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Die dem Leben zugrundeliegenden Prozesse sind hochkomplex. Sie werden zu einem Großteil durch Proteine umgesetzt. Diese spielen eine tragende Rolle für die morphologische Struktur und Vielfalt sowie Spezifität der Fähigkeiten der verschiedenen Zelltypen. Jedoch wirken Proteine nicht isoliert für sich allein sondern indem sie miteinander oder mit anderen Molekülen in der Zelle (DNA, Metabolite, Signalstoffe etc.) wechselwirken. Gerät dieses Geflecht von aufeinander abgestimmten Wechselwirkungen aus dem Gleichgewicht, kann das eine Ursache für Erkrankungen sein. Die Kenntnis über fehlregulierte Interaktionen kann dabei helfen, die betreffende Krankheit besser zu verstehen und gegen sie zu intervenieren. Die vorliegende Dissertation beschäftigt sich mit der Identifizierung von solch differentiell regulierten Interaktionen. Im Rahmen der Arbeit wurde eine Methode mit dem Namen ExprEssence entwickelt, welche diejenigen Interaktionen in einem Protein-Protein-Interaktionsnetzwerk identifiziert, die sich zwischen zwei verglichenen Zuständen (z.B. krank versus gesund) am stärksten unterscheiden. Ziel ist es, das Netzwerk auf die wesentlichen Unterschiede zwischen den zwei untersuchten Zuständen zu reduzieren. Hierzu werden Genexpressions- oder Proteomdaten der beiden Zustände in das bereits bestehende Netzwerk integriert. Aus diesen Daten wird die Stärke/Häufigkeit des Auftretens der einzelnen Interaktionen des Netzwerks geschätzt. Die Interaktionen, deren Interaktionsstärken sich zwischen den betrachteten Zuständen am stärksten unterscheiden, werden beibehalten – die restlichen Interaktionen werden verworfen. Dies ergibt ein verkleinertes Subnetzwerk, das aus jenen Interaktionen besteht, die am stärksten differentiell reguliert sind. Diese Interaktionen und ihre Proteine sind Kandidaten für eine Erklärung der biologischen Unterschiede der betrachteten Zustände auf molekularem Niveau. Die Methode wurde auf verschiedene biologische Fragestellungen angewandt und mit anderen ähnlichen Methoden verglichen. Bei der Untersuchung der Unterschiede zwischen Erfolg und Misserfolg einer chemotherapeutischen Brustkrebstherapie konnte beispielsweise gezeigt werden, dass das mit ExprEssence erstellte Subnetzwerk einen stärkeren Bezug zu den bereits bekannten Therapieerfolg-relevanten Mechanismen aufweist als die Methoden, mit denen ExprEssence verglichen wurde. Weiterhin wurde im Subnetzwerk eine möglicherweise für den Therapieerfolg relevante Interaktion identifiziert, die in diesem Zusammenhang bisher nicht betrachtet wurde. Deren Bedeutung konnte in der experimentellen Nachverfolgung weiter untermauert werden. Einen weiteren Schwerpunkt der Arbeit bildete die Untersuchung des Interaktoms eines spezialisierten Zelltyps der Niere – des Podozyten. Dieser Zelltyp ist essentiell für die Filtrationskompetenz der Niere. Ein Interaktionsnetzwerk mit spezifisch für den Podozyten relevanten Interaktion gib es bisher nicht. Daher wurde ein Podozyten-spezifisches Protein-Protein-Interaktionsnetzwerk aus wissenschaftlichen Veröffentlichungen zusammengestellt und öffentlich verfügbar gemacht. Genexpressionsdaten vielfältiger Art, beispielsweise von Podozyten in verschiedenen Entwicklungsstadien oder in Zellkultur, wurden in das Netzwerk integriert und mit ExprEssence analysiert. So konnte beispielsweise gezeigt werden, dass die Dedifferenzierung von in Kultur gehaltenen Podozyten nicht dem Umkehrweg der zuvor durchlaufenen Differenzierung entspricht. Neben ExprEssence wurde weitere Software entwickelt, die die Anwendbarkeit von ExprEssence erweitert – MovieMaker und ExprEsSector. Mit MovieMaker werden die Übergänge zwischen den betrachteten Zuständen nachvollziehbarer visualisiert. ExprEsSector bildet die Vereinigungs- und Schnittmengen-Netzwerke von ExprEssence-Subnetzwerken. So können beispielsweise verschiedenen Krankheiten gemeinsame Veränderungen vom Normalzustand identifiziert werden. Ist für eine Krankheit bereits ein Therapieansatz vorhanden, der auf eine fehlregulierte Interaktion einwirkt, und ist diese Interaktion auch in der anderen Krankheit gleichartig differentiell reguliert, kann geprüft werden, ob diese Therapie auf die zweite Krankheit übertragen werden kann. Neben der Vorstellung und Diskussion der erzielten Ergebnisse, wird auch auf methodisch bedingte Nachteile eingegangen. Es werden Strategien aufgezeigt, wie die negativen Einflüsse möglichst minimiert werden können oder wie sie bei der Bewertung der Ergebnisse zu berücksichtigen sind. In Anbetracht der immer schneller ansteigenden Menge biologischer Daten ist es eine wesentliche Herausforderung geworden, aus diesen die essentiellen Informationen zu extrahieren. Der integrative Ansatz der Verknüpfung von Informationen verschiedener Quellen wurde mit ExprEssence und den Erweiterungen MovieMaker und ExprEsSector in einem Konzept zur Identifizierung zustandsrelevanter molekularer Mechanismen in intuitiv leicht erfassbarer Form umgesetzt.