptin-defiziente Mäuse (ob) und deren Wildtypkontrollen (wt) vergleichend untersucht. Unsere Daten zeigen, dass Adipositas im Mausmodell nicht mit einer kognitiven Beeinträchtigung einher geht. Sowohl im Verhaltensexperiment (hippocampusabhängiges Lernen, Morris water maze) als auch auf zellulärer Ebene in der Verbindungsdichte der Nervenzellen untereinander (Dichte dendritischer Dornen) zeigten sich zwischen Leptin-defizienten und Wildtyptieren keine signifikanten Unterschiede.
Allerdings wiesen Leptin-defiziente Tiere ein kleineres Hirnvolumen als Wildtypkontrolltiere auf, ein Ergebnis, das mit anderen Publikationen übereinstimmt (Ahima et al. 1999; Steppan und Swick 1999). Detaillierte Analysen der Volumenverhältnisse im Gehirn von Leptin-defizienten und Wildtypmäusen in dieser Arbeit ergaben, dass sich die relativen Größenverhältnisse im Gehirn von ob‑Tieren zugunsten des Hippocampus verschieben. Diese Ergebnisse widersprechen damit Befunden in adipösen Menschen, die kleinere Hippocampusvolumina aufwiesen (Isaac et al. 2011).
Die adulte hippocampale Neurogenese selbst, also die Bildung neuer, funktionaler Neuronen im adulten Gehirn, war im Gyrus dentatus von Leptin-defizienten Mäusen signifikant vermindert. Zusammen mit den Analysen von Proliferation und Apoptose von Hirnzellen im Gyrus dentatus, konnte diese eingeschränkt Neurogenese auf eine geringere Proliferation neuronaler Vorläuferzellen zurückgeführt werden. Die Überlebens-wahrscheinlichkeit schien dabei nicht beeinflusst, da keine erhöhte Apoptose im Gyrus dentatus ermittelt werden konnte.
Die hier durchgeführten Experimente konnten keine direkte, negative Auswirkung von Adipositas auf Kognition im Mausmodell belegen. Wenngleich ein Einfluss auf Aspekte der neuronalen Plastizität durch eine verminderte adulte Neurogenese sowie das Gehirngesamtvolumen bestätigt werden konnte, waren Veränderungen des Verhaltens der ob‑Tiere unter Berücksichtigung ihrer motorischen Defizite nicht nachweisbar.
Mentale Retardierung (MR) wird definiert als ein erniedrigter Intelligenzquotient unter beziehungsweise gleich 70. Man weiß, dass MR im Rahmen anderer Krankheiten, wie Autismus oder Schizophrenie eine starke genetische Komponente in der Entstehung aufweist. Diesen Krankheiten liegen höchstwahrscheinlich entwicklungsbedingte Fehlanlagen von Nervenzellverbindungen, sowie eine verminderte synaptische Plastizität, also aktivitätsbedingte Veränderungen der bestehenden Nervenzellverbindungen, zugrunde. Dieses Spektrum an Erkrankungen wird häufig als Neurodevelopmental Disorders (ND) zusammengefasst.
In den letzten Jahren wurden viele Gene identifiziert, die einerseits mit dem physiologischen Lernen, als auch bei deren Abwesenheit oder Fehlfunktion mit MR oder anderen Krankheiten im Spektrum der ND assoziiert werden konnten. Dazu gehört das SrGAP3-Gen mit dem dazugehörigen Produkt, dem Protein (Slit-Robo Rho-GTPase activating Protein 3). Gegenstand dieser Arbeit waren genetisch modifizierte Mäuse (Knockoutmäuse), deren SrGAP3-Gene vollständig ausgeschaltet wurden. In vorhergehenden morphologischen Untersuchen zeigten diese Mäuse eindrückliche Veränderungen des Zentralen Nervensystems (ZNS), wie eine Vergrößerung der Hirnmasse und insbesondere des Gesamtvolumens. Zudem fiel eine Vergrößerung der Ventrikel, den flüssigkeitsgefüllten Hohlräumen des ZNS, auf. Diese Vergrößerung wird als Hydrocephalus bezeichnet.
In dieser Arbeit wurden vergleichende Verhaltensversuche von gesunden Kontrollmäusen und modifizierten Knockoutmäusen durchgeführt. Diese Versuche beinhalteten unter anderem die Beobachtung der motorischen Fähigkeiten im Open Field, über Erfassung der Neugierde im Hole Board, räumliches Lernen im Morris Water Maze, Nestbauverhalten im Nest Building, sowie eine Erfassung des Grabtriebes im Marble Burying. Zu unserer Überraschung zeigten die Knockoutmäuse insbesondere in den Lerntests keine statistisch signifikante Verschlechterung, obwohl sie so starke Auffälligkeiten in der Anatomie zeigten.
Die signifikante Verschlechterung im Marble Burying, sowie das in Voruntersuchungen auffällig eingeschränkte Sozialverhalten der Knockoutmäuse, lassen in der Gesamtschau von der Annahme einer MR in Assoziation mit dem SrGAP3-Gendefekt Abstand nehmen. Eher rücken andere Krankheiten im Spektrum der ND in den Fokus. Insbesondere sei hier die Schizophrenie zu erwähnen bei der eine genetische Komponente mit Defekten von SrGAP3-ähnlichen Genen bereits in der Literatur beschrieben wurde.