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Anwendung additiver Fertigungstechniken zur Herstellung und Applikation oraler Darreichungsformen
(2021)
Der 3D-Druck hat in den vergangenen Jahren einen enormen Interessenzuwachs erzeugt. Aufgrund der einfachen Zugänglichkeit und Bedienbarkeit und aufgrund seiner enormen Möglichkeiten als additive Fertigungstechnologie ist das große Potenzial dieser Technologie auch im pharmazeutischen Bereich nicht verborgen geblieben. Daraus hat sich ein Hype ergeben, welcher 2015 sogar in der Zulassung des ersten 3D-gedruckten Fertigarzneimittels Spritam® durch die FDA resultierte. Jedoch ist dieses Präparates gleichzeitig auch ein gutes Beispiel für die Limitationen des 3D-Druckes. Die Herstellung einer 3D-gedruckten Spritam®-Tablette kostet ein Vielfaches im Vergleich zur Herstellung mit konventioneller Tablettierung. Daraus ergibt sich fast schon zwangsläufig, dass der 3D-Druck sich nicht als Technologie zu Herstellung klassischer oraler Darreichungsformen eignet. Seine Möglichkeiten liegen viel mehr im Gebiet der Individualisierung von Arzneiformen und der Entwicklung von Arzneiformen und Medizinprodukten. Hier kann das Potenzial dieser Technologie wesentlich effizienter ausgeschöpft werden. Daher war es das Ziel dieser Arbeit, den 3D-Druck zu nutzen, um innovative und individualisierbare Darreichungsformen zu entwickeln. Außerdem sollte mittels 3D-Druck eine Applikationshilfe für eine innovative Darreichungsform entwickelt werden. Auch die Herstellung von Minitabletten für die pädiatrische Anwendung wurde untersucht.
Die durchgeführten Untersuchungen zeigten, dass der 3D-Druck vielfältige Anwendung in der Pharmazie finden kann. So konnten unter Nutzung des 3D-Druckes lebensmittelechte Applikatoren hergestellt werden, die die In vivo-Testung der innovativen Darreichungsform EsoCap erst ermöglichte und so im Rahmen einer Machbarkeitsstudie die prinzipielle Funktionalität dieser Darreichungsform zeigte. Dabei bietet der 3D-Druck im Rapid Prototyping den Vorteil, dass es sich um eine vergleichsweise günstige und schnell zu realisierende Technik handelt. Weiterhin bieten die leichte Bedienbarkeit, die realisierbare Formenvielfalt, eine Vielzahl zur Verfügung stehender Filamente mit unterschiedlichsten Eigenschaften und der niederschwellige Zugang zu dieser Technologie auch Personen ohne entsprechenden Hintergrund die Möglichkeit zur Prototypenentwicklung. Dies ermöglicht eine schnelle und angepasste Entwicklung ohne weitere Beteiligung externer Institute oder Dienstleiter. Darüber hinaus kann der 3D-Druck auch Anwendung in der Modifizierung von Freisetzungstestern finden oder zur Ersatzteilproduktion dienen. Auch zur Herstellung von Darreichungsformen mit neuartigen Freisetzungsmechanismen kann der 3D-Druck genutzt werden. Dabei zeigte sich in der durchgeführten In vivo-Studie an Hunden, dass eine prinzipielle Herstellung mittels 3D-Druck möglich ist, aber auch Limitationen, speziell des FDM-basierten 3D-Druckes, aufweist. So zeigte sich eine mangelnde Reproduzierbarkeit bei der Herstellung der drucksensitiven Arzneiform, die wahrscheinlich dazu führte, dass bei der Hälfte der Applikationen bei den Versuchstieren die Kapsel nicht durch die physiologischen Kräfte zerstört wurde und so keinen Wirkstoff freisetzte. Hierbei bleibt anzumerken, dass durch Nutzung alternativer additiver Herstellungsverfahren im Rahmen weiterer Untersuchungen diese Problematik weiter erforscht werden kann. Nichtsdestotrotz ermöglicht der 3D-Druck die Herstellung von Darreichungsformen mit neuartigen Freisetzungsmechanismen, die mittels konventionellen Herstellungstechniken schwer beziehungsweise gar nicht hergestellt werden können. Im letzten Punkt dieser Arbeit wurde der 3D-Druck als alternatives Herstellungsverfahren für pädiatrische Arzneimittel untersucht. Dazu wurden Minitabletten mit unterschiedlichen Durchmessern unter Variation der Wirkstoffe und Polymere hergestellt. Dabei zeigte sich, dass der 3D-Druck sowohl die Möglichkeit bietet, über die Variation der Anzahl applizierter Minitabletten als auch über die Variation der Größe eine Dosisindividualisierung vorzunehmen. Die so hergestellten Arzneimittel entsprachen dabei auch den Vorgaben des europäischen Arzneibuches hinsichtlich der Massegleichförmigkeit. Damit konnte gezeigt werden, dass die Herstellung von Minitabletten mittels 3D-Druck eine Alternative zu der konventionellen Kapselherstellung darstellt. Dabei bleibt anzumerken, dass weitere Untersuchungen notwendig sind, um weitere, im Bereich der Pädiatrie eingesetzten Arzneistoffe auf ihre Eignung für die Schmelzextrusion und den 3D-Druck zu untersuchen.
Zusammenfassend konnte in der vorliegenden Arbeit gezeigt werden, dass die Verwendung additiver Herstellungsverfahren wie der FDM-basierte 3D-Druck in der Pharmazie auf unterschiedlichste Weise Anwendung finden kann. So können zum einen schnell, einfach und auch kostengünstig Prototypen und auch Ersatzteile hergestellt werden. Dieser Aspekt und die Tatsache, dass auch ohne umfangreiche Schulungen der 3D-Druck nutzbar ist, zeigen auf, dass der 3D-Druck ein nützliches Werkzeug im Bereich des Rapid Prototypings von Applikationshilfen, aber auch im Bereich der Entwicklung von biorelevanten Testmodellen darstellt. Auch können durch die Nutzung des 3D-Druckes neuartige, innovative Freisetzungssysteme hergestellt und getestet werden. Darüber hinaus schaffen additive Fertigungstechniken weiterhin die Möglichkeit, mögliche Alternativen im Bereich der Herstellung pädiatrischer Arzneimittel herzustellen.
Der Einsatz von 3D-Druckverfahren für die Herstellung von Arzneimitteln und Medizinprodukten stellt eines der größten neu entstandenen Forschungsgebiete dieses Jahrzehnts dar und gilt als ein technologischer Meilenstein im Bereich der personalisierten Medizin. Neben der Formindividualisierung von Implantaten können durch 3D-Druckverfahren wie dem in dieser Arbeit untersuchten Fused deposition modeling (FDM) auch die Wirkstoffdosis angepasst, deren Freisetzung gesteuert oder mehrere Wirkstoffe und/oder Freisetzungsprofile in einer Darreichungsform patientenindividuell kombiniert werden. Voraussetzung für diese Formulierungsentwicklungen sind geeignete pharmazeutische Polymere und eine genaue Kenntnis ihrer Extrudier- und Druckbarkeit und ihrer Wirkstofffreisetzung, die im Rahmen dieser Arbeit untersucht werden sollten. Neben der Identifikation und Evaluation von druckbaren Polymeren sollte auch das Potenzial des FDMs für die Produktion von wirkstoffhaltigen Darreichungsformen sowohl für die parenterale als auch die perorale Applikation mit besonderem Augenmerk auf anspruchsvolle Wirkstoffe geprüft werden. Mit der Aufnahme dieser Arbeit belief sich die Auswahl an druckbaren Materialien für pharmazeutische Anwendungen primär auf die auch im technischen FDM verwendeten Polymere Polylactid und Polyvinylalkohol. Das zunächst begrenzte Spektrum möglicher Freisetzungsprofile der inkorporierten Arzneistoffe konnte unter anderem durch die in dieser Arbeit dargelegten Untersuchungen erweitert werden. Im Bereich des FDMs von Implantaten ergaben das bei nur 53 °C gedruckte Polycaprolacton eine vielversprechende Freisetzung des im Polymer komplett gelösten Modellarzneistoffs Chinin über einen Zeitraum von etwa 7 Wochen mit einer initial schnelleren Freisetzung, die sich sowohl durch die Wirkstoffbeladung als auch durch wasserlösliche Zusätze steuern ließ. Als Alternative zum klassischen FDM wurde darüber hinaus eine Spritzenextrusionsmethode zur Herstellung von flexibleren Hydrogel-Implantaten untersucht. Es konnten erfolgreich wirkstoffhaltige Glycerol-Gelatine-Modellimplantate gedruckt und anschließend quervernetzt werden. Abgesehen von ihrer guten Komprimierbarkeit für eine mögliche endoskopische Applikation sind jedoch die sehr schnelle Wirkstofffreisetzung innerhalb von 6 h und die beobachteten lagerungsabhängigen Volumenveränderungen nur schwer mit einer Anwendung als patientenindividuell angepasstes Implantat vereinbar. Im Bereich des FDMs von oralen Darreichungsformen lag der Fokus dieser Arbeit auf einer sehr schnellen Wirkstofffreisetzung aus der Polymermatrix und der Entwicklung von Lösungsstrategien für das FDM von anspruchsvollen Wirkstoffen, mit denen Forscher auch bei zukünftigen FDM-Anwendungen umgehen werden müssen. Eine der größten Limitationen der thermischen Verfahren Schmelzextrusion und FDM lag bis dato in der Notwendigkeit thermisch stabile Wirkstoffe einzusetzen. Durch ein ausführliches Screening von wasserlöslichen, pharmazeutischen Polymeren bei gleichzeitigem Einsatz des thermolabilen Modellarzneistoffs Pantoprazol-Natrium konnten in dieser Arbeit erfolgreich Formulierungen entwickelt werden, die bei Temperaturen unter 100 °C extrudier- und druckbar sind und eine schnelle Wirkstofffreisetzung aufweisen. Zu den vielversprechendsten Kandidaten gehören die amorphen festen Lösung des Polymers Polyethylenglycol 6000 mit einer sehr niedrigen Drucktemperatur von 54 °C und einer abgeschlossenen Freisetzung innerhalb von 30 min und die Formulierung des Polyvinylpyrrolidons K12, die neben den 10 % Pantoprazol auch 15 % Triethylcitrat enthielt und den kompletten Wirkstoff in etwa 10 min freisetzte. Durch Änderung des Druckdesigns der biplanen Tablette durch Senkung der Füllungsrate und Erhöhung der Tablettenporosität konnte diese Freisetzungszeit noch weiter auf sehr schnelle 3 min reduziert werden. Da das verwendete Pantoprazol zusätzlich säurelabil ist, erfolgte in einem nächsten Schritt eine magensaftresistente Ummantelung dieser schnell freisetzenden Tablettenkerne mittels Zweidüsen-FDM. Aufgrund der hohen Drucktemperatur des dafür verwendeten Celluloseacetatphthalats ergab sich ein zweigeteiltes Manteldesign, das jedoch in anschließenden Freisetzungsuntersuchungen keine komplette Magensaftresistenz erzielen konnte. Für eine ausreichende Dichtigkeit sollte für zukünftige Untersuchungen eine Veränderung im Düsenwechsel und/oder der Druck eines dickeren Mantels in Betracht gezogen werden, der wiederum eine weitere Verzögerung der Arzneistofffreisetzung nach dem pH-Anstieg bei Übertritt der Tablette in den Darm bedingen würde. Zusammenfassend betrachtet, liefert die vorliegende Arbeit wertvolle Erkenntnisse über den Einsatz von verschiedenen Polymeren für das FDM von Tabletten und Implantaten, die für eine gezielte Freisetzung - auch von anspruchsvollen Arzneistoffen – für kommende FDM-Anwendungen genutzt werden können.